Seiner Feigheit und Unzuverläsfizkeit gelang eZ schließlich den Regierungen, >ie Volksbewegung wieder niederzuschlagen. £ Abermals wanderten die besten Tlemmte der deutschen Arbeiterschaft und ihrer Wortführer in'» Ausland. Abermals versuchten sie, wie vor 1848, von dort die revolutionären Prinzipien zu importiren. Das hörte jedoch bald auf. Nicht bloi die deutsche, sondern auch die französische und englische Arbeiterbewegung schliefen ein, ermatttet von d-n Schlägen der Jahre 1848 und 184». Die einzige fruchtbringend« Thätigkeit, die die deutschen Arbeiter im Ausland entfalten konnten, war, an ihrer eigenen Belehrung und Gntwickelung zu arbeiten. Und das hat gar mancher gethan und dadurch die so plötzliche und rasche Ausdehnung der Arbeiterbewegung in den Anfängen der sechziger Jahre verbreiten Helsen . So rasch und anscheinend unvermittelt entfaltete sich diese, daß sie nicht nur die Außenstehenden, sondern auch manch? ihrer Theilnehmer überraschte und ihre Phantasie anregte. Die Legende fand fruchtbaren Boden, namentlich in Bezug auf die Ansänge der Lasialle'schen Bewegung sowie der Internationale. Diese Anfänge verlieren viel von ihrer Wunderbarkeit für jeden, der die Thätigkeit der deutschen Arbeitervereine im Ausland vor 1348 in Betracht zieht. Die Lehren Weitling's auf der einen Seite, die det kommunistischen Manisests auf der anderen waren nicht verloren gegan- gen. Sie hatten während deS Jahrzehnts nach der Revolution in man- chem Kops Wurzel geschlagen, Manchen zum Nachdenken angeregt. Bei dem ersten Anstoß fanden sich die bisher isolirten Elemente zusammen, faßten Muth und Zuversicht und bildeten somit den Kern der neuen Be- wegung. Die deutschen Arbeitervereine im Ausland haben eine große Aufgabe gehabt, und man hat im Allgemeinen bisher noch viel zu wenig gewür- digt, wie gut sie dieselbe gelöst und welchen Einfluß sie auf die Entwick- lung der Arbeiterbewegung in Deutschland genommen haben. Aber je mehr diese sich entwickelte und die Masten de» deutschen Pcole- tariatS ergriff, desto weniger bedurste sie der Hilfe von Außen und desto geringer wurde da». waS die deutschen Arbeitervereine im AuS- land für sie thun konnten. In theoretischer Beziehung war im Ausland, auch in Lon- don, für einen Arbeiter nichts mehr zu holen, waS ihm nicht auch in Deutschland ebenso leicht, meist noch leichter zugänglich gewesen wäre, seitdem die deutsche Sozialdemokratie daselbst eine starke Presse und eine ausgedehnte Broschürenliteratur erhalten hatte, wozu sich 1867 noch der erste Band der systematischen Zusammenfastung und Darlegung der theoretischen Grundlagen des modernen Sozialismus gesellte: das �Kapital". In praktischer Beziehung wurde eS jetzt aber geradezu ein ?! a ch t h e i l, die sozialistische Rekrutenschule im AuSland statt im Reich" durchzumachen. Der Arbeiter, der in Deutschland in die Be> wegung eintrat, lernte sie als Massenbewegung kennen, deren großartiger Charakter seine Rückwirkung auf ihn nicht verfehlte. Er lernte auch ihre lebendigen Beziehungen zu den Volks- »nassen kennen, aus denen sie ihre Kraft sog. Er lernte, wie schwierig es ist, eine große Mäste in Bewegung zu setzen, wie schwer, ihr eine neue Richtung zu geben, wenn sie einmal in Bewegung gekommen. Er lernte, sich als Einer von Hunderttausenden zu fühlen, waS ihm Selbst- bewußtsein und Zuversicht, aber auch Unterordnung seines Ich unter die Gesammtheit, Parteidisziplin, einflößte. Wer dagegen in einem deutschen Arbeiterverein im Ausland in die Partei eingeführt wurde, dem erschien sie zunächst im Rahmen einer kleinen Körperschaft von vielleicht SV bis 80 Mann. Jede lebendige Bethätigung nach Außen fehlte: keine Massen, auf die zu wirken', kein Gegner, der zu bekämpfen. Der ganze Thaten- drang der Theilnehmer wurde nach Innen konzentrirt; die Auskämpfung von Differenzen innerhalb der Partei, die ja nirgends ausblieben, wurde die einzige Aufgabe, und in dem kleinen Rahmen nehmen die Gegensätze nur zu leicht einen kleinlichen und persönlichen Charakter an; der Thaten- drang droht in Stänkerei und Krakehlerei zu verkommen. Dabei lag es nahe, die Schwierigkeiten der praktischen Bewegung zu unterschätzen; man glaubte, es sei für ein paar Mann, die sich entschlossen zusammenthäten, eben so leicht, einen modernen Großstaat zu erobern, wie etwa das Bureau in einer Bereinsverlammlung. Wenn's in Deutschland nicht so rasch vorwärtsging, at» man wünscht«, war natürlich nur der Mangel an gutem Willen und der nöthigen Courage die Schuld daran. Rechnet man zu all' diesen Einflüssen noch hinzu, daß die alten erprobten Ge- Nossen , die bisher im Ausland« gewirkt, theils nach Deutschland zurück­gingen, theils müde wurden oder hinwegstarben, indeß es im Allgemeinen nicht mehr die besten Elemente waren, die in die Vereine im Ausland neu eintraten, da jeder tüchtige, klassenbewußte deutsche Arbeiter seit den sechsziger Jahren, wenn es nur irgend in setner Macht stand, in Deutsch - land blieb und wirkte, daß also das Niveau der Intelligenz in diesen Vereinen immer tiefer sank, so daß immer weniger dazu gehörte, in ihnen eine Rolle zu spielen, dann ist es leicht einzusehen, daß die Ber- hältnisse in den deutschen Arbeitervereinen des Auslands der Entwick- lung von Selbstgefälligkeit, Disziplinlosigkeit, Nörgelei und Prahlerei sehr günstig waren. Daß trotzdem auch in den letzten zwanzig Jahren noch so mancher brave Genosse aus diesen Vereinen hervorgegangen, widerlegt nicht daS Gesagte, sondern zeigt nur, welch' gesunder, wider- siandssähiger Geist im deutschen Proletarier steckt. Auf jeden Fall ge> hörte seit dem Beginn der sechziger Jahre mehr dazu, im Auslande ein guter Sozialdemokrat zu werden, als in Deutschland selbst. Vordem war e» umgekehrt gewesen. Die deutschen Arbeitervereine im Ausland nehmen denn auch zusehend» an politischer Bedeutung ab. Eine große Anzahl von ihnen war ver- nünstig genug, den veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, jedem Versuch zu entsagen, eine politische Rolle zu spielen und da» Schwer- gewicht auf die gegenseitige Unterstützung und gesellige Erholung ihrer Mitglieder zu legen; sie wurden HülsSkassen und VergnüzungSklubS, natürlich mit sozialistischem Charakter, denn ohne diesen ist heute ein freier Verein deutscher Arbeiter kaum mehr denkbar, aber ohne den An- spruch, in der deutschen Arbeiterbewegung mehr sein zu wollen, al» so viele andere Verein« dieser Art. Andere dagegen hielten an der Tradition fest, eine besondere Mission zu haben und ein« politische Rolle spielen zu müssen, die außer Verhält- niß zu ihren Kräften wie ihren Leistungen stand. Zeitweise traten immer wieder Umstände ein, die diesem Glauben neu« Kraft gaben, wenn er zu ersterben droht«, Umstände, welche diesen Bereinen vorübergehend «irklich eine ausnahmsweise Bedeutung verliehen. Es sei hier nur kurz auf dieInternationale" hingewiesen, in der die deutschen Arbeitervereine sowohl der Schweiz als namentlich Englands als ein sehr wesentliches zusammenhaltendes Element auftraten. Es war keine geringe Aufgabe, die Proudhonisten Frankreichs , Belgiens und der Westschweiz , die von einem Klassenkampf und einer politischen Be- wegung nicht» wissen wollten, mit den Engländern, die ganz im Gewerk- schastswesen, Streiks und liberaler Kritik aufgingen, in einer Organisa- tion zusammenzuhalten, deren Grundlage schließlich weder ProudhoniS- muS noch Trades-llnionismus, sondern das kommunistische Manifest, die Grundlage deS Kommunistenbundes war. Nur der staunenswerthen Toleranz in allen Fragen, die nicht Lebensfragen der Assoziation waren, und der großen geistigen Ueberlegenheit der deutschen Sozialisten im Londoner Generalrath unter der Führung von Marx war«s möglich, die auseinanderstrebenden Elemente so lange zusammen zu halten, bis ihnen da» Bewußtsein der internationalen Solidarität des Proletariats in Fleisch und Blut übergegangen war, daß alle auftauchenden Gegen- sätze es nicht wieder auslöschen sollten. Dem Generalrath wurde seine Aufgabe wenigstens in der Westschweiz und in London durch die daselbst bestehenden deutschen Arbeitervereine erleichtert. In ihrem Wirken auf da« Proletariat des Auslands, nicht Deutschlands , lag unter derInternationale" ihre Bedeutung. !(Schluß folgt.)

AuS der Rede Bebels zum neuen Sozialistengesetz. (Schluß.) ... Dann ist weiter gegen uns angeführt worden: Ahl wenn noch Zweifel beständen, insbesondere darüber, daß die Sozialdemokratie mit

dem Anarchismus in nächsten Beziehungen steht und eigentlich eine Ab- ait des Anarchismus ist, so hat das ihr Verhalten zu den verurtheilten Chicagoer Anarchisten gezeigt. In den Motiven werden wir auch bereits direkt als Sozialrevolutionäre bezeichnet, der AusdruckSozialist", Sozialdemokratie" ist verschwunden, es besteht nur noch eine sozial- revolutionäre Partei in Deutschland . Das ist die Bezeichnung, welche mit Vorliebe bisher die Anarchisten sich zugelegt hatten, daß sie die sozialrevolutionäre Partei wären, im Gegensatz zu uns, der söge- nannten sozialistisch- parlamentarrschen Parei. Die Regierung akzeptirt den Ausdruck und nimmt ihn als Waffe gegen uns. Gewiß auch intereffant!Daß ihr nur verkappte Anarchisten seid", sagt man,das hat deutlich bewiesen das Telegramm, welches die Einger, die Liebknecht die Bebel nach Chicago gerichtet haben!" Run, meine Herren, Herr von Puttkamer erklärte; dieAusführungen, die mein Freund Singer machte, um die Abschickung jene» Telegramms zu erklären, träfen nicht zu, denn eS fei nachgewiesen, und er habe den Richterspruch vor sich und habe sich die Mühe gegeben, ihn zu übersetzen, und daraus ersehen, daß die sieben in Chicago Berurtherlten auf Grund eineS rechtmäßig bestehenden Gesetzes verurtheilt seien, (Zurufe) waS die Anreizung zum Mord betrifft. (Zurufe.) ES ist mir nicht unbekannt, daß ein solche» Gesetz existirt. Mir sind ja die Verhandlungen des Prozesses vielleicht genau so bekannt wie Herrn von Puttkamer , und da muß ich vor allen Dingen das Eine sagen, daß nie und nimmer unter dem betreffenden Paragraphen subsumirt werden kann, daß, weil in der anarchistischen Presse im Allgemeinen mit der Propaganda der That gedroht und sie für nützlich erklärt worden ist, auS dieser allgemeinen Androhung aus diesen Speziallfall geschlossen und dies auf daS Konto der betreffenden Personen gesetzt werden konnte. Ich habe die feste Ueberzeugung und Sie werden mir gewiß nicht vorwerfen, daß ich von unseren Gerichten eine zu hohe Meinung hätte aber ich habe die feste Ueberzeugung, daß derselbe Fall in Deutsch - land unmöglich zur Verurtheilung zur Todes strafe hätle führen können. (Hört! links.) .... Herr von Puttkamer schein! ganz und gar vergessen zu haben, daß etwas länger als-in Jahr vor dem Zeitpunkt, da wir das Tele- gramm nach Chicago schickten, der Herr Reichskanzler, wie er selbst mit den bezüglichen Aktenstücken hier im Reichstag nachgewiesen, sich nach Sofia gewandt hat, um die Hochverräther. welche den Fürsten von Bulgarien , den Battenberger, vom Thron stürzten, zu begnadigen. (Hört! hört! Sehr gut! links.) Nun, wie unterscheidet sich denn dieses Vorgehen de» Reichskanzlers von dem unfern? Hat Fürst Bismarck sich nicht in diplomatischen Noten mit der ganzen Wucht seines Einflusses für die bulgarischen Hochverräther, die dem Battenberger nach dem Leben trachteten, verwandt? Und noch mehr als das! Man mag über die Chicagoer Anarchisten urtheilen, wie man will, das Eine kann man nicht bestreiten: sie haben für ihre poli- tische Ueberzeugung gekämpft (Lebhafter Widerspruch rechts. Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kraten), wenn auch die Art dieses Kampfes eine verkehrte, eine zu verurtheilende ist; aber die bulgarischen Hochverrälher, diejenigen, welche den Batten- berger vom bulgarischen Thron gestoßen haben, die haben, durch den russischen Rubel bezahlt, sich zu dieser That herbei- gelassen. Wenn sie in Deutschland abgeurtheilt worden wären, so würden sie als Verbrecher, die au« niederen und gemeinen Motiven handelten, verurtheilt worden sein. Außerdem handelt es sich noch um ein Attentat gegen einen legitimen Fürsten, den Fürst Bismarck selbst hat einsetzen helfen. Damals aber hat man keine Spur von Entrüstung in den Reihen der Konservativen bemerkt. (Sehr richtig! links.) Die Stellung, die damals Deutschland oder richtiger: nicht Deutsch- land. sondern der Reichskanzler gegenüber Bulgarien und Rußland eingenommen hat, gehört zu den traurigsten Episoden der deutsche « Geschichte. (Unruhe rechts.) .... Herr von Puttkamer hat den klassischen Ausspruch gethan: die Sozialdemokratie muß schließlich zur Gewalt greifen, das ist gewisser- maßen naturnothwendig es liegt in der ganzen Entwicklung der Ber- hältnisse; der Moment muß endlich eintreten, wenn die Sozialdemokratie sich so weiter entwickelt wie bisher, wo sie zum gewaltsamen Ausbruch, zur Revolution getrieben wird. Ich gebe recht gern zu, daß bisher alle geschichtliche Erfahrung da- für spricht, daß, wenn in irgend einer Periode der Geschichte eine Klaffe, sei es, welche sie wolle und wir haben ja im Laufe der Geschichte sehr viele Umwandlungsperioden erlebt zur Herrschast zu kommen trachtete, sie bisher immer noch in letzter Instanz diese ihre Ziele mit Gewalt durchgesetzt hat. DaS geht j» aus der Geschichte keiner Klasse deutlicher hervor als aus der Geschichte des deutschen Adel». Wenn eS eine Geschichte gibt, die mit Blut, Verbrechen, Greuelthaten, Scheußlichkeiten aller Art geschrieben ist, dann ist es die Geschichte des Emporkommens des Adels und der Fürstengewalt in Europa , und besonders auch in Deutschland . Und wie angesichts dieser historisch unbestreit- baren Thatsache Sie von der Rechten sich auf das sittliche Roß setzen wollen, als ob von Ihrer Seile nie, in keiner Periode der Geschichte, etwas mit Gewalt durchgesetzt worden sei, und als sei die Gewalt nur ein von der verruchten Sozialdemokratie festgestellter Grundsatz und zu verwirklichendes Bestreben (Unruhe rechts), so wird die Sache von Ihnen hingestellt daS wäre nicht für möglich zu halten, wenn man es nicht sähe und hörte. Und doch will ich nur daran erinnern, welche blutigen Kämpfe allein der märkische Adel gegen die Hohenzollern geführt hat.... ... Wenn Ihnen aber die erwähnten Thatsachen zu weit zurückliegen sollten, so will ich an eine andere erinnern, die zwar auch schon etwas über 100 Jahre her ist, aber bei der es sich um hochgestellte, in der Geschichte eine Rolle spielende Personen handelt: die Thatsache, daß, als im Jahre 1762 Peter IH von Rußland ermordet wurde, es eine deutsche Prinzessin, seine eigene Gemahlin war, die den Dolch gegen ihn geschlissen und gelenkt hat und in die Verschwörung gegen ihn verwickelt war, werden Sie doch nicht bestreiten. Und dieselbe Prinzessin, die dann an Stelle ihres Gatten sich auf den blutgetränkten Thron setzte und al» Kaiserin Katharina II. berühmt geworden ist, wurde die intime Freundin Friedrich's des Großen, Boltaire's, d'Alem- bert'S u. f. w. und hat auch als solche bisher in der Geschichte geglänzt. Wir sehen also, daß ein Friedrich der Große gegen diese M e u ch e l- Mörderin keinen Abscheu hatte; er muß es doch wohlin der Ordnung" gefunden haben, daß sie ihren Gemahl ermordete. (Unruhe rechts.) Und soll ich daran erinnern, daß im Jahre 1784 der schwedische Adel unter der Führung des Grafen Ankerström es war, der den damaligen König Gustav III. auf einem Maskendall um'» Leben brachte? Wissen Sie nicht, daß die AdelSfamilien deS russischen Reiches«S waren, die im Jahre 1801 mit dem Grafen Palen und einem Herrn von Bennigsen an der Spitze (stürmische Heiterkeit) den Kaiser Pauli. um'S Leben brachten, und zwar in der furchtbarsten, grausamsten Weise? Also, meine Herren, in der That, wenn Sie Ihre eigene Geschichte nachlesen, die Vergangenheit Ihres eigenen Standes prüfen, dann haben Sie gar keine Ursache, un» einen Gpiegel vorzuhalten. Blicken Sie in den Spiegel, den Ihnen Ihre eigene Geschichte vorhält, da i-hen Sie Ihr Angesicht, das wesentlich anders ist als das, welches Sie jetzt aufzusetzen für nöthig finden, und aufzusetzen allerdings alle

Ursache haben, denn Sie sind heute noch in der Macht, alle Ihr« Wünsche oder nahezu alle Ihre Wünsche sind befriedigt. Sie ge- hören zu denSatten", und da versteht sich ja von selbst, daß Si« Ihr« zufriedenstellende soziale Position möglichst zu erhalten suchen, und zwar auf die Gefahr hin, mit den eigenen Waffen, mit denen Sie früher kämpften, niedergeschlagen zu werden.... .... Ich darf auch wohl daraus hinweisen, wie speziell der He« Reichskanzler von jeher nicht bloS in dem bulgarischen Fall ich möchte sagen, ein gewisses Faible fürH o ch v e r r ä t h e r" gehabt hat. Die bedeutendsten Männer in seiner nächsten Umgebung sind auS jene» Lager herausgeholt worden; ich erinnere nur an Lothar Bucher , der s» lange Zeit dem Fürsten Reichskanzler als Rithgeber und Helfer zur Seite gestanden hat. WaS war denn dieser Lothar Bucher vorher? Ein« einzige von ihm ausgegangene Proklamation, die ich hier zitiren will, wird Ihnen daS zeigen. In einem Schreiben, datirt aus Stolp vom 24. November 1848, sagt Lothar Bucher : Ich bin mir bewußt, in jenen Tagen(wo es sich um de« Steuerverweigerungsbeschluß handelte) wiederholt die Aeußerung gelhan zu haben, daß ich, wenn alle Mittel des passiven Wider- stände» vergeblich erschöpft, und die Nationalversammlung(was man stündlich erwartete) mit Gewalt auseinandergesprengt würde, es für die Pflicht der Volksvertreter hielte, überall, wo die Stim- mung der Bevölkerung einen günstigen Erfolg verspräche, es für geboten hielte, der Nothwehr folgend, gegen die bewaffnete« Attentate des Ministeriums Brandenburg einen bewaffneten Widerstand zu organisiren." (Hört! hört!) Lothar Bucher wurde darauf wegen versuchten Aufruhrs zum Verlust der Nationalkokard«, Verlust der Aemter als Obergerichtsassessor und und Stadtverordneter und zu IS Monaten Gefängniß verurtherlt. Gr entfloh; das Weitere wissen Sie. Weiter: derjenigeLeibjournalist" des Fürsten Bismarck, der in den sechziger Jahren dieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" für ihn grün- det«, und der der erste war, der in rückstchtslosester Weise seine Politik» die ja damals von allen Liberalen in der entschiedensten Weise bekämpft wurde, vertheidigte, das war ebenfalls ein achtundvierziger blutrother Demokrat, ein Revolutionär, der bekannte Herr Braß, von dem da» schöne Gedicht herrührt: Wir färben roth, wir färben gut, Wir färben mit Tyrannenblu t." Und die Tyrannen, die er meinte, wer waren denn diese? Die deutschenFürsten!.... ... Wir haben hier weiter in einer ganzen Reihe von Zeitung»- ausschnitten die Beweise, wie damals in den w e i t e st e n Kreise« des deutschen Bürgerthums die Meinung über Attentat« ganz ander« war, als sie heute hingestellt wird. Als im Jahre 1863 i» Baden-Baden das Attentat aus den König von Preußen seitens Becker'» erfolgte, da habe ich ich war damals ein sehr eifriger ZeitungSleser und, obgleich ein sehr junger Mann, ein sehr eifriger Politiker in keiner deutschen liberalen oder demokratischen Zeitung irgend welche ernsthafte Entrüstung gefunden. Und als im Jahre 1866 durch Blind auf den Fürsten Bismarck das bekannte Attentat verübt wurde, da find sogar in deutschen liberalen und demokratischen Blättern wahrhafte Lobeshymnen auf eben diesen Blind laut geworden. ... Ich habe hier ebenfalls schwarz auf weiß, wie geradezu direkt diese geschichtlichen Beispiele gegenüber dem damaligen Herrn von Bismarck als nachahmenswerth angeführt wurden. Ich erinnere ferner an eine, jenes Blind'sche Attentat betreffende Illustration, die ich bereits im Jahr 1878 hier erwähnt habe: auf einem Bilde erscheint in der einen Ecke der Altentäter Blind, in der anderen Ecke Herr von Bismarck und in der Mitte steht der Teufel; in dem Momente, wo der Attentäter die Pistole auf Fürst Bismarck anlegt, springt der Teufel dazwischen und ruft:Halt, der gehört mir! (Stürmische Heiterkeit.) Weiter, meine Herren, habe ich au« jener Periode ein Urtheil aus einem bürgerlich demokratischen Blatte, das in der allerdeutlichsten Weis« zeugt, wie man damals über das Attentat in süddeutschen Städten dachte. Es ist ein Artikel, versaßt von dem Demokraten Hopf. Da wird ge-; radezu bedauert, daß das Attentat aus Bismarck mißglückt sei, wird betont, daß dieser Gedanke des Bedauerns in ganz Deutschland getheilt werde, und es werden Bergleiche in so beleidigender Form zwischen dem Fürsten Bismarck und den berüchtigtsten Persönlichkeiten der Geschichte angeführt, daß ich es heute unterlasse, sie Ihnen anzuführen, weil ich< fürchte, ich würde auch um deswillen einen Ordnungsruf bekommen... ... Da ist ferner Herr Emil RitterShaui, der heute, wie so mancher Andere, der 1848 und noch viel später rother Demokrat und Revol» tionär war, mittlerweile ein sehr zahmer Nationalliberaler geworden ist; ich erinnere nur an Dr. Götz, den wir 1867 als unseren Partei- genossen ausgestellt haben, und der 1870, als eS sich um die Abstim- mung über die gegenwärtige Bundesverfassung handelte, im Reichstag unter großer Heiterkeit des HauseS erklärte:Meine Herren, eS wird mir zwar blutessigsauer, dafür zu stimmen; aber ich werde dafür! stimmen." (Abgeordneter Dr. Götz: Ich stimmte dafür aus Patriotismus.) Sie bestätigen ja nur, Herr Dr. Götz, waS ich anführt«, und weiter wollte ich nichts; ich wollte nur Ihren Gesinnungswechsel nach rückwärts konstatiren, und ich kann das auch eventuell durch ein gerichtliches Urtheil attestiren. (Zuruf dei Abgeordneten Dc. Götz: WaS waren Sie denn früher, Herr Bebel, als Geselle? Glocke de» Präsidenten.) Präsident Meine Herren, ich bitte, keine Zwiegespräche zu halte«. Abgeordneter Bebel: Bezahlen habe ich mich für den Wechsel meiner Ueberzeugung nie lassen, Herr Dr. Götz! Meine Herren, weiter! Dieser Emil Rittershaus , der heute hochpatrio- tische Gedichte verfaßt, der heute einer der ersten sogenannten reich»- treuen Männer, einer der größten Verherrlicher des jetzigen deutsche « Kaiser ? und de« Fürsten Bismarck ist, nun, meine Herren, was hat der damals in Oberlahnstein am Tage des bekannten Abgeordnetenfestes in Köln im Äahr 1863 für ein Gedicht verbrochen? Hören Sie einmal das Gedicht ist im Karl Blind'schenEidgenossen" S. III und 112 veröffentlicht und lautet am Schluß: Der Geist der Freiheit lebt und siegt! Nur Thorheit wähnt. daß sie ihn bannt! Das freie Wort, ein Bote, fliegt von Gau zu Gau , von Land zu Land; Mit festem Muthe klopft eS an um Einlaß an d«S Fürsten Brust Und raunt ins Ohr dem ärmsten Mann:Sei deine» Menschen- werths bewußt!" Die Jugend singt'S, ein hohes Lied, daß sie die Stirn« muthig h«bt. Daß ein Geschlecht der Teile wächst für jeden Geßler, der noch lebt! Nun, die Geßler, daS waren damals der Fürst Bismarck und ein noch Höherstehender. (Unruhe rechts. Zuruf deS Abgeordneten v. Kardorff.) Ja, meine Herren, in den Augen des Herrn Emil Ritterhaus ganz unzweifelhaft; ich mache ja den Vergleich nicht, Herr v. Kardorff I Herr Emil Rittershaus macht ihn, und ich führe ihn nur zum Beweise an, wie das liberale Bürgerthum damals urtheilte. Nachdem man mit der schönen Begründung, wir arbeiteten auf den gewaltsamen Umsturz hin, abermals das Sozialistengesetz uns als Mühlstein an den Hals hängen will und sogar den Versuch macht, die Bestimmungen desselbe« noch zu verschärfen, da habe ich für nothwendiz gehalten, an alle dies« notorischen Thatsachen, die uns älteren Lebenden, weil selbst erlebt, noch sehr genau im Gedächtniß haften, einmal zu erinnern und die Herreu einmal, ich will sage«, zur Ordnung aufzurufen; einen stärkeren und vielleicht passenderen Ausdruck will ich nicht ge brauchen.... ... Wenn Sie nach alledem noch bereit sind, da» Sozialistengesetz anz »