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nt�wnt, und womöglich auch die Verschärfungen, so thun Sie es. Ich An aber fest überzeugt, daß der Tag kommen wird, wo Sie eS bitter bereue« werde«, diesem fluchwürdigsten aller Gesetze Nhw Zustimmung gegeben zu haben. (Bravo ! bei den Sozialdemokraten.)
Sozialpolitische Rundschau.
Zürich , 21. Februar 1888. —«i«e echt republikanische Kundgebung. Wir würden eine grobe Unterlassungssünde und zugleich einen Akt der Undankbarkeit be- gehen, wenn wir nicht auch in unterem Blatte der am vorletzten Dienstag stattgehabten Versammlung Züricher Bürger gedächten, die sich in entschiedenster Weise gegen das nichtswürdige Spitzel- t h u m, sowie gegen jede Beeinträchtigung deS Asyl- rechts aussprachen. Männer aller Bevölkerungsklassen stimmten ein- müthig und unter minutenlangem Applaus einer Resolution zu, die folgenden Wortlaut hat: „Die Versammlung spricht Herrn Polizeihauptmann Fischer für seine Handlungsweise ihren Dank aus und erklärt, daß sich derselbe um unser Land wohlverdient gemacht hat. „Sie wünscht, daß die P o l i z e i s p i o n e und S g e n t S p r o v o« k a t e u r s vom Bundesrath künftig als solche und nicht als Anarchisten bezeichnet werden, und daß das Bundesstrafrecht eine Ergänzung erfahre, nach welcher es möglich wird, dieselben nicht blos auszuweisen, fondern auch zu bestrafen. Sie protestirt gegen jede Einschränkung deS A s y l r e ch t i." Eingeleitet wuroe die Versammlung durch Verlesen eines Briefes deS ursprünglich zum Referenten ausersehenen, aber durch ernstliche Erkran> iung am Erscheinen verhinderten Professors und Rationalraihsmitgliedes S a l. B ö g e l i n. Wir bedauern, daß uns der Raum fehlt, dieses von echt demokrattschem Geist zeugende Schriftstück seinem vollen Wortlaute »ach abzudrucken, wollen aber im Nachstehenden wenigstens einige be- merkenswerthe Stellen desselben wiedergeben. „Daß der Bundesrath der deutschen Regierung von jenen Enthüllungen (über das Spitzelthum) genaue Mittheilung machen werde, wird Niemand bezweiseln. Allein wenn wir sehen, daß diese Behörde, deren Palriotis- Mus über allem Verdacht steht, die Polizeispione Ehrenberg und Haupt «it der Bezeichnung„ A n a r ch i st e n" des Landes verwies, um nicht durch ihre wahre Qualifikation als Agents Provokateurs die befreundete Regierung zu beleidigen und bloszustellen, so muß der Bundes- »ath sich ja wohl im Innern beglückwünschen, daß es Andern möglich gemacht wurde, das Kind, und zwar vor aller Welt, beim rechten Namen zu nennen." ...„AlS der englische Gesandte in Bern im Herbst 1847 den Regie- rungen der radikalen Kantone den Rath zukommen ließ:„Schlagt sofort los; macht ein Ende mit dem Sonderbund, ehe die Mächte sich zu seinen Gunsten einmischen", da veröffentlichte er oder sein Auftraggeber, Lord Palmerston , auch Ver- Handlungen, die noch nicht zum Abschluß gediehen waren und deren Ge> Heimhaltung die Dienstordnung befahl. Der Gesandte folgte aber einem Höheren Interesse als seiner Dienstordnung, und die Schweiz dankt ihm noch heute dafür." ...„Ja, auch unsere Behörden selbst haben schon in hundert Fällen, wenn sie einen Verfolgten nicht mehr glaubten schützen zu können— ganz entgegen den Anforderungen ihrer offiziellen Stellung—«inen Wink gegeben, er möge sich,«he die Verhaftung erfolge, entfernen. Sie glaubten damit der Menschlichkeit einen Dienst zu thun, zugleich aber auch die Landesehre zu wahren, und das Land war ihnen dankbar. „Das ist auch die Stellung deS Herrn Polizeihauptmann Fischer. Er hat im Interesse eines höheren Gebotes den Buchstaben seiner Dienstver- pflichtung überschritten. Und dabei hat er, wie eS einem Manne geziemt, die volle Verantwortlichkeit dieses Schrittes auf sich genommen. Er hat seinen Oberbehörden, der Zürcherischen Polizeidirektion, dem Zürcherischen Regierungsrath und dem Bundesrath die Verlegenheit einer Anfrage erspart. Er hat, waS ihm geboten schien, frisch von sich aus gethan. Räch meiner Ueberzeugung gebührt ihm hiefür der DankDerer, welchen dieSache der Freiheit, welchen die Sich e r hei t u nd E hre u ns e r e s L and« s am Herzen liegt. S. Vögelin. Da auch Herr O b e r r i ch t e r Zürcher, der da« zweite Referat übernommen(Dies zur Notiz für diejenigen deutschen Reptile, welche die Bedeutung der Versammlung dadurch herabsetzen zu können glauben, daß sie sie schlechtweg zu einer„sozialdemokratischen Volksversammlung" stempeln), am Erscheinen verhindert war— durch eine sich bis in die späte Nacht hineinziehende Gerichtssitzung— referirte lediglich der Re- dakteur der demokratischen„Züricher Post", Th. Curti. Er kenn- zeichnete das Sozialistengesetz und seine Handhabung, die ungeheuer« Machtmittel, welche der deutschen Regierung bei dessen Durchführung, sowie überhaupt gegenüber jeder Opposition zur Verfügung stehen, sowie die Bismarck 'sche Sozialreform, schildert« dann die Reichstagssitzung, in der Singer und Bebel das Treiben des deutschen Spitzelthums im Auslande bloslegten, und beleuchtete schließlich die Frage, ob Polizeihaupt- mann Fischer berechtigt war, den deutschen Abgeordneten die bekannte Erklärung abzugeben, sowohl vom formell rechtlichen als vom allgemein politischen Gesichtspunkt. Am Schluß gestaltete sich seine Rede zu einer «ahrhaft schwungvollen Kundgebung für daS schweizerische Asylrecht. „Sollte man noch weiter gehen", rief er aus,„und überhaupt unsere bürgerlichen Rechte und diejenigen der Flüchtlinge, die auf unserem Boden weilen, beschränken wollen, sollte man die Drohungen wahr machen «ollen, welche gegen das VersammlungS- und Preßrecht da und dort etwa ausgesprochen worden sind, so wollen wir uns feierlich erklären für da» gleiche Recht aller Bürger auf der schweizerischen Erde und für den Schutz des Asyl«, wie derselbe bestanden hat seit Jahren und Jahr- Hunderten. „Es haben auf diesem Boden Männer der verschiedensten Ueberzeugung Zuflucht gefunden: im siebzehnten Jahrhundert die englischen Königs- mörder und im achtzehnten Jahrhundert die französischen Emigranten, die Anhänger des gmllotinirten Königs Ludwig XVI. , in neuerer Zeit die italienischen Carbonari, diese Theilnehmer der liberalen Berschwörun- zen, und die Bourbonen, denen die Krone vom Haupte gefallen war; es haben bei uns Zuflucht gesunden der Prinz Louis Bonaparte , für den wir sogar unsere Bataillone an die Grenze schickten, und die Opfer seines Staatsstreichs, die französischen Republikaner. Hier in Zürich lebten einfache arme Flüchtlinge, die nachher ausgestieg n sind zu großem Ansehen und Einfluß; die ein bedeutende« Wort mitzusprechen hatten für unseres Landes Stellung im Konzert der europäischen Staaten. So der spätere italienische Unterrichtsminister De Sanctts, eine der literari - schen Illustrationen Italien ». Hier war Melegari, damals verfolgt als Revolutionär und später der Gesandte des italienischen Königreichs in Bern . An unserem Polytechnikum lehrte als Professor Challemel-Lacour , der Verbannte deS 2. Dezember; er wurde in der Folge Abgeordnetsr, Senator, Minister und Gesandter der französischen Republik bei der Eid genossenschaft. „Meine Herren! Die Schicksale der Menschen wechseln und das Völker- leben hat fort und fort seine Stürme. In diesem Schicksaliwechsel ist das Bsylrecht eine stchere Wagnetnadel; in diesen Völkerstürmen ist da« Asylrecht«in Anker, der Grund findet. Ich weiß so gut wie Jedermann, daß dasselbe nicht»erbrieft ist durch Verträge, aber während unsere Neutralität nur durch ein zerknittertes Papier verbürgt wird und durch ein jährlich wachsende« Militärbudget gestützt ist, besteht das Asyl recht alS lebendiges Recht durch die Uebereinstimmunz der Völker und ist ein Bestandtheil des öffentlichen Gewissens. Es ist einer der Ruhmestitel unserer Republik in der Geschichte. Ich glaube, wir wollen unsere heutige Versammlung nicht hingehen lassen, ohne eine Lekrästigung der Gesinnung, daß die Schweiz auch fortan das Asyl der Verfolgten sein wird, sofern natürlich diese in den Schranken unserer Gesetze sich bewegen. Man soll sie nicht auch bei uns ächten dürfen.
Schiller, der große Dichter, welcher daS Wort gesprochen, daS auch heute wieder paßt:„Männerstolz vor Königsthronen!"—„Untergang der Lügenbrut!", er hat auch den Geist des GebirgS das Wort sprechen lassen zu dem Jäger, welcher das Wild hetzt: „Was verfolgst du meine Heerde? Raum für All- hat die Erde!" Ich habe gesprochen." Der Beifall, der diesen Worten folgte, wollte schier kein Ende nehmen und wir sind überzeugt, er wird in den Herzen Hunderttausender deut- scher Arbeiter und Freiheitifreunde begeisterten Wiederhall finden. — Si« Geständniß.„Meine Herren, ich unterschreibe diese Be- hauptungen in Bezug auf den Erfolg des Gesetzes vollständig; dabei wird mir aber der Herr Minister und wohl jeder in diesem Hause zu- geben, daß gerade diese Ersolgskategorien, in gewisser Beziehung die Kriterien des Mehr- und Mindererfolgs schwieriger aufzufinden und festzustellen sind, und ich möchte deshalb dazu übergehen, diese Erfolge zu erweitern, indem ich untersuche, welche Erfolge das Gesetz gerade auf das Verhältniß zwischen Arbeitgebern und Arbeitern gehabt hat. M. H., dies ist ein Gebiet, wo der Erfolg sich durch zahl- reiche klassische Zeugen der Arbeitgeber selbst mit großer Sicherheit fest- stellen läßt, und ich glaube, daß sie um so mehr dazu berufen sind, als es nicht dem mindesten Zweifel unterliegen kann, daß dieseS Gesetz nicht bloß erlassen worden ist im Interesse der allgemeinen Ordnung, sondern speziell, um den Versuchungen des Arbeiter stände« und dem dadurch unerträglich gewordenen Verhältniß zwischen Arbeit- gebern und Arbeitern ein Ende zu machen. Von diesem Standpunkte aus, meine Herren, darf ich nun sagen, daß ich, der ich mit der Arbetterwelt seit langen Jahren in der genauesten Berührung stehe, der ich auf meinen Reisen und in meiner Beschäftigung mich auf ganz Deutschland beziehen kann, der ich seit Erlaß des Sozialistengesetzes hundert und abermals hundert Mal mit Industriellen, mit Gewerbetreibenden über diese Wirkung des Sozialistengesetzes gesprochen habe, ich kann hier konstatiren, und ich fürchte einen Widerspruch weder in diesem Hause noch im Lande, daß der Einfluß des Sozialistengesetzes aus die Besserung des Verhältnisses zwischen Arbeitern und Arbettgebern ein so entscheidender, so ausschlaggebender, so«indringlicher gewesen ist, daß es vollständig unmöglich ist, denselben zu leugnen.(Sehr richtig!) Damit glaube ich dem Zeugniß für die positive Bedeutung des Gesetzes einen wichtigen Baustein hinzugefügt zu haben. Wir sind allerdings durchaus nicht der Meinung, daß damit alles erreicht ist, was erreicht werden müßte. Wir sind auch nicht der Meinung, daß die Folgen der sozialdemokratischen Agitatton damit im Arbeiterstande ausgelöscht seien. Gerade derjenige, welcher sich auf positivem Gebiete mit der Besserung der Sozialdemokratie und der materiellen Verhältnisse der Arbeiter be- schästtgt, wird immer finden, daß er noch theils in minderm, theils in höherm Grade einem gewissen Mißtrauen, einer Zurückhaltung seitens der Arbeiter begegnet, auch wenn man ihnen mit den wohlwollendsten Absichten entgegenkommt. Zum andern ist auch im Gebiet der Arbeit dieser große Nachtheil nicht überwunden, der aus jenen Ausschreitungen in den si-bzig-r Jahren entstanden ist, in dem nämlich das Kapital sich in der auffallendsten Weise von der Berührung mit der industriellen Welt zurückzog, insofern sie durch die Arbeiterschaft vermittelt werden muß. Ein großer Theil der Schuld, daß wir seit 10— 15 Iahren Milliarden ins Ausland senden, liegt darin, daß noch heute in den Kapitalisten die Rücksicht auf die sozialdemokratischen Ausschreitungen nachwirkt und daß noch heute die Abneigung vorherrscht, sich solchen Eventualitäten auszusetzen. So laut Bericht der„Kölnischen Zeitung " Herr Oechelhäuser, nationalliberaler Abgeordneter für Anhalt- Bernburg , in der Reichs- tagssttzung vom 17. Februar. Mit dürren Worten wird hier einge- standen, daß der eigentliche Zweck des Sozialisten- g e s e tz e S darin besteht, das Verhältniß zwischen Unternehmern und Arbeitern zu einem„erträglichen"— natürlich vom Unternehmer- standpunkt aus— zu gestalten, d. h. die Arbeiter mehr noch als von den sozialistischen ZukunfiSbestrebungen, von der energifchen Vertretung ihrer Interessen in der heutigen Gesellschaft abzuhalten, ihnen im wirthfchaftlichen Kampf um'o Dasein die Hände zu binden. Das ist allein unter der Redensart von der „Besserung deS Verhältnisse« zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern" zu verstehen, und wenn das Gesetz in diesem Sinne„wohlthätig" gewirkt hat, so ist damit bewiesen, daß eS in der That nichts anderes ist als da«, als waS wir es wiederholt gekennzeichnet— ein Klassengesetz schlimmster Art. Man höre nur, wie Herr Oechelhäuser sich weiter ausläßt:„Was wir aber, die A r b e i t g e b e r, m>t verlangen können, ist, daß man uns nicht wieder den Eventualitäten aussetzt, wie sie vor 1878 waren. ES war sehr an der Zeit, daß der sächsische Bevollmächtigte uns an jene Zustände erinnerte; das Gedächtniß daran mag bei denjenigen, welche nur äußerlich mit den Verhältnissen Beziehung hatten und nur die Zei- tungen, Flugschristen u. s. w. lesen, schwächer geworden sein, aber bei unS, den Arbeitgebern, ist die Erinnerung a n d i e s e e n t- setzliche Zeit so lebendig, daß wir es für eine Frivolität er« achten müßten, wenn die Gesetzgebung selbst diese schützenden Dämme deßhalb einbrechen wollte, weil infolge des Gesetzes die Aeuße- rungen in der Presse, in Versammlungen und auch die offiziellen Aeußerungen der Sozialdemokratie milder geworden sind. Sowie Sie diese Dämme einbrechen, sowie Sie vollständige Preßfreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht der Sozialdemo- kratie einräumen, würden wir unbedingt sofort dieselben Zustände wieder haben wie damals." Also der Gedanke, den deutschen Arbeitern dieselben Rechte einzu- räumen— was sagen wir? nur einen Bruchtheil derselben Rechte, wie sie die Arbeiter in Belgien , in Holland , in Frankreich , in England, in der Schweiz genießen—, denn die deutschen Versammlungsgesetze:c. ent- stammen der schwärzesten Reaktionsperiode— erscheint dem Herrn Generaldirektor der Deffauer Gasgesellschaft als ein«„Frivolität"— wir nageln das Wort hiermit an zur Kennzeichnung ves Geistes der- jenigen Unternehmer, deren Sprachrohr Herr Oechelhäuser ist. Welches Armuthezeugniß stellen sich die Herren da aus!„Ohne Ausnahmegesetze können wir mit unseren Arbeitern nicht auskommen." Aber warum kommen denn die englischen, die französtschen, die schweizerischen Unter- nehmer ohne Ausnahmegesetze mit einer zehnmal größeren Preß- und Versammlungssreiheit als sie Deutschland je besessen, aus? Sind die französischen, englischen, schweizerischen Arbeiter willfähriger als die deutschen ? Ein Jeder weiß, daß namentlich bei Engländern und Franzosen das Gegentheil der Fall ist. Die Engländer sind bis j-tzt der theoretischen Erörterung weniger zugängig gewesen, als die Deutschen , aber vielleicht gerade darum im praktischen Kampf um'« Da- sein desto rücksichtsloser. In England sind bei Gelegenheit von Streiks Gewaltthätigkeiten verübt worden, gegen die alles, was in Deutschland in dieser Hinsicht geschehen, wahres Kinderspiel ist. Und doch ist man in England ohne Ausnahmegesetz fertig geworden. Man hat sich daran gewöhnt, mit den Arbeitern verständig zu unterhandeln, ihre Organisa- tionen als berechtigte Anwälte ihrer Interessen anzuerkennen, und hat so auf ganz natürlichem Wege den in der heutigen Gesellschaft nun ein- mal unvermeidlichen Jnteressenkampf zwischen Kapital und Arb.-it mög- lichst gemildert. Und ähnlich hat man eS in anderen Ländern gemacht, und haben es verständige Unternehmer in Deutschland gemacht. Nur für die Protzen unter den Ausbeutern ist die Zeit vor dem Ausnahme- gesetz«ine„entsetzliche" gewesen, und die Furcht vor dem Verschwinden desselben verräth nicht« als das schlechte Gewissen der Herren. Bebel und Singer, die in der betreffenden Sitzung für die Sozialdemo« kraten sprachen, sind in der„entsetzlichen Zeit" so gut Unternehmer gs- wesen, wie Herr Oechelhäuser uno seine Auftraggeber— warum haben sie nie Anlaß gehabt,„schützende Dämme" gegen die Ausschreitungen der Arbeit.rklasse zu verlangen? Es ist ein merkwürdiges Ding mit der deutschen Industrie. Sie braucht einen Wall von Schutzzöllen gegen das Ausland, aber A r b e i t e r schutzgesetze, wie sie das Ausland längst besitzt, kann sie nicht vertragen. England hat nicht nur die obligatorische Sonntagsruhe, sondern auch den halben Samstag als Ruhetag— in Deutschland er- klärt man ein Verbot der industriellen Sonntagsarbeit für undurch- führbar. Die kleine Schweiz , rings von Schutzzoll-Ländern umgeben, hat den elfstündigen Normalarbeitstag durchgesührt— im großen Deutsch- land erklärt man ihn für den Ruin der Industrie. Und jetzt stellt sich ein Oechelhäuser hin und erklärt, die deutsche Industrie brauchte das
Ausnahmegesetz. Nein, verehrter Herr, die deutsche Industrie braucht das Ausnahmegesetz nicht, so wenig wie die schweizerische, englische, fran- zösische jc. Industrie, wer ein solches braucht, das ist das deutsch « Protzenthum, die Leuteschinder und Lohndrücker— denn es ist, wie wir schon wiederholt erklärt, und Ihre Rede bestätigt das auf's Neue,„ein Gesetz zum Schutz der schlimmsten Ausbeuter- Praktiken." Ehre dem Ehre gebührt! — Der ne«est« Aeugstcspruug der Puttkamer'schen Spitzel— nämlich der schrtftstellernden— ist ebenso possierlich, wie die vor- hergehenden. Jetzt haben sie entdeckt, der Schröder sei noch„ehrlicher Anarchist"—(sie!) also nicht Polizei- Anarchist!— gewesen, als er die„Freiheit" in Zürich drucken ließ. Schade nur, daß sie nicht hinzufügen, von wem der vollständig mittellose„ehrliche Anarchist" zu einer Zeit hundert Mark pro Woche erhallen hat, wo die„Frei- heit " keine 300 Abonnenten zählte, und warum der„ehrliche Anarchist" die Quittungen so fürsorglich auf den Namen John Reve's aus- stellen ließ. Hilft Alles nichts, Ihr— Ehrenmänner, der Schraubstock, in dem die Polizeifinger stecken, ist von sehr festem Holz und läßt seine Beute nicht„locker". Apropos, daS„Leipziger Tageblatt "— außer dem Stöcker'schen „Meineids-Moniteur" das einzige Blatt in Deutschland , welches die Stirn hatte, die sauberen Brüder von der Lockspitzelzunft zu vertheidigen, meinte in dem betreffenden Leitartikel— die Handlungen der fraglichen Ehrenmänner seien vom streng moralischen Standpunkt allerdings nicht ganz zu rechtfertigen,„indeß das Eine kann doch nicht außer Augen gelassen werden, daß die Polizeiorgane, wenn sie Erfolge er- reichen wollen, oft nicht anders handeln könne n." Mit andern Worten, auf den„Erfolg" kommt es an. Jedes Mittel, das zum Erfolg führt, ist erlaubt— oder, wie die Jesuiten das viel hübscher ausdrückten:„D erZweck heiligt dasMittel." Freilich, das„Leipziger Tageblatt ", welches ja zu den inbrünstigsten Erfolgsanbetern gehört, hätte logischer- und konsequenterweise die Haupt, Schröder und ihre Auftraggeber verurtheilen müssen, denn sie hatten ja einen eklatanten Nichterfolg, für den sie vom Standpunkte des Ersolganbeters ausgezischt und durchgepeitscht zu werden verdienten. Indeß vom„Leipziger Tageblatt " darf man selbst auf dessen eigenem Sumpfterrain keine Konsequenz verlangen. — Eis gibt noch Richter— hier und da. Zum Beispiel in Halle. Auch dorl wurde der übliche Geheimbundsprozeß in Szene gesetzt— auch dort wurde von streberhaften Polizisten auf Grund der Aussagen von Spitzeln und sonstigen Lumpen— aus„Nixchen und Nautchen" Belastungsmaterial zusammengewoben— kurz auch dort die bekannte Polizeimache, nach der bekannten Berliner Polizeischablone. Nur die Richter waren nicht nach der Berliner Polizeffchablone. Sie hatten sich noch nicht aus die Höhe der Puttkamer'schen Weltan« schauung erhoben, nach welcher die heutige Welt so miserabel ist, daß sie nur durch miserable Subjekte mit miserabel« Mitteln„gerettet" werden kann. Sie hafteten noch an dem alten, für die streberhaften„Patrioten der neuesten Aera" längst überwundenen Standpunkt, daß ein Schuft ein Schuft ist und das Zeugniß eines Schufts nur für einen Schuft Werth haben kann. Sie sprachen deßhalb sämmtliche Angeklagten frei und verurtheilten damit die Polizeimache des Prozesses. Die Richter von Halle haben damit einsach ihre Schuldigkeit gethan, hätten sie anders entschieden, so würden sie Unschuldige v-rur- theilt haben. Daß aber deutsche Richter in dieser Zeit der epidemischen Servilität und Korruption sich ihre Unabhängigkeit bewahren, ist etwas so Seltenes, daß es besonders hervorgehoben werden muß. Wie weit muß es aber gekommen sein, wenn das Selbstverständliche als verdienst- volle Handlung erscheint! Nach den Zeitungsberichten, welche uns vorliegen, haben aber nicht nur die Richter von Halle, die am vorigen Montag(den 13. Februar) sechs unserer Genossen zu richten hatten, ihre Pflicht gewissenhaft erfüllt, sondern hat auch der Staatsanwalt eine heutzutage fast phänomenale Objektivität an den Tag gelegt. Wie gesagt— das erkennen wir an, und wir erkennen eS um so mehr an, alS sich unter den Richtern Männer befanden, die im Partei- leben stehen, und bei der letzten ReichStagswahl unseren Genossen in der schroffsten Weise entgegengetreten sind. Die Richter in Breslau , in Posen und an anderen Orten sind von anderem Stoff. Da« Material, über welches sie verfügten, war um kein Atom„belastender" als das, welches den Richtern von Halle vorlag. Trotzdem haben die Richter von Posen, von Breslau u. s. w. die unschuldig Angeklagten zu Strafen verurtheilt, die hartgesottenen Verbrechern gegenüber schwer gewesen wären. Und sie haben dies ge< than, nachdem sie vorher die Folter einer endlosen Untersuchungshaft über die unschuldig Angeklagten verhängt hatten. In Halle — das sei noch erwähnt— war nicht Einer der Angeklag- ten auch nur eine Stunde lang in Untersuchungshast. — Herr Gerber, der sächsische Kultusminister— schreibt man unS— erklärte neulich auf eine Anfrage V o l l m a r' s, daß er die S ch l e p p e r- dienste, welche die Studenten den Kartellbrüdern beider letzten Reichs- tagswahl geleistet haben, nur billigen könne. Wenn sie für sozial- demokratische Kandidaten gewirkt hätten, so würde er das aller- dings mißbilligen. Der Herr Kultusminister hätte nicht nöthig gehabt, dies hinzuzufügen. Daß die einfachste Forderung der Gerechtigkeit: Gleiches Recht für Alle, den deutjchen Beamten — namentlich den höhern— abhanden gekommen, das wissen wir längst, und regen uns auch nicht weiter darüber auf. Unser Interesse ist eS ja nicht, die Faulheit der heutigen Zustände zu vertuschen. Auch sonst wunderten wir uns nicht über die Antwort des Herrn Gerber. Wir möchten ihm bloß den Rath geben, die Studenten und sonstigen unmündigen Jungen, die sich durch sein Lob etwa zu ähnlichen Thaten augespornt fühlen könnten, doch für die Zukunft zu einiger Vorsicht zu mahnen. Di« sozialdemokratischen Arbeiter sind entschlosseil,— und bei der letzten Landtagswahl haben sie es schon bewiesen— keine kartellbrüderlichen Wahlbüdereien ä Irr 21. Februar zu dulden, und Studenten und sonstige unmündige Jungen, die sich nicht manierlich benehmen, so zu behandeln, wie solche Jungen es verdienen. Und das könnte für manches Mutter- söhnchen recht betrübend werden/-- — Die Wahlen des 21. Febrnar 1887 s tnd unter so skandalösen Umständen vollzogen worden, daß die Kartellbrüder keine zehn Mandate behielten, wenn jede Wahl, bei der es nicht mit ehrlichen Dmgen zugegangen ist, kassiit würde. Sie müssen deßhalb die bisher gültigen Grundsätze für die Wahlprüfung mit Füßen treten und sich leichten Herzens und leichter Moral über die schmachvollen Ver« gewaltigungen, Ungesetzlichkeiten und Unregelmäßigkeiten hinwegsetzen, deren E r g e b n i ß der gegenwärtige Reichstag ist. Die Wahlprüsungen, mit denen der Reichstag sich in den letzten Tagen zu beschästigen hatte, haben darum auch einen stürmischen Verlauf gehabt. Seitens der Oppo- sitionsparteien— für uns durch Singer und Bebel— wurde da» Ver- fahren der Wahlprüfungskommisston scharf gegeißelt— indeß ohne ma- teriellen Erfolg. Die Herren Kartellbrüder sind abgebrüht; sie kämpfen hier im wahrsten Sinne des Worts pro äomo.— Handelten sie nach Recht und Anstand, so würden si- den Ast absägen, auf welchem sie sitzen, und könnten mit ihren Mandaten und ihrer Majorität ruhig einpacken. — Zur Klarstellung. Wir erhalten folgende Zuschrift: In Nr. 3 deS„Sozialdemokrat" brachten Sie einen Artikel„Der Meineid im Dienst der Sozialdemokratie", in welchem auch meiner er- wähnt wird. Wie es scheint, gehen Sie da von der Voraussetzung aus, daß ich wirklich einen Meineid geschworen habe, und dies veranlaßt mich, Ihnen in möglichst knapper Darstellung die Aeußerung mitzutheilen, wegen derer man mich seinerzeit zu der exorbitanten Strafe verurtheilte. Es handelte sich, wie bekannt, um dte Verbreitung des Bedel'schen Buches„Die Frau u. s. w." Dieses Buch wurde im Sommer 1378 von mehreren Genossen verbreitet. Wer die damalige und wohl auch jetzt noch übliche M-thode der Verbreitung kannte, der weiß auch, daß sehr oft Jemand ein Buch kaufte, ohne daß er genau feststellen tonnte, von wem er dasselbe erhalten. Bei einer polizeilichen Haussuchung fand man nun bei dem Spengler Schreiber ein soich-s Buch. Schreiber wurde arretirt, vor Polizei- lath Rampff geschleppt, und ihm so lang- zugeietzt, bis er— ein ängst- licher, schüchterner Mensch— willenlos alle Aussagen nachplapperte, die jener ihm drktirte. Laut Rumpff'S Protokoll sollte Schreiber erklärt