. Wir hier am Platze, die wir mitten im Kamps sür unsere Partei stehen, sind sicher eher im Stande, zu beurtheilen, welcher Weg am besten im Jnteresis der Partei in England einzuschlagen ist, als irgend eine ausländische Partei, möge sie noch so geschickt und energisch geleitet sein. Wir geben unbedingt zu, daß „das Parliamentary Committee in dieser Angelegenheit eine Haltung beobachtet hat, wie sie einer Arbeiier-Bertrstung, die das wirkliche Interesse der von ihr vertretenen Klaffe im Auge hat, nicht würdig ist." Zur Orientirung unserer deutschen Freunde wollen wir hinzufügen, daß einige Mitglieder des Parliamentary Committee ihr Möglichstes auf« geboten haben, die Abhaltung dieses internationalen Gewerkvereins- Kongresses zu hintertreiben, und daß diese nichts mehr freuen würde, als wenn der Kongreß in's Waffer fiele. Die ReichStagsfraklion der deutschen Sozialdemokratie spielt also unbewußt diesen Verräthern an der Arbeitersache in die Karten, wenn sie die Arbeiter Europa ? bestimmt, den Londoner Kongreß nicht zu besuchen. Seit vielen Jahren sind wir angestrengt bemüht, die englischen TradeS'UnionS zum Sozialismus zu bekehren, und wir betrachten den einberusenen Kongreß als die beste Gelegenheit, in der Mitte unserer Gegner unsere Lehre zu verkünden. Wir ersuchen daher unsere Kameraden aller Nationen dringend, die Gewerkvereine ihrer betreffenden Länder zu veranlassen, Vertreter auf den englischen Kongreß zu entsenden. Die englischen Trades-Unions Mitglieder sollen durch das Beispiel der Arbeiter des Kontinents belehrt werden, daß in der Regel die besten Mitglieder der Gewerkvereine auch die hingebendsten Sozialisten sind. Da die sozialdemokratische Federation Englands keine fachliche Gewerk' schaft ist, sondern eine soziale und politische revolutionäre Partei, so kann sie als solche an dem internationalen Trades-Unions Kongreß eben so wenig theilnehmen, wie die Abgeordneten des deutschen Reichstag», welche die politische Partei in Deutschland vertreten. Wir müssen Beide bei Seite treten; aber wir sollten unbedingt Beide alle» aufbieten, was in unfern Kräften steht, um diejenigen zu unterstützen, die auf einem Kampfgebiete, das nicht unser eigenes ist, unsere Sache führen. Es ist höchst wichtig für den Erfolg unserer sozialistischen Propaganda in England, daß die Arbeiter des Kontinents bei dieser Gelegenheit eine imponirende Demonstration darstellen. Am besten geschieht dies durch eine Vertretung, welche durch ihre Zahl und die Verschiedenheit der durch sie vertretenen Länder und Gewerkoereine einen tiefen Eindruck auf die Mitglieder der TradeS-UnionS diese? Landes macht. Die aus- ländischen Vertreter werden durch ein festes, mit dem Ernst, den wissen» schaftliches Denken und tief« Ueberzeugung verleihen, verbundenes Ein- treten für die Lösung der zur Diskussion gestellten Fragen im Sinne des Sozialismus ein großes Erziehungswerk verrichten, sie werden das gegen die Ausländer waltende Vorurtheil beseitigen, welche» bei den englischen Arbeitern durch die unter dem Einflüsse von Kapitalisten stehenden Zeitungen eingeimpft worden ist, und ferner werden sie uns helfen, den uns von gewissen Mitgliedern der Trades-Unions dieses Landes ent« gegengesetzt-n Widerstand zu bewältigen. Wir richten daher an unsere sozialistischen Freunde aller Länder, besonders aber an unsere deutschen Genossen daS Gesuch, unS bei diesem großen Werke zur Seite zu stehen. I« unwürdiger die Führer der englischen TradeS -Unions unser» Freunden im Auslande erscheinen, desto nöthiger ist es, daß diese uns dabei unterstützen, unter den Massen der Mitglieder der Gewerkoereine Englands eine wirkliche Kenntniß der Grundsätze deS Sozialismus zu verbreiten. Mit sozialdemokratischem Gruß! London , l. April 1888. Für den Vorstand der sozialdemokratischen Federation Englands. Der Sekretär: H. W. Lee. Ohne den Entschlüssen der ReichstagSfraktion der deutschen Sozial- demokratie in irgend einer Weise vorgreifen zu wollen, erlauben wir unS, zu dem Vorstehenden folgendes zu bemerken: Unsere Genossen von der Svzialdemokratsschen Federation England» fassen die Frage ausschließlich vom Standpunkt der sozialistischen Agita- tion ihres Landes auf, und von diesem aus begreifen wir ihre Be- schwerde. Run hat aber gerade der Gegenstand, der auf den geplanten Kongressen berathen werden soll, für die Propaganda des SozialiS- mus eine verhältnißmäßig untergeordnete Bedeutung— der gesetz- liche Arbeiterschutz ist keine speziell sozialistische Forderung, so wichtig er sür die Hebung der Arbeiterklasse und damit indirekt für ihre politische Emanzipation auch ist. Der sozial- demokratischen ReichStagsfiaktion. bezw. dem St. Galler Parteitag, kam es nun, soweit wir unterrichtet sind, bei Beschlußfassung über den einzu- berufenden Internationalen Kongreß gerade auf eine große Demonstra- tion des organisirten Proletariats aller Länder und dadurch aus«inen moralischen Druck auf die gesetzgebenden Körperschaften zu Gunsten durchgreifender Arbeiterschutzgesetzgebung an. Daher mußte die Fraktion sich mit aller Energie dem Versuch widersetzen, mittel» rigoroser, nur für bestimmte Länder durchführbarer Zulassangsbestimmun- gen einen Kongreß zustande zu bringen, und ihm eine maßgebende Bedeu- tung zuzuerkennen, der Dank dieser Bestimmungen nur ein Rumpf- kongreß sein kann. Außerdem aber liegt die Gefahr nahe, und zweifelsohne ist bei den leitenden Elementen des parlamentarischen Komites der Gewerkvereine auch dieser Gedanke ausschlaggebend gewesen, daß Dank der so kunstvoll konstruirten Zulassungsbestimmungen die Ver- tretung der kontinentalen Arbeiter keine genügende sein wird, den zur Zeit noch maßgebenden Elementen in den englischen Gewerkvereinen ein energische» Gegengewicht entgegenzusetzen, und so der Kongreß zu einer Demonstration gegen statt für das Postulat der vorgeschriiteneren Arbeiter und damit zur Ermunterung der Ausbeuterparteien aller Länder sich gestaltet. Und das würde sogar noch der Fall sein, wenn die Vorschläge der vorgeschrittenen Arbeiter nur eine verhäUnißmähig geringe Majorität auf sich vereinigten. Dieser Gesichtspunkt ist unseres Erachtens mindesten» ebenso wichtig als der von den englischen Genossen hervorgehobene, und wir gehen wohl nicht fehl mit der Vermuthung, daß er, neben der Entrüstung über die schmähliche Hinwegsetzung des Parlamentarischen Gewerkschastekomite über die elementarsten internationalen Pflichten einer Arbeitervertretung, hauptsächlich den Protest der Reichslagssraktion der deutschen Sozial- demokratie bestimmte. Handelt« es sich nur um ein persönliches Beiseitetreten, so wären unser« Genossen gewiß die ersten, die sich diesen Anforderungen gefügt hätten, aber es handelt sich um wichtige Interessen der Allgemeinheit, und dies« zu wahren, war, so wie wir ihn ausfassen, der Zweck deS Protestes der Reichstagsfraltion. Indem wir das feststellen, wollen wir aber keineswegs einer unbe- dingten Aufrechterhaltung der Aufforderung der Fraktion, den englischen Kongreß nicht zu beschicken, das Wort reden. Im Cegenlheil möchten wir derselben empfehlen, nachdem unsere belgischen Genossen sich im Prinzip sür die Beschickung beider Kongresse entschieden, die englischen Sozialdemokraten den Wunsch nach Beschickung� des englischen Kongresse» so lebhast geäußert haben, die Frage in Wiedererwägung zu ziehen. Gelingt es den Bemühungen unserer belgischen Freunde nicht, noch nachträglich daS Gewerkschastskomite zu Konzessionen zu bewegen, so dürste eS unsere? Erachtens genügen, wenn die Parteivertretung der deutschen Sozialdemokratie ihren Protest gegen die AuS» s ch l i e ß u n g«ine» so großen Theile» der kämpfenden Arbeiterschaft in aller Schärfe aufrecht erhält, im Uebrigen aber, indem sie das Parlamentarische Gewerkschastskomite für alle Folgen feiner engherzigen Haltung verantwortlich macht, die Aufforderung, den englischen Kongreß nicht zu beschicken, zurücknimmt.(Red. d.„S."j „Wir betrachten es nicht alS ein Lob, sondern al» einen berechtigten Vorwurf gegen die Kommune, daß sie vor der Bank von Frankreich, vor den Geldschränken der Rothschild respektvoll Halt machte. Hier, an ihrem Nerv, war die herrschende Kiasse zu packen; wurde hier energisch zugegriffen, so wäre es schwerlich zu dem Maflacre der blutigen Mai- woche gekommen." Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob der Ausdruck„niederträch- tigeS Machwerk", mit dem der preußische Tugendminister die betreffende Nummer unseres BlatteS beehrte, sich speziell auf diesen Satz bezog, jedenfalls schien er ihm vortrefflich geeignet, den guten Reichstagsabge- ordneten da« Gruseln vor unS schändlichen Sozialdemokraten beizubringen. Was soll aus der Welt noch werden, wenn selbst die Rothschild '« schen Geldschränke nicht mehr heilig sind?! Allerdings, wenn zwei dasselbe thun, so ist es nicht dasselbe. Als im Jahr« 1866 die Preußen Frankfurt am Main besetzten, da sollen die Generale Vogel von Falken st ein und von Manteuffel einen äußerst geringen Respekt vor den Geldschränken der Frankfurter Börsenmagnaten an den Tag gelegt haben. Es liegt un» über daS damalige Vorgehen der Preußen ein von dem durchaus nicht kommunistisch gesinnten Karl Heinzen verfaßter und von dem höchst relvektablen Karl Blind im„Deutschen Eidgenossen" reproduzirter Artikel vor, gegen den das Baseler Karnevalsgedicht in der That nur ein Karneval»- scherz ist, und den wir daher— lieber nicht abdrucken wollen. Wir schreiben eben 1 8 8 8, und das demokratische Hauptorgan der Stadt Frankfurt am Main weiteifert mit dem Organ des Ministers von Puttkamer in maßloser Verherrlichung de» Siegers von 1866. Das Joch, das Wilhelm von Preußen der weiland„freien" Stadt auferlegte, hat sich, scheint es, in duftende Rosenketten verwandelt— wenigstens für die Frankfurter „Respektabilität", und die mit dem„kleinen Belagerungs- zustand" bedachte Arbeit' rwelt zählt nicht. Lassen wir e» un» also an derThatsache genügen, daß kaum 5 Jahre vor der Erhebung von Paris das Gottes gnadenthum gezeigt hatle, wie ein kräftiger Druck aus die Geldschränke der hohen Bourgeoisie genügt, um dieselbe sür die weitgehendsten Forderungen breitzuschlagen. Von dieser Lehre in ihrer bediängten Situation keinen Gebrauch gemacht zu haben, das ist alles, was in dem„niederträchtigen Machwerk" der Kommune zum Vorwurf gemacht wurde. Und zwar in Hinblick darauf gemacht wurde, daß wenn die Pariser Kommune nach dieser Richtung hin von ihrer Macht einen verständigen Gebrauch gemacht hätte, großes Blutvergießen vermieden worden wäre. Wie zahm, wie lammsromm sich die„fürchterlichen Mordbrenner"— wie die Bourgeoispresse noch immer die Kommunemitglieder titulirt— der Bank gegenüber benommen, darüber hat Herr Paul Brouffe, jetzt einflußreiches Mitgtied des Gemeinderaths von Paris (er ist zweiter Vor- sitzender der Sanitätskommission desselben) jüngst in der Märznummer des„Proletariats", einen instruktiven Artikel veröffentlicht. „In Paris ", schreibt er,„wollte man weit mehr als in Versailles der Bank von Frankreich seinen Respekt bezeugen, und begnügte sich daher, neben den vom Staat ernannten Gouverneur derselben einen von der Kommune gewählten zu setzen. Aus Herrn Rouland wurde Herr B-slay gepfropft. „Und nun kommt das unverzeihliche Vergehen: Min erlaubte der Bank, gegen Paris zu rüste», Versailles beizustehen,— Millionen an Versailles zu verschwenden, während sie mit der Revolution um bescheidene Almosen feilschte. „Am 19. Mär, 1871 wies die Bilanz der Bank folgende Zahlen auf: Baarbestand 213 Millionen; Portefeuille(W-chselbestand) 468 Millionen; Prolongationen 431 Millionen; Vorschüsse auf Werthpapiere 12» Mit- lionen; hinterlegte Barren 7 Millionen; Depositen 309 Millionen; fertige Banknoten, denen nur die Unterschrift des Kassierers fehlte, 800 Millionen. Alles in allem rund drei Milliarde». „Die Kommune konnte die sofortige Regulirung deS Guthabens der Stadt Paris , d. h. 3 Millionen verlangen. Sie konnte ferner provisorisch den ganzen Rest mit Beschlag belegen, und so auf da» Ge- wissen der Bourgeoisie einen Druck ausüben, der Versailles mit größerer Sicherheit als die Kanone» z« einem Vergleich bewogen hätte. Hier war die wirkliche Geisel, deren Sicher- heit der Bourgeoisie mehr am Herzen gelegen wäre, alS das Leben einiger Gendarmen, eines Senators, eine? Erzbijchof» und eine» Dutzend Kapu- ziner. Man begriff eB nicht. „Und doch wurde diese Maßregel der Selbsterhaltung al» so sicher bevorstehend vorausgesehen, daß die Administration der Bank alle Maß- regeln ergriff, um die Gefahr abzuwenden. Sie grub ein Gesetz aus dem Jahre 1732 aus und verlangte auf Grund desselben von der Kommune das Recht, ihre„Grauröcke" zu bewaffnen, sie in Bataillone zu formiren, und ihnen die alleinige Bewachung ihrer Geldschränke zu übertragen. Sie organMrte eine richtige„Bergung": am 23. März reist, buchstäblich vollgepfropft von Banknoten, Herr de la Rogerie nach Versailles ; Ende März wandern die Platten nach Lille , und im Mai versteckt man alles in den Krllern und verschüttet die in dieselben führende Treppe. „Jourde, B.Slay, Varlin, die Beauftragten der Kommune, debatttrten lange Stunden hindurch über Kredite von 400,000 Franken. Thier? seinerseits spaßte nicht mit der Bank: er hat 10 Millionen und braucht 200 Millionen. Er entbietet daher Rouland nach Versailles , hält ihn dort zurück und läßt ihn„speien". Während der Dauer der Kommune läßt sich Thiers 2S? Millionen von der Bank geben, Jourde und Beslay nur 16 Millionen. „So bleibt während zweier Monate, kaum bespült von den Wogen, die goldene Jnlel mitten im revolutionären Ozean unbeschädigt. Die Sol- baten der Kommune haben kein Brod, keine Kleider; ihre Frauen, ihre Kinder sind aller Mittel entblößt, aber die goldene Insel bleibt unange- tastet, man darf an dies-s gelobte Land nicht rühren. Man retpektirt es sogar in dem Augenblick, da es in die Dünen der Deportation und in's Exil gehen heißt. Die Kap talisten haben alles gelhan, um die Kommuneleute als die reinen Kanaillen hinzustellen, aber vergeblich. Rein, unsere Freunds waren keine Kanaillen, aber waS für naive Seelen!" So der Führer der französischen„Possibilisten"— deS gemäßigten Flügels der sozialistischen Arbeiterschaft. Und wir haben die gleiche Ansicht auch von Leuten äußern hören, die überhaupt gar keine Sozia- listen sind, die aber eiwas von Kriegsrecht und Kriegsgebrauch verstehen. Und die Kommune befand sich im Kriege mit Versailles , in einem regel- rechten Kriege, und hatte daher da? Recht und die Pflicht, diejenigen Maßregeln zu ergreifen, welche die sicherste Aussicht auf einen günstigen Frieden boten. Und daß die in Versailles vertretene Bourgeoisie ihre „Bank " und ihre Geldschränke nicht so leichtherzig preisgegeben hätte, wie den Erzbischof D a r b o y, wird kein Vernünftiger bezweifeln. Ein energischer Druck auf die Eritere wäre aber nicht nur die wirksamste, sie wäre auch die humanste Maßregel gewesen, die Paris zu seiner Vertheidigung ergreisen konnte. Die Pariser Kommune und die Bank von Frankreich. .In der ReichStagssitzung vom 27. Januar d. I. verlas bekanntlich Herr »on Puttkamer mit dem Auswand höchster sittlicher Entrüstung aus der »ummrr II unsere» Blattes vom Jahre ISSS«.«. folgenden Passus: Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 11. April 1888. — Ueber die Beerdigung Max KayferS schreibt man uns aus VreSlau:„Am I. April(Ostersonntag) trat die traurige Pflicht an uns heran, einen unserer braven Mitkämpfer, der zugleich bei der 87er Reichstagswahl unser Kandidat für den Ostkreis unserer Stadt war, den Genossen Max K a y s-e r zur letzten Ruhestatt zu begleiten. Der Zufall hat es gewollt, daß Kayser an dem Orte, wo er zuletzt Kandidat war, wo er seine nächsten Verwandten hatte, und von dem er in brutalster Weise ausgewiesen wurde, sein kurzes, mühevolles, uneigennütziges Leben auch beschließen sollte. Als die traurige Kunde von KayserS Ableben die Stadt durcheilte, hört« man nur eine Stimme de« Schmerzes von Sei- ten der Genossen, daß ein so eifriger, braver Kämpfer für Recht und Freiheit uns so früh verlassen mußte. Dieselbe Meinung muß wohl allerorts im In- und Auslände geherrscht haben, denn al» die Zeitungen die Nachricht weiter trugen, trafen Beileidstelegramme und Bestellungen auf Ehrenspenden von Rah und Fern ein. Und so gestaltete sich die Beerdigung zu einer wahrhast großartigen Huldigung für den Ver« storbenen. Nach Eintritt de? Todes war die Leiche sofort nach dem Leichenhause des jüdischen Friedhofes übersührt worden, in Folge dessen mußten alle, die an dem Akt der Pietät theilnehmen wollten, sich direkt dorthin be« geben. Zwei Stunden vor der festgesetzten Zeit strömten die Arbeiter mit ihren Familien, trotz des Regens, in Massen hin, so daß die Theil- nehmer zur festgesetzten Stunde nach Tausenden zählten, ohne die Schutz» leute und ihre Vorgesetzten, deren Zahl über hundert betrug. Die Leiche unseres Genossen wurde von der Halle zum Grabe, so weit es anging, von den Genossen getragen, unter Anderen auch von den Genossen Singer und K r S ck e r. Die Masse der Genossen bildete bis zum Grab« Spalier;«in stiller, schmerzlicher Ernst beherrschte die Menge. Nicht weniger alS 26 Lorbeerkränze und Palmzweige wurden auf daS Grab niedergelegt. Dresden allein legte sechs Lorbeerkränze nieder. Die Schleifen waren meist vorsichtshalber aus weiß-m Atlas gefertigt— diejenigen, welche die verpönte rothe Farbe trugen, wurden natürlich sofort konfiszirt. Wer aber glaubte, daß uns die weißen Schleifen un- versehrt bleiben würden, der täuschte sich gewaltig, denn als wir am folgenden Morgen revidiren gingen, fehlten die von der Fraktion und von Kottbus- Spremberg gewidmeten Schleifen ganz und von fünf an« deren waren die Inschriften abgeschnitten. Wer diesen Akt der Grab« schändung begangen, wird sich jeder Leser dieses Blattes selbst sagen können. Unsere Feinde scheuen in ihrem Haß vor dem scheußlichsten Verbrechen nicht zurück. Das Begräbniß selbst verlief trotz der viele« Polizei in bester Ordnung. Unseren Genossen hier am Orte rufe ich nur noch zum Schluß zu: Azitirt und reformirt nach Kräften, so ehrt ihr den Genossen, dem wir die letzte Ehre erwiesen, am nachhaltigste« und würdigsten." Soweit der Bericht. Des Weiteren theilt uns der Schreiber noch mit, daß bei den zur Beerdigung eingetroffenen Genossen aus Berlin und Dresden sofort nach ihrer Ankunft im Gasthause nach— ver« botenen Schriften gehaussucht wurde, natürlich vergebens. Der„Fränkischen Tagespost" entnehmen wir noch folgend« Einzel« heiten: „An gestifteten Kränzen mit Widmung wurden nacheinander nieder» gelegt: Dem Freunde und Heimgegangenen Kollegen. Die Fraktion der sozialdemokratischen Partei deS deutschen Reichstags. Zu früh bist Du von uns geschieden! Seine trauernden Genossen im 8. sächsischen Reichstagswahlkreis«. Dem muthigen Kämpfer für die Arbeitersache. Arbeiterverein DreSden -Reustadt. Seinem theuren Mitglied«! Volksbildunzsverein Dresden . Dem Kämpfer für Recht und Freiheit. Der Tischlerverein zu Dresden . Unserem unvergeßlichen Freunde und Genossen. DaS Personal der Firma Schoenseld und Harnisch, Dresden . Dem wackeren Streiter für Recht und Wahrheit. Redaktion des„Sächs. Wochenblatt". Unserem früheren Kandidaten Max Kayser . Die Genossen des Wahlkreise» Cottbus-Spremberg. Unserem Vorkämpfer reichen in stummem Schmerz die Hand Die Parteigenossen von München . Dem Freunde und Mitkämpfer. Die Parteigenossen von Nürnberg . Ihren: Freunde Die Sozialdemokraten Württemberg ». Unserem Parteigenossen und Mitkämpfer. Redaktion und Expedition de»„Sozialdemokrat" in Zürich . Außerdem ließen Kränze niederlegen die Familie Bebel, Plauen bei Dresden , die Arbeiter Berlins (nach einem Bericht der „Berliner VoUstribüne" mit dem Motto übergeben:«Dem Mitkämpfer für Recht und Licht sendet den letzten Sch-id-gniß die Berliner Sozial- demokratie." Red. d.„S.-D.") und die Genossen von Dresden und Umgegend einen ca. 1 Meter im Durchmesser haltenden Loibeerkranz. In der Leichenhalle hatte ein Rabbiner eine einfache, taktvolle An- sprach« an das Trauergesolge gehalten, die in dem Satze gipselte:„Des Menschen Leib ist vergänglich, seine Werke werden fortbestehen." Schwache, am Grabe gemachte Versuche, einige Wort« zu sprechen, wurden polizeilich unterdrückt, und so zog die Menge schweig- sam an dem offenen Grabe vorüber, die üblichen drei Hände voll Erde dem Tobten als Scheidegruß nachsendend. Aber in den Mienen der zahlreich Erschienenen prägte sich Kummer und Trauer auS, sie wußten, daß einem wackeren Streiter für die Arbeitersache und einem begabten Redner nun für immer der Mund geschlossen." — In Max Kahser— so schreibt un« ein alter Genosse an» Deutschland — hat unsere Partei eines ihrer tüchtigsten Miiglieder, einen ihrer besten Parlamentarier und Agitationsredner verloren. Der journalistische Beruf sagte ihm weniger zu. Hälte Kayser länger gelebt und sein« Stimme behalten, so würde er im Reichstag Hervorragendes geleistet haben. Schon jetzt gehörte er zu den besten Rednern, und wa» parlamentarische Schulung, Kenntniß der Geschäftsordnung u. s. w. be- trifft, so wurde er von k-inem Genossen übertroffen. Von einer seltene« Selbstlosigkeit, ging er in der Partei vollständig auf. und hatte den echten Parteiinstinkt oder Parteitakt. Riß ihn sein versöhnliches Naturell, was mitunter vorkam, etwas zu weit rechts, so brachte sein Parteiinstinkt ihn schnell wieder auf den rechten Weg. Und wenn die Partei rief, so fehlt« er nie. Im vorigen Herbst war er schon schwerkrank— kränker als wir Alle. vermutheten. Der Parteitag wurde angesetzt. Er hätte sich entschuldige» können— aber Max Kaiser kam nach St. Gallen , und wie krank er war, das erkannten wir erst damals. Er ist gehetzt worden, wie ein wildes Thier. Das Sozialistengesetze hat ihn„vatertandsloS" gemacht— das„vaterlandslose Gesindel" aber, wie wir mit Stolz uns nennen, hat in seinem Herzen dem todtgehetzten Vorkämpfer«ine Heimat dereitet. Es wird den treuen Genossen nicht vergessen. Und es wird auch die* Lieben nicht vergessen, welche er hinterlassen hat. — Die prentzijchcn Locksp itzel von den S o z i a l d« m o k r a t«» bestochen, das wird jetzt von den preußischen Lockspitzelorganen in alle» Tonarten herunter geleiert. AlS die Herren K r ü g e r und Konsorten sich diesen„Witz" zuerst erlaubten, konnte man allenfalls noch denke«, -S sei die flüchtige Ausgeburt einer besonder» ungünstigen Geistes- stimmung— die ja unter den obwaltenden Verhältnissen nichts Auf» fallendes haben kann. Allein au» dem„Witz" ist wirklicher Ernst geworden— der beste Beweis dafür, daß der deutsche Polizeiwitz nicht über diesen Witz hinauskommen kann. Nun— uns, die wir die Leut« che» so oft an der Arbeit gesehen haben, ist daS nichts Verwunderliches. Ein Schelm, der mehr thut als er kann. Unter den deutschen Polizei- blättern ist es die„« r e u z»« i t u n g", welche sich in erster Linie zur Verbreitung und Verarbettung dieses neuesten Polizeiwitzes hergegeben� hat. Und wie bei dieser Arbeit verfahren wird, das wollen wir an' einem kleinen Beispiele zeigen. Liebknecht erwähnte neulich in einem deutschen Blatt de» psychologisch interessanten Faktum», daß der Lock-. spitzet Haupt sich über die Undankbarkeit der deutschen Sozialdemo» kraten bellaze, denen er doch so hübsch Alle» gestanden. Hieraus macht. nun Herr Krüger in seinem Moniteur Folgendes:„Wie richtig unseres Behauptung war, daß die„Geständnisse" des Polizeiagen» ten Haupt von den Beauftragten de» Herrn Singer erkauft. seien, beweist eine guschrist de» Herrn Liebknecht an daS„Berlin » Volksblatt" aus der Schweiz . Danach soll sich Haupt, der sich gegen» wärtig in Genua befinde,„bitter über die Undankbarkeit der Sozial. demokraten und die Schweizer Behörden beklagen". Also das offen« Zugeständniß eine» der ersten sozialdemokratischen Führer, daß de» Haupt sowohl vondenLeutenvinger's große Versprechun». gen gemacht, al» von dem Polizeihauptman« Fischer völlige Straslosiz, keit zugesichert war, falls er sich in der gewünschten Weis« zu dem heimtückischen Vorstoß der Sozialdemokratie urd der Jntransigenten d» „Agence libre" gegen den Minister v. Puttkamer benutzen lasse. Dach
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10 (14.4.1888) 16
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