als G l e i ch h e i t s f l e g e l e i" b-jeichnet«. H-ine wir seiner Zeit, soweit es damals möglich war. ein angehender revolutionärer Sozial- demolrat. Er, ein kritischer Jünger d:r Hezelschm Schule, würde da8 angeführte Sätzch-n aus demarmen Teufel" mit lebhafter Zustimmung unterschrieben habm. Ja» ich glaube, daß er in der Sache, von welcher der betreffende Satz handelt, noch einen Schritt weiter gegangen wäre, bis zu der Erkenntniß, daß jeder einzelne Mensch mit normalem Ge- Hirn, selbst ohne die Durchschnittsdildung seiner Zeitgenossen, irgend ein Ding am besten weiß, kennt und kann von allen lebenden Menschen. Die Erkenntniß, welche in diesem Sätzchen enthalten, sowie die nach- haltige Einbürgerung dieser Erkenntniß in den Köpfen der Parteigenossen ist von weittragendster Bedeutung. Sie gibt dem einzelnen Individuum sein individuelles Recht, seine Bevorzugung vor allen Anderen; und weil sie diese Anerkennung Jedem zollt, wird mit der Gleichberechtigung aller Individuen auch da» gesellschaftliche Element in sein Recht eingesetzt. Einer weiß und kann nicht, was der Andere weiß, kann; aber Alle sind dienende Glieder des großen Ganzen. Jedes Individuum ist ein eigen» thümlicher, besonders gearteter Zahn im großen Kammrad der Gesell- schaft. Dieser Vergleich ist schlecht, weil die Zähne eines KammradeS zu flegelhaft gleich sind. Dennoch, im Zusammenhange mit dem Vorher- gehenden erläutert das Bild die in unsererLesefrucht" enthaltene Idee vortrefflich genug._ Die bürgerliche Demokratie hat bis heute noch nicht begriffen, daß das wirthschastliche Getriebe, daß die Produktion von Brod, Fleisch k. eine gesellschaftliche«ng-l-g-nheit ist und die B a s i« des politischen Staates abgibt. Die Gleichheitsflegelei der bürgerlichen Demokratie besteht darin, daß sie denkt, Jedermann könne«irthschastlich selbstständig sein und Alle gleich vor dem Gesetz. Dieser bürgerliche Gedanke hat sich als ein sehr sauler Gedanke erwiesen und ist in sein Gegentheil um- geschlagen. AuS der flegelhaften bürgerlichen Gleichheit, die unter den Menschen nichts Hervorragendes anerkennen wollte, erwuchs die indu- striell» Raubritterschaft mit ihrer unterihänigen Lohnsklaverei. Deshalb fordert der Sozialismus jetzt ein« neue, eine bisher noch ganz unbegl iffene Gleichheit, allwo jeder Mann ein vornehmer Mann ist, der etwas weiß und kann, was kein anderer kann. Die Gleichheit alle? dessen, was ein Menschenantlitz trägt, beschränkt sich darauf, daß Jeder sein Wissen und Können in Diensten der Ge- sell schaft verwerthet, daß Jeder sein besonderes Wissen und Können der Gesellschaft zur Verfügung stellt und dafür mit der möglichst vollen Befriedigung seiner Bedürfnisse belohnt wird. Die flegelhaste Gleichheit, welche die bürgerliche Demokratie im Kopf hatte, konnte sie nicht verwirklichen. Mit Recht begegnete man dieser Idee mit der Antwort: Di« Gleichheit ist eine Unmöglichkeit, alle Menschen sind verschieden erschaffen, geboren und erzogen, und können nicht alle gleich sein. Die bürgerliche Demokratie fußte auf einer verkehrten Logik, auf dem Satz: ein Ding kann nicht zugleich zwei widersprechende Eigen- schaften, das Gleiche und Ungleiche in sich vereinigen. Diese Logik ist von der Wissenschaft umgerannt worden. Jetzt können und werden alle Glieder der Gesellschaft vornehme Fürsten sein, deren jeder ein Ding am besten weiß und kann von allen lebenden Menschen. Am Baum der Menschheit drängt sich Blüthe an Blüthe", sagt der Dichter. Warum soll nicht Jedermann in einem gewissen Kreise, in einem gewissen Fach, in einer gewissen Fertigkeit ein vornehmer Mann sein können. Wer ist nicht schon einem ausgemachten Tölpel begegnet, der eS recht dick Hintsr den Ohren hatte, und wo ist der Geschickte, der nicht unter gewissen Umständen, in einer gewissen Lage sich recht tölpelhaft benehmen würde? Wer durste dem größten Verbrecher die Fähigkeit absprechen, daß derselbe unter anderen Verhältnissen ein höhst schätzbares Glied der Gesellschaft sein könnte? Der Sozialismus will nicht die Unterschiede unter den Menschen ab- schassen, nur die unmenschlichen Unterschiede sollen aufhören, wo derjenige, der die lästigste, schwerste und schmutzigste Arbeit verrichtet, mit einem unwürdigen Lohne abgefunden wird, wogegen derjenige, der der Gesellshaft einen kaum nennenswerthen Dienst leistet, in den siebenten Himmel gehoben ist. Der Sozialismus, der die Unterschiede unter den Menschen nicht aus- heben will, wird auch nicht die Gleichheit Ä-ls�hi�n. Gegenwärtig schon gleichen sich die Menschen in sehr Vielem. Der Sozialismus wird diese Gleichheit vergrößern, um den Unterschied zu vermindern. Daß aber jeder einzelne Mensch mit normalem Gehirn irgend ein Ding am besten wisse, kenne und könne von allen lebenden Menschen das will der Sozialismus so recht zur Geltung bringen. Ein lehrreiche Streik-Statistik. IL Sobald eine Industrie an Lebhaftigkeit nachläßt, heißt es in dem Bs- richt weiter, würden sofort die Löhne seitens der Arbeit- geber reduzirt, und die so erniedrigten Löhne hätten die Tendenz, auf dieser erniedrigten Stufe stehen zu bleiben. Es sei sprichwörtlich, daß die Löhne zuletzt von allen Preisen steige» und zuerst sinken. Der Einfluß der Organisation kann die Löhne dauernd auf einer höheren Stufe erhalten. Selbstverständlich seien die Vortheile nicht in allen Arbeitsbranchen gleich. Die Bäcker haben einen entschiedenen und, wie es scheine, dauernden Vortheil durch die Verkürzung der Arbeitszeit und Verbesserung der Arbeitsbedingungen errungen. Unter den Baugewerken haben die Zimmerleute einen kleinen und die Handlanger einen bedeutenden Vortheil errungen. Im Ganzen haben in dem am l. November lS87 abgeschlossenen Jahr die Arbeiter in 39t Etablissements aus 1124, in denen Streiks stattfanden, in Folge derselben Lohnerhöhungen durchgesetzt. Abzüge wurden von 50 berichtet, und in K60 traten keine Aenderungen ein. Im Vorjahre errangen in b9S Etablissements aus 691 die Arbeiter Lohnerhöhungen, in 15 Etablissements fanden Reduktionen statt, während in 146 keine Aenderung eintrat. Ein hervorstechender Zug der modernen Arbeiter- bewegung sei das Bestreben zur Berkärznng der Arbeits- zeit. Viele Arbeiter können sich noch der Zeit erinnern, wo die Arbeits - zeit 1215 Stunden dauerte, während dieselbe in anderen Fällen über- Haupt nicht begrenzt war. Bäcker, Kellner und einige andere Branchen bilden noch Beispiele aus jener Zeit, die jedoch zum Glück immer selte- ner werden. In vielen Branchen bilden jetzt neun bis zehn Stun- den den regelmäßigen Arbeitstag. Die Bäcker haben in Bezug auf Verkürzung der Arbeitszeit einen großen Gewinn zu ver- zeichnen. Aus 909 Etablissements, in denen Streitigkeiten bezüglich der Arbeits« zeit stattfanden, berichteten 739 keine Aenderung, 131 berichteten Ver- kürzung der Arbeitszeit, 22 eine Verlängerung derselben; 181 Personen haben in Folge der Verkürzung der Arbeitszeit Beschäftigung erhalten. Im Vorjahre waren unter 256 Streik» wegen Verkürzung der Arbeits - zeit 74 erfolgreich und 182 gingen verloren; 108 Personen erhielten durch die Verkürzungen der Arbeitszeit Beschäftigung. Der Unterschied in den Ziffern im vergangenen und im vorletzten Jahre kommt daher, daß im Jahre 1836 Streiks zur Verkürzung der Arbeitszeit besonders häufig waren, und zwar hauptsächlich in den Baugewerken von Newyork und Brooklyn . Die Opfer der Arbeiter in Fällen von Streiks, sagt der Bericht, seien einBeweisfürdenErnst, womit die Arbeiter die Sache auffassen. Diese Opfer seien enorm. Wo es sich um eine Lohn- erhöhung oder Opposition gegen eine Reduktion handle, könne man diese Opfer mit einer kaufmännischen Transaktion vergleichen, welche unter- nommen werde in der Hoffnung auf den daraus zu erzielenden Gewinn, doch sei der Gewinn auch in solchen Fällen nie derjenige des einzelnen Ausständigen, der E.nfluß eines solchen Gewinnes mache sich vielmehr aus die gesammte Geschästsbranche geltend. Die Ausständigen sind nicht nothwendigerweise diejenigen, welche den Gewinn einheimsen. Solche Streiks werden vielmehr im Hinblick aufdmgemeinsamenRutzen Aller unternommen. Nicht weniger als 4 0, 8 4 6 Lohnarbester in 988 Etablissements haben freiwillig 2, 013, 229. 4 5 Dollars an Löhnen oder durch- schnittlich je Doll. 4 9, 9 0 geopfert, außer den 606, die keine Berichte eingesandt haben. Im Jahre 1886 betrugen diese Verluste Doll. 2,538,554, abgesehen von den 47 Gewerken, welche keine Berichte «insandten. Man muß bemerken", sagt der Kommissär,daß diese Opfer rein freiwillig sind. Es ist keine Regierungs-Steuer, durch eine Zentral- gemalt auserlegt, e» ist eme persönliche Operation, bei der jeder Ein- zelne, wenn er will, mitzureden hat. Es ist nicht immer ein Werk der Weisheit, wohl aber ein Beweis von furchtbarem Ernst, und wenn der Verlust in einem Sympathie-Streik*) erlitten wurde, ist er ein Beweis von Aufopferungsfähigkeit für da» allgemeine Jnter- esse" ES ist nur zu bedauern," fährt der Berichterstatter fort, nachdem er einzelne der hervorragendsten Sympathie-Streiks im vergangenen Jahre, besonders den großen Streik des Distriktes 49 aufgezählt hat,daß die Führer und Rathgeber dieser Akt« von Selbstaufopferung nicht immer die richtigen Leute am richtigen Orte waren. In fast jedem Streik müssen eine Anzahl Personen, welche sich durch besondere Thätigkeit hervorgethan haben, für das allgemeine Beste leiden. Dies ist besonders in Fällen vonerfolglosen" Streiks der Fall; 95 Gewerke berichten, daß 8176 Personen auf diese Weise ihre Stellungen verloren haben; 49 Gewerke berichten nichts hierüber." Was nun den durch Streiks erzielten Gewinn anbetrifft, so schätzt der Bericht, daß in 51 Gewerben, welche in Streiks verwickelt waren, 11,472 Arbeiter eine Gesammt-Lohnerhöhung von Doll. 944,632.55 oder Jeder 82 Doll. pro Jahr erzielten gegen 41 Doll. im Jahr- 1886. Lohnerhöhungen sind in den meisten Fällen nicht bloi temporär. Sie dauern gewöhnlich, wenn keine Krists dazwischen kommt, jahrelang. Streiks gegen die Anstellung von SkabS(Räudigen") bedeuten eigent- lich nichts Andere» als das Bestreben, dieUnionskala" aufrecht zu er- halten: denn wenn Nicht-Unionleute angestellt werden, die niedrigere Löhn« bekommen, so dauert es gar nicht lange, bis im ganzen Gewerk die Löhne heruntergehen. Daher ist es erklärlich, daß Streiks dieser Art mit solch' großer Hartnäckigkeit ausgekämpft werden. Die Unternehmer haben durch Anstellung von Nicht-Unionleuten an die Plätze von Streikern ungefähr 142,588 Doll. gewonnen, gegen 39,468 Doll. im Vorjahr. Was nun die Verluste der Unternehmer anbetrifft, so haben diese durch Aufgeben von(Lieserungs-) Kontrakten angeb- lich Doll. 481,780.20 verloren, gegen Doll. 692,885 im Jahre 1866. 323 Kontrakte konnten wegen Streiks nicht abgeschlossen werden und die Unternehmer behaupten, sie hätten dadurch Doll. 217,202verloren", während diese Art vonVerlusten" im Jahre 1838 sich angeblich auf Doll. 603,522 belief. Dadurch, daß die Kundschaft von 100 Unterneh­mern sich anderen Städten oder Staaten zuwendete, wollen dieselben Doll. 133,109 verloren haben. 1886 betrug dieserVerlust" 1,148,420 Dollars und ein großer Theil der Kundschaft wandt« sich angeblich Europa zu. Als Abwehr gegen Zttel'i bedienen sich manche Fabrikanten des Mittels, ihre Werkstätten zu schließen und Streikern keine Arbeit mehr zu geben. Im vergangenen Jahr wurden aus diesem Grunde 635 Werk- statten geschlossen, gegen 582 im Jahre 1886. DieArbettersehen die Entlassung eines ihrer Kameraden, außer wegen Unehrlichkeit oder Unfähigkeit, für einen Akt der Unterdrück- ung und Verfolgung an und widersetzen sich daher. 844 Unter- nehmer, denen der Vorwurf gemacht wurde, sie hätten eifrige Union - leute aus die schwarze Liste gesetzt, stellten dies in Abrede; 834 wollten überhaupt auf die betreffende Frage nicht antworten, aber in 171 Fällen wurde die Thatsache festgestellt. Die Anwendung von Gewalt seitens der Streiker, Raufereien und Blutvergießen, ist in jetziger Zeit, verglichen mit früher und ande- ren Ländern, ein äußerst seltenesEreigniß. Im vergangenen Jahre wurden 48 Verhaftungen wegen geringfügiger Ursachen vorge« nommen, z. B. wegen Bertheilung von Boykottzetteln,unordentlichen Betragens", Versperrung des Trottoirs ,c. Soviel aus dem Bericht des. Heren Pick. Weil der Mann auf Grund feiner objektiven Untersuchung zu Schlüssen kam, die der Kapitalistenklasse gar nicht angenehm sin», so ist es selbst­verständlich, daß sich verschiedene Bourgeoisblätter sehr verdrießlich dar- über äußern, voran dieNewyork« Staatszeitung ". Dieses ehrenwerthe Blatt, das in Deutschland leider an vielen Orten imm« noch für freiheitlich gesinnt gilt, ärgert sich, wie dieNew Herker Volkszeilung« schreibt, schwer über die Schlußfolgerungen, welche Peck aus den That- sachen zieht, und bezweifelt die Richtigkeit der in dem Bericht ange- gebenen Daten, weil ihr diese durchaus nicht in den Kram passen. Dazu bemerkt dieBolkszeitung" treffend weiter: I», so geht's in der Welt! W-nn die Arbeiter aus Einletzung eines statistischen Bureaus dringen, um der W-lt zu zeigen, wie es in der Welt eigentlich aussteht, so haben die kapitalistischen Blätter gar nichts dagegen einzuwenden. Da sie im Anfang nicht die leiseste Ahnung da- von hatten, was der Zweck und die Wirkung eines statistischen Bureau» eigentlich ist und dasselbe mehr als eine unschädliche Spielerei betrachten, so gönnen sie den Arbeitern das kindliche Vergnügen. Wenn aber o Wunder! die neue Institution in einer Weise zu arbeiten ansängt, welche den Arbeitern den Weg zeigt, den sie zu gehen haben, und dem Publikum im Allgemeinen darlegt, wie berechtigt die Forderungen der Arbeiter sind, dann hat's mit der Gemüthlichkeit geschellt und die Kapitalisten und ihre Presse schreien Zeter und Mordio über dasDemagogenthum", welches sich desstatistischen Bureaus" be> mächtigt hat. Man erinnert sich der ganz analogen Thatsachen, welche sich in Preußen abspielten. Das dortige(allgemeine nicht speziell für Arbeiterverhä. wisse bestimmte) statistische Bureau stand unter der Leitung des Geh. Rath Engel, also eines Mannes, den man unmöglich im Ver- dachtdestruktiver Tendenzen" haben konnte. Aber die Daten und Zahlen, welche dieser gewissenhafte Beamte an's Licht befördert«, waren so furchtbarer und Bismarck so unbequemer Natur, daß Engel seinen Platz räumen und denselben einem Manne übergeben mußte, der es besser verstand, die Zahlen im Sinne der herrschenden Klassen zu mänädschen".**] So einfach und schnell geht«z nun freilich hierzulande mit dem Ab- setzen mißliebiger Beamten nicht, selbst wenn die ganze Macht der, an dasBsonisiren" unbequemer Berichte gewöhntenStaatszeitung " in die Wagschaale geworfen wird. Aber der Verlauf der Dinge mit Bezug auf die Wirkung wahrheitsgetreuer politischer Berichte ist der gleiche hüben wie drüben. ES ist überall dieselbe Geschichte; man möchte den Sturmvogel tödten, weil er den drohenden Orkan verkündet; als ob dieser deshalb aus- bliebe!" Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 2. Mai 1888. Einem Nachruf derNew Hark« Volkszeitung" entnehmen wir noch folgende biographische Ntitthciluugcn über Dietzgen : Dietzgen wurde im Jahre 1827 in Uckerath in der Nähe von Sieg- bürg in der Rheinprovinz geboren. Seine Eltern waren wohlhabende Landleute. Sie ließen ihren Sohn zuerst die allgemeine Volksschule besuchm und sandten ihn später auf da» Gymnasium. Nach theilweiser Absolvirung desselben erlernte er das Lohgerberhandwerk. Schon als neunzehnjähriger Jüngling nahm er sehr regen Antheil an der revolu- tionären Bewegung, welche dem Jahre 1848 voraufging. Er widmete sich indeß fleißig und strebsam seinem Handwerk, zeigte sich aber immer sehr wißbegierig und studirte anhaltend mit großem Eifer. Später, im *) Unter sympathischen Streiks sind solche gemeint, welche den Zweck haben, andere im Kampf befindliche Organisationen zu unterstützen. **) Wörtlich: zu dirlgiren. Jahre 1859, betrat er zum ersten Male den Boden der Ver. Staate» und durchwanderte einen großen Theil derselben zu Fuß oder auf Kanalbooten. Er arbeitete läng«« Zeit in seinem ursprünglichen Beruf als Lohgerber, erwarb sich aber auch eine Zeitlang seinen Lebensunt«» halt als Schulmeister. Auch in Milwaukee schlug et unter andere» für kurze Zeit sein Heim auf. Das Jahr 1860 führt« ihn nach de« Süden, woselbst er mehrere Monate hindurch in Alabama lebte. Nach dem Ausbruch des SezessionS-KriegeS trieb er wieder nach dem Norden, aber nicht für lange Zeit. Er zog es vor, nach Deutschland zurückzu- kehren, wo er seine Lohgerberei auf der einen und daneben das Studiu« der Philosophie auf der andern Seite betrieb. Im Beginn d« 60er Jahre entwarf er den Plan zu seinem bede» tendsten W«ke:Da» Wesen der Kopfarbeit. Eine abermalige Kritik der reinen Vernunft. Von einem Handarbeiter". Inzwischen nahm et vorübergehend eine Stelle in Petersburg an als Werkführer einer groß» Gerberei. Von Petersburg aus schrieb er seine berühmten Artikel über das Kapital" von Karl Marx , die im demokratischen Wochenblatt, dem Vov läuser desVolkSstaat " erschienen. Bald darnach kehrte er nach sein« Heimath zurück und siedelte sich dann in Siegburg an, woselbst er sich abermals der Gerberei zuwandte, stets aber sehr regen Antheil an d» Arbeiterbewegung nahm. Seine zahlreichen Artikel imVolkifiaat" leg» Zeugniß davon ab. Außerdem war er schriftstellerisch thätig, indem et eine ziemlich große Anzahl von kleinen Broschüren veröffentlichte, unt« Anderem auch seine Schrift:Die Religion der Sozialdemokratie." Fünf Kanzelreden. Von seinen sonstigen Schriften nennen wir:Die bürgerliche Gesellschaft";National-Oekonomisch es"; und, soeben er« schienen:Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet der Erkenntnis theorie.« Im Jahre 1872 erschien er als Delegat aus dem Kongreß in Haag, wo ihn Marx seinen Freunden mit den Worten vorstellte:Da ist unser Philosoph". Dietzgen hatte mancherlei Verfolgungen zu erdulden; die preußische Polizei sah ihm immer auf den Fersen. Auch eine länge« Haft ist ihm nicht erspart geblieben, so daß er auf diese Weise mit all» Leiden der Arbeiterbewegung bekannt wurde." Dietzgen hinterläßt vier Töchter und zwei Söhne, wovon letztere und zwei Töchter in denVereinigten Staaten " leben. Seine Frau ist schon lange todt, doch soll sein Vater noch am Leben sein. Wie Dietzgen starb, geht aus folgendem Brief seines Sohne» Eugen Dietzzen an die ChicagoerArbe iter-Zeitung" hervor: Mir liegt die schmerzliche Pflicht ob, Ihnen mitzutheilen, daß mein Papa gestern 1.45 Nachmittags am Herzschlag gestorben ist. Der plötzliche Tod traf ihn, während er mit einem Bekannten von mir über Streiks debattirte. Seine letzten Worte galten der Sache, für die er sein Leben gekämpft. Bei Streiks, sagte er, handelt es sich um die Macht- frage. Noch haben die Kapitalisten mehr Macht, als die Arbeiter, und gewinnen daher in d« Regel die Streiks, aber in der nahen Zu- kunft wird sich das Blatt wenden und den Arbeiter« die Macht und der Sieg zufallen. Auf den Einwand meines Bekannten, daß er das Letztere so wenig wie seine Kinder und dm« Kindeskinder erleben würde, erwiderte mein Papa kopfschüttelnd und aufgeregt:Ich habe schon Manches erlebt, schon vor 40 Jahren sah ich die heutige Arbeiterbewegung vor- a u S l" Mit diesen Worten legte er seinen Kopf zurück, gleichsam uw Athem zu holen, sank vom Stuhle und war zwei Minuten später todt, ohne nur ein weiteres Wort geäußert zu haben." Mitten in der Verkündigung unserer Ideen gleichsam auf de» Schlachtfeld, wie die New-HorkerVolkszeitung treffend bemerkt ge- fallen, gestorben mit dem Bewußtsein des bevorstehenden Siege»: ei« schöner Tod, ganz des bewährten Kommunisten würdig. Neutralität. Man schreibt un»: lieber die angeblichen Pflichten, welche der Schweiz durch ihreNeutralität" auferlegt seien, ist in neuerer Zeit so viel widersinniges und verwirrtes Zeug geredet und geschriebe» worden, daß eS nöthig ist, uns einmal klar zu machen, was unter Neu- tralität eigentlich zu verstehen. Das Wort Neutralität heißt in seiner« aktiven Sinne: Parteinahme für keinen der streitenden Theil«, und in feinem p a s s iv e n Sinn: Hereinziehung i» den Streit durch keine« der streitenden Thelle. Em Staat beobachtet Neutralität, w»m>. er bei einem Streit(Krieg) gänzlich unbetheiligt bleibt, keinem der streitende« Theile Vorschub leistet, keinem einen Nachtheil zufügt. Und einen Staat, welcher die Neutralität beobachtet, hat selbstverständlich jeder der streb tenden Staaten vollkommen unbehelligt zu lassen. Ist ein Staat, ahn- lich wie dies mit der Schweiz der Fall ist, durch internationale Ver- träge für neutral erklärt, so bedeutet dies, daß der srazlich« Staat einerseits sich in die Streitigkeiten der Mächte, die sein« Neutra- lilät anerkennen, nicht hineinmischen darf, andererseits aber auch, daß db Mächte, welche seine Neutralität anerkannt haben, ihn unbehelligt lasse« und sich nicht in seine inneren Anzelegenheiten einmischen. Jeder Aus- länder, welcher in einem neutralen Staate wohnt, hat sich na-ürlich dei durch die Neutralität geschaffenen Lage anzupassen und Alles zu ver meiden, was sich mit den Pflichten der Neutralität nicht verträgt. Die Schweiz z. B. hat die Pflicht, sich in keinen europäischen Strei (Krieg) einzumischen und unter allen Umständen dasür zu sorgen, das kein« bewaffneten Einfälle gegen Rachbarstaaten, die ihre der Schweiz - Neutralität nicht verletzt haben, vorbereitet werden. Dafür sind aber autl die übrigen Mächte verpflichtet, im Fall eines Kriegs unter alle« Umständen, auch wenn die größten augenblicklichen Dortheile dadurl verscherzt werden, das Gebiet der Schweiz zu schonen, und Friedenszeiten nichts zu thun, was gegen die Gesetze und die Versassuns der Schweiz verstößt. Das ist eine durchaus richtige, mit den allgemein anerkannten Lehre« des Völkerrechts übereinstimmende, von keiner Seit« anfechtbare Defiiö tion des Begriffs Neutralität. Haben nun die deutschen Sozialdemokraten, welche soebe« wegen angeblicher Verletzung der Pflichten und Gebote der N-utralitt> aus der Schweiz ausgewiesen worden sind, in Wirklichkeit de« Pflichten und Geboten der Neutralität zuwider gehandelt? N>cht einmal in der Rechtsertigungsschrist des Bundesraths wird ihn«« eine Handlung zur Last gelegt, welche in diesem Sinne gedeutet werde« könnte. Das was den Ausgewiesenen zur Last gelegt wird, sind Meinung» Äußerungen über die Politik und das We sen einer auswärtige« nämlich der deutschen Regierung. Wohlgemerkt Meinungsäußerungen ohne jede Aufforderun zu feindlichen Handlungen im Sinne des Völkerrecht». Hätte z. B. derSozialdemokrat" oder derRothe Teufel" die Aus forderung enthalten, in der Schweiz , oder auf deutschem oder so« fligen Boden Freischaaren zu bilden, mit deren Hülfe die deutsche Regie rung gestürzt und«ine andere Staats- und Regierungsform eingesüh« werden sollte, so könnte man mit einer gewissen Logik deduziren, daß sch» in solcher Preßthätigkeit die Vorbereitung zu einer feindlichen Akti» liege. Allein Derartiges oder Aehnliches ist nicht vorgekommen und wir> in der R-chifertitzungsschrist nicht einmal behauptet. Doch die Meinungsäu ßerungen sollen das Maß des Erlaub ten, die Grenzen der berechtigten Kritik überschritten haben und geeign« gewesen sein, eine der Schweiz befreundete Regierung zu verletzen. Das ist's, wenn auch nicht in Worten, doch dem Sinne nach, was d» Ausgewiesenen zur Last gelegt und als Grund ihrer Auswei sung bezeichnet wird. Aber besteht denn in der Schwel, keine Preßsreiheit? Ist der Bunde» rath eine Zensurbehörde, welche darüber zu wachen hat, daßdas M« des Erlaubten",die Grenzen der berechtigten Kritik" nicht überschritte« und die Gefühle ausländischer Regierungen nicht verletzt werden? W» ist dasMaß des Erlaubten"? Wer hat je dieGrenzen der berechtig ten Kritik" ausfindig gemacht? Wie ist es möglich, dieGefühle" ein« Regierung genau zu berechnen, und waS haben dieGefühle", was ht das Alles mit der N e u t r a l i t ä t zu thun? In der Schweiz herrscht gesetzlich unbeschränkte Freiheit der Meinung» Lußerung, unbeschränkte Preßsreiheit. Der BundeSrath hat in erster darüber zu wachen, daß das Gesetz beobachtet werde, und also au< darüber, daß die Freiheit der Meinungsäußerung, die Preßfreiheit leinet Abbruch und keine Schmälerung erleide. Hat derSozialdemokrat" irgendwie gegen die Gesetze der Schwei » welche die freie Meinungsäußerung und die Preßsreiheit gewährleiste« verstoßen? Mit nichtm l Er hat von diesen Gesetzen nur den gesetzliche» Gebrauch gemacht.