Nun, die zimperlichen Leute, die sich über die„heftige Sprache" der ldemokraten und über ihr„maßloses Geschimpfe" nicht genug ent« können, sprechen der Regel nach v o n den Sozialdemokraten gar anders als in Schimpfwörtern. Thatfachs ist, daß e» in Deutsch- — und zum Theil trifft das auch für die Schweiz zu— kein tegnerisches Blatt gibt, welches die Forderungen und das Handeln •x Sozialdemokraten in fachlicher, anständiger Weife diskuttrt. Wüstes Geschimpfe wechselt ad mit schamlosen Denunziationen und ge- radezu tollen Lügen. Wenn irgend«in Vorgang erzählt wird, bei wel- che« Sozialdemokraten betheiligt waren, so kann man sicher sein, daß in SS von 1l>0 Fällen die Thatfachen in der gehässigsten Weise ent- stellt find. Und die pöbelhafte Sprache!„VaterlandsloseS Gesindel",„Aufrei- zungen zu Gewaltthat",„Verbrecher",„Gelichter",„Erziehung und An- ftachlung zum Verbrechen",„gemeingefährliche Umstürzler",„Lug und Trug",„die Agitatoren, welche sich vom Schweiß der Arbeiter mästen"— und so weiter. Kurz, wer die Sozialdemokraten nur aus den Schilde- rungen der Gegner kennt, muß jeden Sozialdemokraten für einen Verbrecher und Lump halten, der bloS durch die gemeinsten Beweggründe und zur Befriedigung der gemeinsten Triebe und Leidenschaften in die Reihen der Sozialdemokratie gelangt ist. Die Sozialdemokraten sind, trotz der nichtswürdigen Praxis und Taktik, die gegen sie befolgt werden, niemals soweit gegangen, ihren politischen Gegnern in Bausch und Bogen die Ehre und Ehrenhaftigkeit abzusprechen. Sie trennen stets die Personen von dem System— wie das beiläufig in dem Wesen und der Weltanschauung der Sozial- Demokratie liegt. Sie laffen sich aber auch das Recht nicht verkümmern, gemeine Gegner so zu behandeln, wie dieselben es verdienen. Daß hier und da in der Hitze des Gefechts ein Ausdruck nicht auf die Gold- «aage gelegt wird, ist richtig, und daß hier und da in der Polemik unserer Genoffen das Persönlich««wen zu breiten Spielraum hat— das zu leugnen fällt unS nicht ein; und wir fragen bloS, ob es denn anders möglich ist? Das aber behaupten wir— und vertreten eS gegen Jedermann— daß, trotz der wfamen Art und Weise, wie man uns bekämpft und verfolgt, die Polemik seitens der Sozialdemokraten tau- fendmal anständiger und sachlicher geführt wird, »lS seitens unserer Gegner. Und was die sogenannte„Maßlosigkeit der Ausdrücke" betrifft, so wiederholen wir, was wir schon oft erklärt haben, daß es eine alberne Ungerechtigkeit ist, von dem Verfolgten zu verlangen, er solle sewen Verfolger mit Gefühlen der christlichen Liebe betrachten. Der imger z cht Verfolgte soll seinen Verfolger Haffen, der Haß ist sein gute» Recht und seine gute Pflicht, und er soll seinem Haß Ausdruck geben. Wenn«in heuchlerischer, verlogener Pfaffe, wie der Stöcker, BiSmarck'S zukünftiger Kultusminister, mit zum Himmel erhobenen Augen km Namen Gottes und der Nächstenliebe die barbarischste Hetzjagd auf Menschen predigt und sich in den rohesten Schimpfereien ergeht, so ist das allerdings ein ekelerregendes Schauspiel, das freilich von den »eisten der Anstandsdamen beider Geschlechter, die den Sozialdemokraten ihre„maßlose Sprache" vorwerfen, durchaus nicht mißbilligt wird. Wenn jedoch ein Arbeiter, dem seine Aussauger und Unterdrücker eine menschenwürdige Erziehung vorenthalten haben, sich gegen seine Peiniger auflehnt und in flammenden Worten die Niedertracht seiner feigen Ver- folzer geißelt, dann fühlen wir uns nicht berechtigt» den hei« kigen ManneSzorn zu entmannen— wir erkennen dem Unterdrückten daS volle Recht zu, seinen Unterdrücker zu züchtigen und >u brandmarken— und statt gegen daS Opfer richtet sich unsere Ent- rüstung gegen den Frevler. Und wer hat den Muth, unS ehrlich in'S Gesicht zu sagen, daß wir Anrecht haben?— In dem Schreiben„aus Sachsen ", das uns zu dieser— an die Adresse der Gegner gehenden— Auseinandersetzung veranlaßt hat, ist übri- genS nach keiner Richtung hin zu viel gesagt. Im Gegentheil— wir wiffen durch anderweitige Mitthellungen, daß unser Korrespondent sich streng innerhalb der Schranken striktester Wahrheit gehalten hat. Herr Häntzschel w Leipzig gehört zu jenen niedrigen und gehässigen Naturen, die das Ideale und Edle nicht zu ersaffen vermögen, und, die übrigen Menschen nach sich selbst beurtheilend, jedem Anderen die eigene Niedrigkeit und Gemeinheit unterschieben. Die Jagd auf die Sozialdemokraten wird von diesem Individuum als Sport behandelt— au einem armen Teufel, den er in der Gewalt hat, fein Müthchen zu tühlm, daS ist ihm höchster Genuß, und jedesmal, wenn er einen Sozial- demokraten oder gar ihrer mehrere— ans Messer geliefert hat, pflegt ihm sew Abind-„Töpfchen" ganz besonders zu munden, wie nach einem glücklich vollbrachten schweren Tagewerk. Schwer ist daS Tagewerk übrigens gar nicht. Mit den Herren Richtern steht er sich vortrefflich— mit den meisten auf Du und Du— und da bedarf es keiner Kunst, die Verurtheilung zu erlangen.— — vom Feinde soll man lernen, sagt ein lateinisches Sprüch- wort. Und in der That können wir unS in sehr vielen Dingen an un- seren Feinden ein Beispiel nehmen. Wo immer die Arbeiterklasse bisher zeitweilig Einfluß aus die Gesetzgebung und Verwaltung hatte, da hat sie sich, weit entfernt, die Redensart von den„begehrlichen Arbeitern" wahr z« machen, überall in der Verfolgung ihrer materiellen Interessen von«wer Schüchternheit und Zurückhaltung erwiesen, die im umgekehrten Verhältniß zu ihrem guten Reckt standen. Da sind unsere Gegner, die privilegirten Ausbeuter in Stadt und Land, ganz anders Kerle. Sie kennen, wo eS sich um ihre Klaffeninteressen handelt, gar keine Rück- stchten alS die auf die jeweiligen Macht Verhältnisse. Sind diese ihnen günstig, so werden sie bis zur äußersten Konsequenz ausgenutzt— ohne Rücksicht auf daS, was beschränkte Leute politische Moral zu nennen Pflegen. Wahrhaft Musterhaftes leisten in dieser Beziehung die christ- lich, konservativen Landprotzen im heiligen Preußen. So viel sie in der Aera Bismarck-Puttkamer für ihre privilegirte Stellung und ihren Geldsack auch bereits durchgesetzt, es ist ihnen immer noch nicht genug. Immer wieder kommen sie mtt neuen unverschämten An- svrderungen, so daß daS Volk vor der Abwehr derselben gar nicht dazu kommt, den berechtigten Kampf gegen die bestehenden Privilegien dieser Erben von Strauchrittern und ähnlichem Gesindel zu führen. Jetzt ist ihnen wieder ihre Vertretung in den Kreistagen nicht vortheilhaft genug. Die preußische Kreisverfaffung, der Stolz des Erzjunkers Putt- ramer, ist ihnen noch zu„liberal". Sie erfüllt zwar ihren Zweck, die privilegirt« Stellung, welche die Herren Landjunker einst als„Stand" besaßen, auf die Klasse der Landjunker zu übertragen, so gut, daß Ehren-Puttkamer von ihr sagen konnte, er habe sich mit ihrer Durch- führung„ein Denkmal" gesetzt,„dauernder als von Erz," aber sie hat doch den Fehler, daß sie zur Vertretung auf den ländlichen Kreistagen auch Elemente zuläßt, welche andere Interessen haben als die Feudaljunker. Sie macht nämlich die Zugehörigkeit zum Wahlverband, d.h. die Wahlberechtigung zu den Kreistagen, abhängig von der Zahlung von 22b Mark an Grund- und Gebäudesteuern. Das ist den Herren unbequem. Gebäudesteuern haben auch Leute zu zahlen, die für das eigentliche Junker-Jntereffe nicht da» richtige Verständniß zeigen, die allenfalls dabei sind, wenn eS gilt, daS Volk zu schinden, die aber sich dagegen auflehnen könnten, daß die ausschließliche Beute oder doch der Löwenantheil an derselben von Gotte» und Rechte» wegen den Landprotzen gebührt. Darum heraus mit ihnen aus den Kreistagen. Und so haben die Herren in diesen Tagen im preußischen Abgeordneten- hause, wo sie zur Zeit obenauf sind, den Antrag eingebracht, den de- treffenden Paragraph der preußischen KreiSordnung dahin abzuändem, daß nur die Zahlung von 225 Mark an Grundsteuern die Wahlberechtigung zu den ländlichen Kreistagen ver» leiht, d. h. die Herren Großgrundbesitzer die Entscheidung über die Anlage neuer Straßen, die Veranlagung zu dm Kreissteuern»e. in der Hand haben. SS ist da» nur ein Beispiel aus vielen, aber es zeigt, wie unver- fror« diese ohnehin mit allen Vorrechtm des Besitzes ausgestatteten Patrone darauf au» sind, sich neue Vortheile zu sichern. Mögen die deutschen Arbeiter das beherzigen, und wenn sie, in hoffentlich nicht all- zulanger Ferne, die Klinke der Gesetzgebung und Verwaltung in die Hand bekommen, in der Durchführung ihrer gerechten Forderungen hinter dem Borbild nicht zurückstehm, welches ihnm die christlich-konseroattven Herren Bon gegeben habm und noch geben. Proletarier, lernt von Surm tndent — Wie die Zeitungen melden, hat nun auch da» Komite der demnächst stattfindenden Jnteruationale« Kunstausstellung tu München da» Bild Aors lmpsrator von Hermine von Preuschen als„zur Aufnahme nicht geeignet" befunden. Die Herren Künstler in der bayerischen Residenz wollten ihren Kollegen in der boruffischen Hauptstadt in Punkto Loyalität nicht nachstehen. Sehr be« greiflich, so daß es uns gar nicht einfiele, der Sache noch einmal zu erwähnen, wenn nicht gerade jetzt im Bedientenland die dem Bilde zu Grunde liegende Idee ihre gewissermaßen offizielle Bestätigung erhalten hätte, ölors Imperator— der Tod der höchste Herrscher— seit Monaten studirt der gutgesinnte Deutsche nichts eifriger als die Bs- richte aus dem Krankenzimmer Friedrichs III., beschäftigt ihn nichts leb- hafter als die Frage, wie bald der Tod als Sieger in dasselbe einziehen werde. Was hängt für ihn nicht Alles von dieser Frage ab? Wenn des Kaisers Wort die Geschicke des Landes bestimmt, wenn er bestimmt, was gut und was schlecht, was recht und wa» unrecht sei; wenn nicht deS Volkes, sondern sein Wille über die Lebensfragen der Natton entscheidet — und daS ist heut die herrschende Anschauung in Deutschland — nun, dann ist in der That mors— der Tod, der höchste Herrscher, denn er entscheidet, wer Kaiser, wessen Wille maßgebend sein soll. Der Hexensabbath, genannt Streit der Aerzte, hinter dem sich aber der Streit ihrer Hintermänner— man kann kaum sagen, versteckte, dieser Hexen- sabbath war nur das Gegenstück zu dem„Stillleben" der Hermine von Preuschen. Die Thatsachen haben der Malerin Recht gegeben, die Aka- demie weist ihr Bild, trotzdem sie die technische Ausführung nicht be- Mängeln kann, zurück. Sie hat gut daran gethan, denn es hätte sich als eine schneidende Satire auf die Geschichte der letzten drei Monate aus- genommen. Unsere zartbesaitete Epoche verträgt keine Satire. — So erzieht man die Jugend zur— Heuchelei. Dem „Berliner Volksblatt" ist aus seinem Leserkreise ein Traktätchen zuge- gangen, daS die Berliner Stadtmifston an die Schüler verschiedener Schul- und Altersklassen eines Berliner Gymnasiums vertheilen ließ, und da» nach den vom„Volksblatt" mitgetheilten Proben ein wahrer Hohn ist auf alle Grundsätze einer gesunden Pädagogik, genau wie die Moral der Leiter dieses protestantischen Jesuitenordens das genaue Gegentheil wirklicher Moral ist. Man höre nur(wir lassen zuerst daS „Volksblatt" reden): „Es(daS Flugblatt) ist bezeichnenderweise überschrieben:„Wehe dem Menschen, durch welchen Aergerniß kommt", und frommer Ermahnungen voll. Aber nicht blas frommer Ermahnun- gen voll, sondern gleichzeitig gespickt mit soviel Schmutz, daß wir un» erstaunt fragen, wie man es wagen kann, ahnungslosen Knaben der- gleichen in die Hand zu spielen. So sehr es uns auch widerstrebt, zur Kennzeichnung dieser Art von Erbauungsschriften für Kinder müssen wir doch wenigstens aus dem Traktat mitthellen:„Lasset Euch nicht verführen; weder die Hur er, noch die Abgöttischen(Un« gläubige), noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge(Ver- derber ihrer selbst, Unzüchtige), noch die Knabenschänder, noch die Diebe, noch die Geizigen(Habsüchtigen), noch die Trunkenbolde, noch die Lästerer, noch die Räuber werden das Reich Gottes erben..." Die einzelnen starken Bezeichnungen sind im Original gefperrt gedruckt. Abgesehen von der Schamlosigkeit, das Kindern zu bieten, ist besonders interessant die Zusammenwerfung Ungläubiger (also Andersgläubiger) mit Räubern, Dieben und Sittlichkeitsverbrechern. Wegen der Ankündigung, daß auch die„Lästerer" das Reich Gottes nicht erben werden, mögen sich gewisse Hetzapostel mit der Traktatgesell- fchast abfinden. Weiter findet sich in dem Machwerk folgende Reimerei: „Weh' Dir Mann, dess' schnöde Brunst Iungfrau'ntugend schlachtet! Deine Lust verrauch' in Dunst! Von Dir selbst verachtet. Oualenreich, Teufeln gleich, Muß Dein Geist zu Teufeln hingeh'n und verzweifeln.— Weh' Dir, Weib, das frech geschmückt JünglingSunschuld stürzet, Ihn der Heil'gung Pfad entrückt, Ihm sein Leben kürzet! Solchem Mord wird einst dort Gott das Urtheil sprechen, Furchtbar streng ihn rächen."— So geht eS fort mit Grazie.— Und derarttges Zeug wird Gymnasiasten in die Hand gedrückt im Namen und zur Ehre christlicher Sitte und tugendsamer Erbauung." So daS Berliner Arbeiterblatt. Seine Enttüstung ist nur zu gerecht- fertigt. Das ist das Muckerthum der Reaktionszeit der vierziger Jahre in seiner ganzen augenverdrehenden Lüsternheit. Das ist die niederträchtige, zelotische und zotische Sprache�wieder, die schon damals den Protest aller unabhängig Gesinnten hervorrief. Und dieser Spuck taucht heute wieder auf, unterstützt nicht nur von den Spitzen der feu- dalen Aristokratie, sondern von Leuten, die die Frechheit haben, sich liberal zu nennen. Selbstverständlich mit derselben Wirkung oder Wirkungslosigkeit— wenigstens im Sinne seiner Veranstalter—, aber er tritt doch auf, er macht sich breit, und wenn er auch, wie gesagt, feinen Zweck, das heranwachsende Geschlecht zu entmannen, nicht erfüllen wird, so ist und bleibt er doch eine Schande für unser Zeit« alter. — Die Familie Bismarck ist sich wieder einmal treu geblieben. Des großen Kanzlers Jüngster, dem zur diplomatischen Karriere trotz des VaterS genialer Rücksichtslosigkeit in der Praktizirung des Oxen- stierna'fchen Wortes der Spiritus fehlt, und der sich daher dem idyllischen Verwaltungsdienst gewidmet, soll— natürlich mit U-berfpringung ver- schieden« Mittelsproffen— befördert werden. Bisher war Wilhelm Bismarck Landrath in Hanau ; der Posten eines Regierungsprä- stdenten bedeutet mehr und wird— nicht zu vergessen!— höher bezahlt. Da sich ein Regierungspräsidium nicht so einfach neu schaffen läßt, wie die bekannte zwanzigtaustge„zweite Sekretärstelle", so„will" der Regierungspräsident von Hannover demissioniren und Graf Bill soll an dessen Stelle treten. Und seine Verdienste, um diese rasche Karriere zu erklären? Man weiß zwar außer dem, daß er der Sohn seine« Vaters ist, wenig, immerhin hat er sich auch als Landrath durch zwei Maßregeln ausgezeichnet, die in der Aera Puitkanier zu diesem raschen Avancement vollauf berechtigen. Einmal dadurch, daß er durch eine Verfügung den Lehrern seines Bezirkes im Interesse der„höhern Sittlichkeit und Moral" ein ganz unschuldiges Kartenspiel verbot, und dann, daß er in Gesellschaft lustiger Kumpane in später Nacht sich dadurch Eingang in ein Nestau- rant verschaffte, daß er, weil die HauSthüre bereits geschlossen war, die Altane im ersten Stockwerke erkletterte und von da aus das Haus alar- mirte. Für den Herrn Landrath gibt es eben keine Polizeistunde. AlS Regierungspräsident wird Bill übrigens seinem Vater Otto und seinem Better Putty alle Ehre machen. Er hat das schon vor Jahren versprochen, als er in Berlin in einer von den Stöckerianern arrangirten „Volksversammlung" auftrat und bei dieser Gelegenheit das zynisch-fteche Junkerwort fallen ließ, daß für die Berliner die Hundesperre «ine belästigender« Maßregel sei, als der kleine Be- lagerungS,»stand. Ein«»wette Versammlung hielt Graf Bill wohlweislich nicht mehr ab; daß er die erste mit gesunden Knochen verlassen konnte, verdankt er nur dem Umstand«, daß die Berliner sozial- demokratischen Arbeiter sich für zu gut halten, um Stöcker'sche Versamm- lungen, in denen BiSmarck'S Söhne reden, zu besuchen. Im Uebrigen ist eS eigentlich schade, daß der Kanzler ein so abgesagter Gegner des„Weiberregiments" ist. Sein Aeltester ist Kanzler in sps, preußischer Minister des Auswärtigen ,c., sein Jüngster RegierungSprä- fident; fein Schwiegersohn— von der weitern Verwandtschaft hier nicht zu reden— Gesandter in München — e» fehlt nur noch ein Staats- posten für die Tochter— dann wären für die nächsten paar Genera- tionen die Familie und der preußische Staat— versorgt. WerS erlebt, kanns sehen; was nicht ist, kann noch werden. — Gin Diätenprozeß i« Sicht.??? Dem Bruder unsere» Puttkamer, Herrn Puttkamer-Plauth, sowie einem andern stock- konservativen Abgeordneten ist, auf einstimmigen Beschluß der Wahl- Prüfungskommission de» preußischen Abgeordnetenhauses, das Mandat aberkannt worden, weil dasselbe durch ftandalös«„Unregelmäßigkeiten" widerrechtlich erschlichen worden war. Drei volle Jahre lang— bis un- mittelbar vor Ablauf der Mandatsperiode— hat Herr Puttkamer nebst seinem ehrenwerthen Kollegen daS falsche und gefälschte Mandat ausgeübt, und auf Grund des falschen und gefälschten Mandats sich während der drei Sessionen täglich is Mark Diäten auszahlen lassen— zusammen für jeden der beiden konservativen Ehrenmänner in runder Summe«7SV Mark. Ein Spaßvogel sprengte die Nachricht aus, die beiden Ehrenmänner hätten die Diäten freiwillig dem Fiskus zurückerstattet. Da» wurde aber sofort widerrufen. Jetzt heißt ei, der F i s l u i habe«inen Diäten- Prozeß gegen die zwei Herren angestrengt. Dazu machen jedoch meh- rere Blätter«in Fragezeichen. Und wir machen auch«mS. Und»warein recht großes.? Wir kennen die deutsche„Gleichheit vor de« Gesetz". — Herr Schurz hat über seinen Besuch bei Bismarck allerhand fartcatcherische Berichte verbreitet. Nun— was die zwei großen Männer gegessen, getrunken und geschwatzt haben, ist uns höchst gleichgültig. Und daß Schurz kapabel war, zu Bismarck zu gehen, das wußten wir von vornherein, denn wir kennen ihn ja seit 40 J ihren— und bei ihm hat das Alter in der That die Versprechungen der Jugend gehalten. Ein eitler, schönrednerischer, streberischer Flachkopf war er schon 1848 und 1849— und was er war, ist er noch heute. Wir wollen bei dieser Gelegenheit nur an das famose Bismarck'sche Wort erinnern:„Anständige Leute schreiben nicht für mich." Und Jemanden, für den man anständigerweise nicht schreiben kann, kann man doch auch anständigerweise nicht b e- suchen. Und wir wissen es zufällig aus authentischer Quelle, daß Kanzler Eisenstirn seine nicht standesgenössischen Besucher auch nicht für anständige Leute hält. Als z. B. B u ch e r, der sich gar nicht verkaufen wollte, im Jahr 1883 durch die Gräfin Hatzfeldt zu einem Besuch bei Bismarck verleitet ward, und diesen um eine— beiläufig ganz unverfängliche— Gefälligkeit ersuchte, meint- der Zukunftskanzler: „Lieber Herr Bucher, ich brauche Ihre politische Unter- stützung, ich brauche Sie ganz, und Sie gehören mir jetzt. Indem Sie zu mir kamen, haben Sie sich unrett- bar kompromtttirt. Treten Sie nicht in meine Dienste, so steht morgen in allen Zeitungen, daß Sie bei mir waren, und dann sind Sie ein todter Mann." Bucher wand sich und drehte sich— allein zuletzt„stieg er in den Pott". Und seitdem ist Mancher ihm nachgestiegen. Aber nach Bismarck '» eigenem Urtheil sind sie moralisch t 0 d t. Und Bucher war von besserem Stoff als Schurz. — Beinahe als„Anstifter" zur Verbreitung ver» botener Schriften— aufgestiebert. Wie wir der„Fränkischen Tagespost" entnehmen, ist der in Nürnberg wohnhafte Genosse Dr. B. S ch ö n l a n k mit knapper Roth der Gefahr entgangen, als„An- stifter" zur Verbreitung des„Sozialdemokrat", wenn auch einstwelle« noch nicht gespießt und gerädert, so doch vorläufig wiederum auf etliche Monate in Numero Sicher gebracht zu werden. Schönlank soll sich, heißt eS im genannten Blatt, des Verbrechens dadurch fchuldtg gemacht haben, daß er„angeblich öfter» den Züricher„Sozialdemokrat" unter Kreuzband erhielt. In die Hände der Staatsanwaltschaft waren diverse Nummern des auf diese Weise expedirten Blattes durch die Freund- lichkeit deS hiesigen OberPostamtS gelangt, dessen Beamte, wie eS scheint, in den zugänglichen Postsachen Schönlank's ein wenig herumgestöbert haben, obwohl sie im Allgemeinen nicht viel übrig« Zeit haben. Nach der ersten Vernehmung durch den Untersuchungsrichter, in welcher der Beschuldigte aussagte, daß er nicht Abonnent de» Blattes sei, sondern dasselbe wie Blätter der verschiedensten Richtungen aus allen Herren Länder, einfach öfters zugeschickt bekomme, aber unter Kouvert und nicht in offenem Kreuzband, weshalb er diese letzter« Art Sendung für eine Falle eines Lockspitzels halte, und die kom- missarische Vernehmung des Expedienten des„Sozialdemokrat" beantragt hatte, hielt«S Herr I. Staatsanwalt Schmidt für angezeigt, die Untersuchung einzustellen." Wir sind der unmaßgeblichen Meinung, schließt die Notiz, daß es aus verschiedenen Gründen besser wäre, der- artig« Untersuchungen gar nicht einzuleiten." Stimmt! Aber wer kann den Uebereifer strebsamer ThemiSjllnger zügeln, wo daS Reichsgericht mit so gutem Beispiel vorangegangen? Im besagten Fall- war die Einleitung des Verfahrens übrigens wenig« stens in einer Hinsicht gut: sie zeigt die deutsche Reichspost wieder«in- mal auf den alten, bekannten Stieberpfaden. Ein schöne» Kulturbild, diese Durchschnüffelung von Postsachen durch Postbeamte, und dieser Versuch, aus dem bloßen Empfang einer verbotenen Druckschrift eine Anklage herauszudrechseln. Halt! Da fällt un» ein, daß wir oben Schönlank als Genosse bezeichnet haben. Wie unvorsichtig! Das ist ja nach Freiberger Muster schon Material zu einem Geheimbundsprozeß I Lassen sie den Straf« antraz liegen, Herr Untersuchungsrichter. Wir nehmen das Wort zu« rück und schreiben dafür„der wegen verschiedener politischer Vergehen bereits wiederholt bestrafte p. p. Schönlank." So, nun ist hoffentlich ver Vorschrift des Gesetzes Genüge geleistet und die Ruhe des Staate« ge- sichert. O Schilda, mein Vaterland. — Zur Erheiterung. Irgend einer der journalistischen Spitzel veröffentlicht nachstehende Notiz, welche die Runde durch die deutsch « Kartellpresse macht: „Zwischen den englischen, unter Führung Hyndman'S stehenden Sozialisten und den deutschen Sozialrevolu- tionären ist ein heftiger Streit ausgebrochen, der sich von Tag zu Tag verschärft und die Betheiligten dauernd zu trennen droht. Di« Engländer, welche wegen der rohen Sprache, deren sich die deutschen Revolutionäre befleißigen, schon seit längerer Zeit eine Abneigung gegen die Letzteren hatten, haben ihnen jetzt die Freundschaft vollends ge- kündigt; sie wollen die Deutschen von dem allgemeinen Arbeiterkongreß ausschließen. Eine besondere Abneigung scheint namentlich Hyndman gegen die deutschen Sozialrevoluttonäre zu hegen, denn er benutzt jede Gelegenheit, um sein Mißfallen über die deutschen Gesinnungsgenossen »u äußern, von denen er behauptet, daß es ihnen weniger auf politische Reformen alS auf eine allgemeine Revolution ankomme, welche ihnen Gelegenheit zur Beftiedigung der niedrigsten menschlichen Leidenschaften, der Habgier und Rache, bieten solle." Wer die deutschen„Sozialrevoluttonäre" sind, von denen der journa- listische Spitzel spricht, wissen wir nicht, wir wissen nur, daß Hyndnm« wiederholt die deutschen Sozialdemokraten angegriffen hat, well sie ihm zu„parlamentarisch" waren. — Die Hetzerei gegen Frankreich wird von der BiSmarck'fchen Reptilpresse wieder mit verdoppeltem Eiser betrieben. Wir wollen unS diesmal nicht auf Details einlassen. Das Thema ist alt und schon wiederholt von unS behandelt worden. Es ist nur nöthig, daß wir von Zeit zu Zeit auf da» schmähliche Spiel hinweisen. DaS in Deutschland herrschend« Junkerthum will mit Gewalt das deutsche Volk dem franzö- fischen feindselig stimmen, und darum wird seit über anderthalb Jahr- zehnten die Verhetzung gegen Frankreich systemattsch im Großen betrieben■ und so raffinirt, daß wir nicht leicht ein Seitenstück finden werden. Zum Glück durchschauen die Franzosen daS Bismarck 'sche Spiel— sie lassen sich nicht provoziren und beobachten eine durchaus korrekt« Hol- tung— wodurch freilich der Zorn der deutschen Krautjunker nur noch mehr gereizt wird. An den deutschen Arbeitern werden diese Verhetzungsversuche übrigen» kläglich zu Schanden. Wie die sozialdemokratischen deutschen Arbeiter der Judenhaß die Spitze abgebrochen haben, so auch der Franzosen- hatz. Die Sozialdemokraten sind eben dem Herrn Bismarck auf allen Gebieten— im Weg, und üben ihm gegenüber eine kräftige Wohl- fahrt?- und Sicherheitspolizei. Freilich ärgert ihn da» sehr, tndeß sein Zorn kann nur ein« Aufmunterung sein, hübsch fort- zufahren. — Sonderbare Schmeichler und Schmeicheleien. Kartell, brüderliche Zeitungen veröffentlichten neulich eine Anekdote, welche b« weisen sollte, wa» für eines enormen Ansehens sich Kanzler Eisenstiru im Ausland zu erfreuen habe. Und worin bestand der Beweis? Daß ein Beduinenknabe-wem deutschen Reisenden gegenüber— dem er ver, muthlich den Kartellbruder ansah— seinen„besten Esel" all BiSmarck-Esel bezeichnete. Wer im Inland sich beikommev ließe, Bismarck alS den besten und größten Esel zu bezeichnen, würde unbedingt eines der famosen«lagmandate auf sich herabziehen. Einer ähnlichen Schmeichelei macht sich ein gwisser Türk auS Reud nitz bei Leipzig schuldig(ä propos, sollte„Türk" kein bescheidene» Pseudonym für Spar ig sein, der ja sehr entschieden zu den„Kümmek, Türken" gehört?). Besagter Herr hat ein- Schrift über„da« Wesen deS Genie«" geschrieben, in welcher Schrift folgende Genialitäten geschrieben oder gedruckt zu lesen sind: „Das Gute kann nur realifirt werden mit der Hilfe deS Bösen... Auch wo da» Genie sich unreiner Mittel bedient, steht e» doch imme> ftber seinem eigenen Thun und Lassen,«eil e« Nie au» persönlichen I
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10 (2.6.1888) 23
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