der Süßeren Stellung der Schweiz . Nun scheint aber die Bundesbehörde allmälig auf einen Weg zu gerathen, der denn doch Kopfschütteln erregt. heute begnügt man sich bereits nicht mehr mit Anarchisten, Polizei- ftnheln und heißblütigen Preßmannen, sondern es wird nun Jedermann, der überhaupt über soziale Dinge an irgend emer Versammlung spricht, unter Polizeiaussicht gestellt! So lesen wir es gedruckt, schwarz aus weiß, in einer Polizeiinstruktion. Wir trauten unsern Augen kaum, aber es ist leider traurige Wahrheit, daß die P o l i z e i i n st r u i r t worden ist. alle öffentlichen und geheimen Versammlungen, in welchen über soziale Fragen diskutirt wird, inskünftig streng zu überwachen und über alle gehaltenen Reden an das eidgenöffische Justiz- und Polizeidepartement zu rapportiren! Diejenigen Revner, welche sich nicht über den Besitz eines Bürgerknebels ausweisen können, sollen unter besondere Polizeiaufsicht gestellt werden. Das riecht ja ganz preußisch! Welch Vergnügen muß es inSkünstig für Diejenigen sein, welchen die Befferstellung der arbeitenden Klaffen am Herzen liegt, wenn sie öffentlich wirken und reden wollen, fühlen zu müffen, daß sie polizeilich bewacht werden, ja daß man vielleicht aus purem Diensteifer ihre Worte verdreht und eine Denunziation daraus schmiedet. Welche prächtigen Rapporte muß es bei der Qualifikation der Mehrzahl der Polizeisoldaten geben! Sind wir wirklich in der Schweiz so weit gekommen, daß man dem fteien Bürger «inen Maulkratten anhängen will? Ja, dann allerdings bliebe uns nichts Anderes übrig, als den Bundesrath abzudanken und den Herrn Putt- tamer zum Diktator der schweizerischen Republik auszurufen!" Im Interesse der schweizerischen wie der Arbeiterbewegung überhaupt kann man diese Art„Sozialreform" nur begrüßen. Die Ernte wird die gleiche sein wie in— Deutschland . Gleiche Ursachen erzeugen gleiche Wirkungen. — Die zynische Verlogenheit der heutigen Gewalthaber in Deutschland kennzeichnet sich durch das schändliche Fälschungsspiel, welches Mit der ehrlichen deutschen Sprache getrieben wird. Wir deuteten schon früher aus dieses Moment hin, das sich allerdings auch in andern Län- dern findet, jedoch nirgends so ausgebildet, wie in dem Bismarck'schen Deutschland. Daß Parteien und Regierungen Worte, die einen guten Klang haben, für fich beschlagnahmen und ihnen einen ganz anderen Sinn unterlegen, das kommt überall vor. Allein, wie gesagt, nirgends wird dieses System der Fälschung, dieses auf den Kopfstellen der Be- griffe des Sprachgebrauchs so schamlos und so planmäßig betrieben, wie ln Deutschland . Es ist das eine der„Eigenlhü nlichkeiten" des Fürsten Bismarck, die er aus der Göttinger Korpskneipe ins politi- sche Leben eingeführt hat. Es gehört nämlich seit I»hrhunderten zu den üblichen Späffen der rohesten Studentensorte, die handgreiflichste Un Wahrheit zu sagen und— Zustimmung zu fordern. Wenn z. B. die Sonne recht stechend scheint, sagt der betreffend« Saufwitzbold zu Jemand. der geärgert werden soll, mit der ernstesten Miene von der Welt: es ist heute trübe und kalt! und, wird dem nicht beigepflichtet, so erklärt «r dies für eine Beleidigung und verlangt„Genuzthuung". Bismarck hat im Reichstag schon Dutzende solcher„genialen" Späße «-macht. Zum Beispiel an jenem Tag, wo er dem armen fortschrittlichen »Landrath" B a u m b a ch Wahlbeeinflnssimg vorwars, weil derselbe— keine Wahlbeeinfl rssung trieb, wie die Bismarck 'schen Landräthe, bei Strafe der Absetzung sie zu übe» gehalten sind. Eines der schönsten Stückchen in dieser Kunst ist die„Denkschrift", durch welch- der P u t t k a m e r fich bei dem vorigen Kaiser gegen den Borwurs der Wahlbeeinfiußung vertheidigte. I" diesem klassischen Schrift- stück deduzirte der Puttkamer mit dem ihm eigenen Pathos, er— der Puttkamer— habe die Wahlsreiheit stets aus das Nachdrücklichst? gegen die— fortschrittliche und sozialdemokratische Wahlbeeinfluffung vertheidigtl Dem vorigen Kaiser gefiel die Deduktion nicht, und er jagte den Urheber »um Teufel, hier eigentlich zu seinem Sohn, der ihn wohl wieder in Bmt und Würden bringen wird. Bon seinem Standpunkt aus hat aber der Puttkamer ganz recht. Wahlfr-.iheit muß sein. Das Wort hat einen so vortrefflichen Klang! Was würden die Spießbürger sagen, wenn der Wahlminist r, Bismarcks Letter und Hausknecht für alle schmutzigen Arbeiten, erklären wollte: »Wir find Feinde der Wahlfreiheit! Wie dumm und plump das wäre. Im Gegentheil! Wir schwärmen für die Wahlfreiheit Nur wuß si? richtjg ausgesaßt w-rdep. Wahlsreiheit, die wir meinen!" Die üchte, wahre Wahlsreiheit, die darin besteht, daß der Wähler so wählt, wie sein wohlverstandenes Jntereffe es erheischt. Und da der brave Leichsbürger mit seinem beschränkten Unterthanenv-rstand seine Jntereffen dicht so gut kennt und v rsteht, wie der zum Gärtner gesetzte Bock Putt- kamer nebst seinen Vettern, Schwägern und der ständigen Junker- und Pfaffensippschaft, so hat die Wahlsreiheit sich darin zu äußern, daß der brave Reichsbürger so stimmt, wie die Regierung— der Bunbesrath, Legierungsrath u. s. w.— eS vorschreibt. Kommt aber so ein staats» feindlicher Sozialdemokrat oder Fortschrtttler, der den braven Reichs- iürger verhindern will, seine Wahlfreiheit zu bethätigen, daß er für den Regierungskandidaten stimmt,— so muß die Regierung die bedrohte Wahlfreiheit beschirmen, und den Feinden der Wahlfreiheit und der Re< gierung da? Handwerk legen. Nichts kann logischer sein.-- Glaube der Leser ja nicht, daß wir uns hier einen Scherz erlaubt haben. Was wir als Inhalt der Puttkamer'schen Denkschrift mittheilten, entspricht vollständig den Thatsachen', wir haben bloß bie Form schärfer hervortreten laffen: im W e s e n t l i ch e n ist dies dicht bloß genau der Inhalt der Puttkamer'schen„Denkschrift", sondern auch das ganze Bismarck'sche Regierungsprogramm sürdie Wahlen— daS Regierungsprogramm, nach welchem— mit steigender Laffinirthett und Energie— bei den bisherigen Wahlen verfahren wor- de« ist, und nach welchem bei den nächsten Wahlen oerfahren »Verden wird. Wir haben da überhaupt die Schablone Bismarck 'scher Politik Und Praxis. Und jeder Quartaner, der die Schablone hat, kann darnach arbeiten. Man nehme z.B.„Das Wohl deS armen Mannes". Heiß ist kalt. Wahlfreiheit ist Wahlbeeinfluffung. Der arme Mann ist der reiche Mann. Kurz- man stellt den Begriff auf den Kops und >v jeu est fair— das Kunststück ist gemacht. Die Fürsorge für den armen Mann ist— daß ihm die Taschen vollends geleert und die ple< befischen Arbeitergroschen— in die Taschen der aristokratischen Junker befördert werden, die Keffer damit zu wirthschasten wiffen, als die dum- wen armen Leute, und außerdem für die dummen armen Leute poeit bester sorgen, als diese selbst es vermögen. Jeder unserer Leser kann die Schablone beliebig auf jede beliebige Legierungspraxis des eisenstirnigen Kanzler«, aus die leitenden Prin< «ipien der deutschen Justiz anwenden— die Schablone wird sich in allen Fällen bewähren. Bielleicht machen wir unS gelegentlich wieder einmal das Vergnügen, einige Pröbchen zum Besten zu geben. —„Einer der Hauptagitatore« der Sozialdemokraten t« Mainz ist nach Berübung eines Ei n b r u chd i e b st a h l s flüchtig gegangen. Die Polizei fahndet eifrig nach dem Entflohenen, der seine Familie in bitterster Roth zurückgelaffen hat"— also lesen wir in OrdnunzSblättern. Wir kennen besagten„Hauptagitator" nicht, »nüffen aber sagen, daß er ein entsetzliches Scheusal sein muß, denn sonst hätte er doch nach kartellbrüderlichem Rezept so viel gestohlen <ä Ja Winkelmann und Jerusalem , ordnungS- und industrie- ritterlichen Angedenkens), daß für seine Familie etwaS Ordentliches abgefallen wäre. UebrigenS hoffen wir, die Notiz möge nicht erlogen fein. Dann gibt eS doch wenigstens einen sozialdemokratischen„Agt- tator"(ja„Hauptagitator"), welcher würdig ist, von Kaiser Wilhelm II. begnadigt zu werden. — Der Staatsanwalt, welcher den unschuldigen L i«« k e auf's Schaffst brachte und dabei den Eifer und Blutdurst, wenn auch nicht den Scharfsinn eines Schweißhundes an den Tag legte, wurde bekannt- »ich bald nach der Hinrichtung seines Opfers geistesgestört— wie vor ihm schon so viele M-nschenjäger ähnlichen Kalibers in Frankreich , Deutschland und anderen Ländern. Er befindet sich jetzt, als unheilbar Kranker, in der Irrenanstalt des Herrn Dr. Edel in Charlotten- bürg. Die„Frankfurter Zeitung " veröffentlichte vor Kurzem ein inter - effantes Feuilleton über einen Besuch in jener Anstalt und ein Gespräch mtt dem kranken Staatsanwalt. Der Geist LieSke's verfolgt diesen— Zweifel an der Schuld des Unglücklichen, den er dem Tod über- antwortet, wühlen in ihm und die prophetischen Worte des soeben ver- urtheilten Lieske:„Herr Staatsanwalt, Sie werden kein Todesurtheil «ehr beantragen!" haben sich ties in die Brust des zerknirschten Menschen« jägerS und Mörder? gebohrt und sind ihm zur Zuchtruthe geworden— selbst im Irrenhaus, das sonst den Frieden der Unbewußtheit gibt. Dieser Verbrecher— F r e h s e e heißt er— hat in seiner Geistes- nacht die Folterqualen der D a n t e'schen Hölle zu ertragen. — Der St. Sallener Parteitag faßte bekanntlich mit Einstimmig- kett folgenden Beschluß: „Der Parteitag fordert die Genossen auf, der Flucht von Parteigenossen wegen drohender Prozesse oder G e s ä n g n i ßstr af e n möglichst ent- gegenzutreten und eventuell jede materielle Unterstützung zu versagen." Die Bedeutung dieses BeschluffeS scheint von den Genoffen nicht überall erkannt worden zu sein, oder doch nicht genügend gewürdigt zu werden. Es ist auch nach dem Parteitag vorgekommen, daßGenoffen, denen eine Gefängnißstrafe drohte, die Flucht ergriffen haben. E i liegt in einem solchen Vorgehen ein Mangel an M u t h, wie ein Sozial- demokrat ihn niemals bekunden sollte, und ein- RücksichtSlosig- keit gegenüber denGenossen. welche den Solidaritätsbegriffen der Sozialdemokratie in's Gesicht schlägt. Wie uns mitgetheilt wird, herrscht hier und da die irrige Auffaffung, der Parteitag habe bestimmt, daß nur solche Prozeffe, in denen eine kürzere Gefängnißstrafe— bis zu sechs Monaten— verhängt sei, oder verhängt werden könne, unter den Beschluß fallen sollten. Wir können indeß nicht glauben, daß eine solche Auffaffung wirklich besteht. Hätte der Parteitag den Beschluß in diesem Sinne gefaßt, dann wären that- sächlich alle diejenigen Genoffen, die größere Strafen zu besürchten haben, der Staatsanwaltschaft gegenüber sür vogelfrei erklärt und nur Diejenigen hätten Vortheil, die geringfügige Strafen zu erwarten hätten. Das wäre ja ein absoluter Widersinn! — Die schmachvolle Aera der Majestätsbeleidigungen kommt fett dem jüngsten Thronwechsel in Deutschland wieder in Blüthe. Wie im Jahre 187« das Denunziantenthum bis in die sogenannten höchsten Kreise der Gesellschaft seine Ableger sandte und in dem Münchener Akademiedirektor P i l o t y, der einen 7gjährigen Greis, Dr. Trettenbach, persönlich denunzirte, seinen charakteristischen Typus fand, so erstehen auch heute bereits wieder die Denunzianten aus den Reihen der„befferen" Gesellschaft. Daß Spitzel- und anderes Polizeigesindel in streberhaftem Eifer nach Beförderung die Ohren steift und, wo es nichts hört, provo- zirt, fälscht und lügt— ist eine so selbstverständliche und nirgends be« strittene Thatsache, daß man darüber kaum ein Wort zu verlieren braucht. Bezeichnender für die fortschreitende Gestnnungsverlumpung unserer bürgerlichen Gesellschaft ist die Rekrutirung dieses elenden Denunzianten- thums aus ihren Reihen und ihre Stellungnahme diesem gegenüber. In Wilhelmshaven denunzirte der Stadtverord- nete Schindler den Rathsherrn P?p-r auf Wajestätsbeleidi- gun g. Ein Stadtverordneter, Schröoer, stellt? ihn in öffentlicher Sitzung zur Rede, und auf das freche Zugefiändniß Schindler's erklärte er, daß er eine solche Handlungsweise gemein nenne und den St.-B. Schindler, der sich zum Denunzianten erniedrigt habe, für unwürdig erkläre, dem Kollegium weiter anzugehören. Er könne unmöglich mit einem Denun- zianten an einem Tische sitz-n und beantrage deshalb, den pp. Schindler von der Sitzung auszuschließen. Auf einen Ordnungsruf des Präfidenten hin wiederholte Schröder sein- Worte und verließ die Sitzung. Rur drei Kollegen folgten seinem Beispiele, alle übrigen ratheten und thateten gemeinsam mit dem Denunzianten, trotzdem seine Denunziation sich als fälschlich herausgestellt hatte, ja sie wählten ihn sogar noch in eine Kommission!! Also so baar jeden Ehrgefühls sind diese Vertreter des ehrenwerthen Mittelstandes, des Bürgerthums par excellencc, daß sie sogar das G e- fühl für die Schändlichkeit solcher Schurkerei verloren haben, und eine so ehrlose Handlung als selbstverständlich und wohl verträglich mit dem ..Ehren"amle eines Stadtverordneten halten. Für dies?„Blüth? des Volkes" ist die heutige„Spitze" der Nation wirklich prädestinirt Di? glorreiche Hohenzollernthat im Grunewald findet ihre Nachahmer! Toi mnürs, toi valat—„Wie der Herr, so's Gscherr." — Eiu kräftiges und deutliches Wörtlew spricht zur rechten Zeit der„Schv-efieriiche Sozialdemokrat" an die Adreff« des Berner Bund-SralheS. I n Rationalrath?.tten nämlich die Herren DeeurtinS und Favon folgenden Antrag eingebracht: „In Erwägung, daß eine Reihe von Staaten bereits ew« Ar- beitergesetzqebung besitzen oder anstreben, die von Gesichtspunkten ausgeht und Tendenzen verfolgt, welche auch diejenigen der schweizerischen Arbeitergesetzgebung sind, wird der BundeSrath ein- geladen, sich mit jenen Staaten in Verbindung zu setzen, um durch internationale Verträge oder eine internationale Arbeitergesetzgebung hinsichtlich 1. d-S Schutzes minderjährigen Personen, 2. der Be- schränkung der Frauenarbeit, 3. der Sonntagsruhe und 4. des Normalarbeitstages gleichartige gesetzliche Vorschriften zu erzielen."— Der Bundesrath erklärte sich mit dieser neuen Anregung einverstanden. Bekanntlich hatte er schon früher einen diesbezüglichen Austrag von der Bundesversammlung erhalten, war aber in sein?»„diplomatischen Schritten" nicht weiter gekommen, als zu einer sehr bescheidenen Anfrage bei den in Frage kommende? fremden Regierungen, ob sie ge- neigt seien, zu einer int-rnationalen Regelung der Fabrikgesetzgebung die Hand zu bieten. Die Antworten, sow« it überhaupt solche einliefen— der Musterstaat aus dem Gebiete der Frauen- und Kinder-Ausbeutung, Belgien , gab gar keine Antwort, die Republik Frankreich und das industriell so hoch entwickelte und auf dem Gebiet der Arbeiter- schutzgcsetzgcbung voranmarschirende England ertheilten ablehnenden Bescheid, nur Oesterreich war bezeichnender Weise das einzige Land, daS im Prinzip wenigstens sich zustimmend äußerte— waren solcher Art, daß der Bundesrath, wohl kaum mit besonders schwerem Herzen, die Gelegenheit benutzte, die ganze Frage auf eine Reihe von Jahren hinaus schlafen zu lassen. Durch die Motion Decortins- Favon wurde sie nun zu neuem Leben geweck, und Herr BundeSrath D e u ch e r, ein Mann, der an sein« diplomatischen zc. Fähigkeiten mit der- selben Ueberzeugungtkraft glaubt, mit der andere Leute sie skeptisch kriti- siren, benützte die Gelegenheit zu einer Standrede gegen die Arbeiter, die auf diesem„praktischen Boden"(des Bettelns und deS Hin- gehalten- und Vertröstetwerdens) mehr erreichen könnten als auf dem „idyllischen" der Arbeiterverbrüderung und deS internationalen Eman- ztpationskampfes. Als Antwort aus diese süffisante Rede reicht seinem Siebentel-Landesvater der„Schweizer Sozialdemokrat" folgende„Schweizer Pille": „BundeSrath D euch er erklärte,' oß der Bunoesrath mit dieser Anregung einverstanden sei. Der Bunbesrath hofft, von der schweize- rischen Arbeiterschaft in dieser Frage träftiger unterstützt zu werden, als dies bis an hin der Fall gewesen sei. Deucher erkärte ferner, daß das für unsere Arbeiter ein würdigeres Arbeitsfeld und für sievon größerem Nutzen wäre al« die Beschäftigung mit sozialistischen Theorien. Herr BundeSrath Deucher will ein« internationale Arbeitergesetzgebung, aber keine sozialistischen Theorien! Das ist so klar zu den Arbettern gesprochen, daß es eigentlich überflülfig ist, die Worte zu kommentiren. Die Herren Bundesräthe, seit sie sich in der Soztalistenhetze, vulgo -Ausweisungen, an den breiten Schichten der intelligenten«rbefter- bevölkerung die Nase verstoßen, haben nunmehr einen so großen Wider- willen gegen Alles, was sozialistisch sich nennt, daß sie es am liebsten ausreuten möchten wie Unkraut. Die Arbeiter streben schon lange noch einer internattonalen Arbeiter- gesetzgebung. Wenn bis jetzt noch Alles beim Alten ist, so sind die Arbeiter nicht daran schuld. Der Bundesrath unterhält„herzliche Be> Ziehungen" mit dem Ausland, hat allüberall seine diplomatischen Ver« treter, und doch hat er es noch nie zu Stande gebracht, in der inter - nationalen Arbeitergesetzgebung auch nur den geringsten Anfang zu bewerkstelligen. Es ist leicht, die Schuld auf die Arbeiter zu werfen; aber lese man die Arbeiterblätter, dir.Ardeiterprogramme seit Jahren, so wird man überall dem Rufe nach einer solchen Gesetzgebung be> gegnen. Taube Ohren hören nicht und andere wollen oft nicht hören, da« erwidern wir dem Herrn BundeSrath Deucher aus seinen Vorwurf. Wie aber denkt Herr Deucher die Mithülfe der Arbeiterschaft? Aus seinen Bemerkungen könnt« man fast schließen, die Arbeiter müffen zu- erst ihre sozialistischen Ideen verlaffen oder abschwören, und wie die Heerde ihrem Hirten sanft und ergeben dem Bundesräthe folgen, nur nach seinem Katechismus fühlen, denken, reden und beten oder bitte«. Nachdem wir unsere oberste Bundesbehörde einmal erkannt haben, nehmen wir von ihr keine Rathschläge an; es ist genug, wenn dies ein Theil der Bundesversammlung thut. Wir finden den Rank ohne dies« Strategen auf dem politischen und wirthschaftlichen Terain. Wir werden den Bestrebungen zur Verwirklichung einer internattonalen Arbeiter- gesetzgebung sympathisch entgegenkommen, wennsie etwasRechte« zu werden versprechen— sonst nicht—, nicht aber, weil der Bundesrath, nachdem er findet, man mllffe dem Arbeiter nun wieder einen Leckerbiss?» durch den Mund ziehen, um ihn zu versöhnen, diese Bestrebungen fördern will, sondern weil sie schon seit vielen Jahren einen Gegenstand unserer Anstrengungen bilden. Wir empfehlen Herrn Deucher in dieser Beziehung daS Studium des gedruckten Vortrages deS Herrn Rationalrath Vögelin am GrütlizentrÄ- fest in Grenchm über die internationale Fabrikgesetzgebung, wo er finden wird, daß es gerade die Arbeiter waren, welch? in dieser Sache arbeiteten, während der BundeSrath sie im Stiche ließ. Das aber soll sich Herr Deucher nur aus dem Kopf schlagen, daß die Arbeiter aufhören, sozialistische Ideen zu pflegen und zu vertret«». Das Ziel der Arbeiter ist die Sozialdemokratie, und darum denken si- sozialistisch und sind Anhänger der sozialistischen Theorien. Was übrigens die Wiffenschast predigen darf, und waS sie als wahr und unumstößlich gesunden, das darf der Arbeiter auch kennen lernen, und wir brauchen dem BundeSrath nicht zu sagen, daß in jedem mit Ernst geschriebenen sozialistischen Werke mehr Wahrheit enthalten ist, als in irgend einer diplomatischen Note und in den Worten irgend eines Diplomaten. Zum Schlüsse bemerken wir noch, daß un« all? Lust, dem jetzige« Bundesräthe weiter behilflich zu sein, abhanden gekommen ist, nachdem wir erfahren mußten, wie wenig er den Begehren der Arbeiter Gehär schenkt, und wi? sehr es in seiner Absicht liegt, die freie Bewegung der Arbeiter durch die Polizeiknut? zu hemmen. Die Einrichtung d« politisch-n Polizei vergeffen wir ihm nicht. Etwas Gutes erwarte« wir auch sür die Zukunft von ihm nicht. Wir schreiten über ihn hin- weg zur Tagesordnung und bleiben die Allen, bleiben Sozial- demokraten." Dieser Ton steht allerdings ab von dem, welchen di? deutschen Be- Hörden zu hören gewohnt sind, aber der„niedrige Kulturzustand" der Schweiz — um mit dem davongejagten Puttkamer zu reden— hat doch den Vortheil, daß die Wahrheit hier wenigstens noch deutsch spricht. — Hr. von Wildenbruch,„der größte Dichter des neugebornen Deutschland ", wie dieser militärisch bureaukrattsch« Dichterling mit der Vers- und Reim-Diarrhöe sich von seinen Freunden bettteln läßt—- und merkwürdigerweise haben sie Recht, waS allerdings nicht für Hertz« von Wildenbruch spricht— also dieser Poet des Kasernenhofs, desstn Jamben im Stich- oder Gockelschritt hölzern pathettsch dahin schreiten, „jede Bewegung ein rechter Winkel", hat vor Kurzem— ungleich dem Löwen, mit dem er sich gern vergleicht, ist er nämlich sehr fruchtbar und wirft jedes Jahr mindesten? zwei Junge— Verzeihung— zwei Tragödien— also besagter Wildenbruch(von Mldenbruch), hat neulich ein Drama verübt, betttelt die„ M e n n o n i t e n", welches die Herr- lichkeiten des„Soldatwerdens" und„MaulhaltenS" poetisch illustrirt. Di? Mennontten sind bekanntlich eine den englische» Quäkern ähnliche Sekte— sie dürfen nicht lügen, nicht stehlen und nicht morden— was allerdings in den Augen eines A ibeters und Verherrlichers des Bismarck 'schen Deutschlands drei todeswürdige Verbrechen sind. Den M-nnoniten nun, welche fich weigern, zum Ruh» eines Hohenzollern ihre Mitmenschen„auf dem Felde der Ehre" zu morden, schleudert unser fürchterlicher Verseschmied— im Namen eines zum Mordhandwerk bekehrten Mennoniten folgende fürchterliche Ver- wünschungen in's Gesicht: „Ihr allesammt seid Schurken, Hier vor der Sonne heil'ger Majestät Werf ich das S ch a n d w o r t vo n mir„Mennonit". Falle der Blitz aus eure Häusernieder Und tilge euch hinweg vo m deutschen Boden, D-n ihr beschmutzt, und wenn der Blitz sich weigert, Lebt und verkommt in eurem eignen Dun st." Alles das, weil die armen Teufel ihre Brüder in Christo nicht todt- schießen wollen. Hoffentlich läßt die Ernennung des königlich-kaiserlichen Kasernenpoeten zum Hofdichter Seiner Neuesten Kaiserlichen Majestät nicht mehr lange auf sich warten. Das nächste Trauerspiel kann er dann schreiben, wen» dessen uniformirtem Jüngsten— er ist 18 Monate alt und Husaren- lieutnant— mit seinen Hosen etwas sehr Menschliches, aber ungemew Disziplinwidriges passtrt. Es wäre da« in der That ein herrlicher Stoff für einen Wildenbruch. — Eine neue Maschine, welche im Postwesen eine ähnliche«e- volutionirende Wirkung ausüben wird, wie sie die in unserer letzte« Nummer geschilderte Wickelmaschine in der Zigarrenfabrikation vollzieht, erregt heute schon unter den Aspiranten und Inhabern von Stelle»«» Postdienst Schrecken und malt das Gespenst der Maffenentlaffn»g und Existenzvernichtung mit all' dem Elend im Gefolge vor ihre Auge«. ES ist das eine Maschine, durch welche die Abstempelung vo» Briefen in den Postämtern automatisch besorgt wird. Sine solche Maschine ist jetzt im Postamt zu Buffalo ausgestellt und bewährt sich ausgezeichnet. Ein Buffaloer Blatt derichtet darüber:„Dir Maschine, die unter dem Namen Hey und Dolphin-Maschwe bekannt ist, ist dazu bestimmt, Briefe, Postkarten, Zirkulare u. s. w. abzustempel«. Der Mechanismus ist großartig. Mit der Maschine können S00 Briefe in einer Minute gestempelt, gezählt und in einzelne Stöße aufgehäuft werden. Große Qualitäten von Briefen werden ungeordnet in eine« Trichter geworfen und machen mit bewundernswerther Schnelligkeit de» Weg durch die Maschine, werden gestempelt, gezählt und stets mit der Aufschrift nach oben aus einem Riemen nach dem Tische der Sorttrer besördert. Der Mechanismus trennt die verschiedenen Briese, befühL dieselben mit der Intelligenz menschlicher Finger, unterscheidet d« Bdressen-Seite von der Rückseite des Brieses und bringt d-n Stempel gerade da an, wo er hin soll. Es ist ganz einerlei, wie der Brief in die Maschine hineingelegt wird, er kommt stets mit der Aufschrift nach oben wieder heraus. Die Stempel sind klar und deutlich und die Briefe werden durchaus nicht durch die Schwärze beschmutzt. Mit der Maschiue ist ein Tisch verbunden, aus welchem die erster« die Briese ganz genau zählt. Wenn die Briese aus-der Maschine herauskommen, so legen sie sich in einer Art Mulde von selbst in Haufen und kommen so m die Hände de« Sortierer». Welch' ein ungeheurer Vortheil diese Erfindung für größere Postämter ist, kann man sich kaum denken. Daß bet de« Abstempeln mtt der Hand oft Verzögerungen in der Beförderung von Briefen entstehen, ist klar, denn die Anzahl der Briefe und sonstigen Postsachen ist oft einen Tag doppelt so groß, wie an andern Tage», wShrend die Anzahl der Bediensteten immer dieselbe ist. Hat man aber eine oder zwei dieser Raschinen, so kann man dieselben je nach der Qualität der Brief- in Gang setzen. Die Erfindung ist in den Ber. Staaten, Kanada , England, Deutschland , Frankreich und Belgien patenttrt worden. Die Maschine wird per Trittbrett in Bewegung gesetzt, doch können auch Dampfeinrichtungen leicht angebracht werden." Der ganze Wahnsinn unserer heutigen Produktionsweise springt in diesem einen Beispiele Jedem m die Augen. Eine der mühsamsten, an- strengendsten, geistlosesten Arbeiten wird durch die Erfindung einer Ra- schin? der Menschenhand abgenommen und aus mechanischem Wege viel schneller und vortheilhafter verrichtet. Statt daß nun dieser eminente Fortschritt auf dem Arbeitsfelde vom Arbeiter mit Freude begrüßt wird, muß dieser in jeder Maschine nicht seinen Erlöser, sondern seinen Tod- feind erblicken, der ihn dem Hungertode überliesert. Und da» nur d«S- halb, weil die Bortheile, welche die Maschine mit sich führt, auSschließ- lich dem Fabrikanten, dem Ausbeuter zu gute kommen, statt der Gesellschaft. Heute ist der Arbetter der Sklave der Maschine, heut« verlängert die arbeitersparende Maschine die Arbeitszeit, heute verkiim- mert und drückt die verwohlfeilende Maschine dem Arbetter noch die Hungerlöhne herunter— ist aber die Produktion vergesellschaftlicht, find die Arbeitsmittel in den Händen der Gesammtheit. so wird auch jede neue Maschine vom Arbeiter begrüßt werden, weil sie dann ihren Zweck voll und ganz erreicht, weil die Vortheile der Maschine Allen zu theil werden, die Maschine ist dann in der That der Erlöser der Arbeit!
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10 (8.7.1888) 28
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