durch eine vollständige Umgestaltung der der Gesellschäst zu Grunde liegenden ökonomischen Struktur. Von diesem Stand-- Punkt aus erklärte sich Marx vor vierzig Jahren im Prinzip für den? Freihandel als für den geraderen Weg, also denjem- gen, der die kapitalistische Gesellschaft am raschesten in diese- Sackgasse führen wird. Wenn aber Marx aus diesem Grunde für den Freihandel ist, ist das eben nicht ein Grund für<jedeir Vertheidiger der gegenwärtigen Ordnung, gegen den Freihandel zu sein? Wenn der Freihandel revolutionär sein soll, müssen nicht alle guten Bürger für den Zollschutz stimmen, der dann nothwendigerweise konservativ ist? Wenn heutzutage ein Land den Freihandel annimmt, so wird eS das sicher nicht den Sozialisten zu Gefallen thun, sondern weil der Freihandel eine Nothwendigkeit für die in- dustriellen Kapitalisten geworden ist. Verwirst es aber den Freihandel und hält fest am Zollschutz, um die Sozialisten um ihre erwartete soziale Katastrophe zu prellen, so ist Niemand mehr geprellt, als es selbst. Der Schutzzoll ist ein Mittel, Fabrikanten künstlich zu fabriziren, und deswegen ebenfalls ein Mittel, künstlich Lohnarbeiter zu fabriziren. Züchtet ihr die einen, so züchtet ihr die andern mit. Der Lohnarbeiter folgt überall in den Fußstapfen des Fabrikanten; er ist wie die schwarze Sorge des Horaz , die hinter dem Reiter sitzt und die er nicht abschütteln kann. Dem Schicksal, mit andern Worten, den nothwendigen Folgen eurer eigenen Handlungen könnt ihr nun einmal nicht entgehen. Ein Produktionssystem, gegründet auf der Ausbeutung der Lohnarbeit, ein System, worin der Reichthnm wächst im Verhältniß zur Zahl der an- gewandten und ausgebeuteten Arbeiter, solch ein System kann nicht bestehen, ohne die Klasse der Lohnarbeiter zu vermehren, und damit einen Klassengegensatz zu steigern, an dem eines Tages das ganze System zu Grunde gehen muß. Es ist nun einmal nicht zu ändern: Ihr könnt nicht anders, als das ka- pitalistische System fortentwickeln, Akkumulation und Zentrali- sation des Kapitals beschleunigen und gleichzeitig damit die Produktion einer Arbeiterklasse, die außerhalb der offiziellen Gesellschaft steht. Ob ihr den schutzzöllnerischen oder den frei- händlerischen Weg einschlagt, wird am Resultat nichts ändern und kaum etwas an der Länge der Frist, die euch bleibt, bis das Resultat eintritt. Denn lange vorher schon wird der Zoll- schütz eine unerträgliche Fessel geworden sein für jede« Land, das mit Aussicht auf Erfolg eine unabhängige Stellung auf dem Weltmarkt erstrebt." An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen. Wir wollen hier von den Früchten des sogenanntenSystems Bis- marck" sprechen, von denHerrlichkeiten des deutschen Reichs." Ein vollständiges Bild wollen wir aber nicht zu geben versuchen das wäre unmöglich im Rahmen eines Artikels und auch mehrerer sondern bloS einige der dicksten und glorreichsten Früchte sammeln, die sich im gegenwärtigen Augenblick unserer Aufmerksamkeit aufdrängen. DerEr- folg" ist nach Bismarck und seinen Leuten der Prüfstein staatsmännischer Tüchtigkeit; und dieErfolge" gerade sind es, aus denen der eisen« stirnige Kanzler den Anspruch aus Genie und ewigen Ruhm herleitet. Also greifen wir in den reich gefüllten Fruchtkorb hinein wir fühlen trotz deS embarraa des richesses nicht die Verlegenheit der Wahl, auch wenn wir das Sozialistengesetz, mit seinen mephitisch duftenden Gistäpfeln: den Lockspitzeln, Denunzianten, streberhaften Staatsanwälten, feilen Richtern, auf Menschenjagd dressirten Polizisten, und der unsäg- lichen Rohheit und Korruption, die es nach allen Richtungen gezeitigt hat, ganz außer Acht lasten. Da ist z. B. die harte Nuß der elsaß -lothringischenFrage. Denn zu einer Frage ist sie geworden. Die Reichslande sind richtig zu einem Deutsch -Venetien geworden. Oder nicht richtig. Denn das österreichische Venetien war italienisches Land, das mit dem deutsch -slavisch-magyarischen Oesterreich gar keine Stammes» und Rastengemeinschaft hatte. Die Reichslande dagegen sind ja deutsches Land, die Elfaß-Lothringerwiedergewonnene deutsche Brüder". In wenigen Wochen siüd's 18 Jahre, daß wir die verlornen, oder nein, die uns von den verkommenen Wälschen gestohlenen Brüder zurückgeholt haben an die liebende Brust der guten Mutter Germania und andre Früchte dieser 18 Jahre Lismarck'scher Staatskunst? Die Elsaß-Lothringer sind eingestandenermaßen dem Reich heute feindlicher gesinnt, als am Tage der Wiedervereinigung mit Deutschland , die sie bekanntlich voll Ingrimm verwünschten; und mehr noch als vor 18 Jahren, ziehen sie die verkommenen Franzosen den mit allen Tugen­den ausgerüsteten Bismarck 'schen Deutschen vor. Da man Niemanden »ur Liebe zwingen kann, und da die Fruchtlosigkeit deS LiebeSwerbenS dem Kanzler Elsenstirn und seinen Trabanten über jeden Zweifel hinaus klar zum Bewußtsein gekommen ist, so kündigte un« dieser Tage das Kanzlerorgan an, um die Sympathien oder Antipathien der Elsaß-Lothringer kümmere sich kein vernünftiger, patriotischer Mensch; nicht die Reichs- länder, sondern die Geichs lande habe das Reich gebraucht, und brauche das Reich Elsaß-Lothringen sei einfach ein Festung«- g l ac«« gegen Frankreich , und daß anderthalb Millionen Mensch. n darauf wohnten, sei ein fataler Zufall, der aber nur für die betreffenden, höchst über­flüssigen Menschen, nicht für daS große deutsche Reich mit Nachtheilen verknüpft sein dürfe. Und eS wurde dann angekündigt, daß die russische Grenzsperre zwischen Frankreich und den Reichslanden und die sonstigen harten Maaßregeln", über welche sich sentimentale Schwächlinge er- eiferten, noch lange nicht ausreichten. und imJnterefle de»«ater- lands" erheblich verschärft werden müßten. Und jetzt platzen die Reptilien mit dem neuesten staatsmännischen Plan heraus und schlagen als einzig mögliches Heilsrezept vor:die Kolonisation und Germanisation der Reichslande." Dieselbe Methode der RegierungSkunst, welche an den polnischen Provinzen befolgt worden ist, soll in den deutschen Reichslanden zur Anwendung gelangen."-- Kolonisation und Germanisation" der deutschen Reichslande heißt nichts anderes, als daß die«ingeborne Bevölkerung ausgerottet oder aus dem Land getrieben, und durch militärfromme, ans Steuerzahlen, Maulhalten und Soldatwerden gewöhnteUnterthanen" aus dem Bismarck 'schen Preußen-Deutschland ersetzt werden soll! Seit den Zeiten Attila'«, der G o t t e s g e i ß e l", sind ähnliche Experimente in oorpors vili am gemeinen Fleische der Völker nicht gemacht worden. Und daS Schönste dabei ist, daß die Bevölkerung, welchegermanisirt", d. i. verdeutscht werden soll, kern- deutsch ist, und daß in den Reichslanden die Wiege deutscher Kultur stand, daß aber dasPatrioten">Gesindil, welches die Germanisirung bewerkstelligen will, in seiner Mehrzahl erst durch Kolonisation deutsch geworden ist, und zu neun Zehnteln s l a v t s ch e s Blut in den Adern trägt, wie fast all diese preußischen Junker mit Bismarck an der Spitze, besten Schädel man Mos zu bettachten braucht. Es wird ohne Zweifel der saubere Plan nicht zur Durchführung ge- langen. Er muß an seiner eigenen Ungeheuerlichkeit und Widernatürlich- keit scheitern. Die Ausführung wird jedoch versucht werden. Und das lateinische Wort: in magnis volnisse sat est bei Großem genügt die Absicht gilt auch von großen Verbrechen. Dieser Plan derKolonisation und Germanisirung" von Elsaß-Loth- ringen genügt zur Brandmarkung des Bismarck 'schen Systems. Und von der Infamie ganz abgesehen, welch' klägliches A r m u t h S- zeugniß! Im Zeittaum von 18 Jahren nicht fähig gewesen, diese anderthalb Million-N'von Menschenmoralisch" zu erobern! O die jammer- vollen Stümper! Und das nennt sich Staatsmann! Doch weiter! Greifen wir nochmals in den Sack. Da ist die Schrift der-Bisma.rck'schen A«rzte, de« Bergmann und der Anderen, die pur-ordre du moukti bewirken sollten, daßunser Fritz" entweder durch Kehlkopfichnitt wistenschaftlich in den OrkuS befördert oder durch die öffentlich, vor aller Welt, unter Trompetengeschmetter fest- gestellte-Thatsache, daß er den Krebs habe, von der Thronfolg« ausgeschlossen wurde. DieSchrift ist im Auftrage Bismarcks und mit Erlaubniß deS neuesten Kaisers verfaßt, der seinen Vater, nachdem dieser schon seit Wochen im Grabe liegt, noch nachträglich lebendig todt und regierungsunfähig machen will ein edles Werk, an dem auch Herr T r e i t s ch k e, der ver- rufen« Geschichtsfälscher, mit aller Kraft gearbeitet hat, durch einen Ar- tikel in denPreußischen Jahrbüchern ". Der Srttkel des Treitschke spricht eS unverblümt aus, daßunser Fritz" eigentlich gar nicht zur Regierung hätte kommen dürfen, und daß das programmwidrige Zwischenreichdiese traurige Episode vater-. ländischer Geschichte" nennt's der Treitschke nur einer häßlichen In-. trigue zu verdanken sei.______ Zum Lohn für diese patriotische Leistung ist der biedere Geschlchis fälscher der Hohen, ollern vom Mustersohn Wilhelm, wie dieKreuz-' zeitung" triumphirend mittheilt, extta belobigt worden. Die Fäden des schuftigen Komplotts, durch welches der vorige Kaiser vom Thron fern gehalten werden sollte, sind zwar noch nicht sämmtlich enthüllt und bloSgelegt eS bleibt noch viel, viel Schmutz aufzurühren allein wir wisten doch schon so viel, daß wir einen Ueber- und Einblick haben. Dort ein ganzer BolkSstamm, d-n diese brutal-stümperhafte Politik ausrotten will, weil er sich mannhast wergert, den Nacken unter da« Joch zu beugen. Hier ein Thronerbe, der, weil er die brutal-stümperhafte Politik mißbilligt, durch das Aufgebot der nichtswürdigsten Mittel um seinen Thron geprellt werden soll, damit die brutal-stümperhafte Polittk unge- hindert fortgesetzt werden könne. DaS reicht aus zur Beurtheilung und zur Berurtheilung des Herr- schenden Systems und seiner Träger, deren staatsmSnnische Qualifikationen auf gleicher Höhe stehen mit ihren sittlichen». Polemisches. Die Wiener Gleichheit" druckt den Leitarttkel der Nr. 27 unseres BlattesHandelt von einem Schlagworte" ad und versieht ihn mit folgendem Kommentar: Wir glaubten uns verpflichtet, den vorstehenden, beachtenswerthen Artikel unseres Bruderorgans unsern Lesern mitzutheilen, können aber nicht umhin es auszusprechen, daß wir nur zum Theile mit diesen Aus- führungen übereinstimmen können. Richtig ist, daß das Programm des bürgerlichen Liberalismus" ihn zwingen sollte und mühte, eine ganze Reih« von Fragen, besondersdie Fragen der Schule, der Steuern. der politischen Rechte" in einem Sinne zu lösen, der der Arbeiterklast« zugute käme. Aber der Liberalismus ist eben viel allgemeiner von der Solidarität der reaktionären Jnteresten überzeugt, als die Arbeiter und verräih eben immer und überall sein Programm, läßt seinehistorische Aufgabe" im Stich, wo e» mit seiner kläglichen Furcht vor der revo- lytionären Mäste in Widerspruch kommt. Der Liberalismus macht dann Sozialistengesetze, Ausnahmegesetze undStaatsgrundgesetze", fabrizirt Schulgesetze, welche das Wissen für die Reichen monopolisiren, und bei den Steuern läßt er ruhig ein« schmutzige Hand durch die andere waschen und nimmt Eisenbahnsubventionen für Schnaps« und Zucker- steuern. Auf die Spaltung des Bürgerthums zu rechnen, wäre thöricht, reaelmäßig bleibt Sieger im häusliche« Zwist derbesonnene", d. h. reaktionärste Theil. Wenn e» wahr ist, daßdie Arbeiter den Satz von der reaktionären Masse immer wieder umstoßen" und für den Fort- schrittler stimmen, so wollen wir uns jedes Urtheiles darüber enthalten, da wir uns grundsätzlich in Verhältniste, die uns fremd sind, nicht ein- mengen und überzeugt sind, daß unsere deutschen Genosten in jenen Bezirken gute Gründe für ihr Vorgehen haben. Aber ebenso wahr ist es, daß die bürgerlichen Parteien, auch die radikalsten, den Satz von der Einen reaktionären Masse immer wieder ausstellen, so oft ihn die Arbeiter umgestoßen haben, und daß die Herren Fortschrittler bei den nächsten Wahlen das beweisen und in der Wahl zwischen einem Sozial- demokraten und Kartellbruder sich stets für denOrdnungSmann" ent- scheiden werden. Nein, mögen sich die herrschenden Klassen noch so grimmig befehden, mögen sie sich um die Früchts der Ausbeutung katzbalgen oder in Er- innerung an dahingeschwundene Ideale, akademische Redeturniere um polittsche Fragen aufführen, der Arbeiterklasse gegenüber schweißt sie die instinktive Ahnung vor dem nahenden Ende und die bloße Furcht in -ine reaktionäre Masse zusammen. Lieber wird sie sich ins eigene Fleisch schneiden alS dem gemeinsamen Feinde einen Bortheil zu gönnen. ES mag ja heute noch hie und da möglich sein, aus dem Streite zwischen den Parteien Nutzen zu ziehen, besonder« wo die wirthschastlichen Gegen­sätze noch weniger zugespitzt sind. Es mag sogar Splitter von Bourgeois- Parteien geben, die es noch mit derhistorischen Aufgab« des Bürger- thums" ernst nehmen. Aber sie verschwinden und sind zur Ohnmacht verdammt. Die Masse der liberalen Bourgeoisie ist fromm und loyal geworden, d. h. muckerisch und servil!" So unser österreichisches Bruderorgan. Seine Einwände vermögen un« nicht von der Unrichtigkeit unserer Darlegung zu überzeugen. Die Verhältniffe grade in den Ländern, in denen der Klassenkampf zwischen Kapital und Arbeit sich in den akutesten Formen abgespielt hat, strafen seine Ausführungen Lügen. Frankreich hat trotz Junischlacht und Kommune heute eine bürgerlich-radikale Partei, welch« die meisten der auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung zu verwirklichenden Arbefterforderungen in ihr Programm aufgenommen hat und, wie Figura zeigt, keineswegs bereitszur Ohnmacht verdammt" ist. Auch in England ist der bürgerliche Radikalismus ttotz der hohen wirthschastlichen Entwickelung keineswegs imVerschwinden" begriffen, sondern stark genug, den TorieS und dem zu ihnen übergelaufenen Theil der Bourgeoisie daS Leben recht sauer zu machen. Wäre der Satz von derEinen reaktionären Masse" wahr, so würde da» neue englische Wahlgesetz, das fast dem allgemeinen Wahlrecht gleichkommt, schwerlich das Licht der Welt erblickt haben. Herr Gladstone ist nicht» weniger als«in Sozialist, und doch gab er den englischen Arbeitern das Wahl- recht. Allerdings nicht aus idealistischer Schwärmerei für Freiheit und Gleichheit, allein er gab es ihnen doch und lieferte ihnen so eine Waffe, die ihre Macht erheblich steigert. Im Streft um die Wahlreform blieb er und seine Partei Sieger, und nicht derbesonnene", d. h. reaktionärste Theil deS Bürgerthums. Aehnliche Erscheinungen können wir in andern Ländern beobachten. Daß heute in Deutschland und Deutsch-Oesterreich die Dinge sich wesentlich anders darstellen, daß hier der radikale Theil de» Bürgerthums heute immer mehr in das Hinterttesten gedrängt wird, Haien wir nie ge- läugnet. Es findet das im Zusammenwirken einer ganzen Reih« von Umständen seine Erklärung, die aber nicht durchgängig sich auf die eigen- artige wirthschaftliche Enwickelung zurückführen lassen, sondern zum Theil vorübergehender Natur sind. Niemand ist im Stande zu behaupten, daß die wirthschaftliche nnd polittsche Entwickelung auf ihrem Höhepunkt angelangt sei, und daß wir unmittelbar vor dem Ausbruch der sozialen Revolution stehen. Wir können darüber Vermuthungen anstellen, aber wir haben keine Gewißheit dafür. Wir müssen also die Dinge so nehmen, wie sie sind. Ohne Illusionen, aber auch ohne Pessimismus. UnS selbst ist eS gar nicht eingefallen, zu behaupten, daß der Libera- liSmuS in Deutschland seine historische Aufgabe noch erfüllen wird, be« vor er von der siegenden Sozialdemokratie abgelöst wird. Wir sagten ausdrücklich:Ob er sie(d. h. diese Aufgaben) noch einmal erfüllen wird, bleibe angesichts der vorgeschrittenen wirthichasUichen Entwickelung dahingestellt." Wir fügten jedoch hinzu:Soviel aber ist sicher, daß diese reaktionären Einrichtungen ihm verhaßt sind, und er sich immer wieder gegen sie auflehnt, sie auS der Welt zu schaffen sucht", und daß dem so ist, wird unsere geschätzte Kollegin nicht bestretten wollen. Wir haben unsern Arttkel geschrieben, nicht irgend einer bürgerlichen Partei zu Liebe, sondern um daS Verständniß für die Kämpfe der Gegen- wart zu fördern. Die Sozialdemokratie bildet eine politische Partei, keine utopistische Sekte, und kann daher diese Kämpfe nicht ignoriren. DaS würde aber der Satz von derEinen reaktionären Raste", wenn er konsequent aufgefaßt wird, zur Folge haben. Wir ignoriren diese Kämpfe nicht und dürfen sie nicht ignoriren, wir nehmen an ihnen Antheil, wie wir für jede der Arbeiterklaffe günstige Reform eintreten. So wenig uns aber das Letztere hindert, Kommunisten zu sein, so wenig hindert uns die Erkennntniß, daß ein fortschrittlicher Demokrat und ein konservativer Jndustriebaron nicht immereine reakttonäre Maffe" sind, daran, den fortschrittlichen Demokraten ebenso scharf zu kritistren al« den konservativen Jndustriebaron. Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 17. Juli 1888. Kaiser und Kanzler r« einer Person," das ist die neueste Schmeichelei, mit welcher der Hausmeier seinen etwas eigensinnigen Mündel umwickelt und eingewickelt hat und der Mündel glaubt das auch, gerade wie er den neuenatten Fritz" glaubt. Man muß die Stirne des Gläubigen betrachten, um den Glauben glaubhast zu finden. ApropoS, daß der Hausmeier zu so glatten Schmeicheleien seine Zuflucht nimmt, das hat uns doch einigermaßen überrascht. Wir hatten ihm bi«- her wenigstens eine Eigenschaft zugetraut, die zwar kein Zeichen einer edlen Natur ist, aber doch unter Umständen etwasGroßes" hat, nämlich eine zynische Verachtung der Menschen, und zwar der h o h e n wie der n i e d r i g e n. AlS Kanzler Eisenstirn im März d. I. zu Leipzig dem Berönant*) aus Italien auf dem Bahnhof begegnete, und aus dem«inen oder anderen Grunde nicht zu dem Diner der kaiserlichen Familie zugezogen ward, stürzteer lachend ein Wasser- glaS voll Cognac hinunter, und gleich darauf ein zweites, so daß den zuschauenden Beamten die Augen übergingen. Und wie man weiß, hat er sich von Fackeltänzen, Hoffesten und sonstigen Alfanzereien stets fern gehalten, und wenn er in Sttmmung war sich über die höchstgefiellten Personen mit einem Zynismus geäußert, der seine grenzenlose Verachtung für diese Menschensorte bekundet. Und daß er da mit seiner Verachtung Recht hat wer wollte es leugnen? Auch seinen jetzigen Mündel hat der Hausmeier keineswegs geschont, obgleich er ihn auf jegliche Weise zu umgarnen suchte, und sich ihn feit Jahren zu einemzweiten Wilhelm I. " heranzieht. Freilich richteten sich in diesen Fällen die gifttgen Worte meist zugleich auf die verhaßteEng- länderin", die allein ihr Mann, der eine sehr passive Natur war, ist dabei nicht ausgenommen in jenen Kreisen ihm Widerstand zu leisten wagte. Di«skrophulöse" Engländerin sollte daran schuld sein, daß der Enkel Wilhelm? des Heldengreises einKrüppel" sei,vor dem kein rechtschaffener Soldat Respett haben könne" und was ähnlichen Geredes noch mehr ist. Nun woher derKrüppel" kommt, das wisten wir jetzt. Es ist echt hohenzollern 'sche Blutvergif- tung. Der Krebs, unter dessen Zeichen daS Hohenzollernreich steht, ist Familtenkrankheit. Auch Prinz Friedrich Karl , der vor zwei oder drei Jahren plötzlich verstarb, litt am Krebs, obgleich der Tod nicht unmittelbar durch dieses furchtbare Leiden, sondern durch einen Schlaganfall& la Skobeleff herbeigeführt ward. DieZäsaren- k r a n k h e i t" äußert sich nicht bloS geistig, sie zerstört auch den Körper, und die H o h e n z o l l e r n- D y n a st i e, die bisher so stolz war auf ihr«unverwüstliche" Gesundheit und ihren sprichwörtlichen Sttaußenmagen, der mit dem Magen der Kirche wetteiferte sie hat dem allgemeinen Loos der Merovinger, der Bourbonen,der Stuart«, der Habsburger , der W i t t e l S b a ch e r u. s. w. nicht entgehen können. Die Thatsache aber, daß auf dem Throne desstrammen" Soldatenreichs, dessen König nach einem hohenzollern'schen Wort auch an Körpergröße und Recksnhafiigkdt seine Soldaten überragen sollte, ein Krüppel sitzt,ein skrophulöser Krüppel" um des HauSmeiers ureigensten Ausdruck zu gebrauchen das ist ein bedenkliches msmento mori. Und ein neuer Beweis dafür, daß daS Prinzip der E r b l i ch- keit auch vom monarchischenStandpunkte auS nichts taugt. Da war die römische Kirche klüger vermuthlich weil die Pfaffen schon frühzeittg die Naturwissenschaften kannten. Sie brauchten die Zen- ttalisation der Einherrschaft sie sorgten jedoch durch die Papstwahl dafür, daß ihnen der Zufall der Geburt keinen körperlichen oder geistigen Krüppel auf den Stuhl Petri setzen konnte. Heut« am Ende des 19. Jahrhundert« ist es zu spät, den Fehler wieder gut zu machen. Die Monarchie wird erblich bleiben, so lange eS noch Monarchen gibt. Nicht daß wir Sozialdemokraten an die Degenerirung der Dynasten« Rasten irgend welche Hoffnungen knüpften. Wir sind keine Fatalisten, obgleich wir wissen, daß die geschichtlichen Entwicklungsgesetze nicht will- kürlich vergewaltigt werden können, weder von oben noch von unten. ES fällt uns nicht ein, die Hände in den Schooß legen zu wollen; und hat auch die Nationalökonomie keine Arme und keinen Kopf, wie der ver- storbene Sibthorpe einst im englischen Parlammt sagte, so haben doch Diejenigen Arme und einen Kopf, welch- unter den heuttgen öko- nomischen Verhältnissen zu leiden haben und deren Ungercchtigkeit bitter an sich empfinden. Und die Sozialdemokratte wird unablässig bemüht sein, diese Millionen von Köpfen wissend, und diese doppelttn Millwnen von Armen thatfähig zu machen. Ganzim Sattel" ist der Hausmeier beftäufig noch nicht. Der Geist de» todttn Friedrich ist ihm arg im Weg und er ist schlimmer als Lanquo's Geist, der nur von dem Mörder gesehen wurde. Der Geist ist überall und Allen sichtbar und überall und immer klagt er den Sohn an, und klagt er denKanzler Eisenstirn an, nebst dessen Spießgesellen, daß sie dem todten Kaiser die kurze Spanne Leben« nicht gönnten, die ihm vom ehernen Schicksal zugemessen war, daß sie die Krone ihm nehmen wollten, und daß sie auf jegliche Weis« mit junker- licher Rohheit und pfäffischer Hinterlist ihn verunglimpft haben. Und fortwährend verunglimpfen. DieHunderttage" des SchattenkaiserS haben sich tief eingegraben in da» Herz und in die Phantasie deS VolkS, und daS Schattenhafte, verbunden mit dem Ungewöhnlichen, dem Tragischen, hat den Eindruck nur vertieft. Ein früher Tod ist oft von den Dichtern al» höchste« Glück der Helden gepriesen worden. Der frühe Tod des zweiten Hohenzollernkaiser» hat ihm in der Ge- schichte und im Andenken der Btcnschen einen Platz gesichert, den er noch einnehmen wird, wenn der blutige Ruhm und daS militärisch-polizeilich- Prestige der übrigen Hohenzollern längst verblaßt und der Verachtung anheimgefallen ist. Ein König und Kaiser, der keinen Massenmord ver- anstaltet, keine Menschenjagd getrieben, da« Recht nicht mit Füßen ge- treten hat das ist allerdings in der Geschichte noch nicht dagewesen. Das ist em W u n d e r, dem kein zwettes an die Seite gestellt werden kann, ein einziges Wunder im vollsten Sinne des Worts ein Wunder, welches nur dadurch möglich ward, daß zu dem bei Ron- archen schon seltenen Requisit des guten Willen? die Verwirk- lichung des bi» dato noch niemals verwirklichten konstitutionellen Ideal« kam, nach welchem der Monarch nicht Unrecht thun kann. Der KrebS mit seinen unerbittlichen Parzenscheeren hat da ew Problem gelöst, an welchem stch die sämmtlichen parlamentarisch-kon- stituttonellen Staatskünstler die Zähne ausgebiffen hatten. Ein König und Kaiser, der nichtUnrecht thun konnte das wird die spätesten Geschlechter noch mit Staunen erfüllen. Genug dieLegende" vom Kaiser Friedrich, dem die niedrige Parteiwuth der sogenannten vornehmsten Spitzen des Staats und der Gesellschaft noch im Grab keine Ruhe läßt, ist dem Kanzler Eisenstirn und seinem Mündel, demKaiser und Kanzler in Einer Person», doch sehr unbequem, und sie mußten schon ziemlich viel Waffer in ihren Wein Verzeihung: in ihren preußischen SchnapS gießen. Wer die Ansprachen de» MustersohnS ansein Heer", an den Reichstag und an den preußi« .*) Französisch. Das Wort heißt ein Zurückkommender, und ein Ge' spenst.