f e i e r de» ruffischen Zaren Alexander des Zweiten vor P l e w n a. Die Nlederlaze. welche die Russen dort im letzten Türkenkrieg vor den hastig aufgeworfenen Erdwerken erlitten hatten, sollte gesühnt und der Geburtstag deS«aisers durch einen glänzenden Sieg, der ihm das Türkenreich zu Füßen legte, gefeiert werden. Also hatte der Zar beschloffen, und was der Zar will, das muß geschehen, denn der Zar ist allmächtig. Wie weiland X e r x e s beim Marsch seiner Hör- den über den Hellespont  , ließ er sich an angemessener Stell« ein hohe? Gerüst bauen, mit einer herrlich geschmückten Loge, aus der er die Schlacht und den Sieg sich bequem ansehen konnte, wie im Theater, wie eine Theatervorstellung. Und seine Truppen eS waren wohl an die 200,000 zusammengerafft worden zogen an ihm vorbei und begrüßten ihn mit Hurrah», so stürmisch und begeistert, wie der Schnaps und die Knut« sie nur machen konnten, Caesar. Morituri te salutant. Sei gegrüßt! Zar aller Neuffen   l Und freue dich des Schauspiels. Und die Truppen marschiren voran, wie auf dem Exerzierplatz, in gleichem Schritt und Tritt. Die Augen des Zars leuchten. Da Plötz- lich Kanonendonner, Flintengeknatter. Die Erdwerke haben sich belebt: die Schlacht hat begonnen. Das Unerhörte geschieht: die Türken weichen nicht zurück vor den steMtzenden Blicken des Zars. Und das Unerhörtere geschieht: die Russen wenden sich zur Flucht. Die Augen des ZarS sprühen Zorn- feuer. Neue Regimenter vor! Die alten wieder in die Schlacht getrie- den! Der Zar hat Geburtstag, und der Geburtstag muß durch einen Sieg gefeiert werden. Frische Zehntausende werden vor die türkischen Soldaten und Kanonen getrieben, wie Hasen und Wildsauen vor die Flinten der Jäger. Tausende und Zehntausende werden von den tür  - kischen Kugelnzur Strecke" gebracht. Und die Anderen weichen. Das Auge des Zaren umdüstert sich. Bin ich nicht allmächtig? Habe ich den Sieg nicht befohlen? Ist nicht heute mein Geburtstag? »orwärt»! Alle Reserven heran! Der letzte Mann in'» Treffen! Treibt die Flüchtlmge mit Bajonneten und Revolvern zurück in den Kampf! Und nochmals wird gestürmt in dichten schwarzen Kolonnen. Vor- wärts! Vorwärts l Doch die Türken weichen keinen Zoll breit zurück. Ihre Kugeln und Säbel lichten und mähen die Reihen der Russen. Vorwärts! Vorwärts! brüllt der Zar. Vorwärts? Sollen wir unS dem Zar zu lieb alle todt- schießen lassen?" fragen sich die russischen Soldaten» als Zehntausende der Ihrigenauf der Strecke" lagen, und jede Sekunde Hunderte neuer Opfer den alten zugesellte, und die Türken, statt ent- muthigt zu werden, immer wilder heranstürmten. Und die Frage enthielt schon die Antwort. Rette sich, wer kann! Und du, Zar, lauf für dein Leben! Gleich einer Lawine wälzten die geschlagenen Russen sich die Hügel von Plewna   abwärts, der Geburtstagsloge des fluchenden Zaren zu Alles mit sich fortreißend. Zuletzt auch den halberstarrten Zaren, der noch glücklich ein Pferd bekam und bald auf der Flucht der erst« war. Er hielt nicht eher still, als bis die Donau   zwischen ihm und den Türken lag. Der Zar war körperlich gesund und wohl, die Haut war ihm nicht geritzt nur die Geburtstagsfreude verdorben. Auf der Strecke" vor Plewna   aber lagen achtunddreißigtausend Russen zur Feier des Geburtstag«. Und es grauste der Welt. Pah! was war doch die Welt damals so dumm und so kleinlich! Achtunddreißigtausend Russen auf der Strecke Kinderei! Achtzehn Armeekorp s und zw e iund vierzig Rillionen Einwohner müssenaus der Strecke" liegen sagt Wilhelm der Zweite von Hohenzollern   in seiner Tischrede.-- Er hat nicht an Plewna gedacht. Er hat nicht daran gedacht, daß sogar russische Soldaten e» verweigert, sich von ihrem Zaraus die Strecke legen" zu lassen. E r hat nicht an die bestialische Rohheit des Ausdruck» gedacht. Er hat nicht an die beispiellose Lächerlichkeit des Gleichnisses gedacht, da» den Deutschen  , an deren Chauvinismus Er appelliren will, die Rolle von H a s e n und W i l d s a u e n, denver- kommenen" Franzosen die der glücklichen Jilger znwelst. Gr hat nicht dedacht, daß Deutschlands   Einwohner, seit E r in der Schule Geographie gelernt, von 42 Millionen auf 46 Millionen gestiegen sind daß Er also 4 Millionen des Vergnügens beraubt hat, für Ihnauf der Strecke" liegen zu dürfen. Das und noch so manches Andere hat Er nicht bedacht. Doch Andere haben daran gedacht. Der Hausmeier und Hofmeister soll außer sich gewesen sein über die Taktlosigkeit seines Schülers, der nur zu gut gelernt hat. Stolz auf die gardelieutnantliche Schneidigkeit" des Streckengleichnisses hatte dieser die sofortige Veröffent- ltchung der Festrede befohlen und die Veröffentlichung erfolgte auch in allen Zeitungen und überall mit der gleichen Wirkung, überall empörend. Allein der Hausmeier und Hofmeister   verbot den Abdruck imR e i ch S a n z e i g e r" und korrigirte und redigirte an den schlimm- Pen Sätzen und Ausdrücken herum dieStrecke" wurde zur Wahlstatt  ". Und die Korrektur hat ja auch ohne Zweifel ihre Berechtigung, denn Wilhelm dem Zweiten von Hohenzollern   zu lieb werden die 43 deutschen  Armeekorps sich ebensowenigauf die Strecke legen" lassen, wie weiland die russischen füns Armeekorps dem Zar Alexander dem Zweiten zu Liebe. Von den 42 Millionen Einwohnern gar nicht zu reden. Da» Wort Wilhelm  »- des Zweiten von Hohenzollern   aber bleibt un- vergessen, und wenn einst das Hau  » der Hohenzollern   mit Allem was drum und dran hängt, glücklichauf der Strecke" liegt, wird das Urtheil der erlösten Völker lauten:Ihr habt es so gewollt! Ihr wart Eueres Schicksal« Schmiede!" Und unter den tödtlichsten Hammerschlägen wird man jenes kaiserlicheKönigswort" auf- zählen von denachtzehn Armeekorps und den zweiund- vierzig Millionen Einwohner n", die der dritte deutsche  Kaiser zur Rettung eines einzigen Steinesauf der Strecke" assen wol lt«. SozialpoUttsche Rundschau. Zürich  , 2». August 1888. Di«Edelsten und Beste« der Ration". Wilhelm II.   hat schon wieder einmal geredet Kein Tag ohne«ine große Rede, Keine Rede ohne eine große Genialität. DerJugendliche" wird wirklich unbezahlbar. Jetzt hat er in Sonnen- bürg, allwohin er gefahren war, um sich al« Protektor deS JohannUer- Ordens«inkleiden zu lassen, in einer Antwort auf die übliche Anhochung folgenden Satz vom Stapel gelassen: Zur Hebung, zur moralischen sowie religiösen Kräftigung und Ent- Wicklung de« Volke« brauche ich die Unterstützung der Edelsten de»- selben, meine» A d e l I,s und die sehe ich im Orden Sankt Jo- hanniS in stattlicher Zahl vereint." Also die Edelsten de» Volkes sind der Adel. Diese Ohrfeige hat dem deutschen«ürgerthum noch gefehll. Darum also hat es sich in patriotischer Unterwürfigkeit und Opferwilligkett überboten, um mit dürren Worten erklärt zu hören: Ihr seid nur Schundwaare, wai nicht zum Adel gehört, ist nicht edel. Und diese Erklärung hat eine sehr materielle Tragwefte: was besonders edel ist, hat natürlich auch Anspruch auf be« sondere Rücksichten. Die höchsten Stellen im Staat, das Fett im Staats- suppentopf bleibt denEdelsten und Besten" vorbehalten. DieEdelsten" wären natürlich dumm, wenn sie sich das nicht zu Nutze machten. In dieser Beziehung haben sie nie einen Zweifel an ihrem praktischen Sinn auflommen lassen. Ueber ihre Verdienste um das Bater- land, namentlich in kritischen Zeiten, gehen die Meinungen weit auSein- «nder man lese nur die recht& propos erschienene Reu-Auflage der Rordspattioten" über ihre Verdienste a m Baterland herrscht indeß nur eine Stimme. DasWie" hat ihnen nie Sorg« gemacht. Heute durch Bauernlegen, morgen durch Bauernfang, gemeinsam mit den Rittern der Finanz. Immer verstanden e» dieEdelsten", ihre Sonderstellung im Staat nutzbringend zu verwerthen. Und wenn der Schnapsadel be- rufen wird, das Volk sittlich zuheben", so können wir unbesorgt sein, er wird sich dafür gehörig bezahlen lassen. Wohl bekomm'», Reichsphilister. Ein znkSnftiger MnsterstaatSanwalt. Vor dem Schöffen- gericht Dresden   spiette sich am 17. August ein Prozeß ab, dessen Verhandlungen den Geist, der die moderne Rechtsschul« in Deutschland  beseelt, in seinem vollen Glänze zum Ausdruck brachten. Angeklagt war der Gutspächter Heinrich Oskar Fehrmann aus Gohlis   bei Cossebauda und zwar der vorsätzlichen Körperverletzung, begangen an seinem Knecht Gommlich. Nach den Zeugenaussagen war (wir folgen dem Bericht de?Sächs. Wochenblattes") der Hergang fol- gender: Am 12. oder 18. Juni d. I. ließ Fehrmann auf seinem Felde Rüben pflanzen; der damals bei ihm bedienstete, etwas stumpfsinnige Knecht Gommlich hatte mit Geschirr Wasser herbeizufahren, bewerkstelligte dies aber nach der Behauptung des Angeklagten nicht so rasch, als er sollte. Fehrmann übertrug aus diesem Grunde das Herbeischassen deS Wassers dem in der Nähe beschäftigten Knecht Sabbath, während er Gommlich befahl, andere Arbeit zu verrichten. Gommlich widersetzte sich dieser An- ordnung keineswegs, weigerte sich indessen, die in seinen Händen befind- liche, ihm eigenthümlich gehörige Peitsche auszuliefern, ob- gleich Fehrmann widerrechtlich darauf bestand. Hierauf suchte Fehrmann dem Gommlich die Peitsche zu entteißen allerdings ver- gebens. Bei dem Ringen zerbrach der Stiel der Peitsche und nun schlug Fehrmann dem G. mit dem dicken Ende des Stieles wiederholt nach de» Beinen, versetzte ihm auch einige Stöße, so daß Gomm- lich zu Boden fiel. Al» sich Letzterer wieder erhoben hatte, erhielt er vom Angeklagten mittelst einer kleinen langstieligen Feld- hacke zwei bis drei wuchtige Schläge an das linke Ohr, wodurch das obere Ohrläppchen gespalten und die Haut hinter dem Ohr stark verletzt wurde. Diese schmerzhaften Verletzungen verursachten bedeutende Blutung und machten, als Gommlich am folgenden Tage einen Arzt in Kötzschenbroda   konsultirte, zwei Räthe nothwendig. Gommlich behauptete, die Schläge seien mit dem eisernen Theil der Hacke geführt worden, während der Angeklagte nur mit dem höl,ernen Stiel derselben geschlagen haben will, waS von dem Zeugen Sabbath   bestätigt wurde. Der Angeklagte leugnete ferner, daß die Spaltung des Ohrläppchens von den Schlägen herrühre; er sei, als Gommlich niederfiel, ihm beim Aufstehen behülflich gewesen, und dabei habe er ihn allerdings am Ohrläppchen gesaßt(!!!), wodurch die Verletzung entstanden sein könne; übrigen? sei Gommlich schon vorher am Ohr verletzt gewesen und nur die Kruste Hab« sich bei dem Vorfall abgelöst. Diese Behauptungen des Angeklagten wurden durch die Zeugen völlig widerlegt; Gommlich hat sich ohne Zu- thun des Angeklagten vom Boden erhoben und im nächsten Augenblick die Schläge an das Ohr empfangen. Ebenso hinfällig waren die Aus- führungen des Angeklagten, daß Gommlich ihn bedroht und ihm den Daumen gebrochen habe; den Daumen hat sich der Angeklagte allerdings verletzt, aber nicht durch die Schuld Gommlich's, sondern infolge deS Ringens um die Peitsche." Nach beendetem Zeugenverhör erhebt sich der Vertreter der Staats­anwaltschaft, dessen hehr« Aufgabe es ist, Alles ohne Ansehen der Person zu thun, waS erforderlich erscheint, dem verletzten Recht Genugthuung zu verschaffen, und führt aus, nach seiner An- ficht habe sich der Angeklagte keiner vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht, zumal die in Frage kommende, dem Gerichtshofe vorliegende Hacke kein gefährliches Werkzeug sei.(Wir müssen an dieser Stelle bemerken, schreibt dazu daSSächsische Wochenblatt", daß in der vorher- gehenden Verhandlung gegen zwei Striesener Arbeiter ein Spazier- stock und sogar ein Regenschirm als gefährliche Werk- zeugeangesehenwurden!) Aber selbst für den Fall, daß der Gerichtshof die betreffende Hacke für ein gefährliche» Werkzeug halten sollt«, könnte doch nur von einer leichten körperlichen Mißhandlung, nicht von einer Körperverletzung die Red- sein: diese körperliche Mißhandlung werde jedoch fast bedeutungslos, da man sehr wohl annehmen dürfe, daß die Verletzung(Spaltung l) des Ohrläppchens durch das Niederfallen Gommlich's, also nicht durch die Schläge de? Angeklagten, entstanden sei. Man könne nach Lage der Dinge die Handlungsweise des Angeklagten unbedenklich als ein« nothwendig« körperliche Züchtigung betrachten, zu wel- cher er nach der sächsischen Gesindeordnung berechtigt gewesen sei(die schöne Gesindeordnung Sachsens  !). Die Staatsanwaltschaft glaubte, daß der Gerichtshof zu keinem verurtheilenden Erkennwiß kommen werde." Ein Prachtkerl, dieser Vertteter der Staatsanwaltschaft, nicht wahr? Schade, daß der Name deS strebsamen JünglingS nicht hinzugefügt ist. Der hat einmal das Reskript der Herrn von Held, daß es nicht die Auf- gäbe des Staatsanwalt« sei, unter allen Umständen eine Verurtheilung zu erzielen, in seiner rechten Bedeutung erfaßt. Heutzutage, wo die Gesetze um der vielen Schlechten willen so scharf gefaßt werden, wäre es ja auch wirklich schade, wenn einmal ein Guter, d. h. einer aus der besseren Gesellschaft, in ihren Maschen hängen bliebe. Und so ward der Staatsanwalt zum Vertheidiger, handelte es sich doch darum, einen brutalen Knecht für die an seinem armen Herrn nicht doch, einen brutalen Patron für die an seinem armen Knecht verübten Bruta- litäten zur Rechenschaft zu ziehen. Und der Hüter des Rechts ward zum Vertheidiger des Mißhandelten? nein, des Mißhandlers. Natürlich brauchte nach solcher Glanzleistung staatsanwaltlicher Rechts- auSlegung der Vertheidiger des Fehrmann sich nur den Ausführungen feinesausgezeichneten" Vorredners anzuschließen. Aber leider verfehlte diese rührende Uebereinstimmung diesmal ihre Wirkung auf den Gerichts- Hof. Die Schöffen zeigten, daß sie noch nicht da» richttge Verständniß für solche feine Jurisprudenz hatten, und Herr Fehrmann ward der vorsätzlichen Körperverletzung, begangen mit einem gefähr- lichen Instrument, für schuldig erklärt und zu 75 Mark Geldbuße(noch zu billig), eventuell 14 Tagen Gefängniß, und Tragung der Kosten ver- urtheilt. Hoffentlich kommt der Brave um Begnadigung ein, der Unterstützung der Staatianwaltschast ist er gewiß. Ali besonders auffallend bezeichnet daSSächsische Wochenblatt" noch, daßder Angeklagte Fehrmann vom Richter wie vom Staat», anmalt stets mit dem PrädikatHerr" bezeichnet wurde, während sowohl die in dieser Verhandlung austretenden Zeugen, als auch die in den übrigen Verhandlungen erscheinenden Angeklagten sich einer derartigen Anrede nicht zu erfreuen hatten. DaSSächsische Wochenblatt" vergißt aber, daß Richter und Staat»« anwalt die Verfassung, nach der alle Sachsen   vor dem Gesetze gleich sind, so wahr ihnen Gott helfe" beschworen haben, daß sie gute, rechtgläubig- Christen, daß Dame Justitia   eine Heidin und blind ist. Rein-Eid ist mir heilig, sagt Stöcker. Im WahNreise Ansbach-Schwabach findet demnächst eine Nachwahl zum Reichstage statt. Ali Kandidat unserer Partei wurde Genosse Dr. Bruno Schönlank in Nürnberg   aufgestellt. Von den Demokraten, welche den Wahlkreis früher schon besessen, da» letztemal aber ihn an die Kartellbrüder verloren hatten, wird der be- kannte Demokrat Kräder aus München   portirt. Die Arbeiter und da» Meisterthnm. Auf den verschiedenen Jnnungs-, Handwerker->c. Tagen, welche während der letzten Wochen in den verschiedenen Städten Deutschlands   stattgehabt, haben die biedern Zopsmeister ihrem Haß gegen die Arbeiterschaft und die polttische Vertreterin derselben, die Sozialdemokratie, wieder so recht unverholen Ausdruck gegeben. Am klassischsten hat die» auf dem Allgemeinen deutschen und bayerischen Handwerkertag", der in dem bier« seligen München   sein« welterschütternden Resoluttonen zusammenbraute, der JnnungS-Bruder" Heinz« aus Hannover   gethan.Mit dem Humanitälsdusel kommt man nicht weit," rief er emphatisch auS,gegen die Sozialdemokratie muß man radikal vorgehen und das Sozialisten- gesetz möglichst verschärfen. Ich sehe in Jedem, der die Beseitigung de» Sozialistengesetze» wünscht» einen Feind de» Handwerks." Sehr gut gesagt. Mit anderen Worten heißt da»: DasHandwerk", will sagen die Handwerksmeisterherrlichkett, ist nur aufrecht zu erhalten durch brutale Ausnahmegesetze, wenn hinter jedem Arbeiter ein Polizist steht, der ihm mft der Peitsche Gehorsam gegen den gestrengen Herrn Meister eintränkt. Jeder Versuch einer Organisation der Arbetter ist al« eine Auflehnung gegen die von Gott   gewollte Gesellschaftsordnung an denRädelsführern" mit E x p a t r i i r u n g, an den Theilnehmern mit mehrjähriger Zuchthausstrafe zu ahnden. Die Arbeiter solle« fleißig schassen, solange als es dem Meister gefällt, und in ihren Feier« stunden beten und Gott danken, daß er den Herrn Meister nach seinem Ebenbild« erschaffen. Erst dann, wenn dieses Ideal erreicht ist, wird der Handwerksmeister wieder seines Lebens sroh werden, und nicht mehr schon am frühen Morgen in der Schenke im Schweiße seines Angesichts auf die Unbotmäßigkeit und Begehrlichkeit der Arbeiter zu schimpfen brauchen, anstatt sich ungestört der Arbett des Kartenspiels zu widmen. Wie berechttgt die liebenswürdigen Forderungen der Handwerksmeister. zeigt sich sofort, wenn man die Lage der Arbeiter im Handwerksbetrieb« mit der Lage derjenigen Arbeiter vergleicht, welche im Großbetrieb be- schäftigt sind. Wir sind gewiß nicht geneigt, den Großkapitalisteu da» Wort zu reden, sie beuten die Arbeitskrast ihrer Arbeiter nach Möglich« keit aus, aber eine so kleinliche Abrackerung und Ausmergelung, wie sie beim Handwerk stattfindet, gehört bei ihm zu den Ausnahmen. Man vergleiche z. B. die nachstehende Statistik der Lohnverhält« nisse der Tischler inBraunschweig für dasJahr 1887, die jüngst in einer allgemeinen Tischlerversammlung in der genannten Stadt zur Verlesung kam. Danach werden in Braunschweig  (von der Tischlereiwerkstätte auf dem Staatsbahnhofe abgesehen) beschäftigt: in 16 Großbetrieben 363 Tischler, in 64 Kleinbetrieben 368 Tischler. Der Durchschnittslohn betrug pro Stunde: im Kleinbetrieb 29 Pfennige, im Großbetrieb 31 Psennige, und zwar bewegten sich die Löhne: im Kleinbetrieb von 24 Pfg. bis 35 Pfg. pro Stunde, im Großbettieb von 2» Psg. bis 37 Pfg. pro Stunde, wobei noch zu bemerken ist, daß im Großbetrieb der niedrigste Lohn von 25 Pfg. und der darauf folgende von 27 Pfg. die Stunde zusammen auf 14 Personen entfallen, während im Kleinbetrieb e» schon 74 Per« sonen sind, die sich mit 27 Pfg. und darunter pro Stunde bescheiden mußten. Umgekehrt entfallen die höchsten Löhne des Klein» betriebs 33 Pfg. und 35 Pfg. pro Stunde auf im Ganzen 24 Ar« better, während im Großbetrieb 92 Arbeiter 33 Pfg. bez. 37 Pf?. erhielten(den letzteren, im Kleinbettieb gar nicht erzielten Lohn erhielten 37 Arbeiter). Ueber die Länge des Arbeitstages fehlen die Angaben, doch ist al» sicher anzunehmen, daß im Großbetrieb nicht länger gearbeitet wurde als im Kleinbettieb. Jntereffant und charakteristisch sind aber wieder die nachstehenden Zahlen über die Altersverhältnisse der beschäftigte» Arbeiter. Es betrug daS Durchschnittsalter der Beschäftigten: im Kleinbetriebe 29�/, Jahre, im Großbetriebe 34'/, Jahre. Der Kleinbettieb weist(Lehrlinge ausgenommen!) die größte Zahl der jugendlichen, 238 gegen 136, und die geringste der bejahrteren(über 40 Jahre alten) Arbeiter, 44 gegen 105, auf. Also auch hier das Verhält- niß beim Kleinbetrieb wesentlich ungünstiger für die Arbeiter als beim Großbettieb. Man sieht, die Herren Handwerksnieister wissen, warum sie aus die Arbetter und deren Organisationen schimpfen, ihr Haß hat seinen sehr wohlmotivirten Grund: man haßt immer den am tiefsten, dem man am meisten Unrecht zugefügt. Es ist dasgute Gewissen", das den Herren ihre Flüche gegen die neuzeitliche Entwicklung und die Sman« zipationsbestrebungen der Arbeiter auspreßt, und will man ihre menschen« freundlichen Bestrebungen im rechten Sinne erfassen, dann belehrt uni ein anderer Zunftheiliger auf dem, vorletzte Woche in Schwerin  abgehaltenen Schuhmacher-Jnnungstag: Die praktische Nächstenliebe sängt stets bei der eigenen Person an." Man sollte diesen Spruch in Gold fassen. Er kennzeichnet besser al» bändereiche Abhandlungen das gesannnt«prattische Christen« t h u m  " denn gute Christen sind die Herren alle, alle des neu« deutschen   Kaiserreichs. Unerbittlich vollzieht die Nemesis ihr Amt als Rächerin. Erst jüngst ist der Mörder Lieske's, Staatsanwalt Frehse in Frankfurt  , in die qualvolle Nacht des Wahnsinns versunken, der sozialistenfresserische Staatsanwalt Bartsch in München   war schon vor ihm vom selben Geschick ereill einer der wüthendsten Kommunehenker, Hauptmann G a r c i n, ward ebenfalls vom Berfogungswahnfinn befallen, und jetzt melden soeben die Blätter, daß auch der Vsrräiher Ducatel, der den Bersaillern Truppen den Weg nach Paris   gezeigt, in«in Irrenhaus gebracht werden mußte. Ob de» Mitglieder der ReichsgalgenkommissioN nicht ein geheimes Grauen überfällt, wenn sie so einen nach dem ander« ihrer Vorgänger und Mitverbrecher auf daS Schaffst des geistigen Lebens und des körperlichen Zerfalles steigen sehen? Und während wir dies schreiben, bringt die amerikanische   Post folgende Nachricht, die wir gestehen es offen uns und, wir hoffen, jeden rechttich denkenden Menschen mit jener Genugthuung erfüllt, welch« die Sühne eines begangenen Verbrechens erzeugt: Richter Gary von Chicago  , der einstmals hervorragende Jurist, welcher die Chicagoer   Anarchisten zum Gehenktwerden verurthetttt, ging gestern Abend um 8 Uhr LLgMinuten mit dem Ueberland-Schnell« zug der Union Pa zifik nach dem Westen. Er war von einem Chica- goer Arzt begleitet, welcher den Richter zum Besten semer Gesundheit nach der Pa zifikküste nimmt. Ein Berichterstatter deSHerald" sah den einst berühmten Richter und war überrascht, in ihm ein geistig«? und physische» Wrack zu finden, welches durch einen Wärter i« der Person des jungen ärztlichen Begleiters sorgsam bewacht werden mußte. Sein Leben, sowett es von Nutzen sein kann, scheint b e e n d e t und von jetzt an wird sein Dasein wahrscheinlich ein elende» sein.« Dazu bemerkt derVorbote": O, Nemesi»! Göttin der Vergeltung, olympische Vertreterin des Lynchrechtes, du bist doch noch nicht«nttrohnt! Du waltest und haltest ein strenge» Gericht. Die Dienerinnen der Göttin schlafen nicht, und wie sie den alten; Nachahmer de« blutigen Jeffrey» zur Strafe gebracht haben, so werden sie früher oder später auch dessen Mitschuldige nieder­hetzen! Wem sollte es nicht begreiflich erscheinen, daß das Schweige« eines August Spies   dem, welcher ihn morden half, furchtbarer ist, als es die Rede deS begeisterten Apostels der Freiheit dem verhärteten Mam« monSknecht zu sein vermochte? Sollte e» ihm nicht im Schlafe er- schienen sein, daS bleiche, schwermüthige Gesicht Michel Schwab'», des Zuchthäusler»"? Sollte nicht der Schatten Reta Reebe's, der vor Herzeleid und Gram vorzettig in da» Grab gesunkenen Gatttn de» frei- müthigen Organisators, wie ein Alp auf ihm gelastet haben? Was mag wohl der Geist Parson'S dem Richter zugeraunt haben, Parfon's Geist, welcher sich verttauensselig den Bluthunden stellt, die seine Spur verloren hatten? Gary ist geistig und körperlich ein Wrack! W« kann es Wunder nehmen?" Und wer möchte e» bedauern? fügen wir noch hinzu. Wer sich schämt,»vird  «icht reich," sagte einst der kürzlich verstorbene ungarische Kultusminister Trefort, als von irgmd einem»u Ehren und Millionen gelangten Streber die Rede war. Herr Trefort hat da ein wahre» Wort gesagt, und an sich selber die Wahrhett des« selben erprobt. Denn weil er sich schämte, d. h. Scham- und Ehrgett. besaß, und eS nicht machte, wie seine Stande?« und Klaffen-Genossen« brachte er es auch zu Nichts und starb arm wie eine Kirchenmaus. Der Mann sprach sicherlich mehr au« persönlicher Anschauung als au» wissen- schastlicher Kenntniß der ökonomischen Verhältnisse, denen die Millionäre ihren Ursprung verdanken. Er wußte wohl schwerlich, daß da» sogenannte Eigenthum aller Millionär« zusammengestohlenes und zusammenverdtentes Eigenthum anderer Menschen ist, also daS Produkt direkten oder indirekten Diebstahl» die Geheimnisse desMehrwerthS" hatten sich ihm wohl schwerlich erschlossm, allein die Gesellschaft, in welcher er sich bewegte, bestand ja zum großen Thefle au» Millionären, und die Börsen« geschäste, Spekulationen,Trinkgelder", Lieserungen und sonstigen noble« Praktiken, aus denen die Millionen herausspringen, waren ihm sicherlich