zur Beleuchtung der politischen Situation in Frankreich absolut nothwendig wäre.

Die zweitstärkste sozialistische Partei in Frankreich ist die der Blanquisten. Diese sind, zum Theil aus Opposition gegen die von den Possibilisten eingeschlagene Taktik, in den ent­gegengesetzten Fehler derselben verfallen und richten ihre Ge­schosse fast ausschließlich gegen die opportunistisch radikale Koalition. Die andern Fraktionen und Gruppen vermeiden diesen Fehler und treten Boulangisten und Antiboulangisten gleichmäßig entschieden gegenüber, aber Dank der Zerrissenheit der Gesammtpartei ist ihr Einfluß überall nur ein lokaler, auf die allgemeine Entwicklung der Dinge haben sie zur Zeit nur geringen Einfluß.

Gegenwärtig belustigen sich die kämpfenden Parteien und Koterien mit dem Waschen ihrer schmutzigen Wäsche. Für jeden Kenner der französischen Verhältnisse ist es klar, daß keine Partei, die ans Staatsruder gelangt, reine Hände behält. Wo der Staat von altgewohnt her als der allgemeine Wohlthäter betrachtet wird, wo die Bourgeoisie ihren gesunden" Pro­tektions- und Subventions- Sozialismus so eifrig fultivirt wie in Frankreich , ist das Trinkgelder- und Vetterschaftswesen zu natürlich, als daß man sich darüber verwundern dürfte. Das Uebel ist nur mit der Ursache auszuroften, was aber selbst­verständlich kein Grund ist, das Uebel ungehindert fortwuchern, die Blutegel am Steuersäckel ungestraft sich vollsaugen zu laffen. Bisher waren es fast nur die Sozialisten und einige sozialfonservative Schriftsteller, welche gegen die Verschleude­rungen aus dem Staatssäckel zu Felde zogen, die offiziellen Parteien schwiegen oder beschränkten sich auf Allgemeinheiten. Nachdem aber im Anschluß an den Wilson- Standal und den Prozeß Gilly der Tanz eröffnet ist, fliegen die Anklagen hin­und herüber, daß es nur so eine Art hat. Im Grunde kommt wenig dabei heraus, die gröbsten Schwindeleien lassen sich ge­wöhnlich schwer beweisen, und da bei solchen Anklagen es ohne Uebertreibungen nicht abgeht, so werden ein paar arme Schächer abgeschlachtet, die auf die Aussagen entlassener Rom­mis 2c. hineingefallen sind, und über den Rest deckt man nach dem Motto: Wer in einem Glashaus fiẞt u. s. w. den Mantel christlicher Liebe. Bis dies unvermeidliche Ende da sein wird, zieht jedoch, wiederum Dank der obengeschilderten Taktik, der Boulangismus gehörig Nahrung aus dem Skandal. and

Der Boulangismus ist mir der Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit, ein Parteigebilde, das sich immer neu erzeugen wird, wo die bisher anerkannten Parteien sich abgewirth­schaftet, ihre Unfähigkeit, die Situation zu beherrschen, erwiesen haben. Hätten die Radikalen, als sie an die Regierung kamen, die Kammer aufgelöst und mit einem entschiedenen Reform programm den Wahlkampf eröffnet gegen Monarchisten und Opportunisten, sie hätten vielleicht die Gefahr vorerst noch be­schworen. Sie haben den Moment verpaßt, und alles Donnern gegen Staatsstreiche und Staatsstreichler hilft ihnen über die Gefahr nicht hinweg, in die sie durch ihre Halbheit sich und die Republik versetzt. Nicht Reden, sondern nur Thaten können jetzt noch helfen, haben sie zu diesen nicht den Muth, so werden sie zwischen Boulangismus und Opportunismus aufgerieben werden, bis entweder der eine oder der andere ihnen das Ruder aus den Händen windet. Und in beiden Fällen heißt das Ende vom Liede Reaktion.R mis in ted

Haltet Euch bereit!

Das ist der leitende Gedanke eines Aufrufs, den die sozial­demokratischen Reichstagsabgeordneten soeben an die Genossen im Reich ergehen ließen. Es handelt sich darum, alle Vor­bereitungsmaßregeln zu treffen, um für die kommende Reichs= tagswahl gerüstet zu sein, ob sie nun erst am Ende der ganzen Legislaturperiode oder, was mehr wahrscheinlich, viel früher ausge­schrieben werden wird.

Der Aufruf lautet:

21190

Parteigenossen!

,, Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge würde das Mandat des jezigen Reichstages im Februar 1890 erlöschen. Aber die Wahr­scheinlichkeit ist vorhanden, daß derselbe früher aufgelöst wird und bereits im Herbst 1889 die Neuwahlen angeordnet werden. Dies veranlaßt uns, Euch zuzurufen: Seid auf der Hut und rüstet Euch!

Feuillefon.

sid

bisam 36d

Watt Tyler und die englischen Ritter der Arbeit.

( Fortsetzung.)

Aus diesen berühmten Statuten geht hervor, daß die Höhe der Löhne von den Unternehmern festgesezt war, und daß man es für ungesetzlich erklärt hatte, höhere Löhne als die vorgeschriebenen zu zahlen oder zu empfangen. Klagen über Lohnfragen kamen vor den Gerichten der Lords zur Verhandlung, was ebenso war, als wenn ein Negersflave seinen Herrn auf Zahlung von Lohn verklagt und ihm selber dann die Ent­scheidung überlassen hätte. Wir haben hier in Amerika noch keine Ar­beiterstatuten", da die Monopole auf andere Weise Alles erreichen kön= nen, was früher die Statuten anordneten. Die Herren vermögen es, sich durch Kombinationen, Trusts, Störperschaftsrechte, Freibriefe und hunderte Privilegien zu schützen. Da sie im Besize aller Materialien für den Handel, die Industrie, den Bergbau, das Bankwesen und zum großen Theile auch den Ackerbau sind, können sie in kritischer Zeit die Arbeiter beschäftigungslos machen und so thatsächlich ihren Besiz ver­mehren, indem sie die Räder der Arbeit zum Stehen bringen und einen Nothstand heraufbeschwören. Sie können es so einrichten, daß auf jeden beschäftigten Arbeiter der Schatten eines Unbeschäftigten fällt, der an seine Stelle zu treten verlangt. Die modernen Lords bedürfen keiner Arbeiterstatuten, aber wenn sie solche haben wollten, so würden sie da­bei im Staate Jllinois keine Schwierigkeiten finden.

Eine Legislatur, welche der Verfassung der Vereinigten Staaten so treulos ist und so wenig von dem Geiste der amerikanischen Republik versteht, daß sie ein Merittsches Verschwörungsgesetz erläßt, würde auch Arbeiterstatuten machen, wenn das Monopol es verlangt und würde sogar den sechsten Paragraphen der alten Statuten auslassen.

Die Arbeiterstatuten wurden anfänglich von den Arbeitern verlegt und umgangen, so daß sie durch andere Statuten verschärft werden mußten. Entfliehende Arbeiter wurden mit einem glühenden Eisen auf der Stirn gestempelt, wie man in unseren Tagen Neger gestempelt hat. Es wurde für ein Kriminalvergehen erklärt, einen entflohenen Knecht zu beherbergen. Der Widerstand gegen die Statuten nahm die Form von Streits und ähnlichen Oppositionsmitteln an. Um diese wirksamer

Sammelt Geld und abermals Geld, damit Ihr für den Wahl­kampf mit der nöthigen Munition versehen seid.

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Der nächste Wahlkampf wird sehr heftig werden. Nicht weil zit befürchten ist, daß die Wählerschaft sich durch Schreckgespenster, wie fie die Kartellparteien in den berüchtigten Tagen des Februar 1887 durch Wort und Schrift dem Volke vorschwindelten, sich wiederum einschüchtern lassen wird die Pikrinsäure, die Bretterbaracken, die Melinitbomben nebst den famosen Bildern, welche die Wehr losigkeit der deutschen Grenzen dem Philister vorlogen, haben wohl für immer ihre Zauberkraft verloren und auch Herr Boulanger, der Wau- Wau der Kartellparteien, ist in seiner Nichtigkeit entlarvt der Wahlkampf wird heftig werden, weil der Reichstag nicht wie die bisherigen Reichstage nur auf drei Jahre, sondern auf fünf Jahre gewählt wird.

Diese Verkürzung des Volksrechts ist auch eine Errungenschaft Kartellparteien.

Lettere werden alle Anstrengungen machen, sich abermals die Mehrheit zu sichern, einerlei durch welche Mittel.

So viel an uns liegt, muß dieser schöne Plan zerstört werden. Die deutsche Arbeiterklasse muß endlich überall einsehen, daß sie auf Die deutsche Arbeiterklasse muß endlich überall einsehen, daß sie auf Parteien nicht bauen darf, welche die reinste Klassenherrschaft re­präsentiren. Dies des Näheren zu beweisen, wird unsere Aufgabe sein, sobald der Wahlkampf beginnt. Wir werden dafür sorgen, daß Euch das entſprechende Material nicht fehlt.

Zunächst handelt es sich darum, wie schon erwähnt, Mittel für den Wahlkampf zu sammeln. Gure stets bewährte Opferwilligkeit läßt uns das Beste hoffen. Geld kann nie zu viel vorhanden sein. Alsdann ist es eure Aufgabe, überall in den Wahlkreisen Anknüpf­ungen zu suchen und Vertrauensmänner zu gewinnen, welche zu 39 gegebener Zeit die Agitation in die Hand nehmen. Später sind Wahlvereine und Wahlkomite's zu bilden.

Te Nach den Beschlüssen des St. Galler Parteitages, welche für unsere Taktik maßgebend sein müssen, sollen in allen Wahlkreisen, in welchen Parteigenossen vorhanden sind, Kandidaten unserer Par­tei aufgestellt werden, für die mit Aufbietung aller Kräfte zu agi­tiren ist. Wo immer also ein Parteigenosse zur Wahlzeit sich be= findet, er muß für die Abgabe sozialdemokratischer Stimmen thätig sein. Es handelt sich nicht blos darum, die Vertretung unserer Partei im Reichstag möglichst start zu machen, es handelt sich nicht weniger auch darum, durch die Abgabe sozialdemokratischer Stimmzettel festzustellen, wie groß die Schaar der wahlberechtigten Bed Staatsbürger ist, die unsere Gesinnungen theilen, in der Sozial­demokratie die Vertreterin ihrer Interessen sehen.

Darum Agitation bis in die entlegenste Hütte. Eine Million Stimmen und eine entsprechende Anzahl Vertreter muß das Min­deste sein, was die nächsten Wahlen uns bringen. Dafür müssen wir unsere ganzen Kräfte einſegen.buil

Ein anderer sehr wichtiger Punkt betrifft die aufzustellenden Kan­didaten. Es müssen Vielkandidaturen vermieden werden, wie auch in St. Gallen und früher schon beschlossen wurde. Aber es wird bei der großen Zahl tüchtiger Kräfte, welche der Tod und andere si Umstände aus unsern Reihen entfernten, hier und da Mangel an geeigneten Kräften eintreten. Viele brave und befähigte Genossen befizen nicht die Unabhängigkeit der Stellung, um eine Kandidatur annehmen zu können. Es wird also nicht zu umgehen sein, daß hier und da eine Doppelfandidatur vorkommt. Treten solche Fälle 9 ein und sollte eine Doppelwahl daraus hervorgehen, dann erwarten wir von Eurer Disziplin, daß Ihr alsdann die Entscheidung da= rüber, wo der Doppelt- Gewählte das Mandat annehmen soll, dem später von uns zu ernennenden Zentral- Wahlkomite überlaßt, das du die Frage unter Hinzuziehung von Vertrauensleuten aus den be= theiligten Wahlkreisen erledigen wird. Wir erwarten also, daß fein Kandidat, welchem die Umstände eine Doppelkandidatur auf­erlegen, sich im Voraus über die Annahme der Wahl in einem bestimmten Kreis im Falle seiner Doppelwahl verpflichtet. Das 10 allgemeine Interesse muß über dem Wahlkreisinteresse stehen.

Parteigenossen! Die Zeiten sind uns günstig wie nie zuvor. Die arbeitenden Massen fühlen jeden Tag mehr, daß die Dinge auf die Dauer so nicht weiter gehen fönnen, daß gründliche soziale Umgestaltungen nöthig sind, um die Noth der Zeit und und das menschliche Elend" zu heilen, nicht flägliches Flickwerk und Stückwerk, wie es bisher unter dem Titel der Sozialreform ihnen geboten wurde. Und wie der Arbeiter, so leidet auch der Bauer und der Kleinbürger. Alle führen mit ihren lezten Kräften den verzweifelten Kampf um das Dasein gegen die Kapitalmacht und suchen nach Hilfe und Rettung vor dem Untergang. Sorgt also für ihre Aufklärung.

Thut Jhr, thun wir unsere Schuldigkeit, dann kann der Erfolg nicht fehlen.

Frisch au's Werk! t

Berlin , den 27. November 1888.

Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstags. Bebel. Dieß. Frohme. Grillenberger. Harm. Liebknecht. Meister. Sabor. Schumacher. Singer." Der Aufruf ist jedenfalls sehr zeitgemäß. Wie unsererseits schon wiederholt angedeutet ward, ist es sehr wahrscheinlich, ja mehr als wahrscheinlich, daß eine abermalige Ueberrumpelung der Wähler versucht werden wird, und daß die nächsten Wahlen schon im Laufe des Jahres 1889 stattfinden sollen. Die Regierung weiß, daß sie unter normalen Verhältnissen auf eine Erneuerung der Kartellmehrheit nicht zu rechnen hat, und wird daher sich selbst den

zu machen, bildeten auch die Arbeiter Kombinationen, welche nicht unter= drückt werden konnten.

Diese Kombinationen oder Vereinigungen ähnelten im Prinzip und in der Praxis sehr denjenigen, welche die Arbeitsritter unserer Tage angenommen haben. Professor Thorald Rogers sagt in seinem großen Werfe: ,, Six Centuries of Work and Wages":

Obgleich diese Gesezerlasse unwirksam waren, so wollte man sie doch wirksam machen, und das wirkte störend; die Landbevölkerung leistete ihnen vereinigten Widerstand. In moderner Sprache ausgedrückt: die Knechte vereinigten sich zu Gewerkschaften( Trades Unions) und unter­ſtüßten einander in der Opposition gegen das Gesez und in dem Stre­ben nach höheren Löhnen."

Dieser Kampf zwischen Kapital und Arbeit blieb bis etwa 30 Jahre nach der schwarzen Pest im Gange. Seinen Verlauf können wir in den verschiedenen Gesezen verfolgen, die vom Parlament gegen die freie Arbeit erlassen wurden. Die allererste Afte, welche nach der schwarzen Pest erlassen wurde, enthält Klagen darüber, daß die Arbeiter, den doppelten und dreifachen Lohn wie früher" verlangen, und daß es Leute gebe, welche sich diesen Forderungen fügen. Im Jahre 1357 beklagt sich eine Afte des Parlaments über Bündnisse" und Vereinigungen" von Maurern und Zimmerleuten, mit Eiden aneinander gefesselt", und spricht von flüchtigen Knechten, die ihrem Dienst" entlaufen. Das war vor 500 Jahren. Im Jahre 1368 wurden neue Kommissionen eingesetzt, welche die Arbeiterstatuten durchführen helfen sollten, ein Be­weis, daß diese 18 Jahre hindurch mit Erfolg unbeachtet gelassen wor­den waren.

"

In 1377 wurde eine Afte erlassen, welche deutlich zeigt, daß der große Streif" auch damals noch im Gange war, und daß er ebenso unterstügt wurde wie heute, nämlich von Kombinationen und durch Sammlungen für die Streiker. In besagter Atte wird Klage darüber geführt, daß die Arbeiter ihren Herren ihre Dienste entziehen, und zwar mit Hülfe ihrer Berather, Gehülfen und Genossen, daß sie ferner sich in großer Anzahl vereinigen, und sich unter einander verpflichten, daß jeder dem anderen helfen solle, den Herren mit starker Hand Wi­derstand zu leisten."*)

*) Auch in Illinois gibt es Statuten, die sich ganz so lesen, wie Obiges, obschon es Philosophen gibt, welche uns sagen, daß Nevolu­tionen niemals rückwärts gehen. Dies ist nicht ganz wahr, dagegen ist es wahr, daß sie nicht von selber vorwärts gehen. Wackere Männer müssen sie nach vorwärts schieben. Es gibt stets und in jedem

Augenblick wählen, wo es für ihre Zwecke am günstigsten erscheint, das Volt an die Wahlurne zu rufen. Man mag vom Standpunkt der po= litischen Moral darüber denken wie man will, wir haben uns an die Thatsache zu halten, daß die Regierung zu solchem Vorgehen die Macht hat, und von dieser denjenigen Gebrauch zu machen gewohnt ist, der ihr gerade in die Rechnung paßt. Die von der offiziösen Presse erhobene Debatte, ob die Rücksicht auf die Erneuerung des Sozialisten­gesetzes eine abermalige Befragung der Wähler" nöthig macht, zeigt, daß man nur nach einem plausiblen Vorwand zur vorzeitigen Auflösung des patriotischsten aller patriotischen Reichstage sucht. Die Partei muß also unter allen Umständen und ohne Verzug in vollste Wahlbereitschaft treten, so daß keine Ueberrumpelungen und feine leberraschungen mehr möglich sind.

Selbstverständlich haben auch die im Ausland weilenden Genossen sich das zu Herzen zu nehmen und Maßregeln zu treffen, um im geeig neten Moment schnell und möglichst ausgiebig ,, Munition" nach Deutsch­ land schicken zu können. Das Doppelt gibt, wer schnell gibt" heißt bei den Reichstagswahlen: zehnfach, hundertfach gibt, wer schnell gibt. Mancher Wahlkreis kann gewonnen werden, wenn die Genossen von Beginn des Wahlkampfes an, über genügende Mittel verfügen, das Feuer auf allen Punkten gleichzeitig zu eröffnen.

Noch einmal, Parteigenossen nah und fern: Haltet Euch bereit!

Mörder!

In Nr. 46 unseres Blattes( vom 10. November) brachten wir einen, zuerst in der Wiener Gleichheit" veröffentlichten Brief zum Abdruck, der die mörderische Behandlung der Kohlenschaufler auf Schiffen des Bremer ,, Lloyd" kennzeichnet. Was in jenem Brief gesagt worden, klang so grauenhaft, daß unser Bruderorgan einen Zweifel an der vollständigen Richtigkeit des Gesagten nicht unterdrücken konnte, und in der That sträubte sich das Gefühl dagegen, an so viel Unmenschlichkeit zu glauben. Aber leider war die Darstellung nicht übertrieben; was der Brief sagte, wird jezt durch folgende, der Frank­ furter Zeitung " von glaubwürdiger Seite zugehende Erklärung bestätigt: Unterzeichnete Passagiere, an Bord des Norddeutschen Lloyd- Dam­pfers Graf Bismarck" auf der Reise von Bremen nach Buenos- Aires begriffen, sehen sich veranlaßt, Folgendes öffentlich festzustellen und eventuell auch die Aufmerksamkeit deutscher Behörden darauf zu lenken. Am 28. September unterm( zirka) 15. Grad nördlicher Breite hatten wir eine so hohe Temperatur, daß der Aufenthalt für die im Kohlen­raum beschäftigten Arbeiter, welcher unserer Ansicht nach ungenügend ventilirt war, fast unmöglich erschien, umsomehr als die betreffenden Arbeiter nur alle vier Stunden abgelöst wurden. Ein siebzehn- bis achtzehnjähriger Mann, der als Kohlenzieher in Bremen angemustert war, mußte infolge dieser Umstände zu verschiedenen Malen fast besinnungslos die Arbeit unterbrechen und eröffnete sowohl dem Schiffsarzte als auch den Passagieren, daß er die Beschäftigung nicht länger aushalten könne und seinem Leben ein Ende machen müsse. Troz alledem brachte man den betreffenden jungen Mann zwangsweise wieder zur Arbeit. Die Folge davon war, daß der Unglückliche das wahr machte, was er Tags zuvor geäußert: er sprang Nachmittags 22 Uhr über Bord und konnte nicht mehr gerettet werden. Am 26. September hatten wir einen zweiten ähnlichen, gewissermaßen noch traurigeren Fall zu ver= zeichnen. Ein verheiratheter Mann von zirka vierzig Jahren, Vater von drei Kindern, welcher gegen Arbeitsleistung die Ueberfahrt nach Buenos- Aires machte, wurde, nachdem einer der ge= musterten Arbeiter erkrankte, ebenfalls zum Kohlenziehen herbeigezogen. Der betreffende Mann sprach sich gegen die Passagiere wiederholt dahin aus, daß er bei seiner Körperkonstitution eine derartige Arbeit un= möglich aushalten könne. Dessenungeachtet wurde er selbst dann noch gewaltsam dazu herangezogen, als er fast bewußtlos in frampfähnlichem Zustande auf Deck geschafft wurde. Dem Schiffs= arzte vorgestellt, erklärte dieser den Zustand als Verstellung. Nachdem der Unglückliche sich einigermaßen erholt, wurde er von Neuem in den Kohlenraum gebracht. Dort konnte er es natürlich nur ganz furze Zeit aushalten, die Ohnmachten wiederholten sich in sehr bedenklicher Weise und nach Verlauf einiger Stunden war derselbe eine Leiche. Sollte diesen nicht zu leugnenden Uebelständen nicht in der Art abzuhelfen sein, daß Ventilatoren angebracht werden oder daß das ohnehin nur mit 30-40 Mart bezahlte Personal verdoppelt würde? Könnte man einen solchen Arbeiter, statt ihn, namentlich in den heißen 3onen, vier Stunden und mehr arbeiten zu lassen, nicht etwa alle zwei resp. eine Stunde ablösen? Unsere Fabrikgeseze auf dem Festlande schützen doch den Arbeiter in jeder Weise, warum geschieht dies nicht auf See? W. Ortlieb aus Kaufbeuren . Franz Blanchard aus Erfurt . Wie ans dem Schlußsaz hervorgeht, sind die Einsender durchaus feine fozialdemokratischen Hezer", sondern sehr loyale, in Bezug auf die Ansprüche an den Arbeiterschutz durchaus bescheidene Bürger; nur solche können davon reden, daß die deutschen Fabrikgeseze den Ar­beiter in ieder Weise schüßen. Aber grade aus solchem Munde klingt die Anklage doppelt belastend für die verruchten Mörder. Denn Mörder, infame Mörder sind sie, die Ungeheuer, welche solche Schändlichkeiten dulden, solche schurkische Preisgabe von Menschen­leben hegen und pflegen. Das Mitgetheilte ist kein vereinzelter Fall, es ist System; was der Korrespondent der Gleichheit" vom Schiffe Sachsen " des Bremer Lloyd berichtet, wird hier vom Schiffe ,, Graf, Bismarck " derselben Gesellschaft bestätigt. Hier wie dort ganz dieselbe brutale Rücksichtslosigkeit, hier wie dort dasselbe bewußte Hin mor=

"

Es erscheint etwas räthselhaft, wie ein ungebildetes, unterdrücktes Volk, das unter dem Joche der Knechtschaft gehalten wurde, sich erfolg= reich zu vereinigen vermochte, in einer Zeit, in der es weder Zeitungen noch Postverbindungen, weder Telegraphenlinien noch Eisenbahnen und thatsächlich keine öffentliche Verbindung zwischen den einzelnen Ortschaf= ten gab. Dieses Räthsel kann nur auf eine Weise erklärt werden. So haben wir uns auch gewundert, wie Neger, die weit von einander wohn­ten, von den Vorgängen in den entferntesten Landestheilen erfuhren. Wir schrieben dies, weil wir es nicht anders zu erklären vermochten, dem Weinrebentelegraph" zu. Nun, es hat auch vor 500 Jahren einen solchen Weinrebentelegraph" gegeben und ich glaube entdeckt zu haben, wer die Telegraphisten waren.

Einige Jahre vor der Zeit, von welcher hier die Rede ist, hatte John Wickliffe eine Reform in Kirche und Staat begonnen. Einen Theil feiner Pläne bildete die Gründung des Ordens der Armen Priester", deren Aufgabe es war, von Ort zu Ort zu ziehen, die Laster der höheren Massen zu schildern, das Volk zu einer besseren Kenntniß der Rechte der Arbeit zu erziehen und die Mittel und Wege anzudeuten, mit deren Hülfe diese Rechte errungen werden konnten. Diese Leute ge= wannen die Herzen der Arbeiter leicht genug, denn sie brachten ihnen Sympathie entgegen. Sie predigten eine Art von radikalem Sozialis­mus und basirten ihre Lehre auf der Doktrin der absoluten Gleichheit, im Garten Eden, wo die mensch= welche nach ihrer Erklärung liche Gesellschaft ihren Ursprung genommen hat, von Gott selber einge­setzt worden ist. Diese armen Priester waren Vorläufer der franzöfi schen Revolution, und zwar 400 Jahre vor dieser. Auch sie profla­mirten die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit! Der fühnste und beredteste von diesen Männern, der einzige, dessen Namen die Ge­schichte aufbewahrt hat, war John Ball , der tolle Priester von Kent." Wenn die Ansichten eines Mannes unserer Zeit weit voraus sind, und besonders, wenn wir keine Antwort auf seine Argumente zu finden Lande ein reiches reaktionäres Element, welches bestrebt ist, Revolu­tionen nach rückwärts zu schieben. Außer diesem gibt es ein kon= servatives Element, das stets bereit ist, zu rufen: Halt! Still ge= standen!" Der Sturmruf der Menschheit aber lautet: Vorwärts!" Wir können den Massenschritt der Legionen hören, die bei jedem Meilen­stein anhalten, um ein altes Unrecht zu begraben. Es ist das ein har­tes Marschiren, denn der Weg führt bergaufwärts, nicht abwärts, auf­wärts in eine reinere Atmosphäre und helleres Licht, aufwärts zit einer Hochebene, einem Lande, in dem es gleiches Brod und gleiche Ar­beit für Alle gibt.

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