zerischen Offizierswelt Aufsehen und böses Blut erregt und wesentlich bazu beigetragen, daß man Ehrenberg aus der Gesellschaft derselben ausschloß. Meine Herren, Sie werden mir zugeben, daß alle diese von mir erwähnten. Aftenstücke, die ich dem Militärgericht zu Karlsruhe  mittheilte, in Verbindung mit den drei von glaubhaften Persönlichkeiten gemachten eidlichen Aussagen Thatsachen waren, die es selbstverständlich hätten erscheinen lassen, daß Ehrenberg sofort gefaßt und hinter Schloß und Niegel gebracht worden wäre. Vergleichen Sie den Fall Ehrenberg mit den Fall Geffken. Herr Gefffen hat in guter Treue einige Ar­tikel aus dem Tagebuch des Kaisers Friedrich

( Glocke des Präsidenten)

Vizepräsident Dr. Buhl: Ich muß den Herrn Redner hier unter­brechen. Die vorigen Ausführungen mußte ich nach der bisherigen Uebung des Hauses als zur Sache gehörig betrachten und habe ich ihn deshalb nicht unterbrochen. Er scheint aber jetzt von dem hier vorlie­genden Gegenstand zu weit abzugehen.

Abgeordneter Bebet: Ich habe den Fall nur beispielsweise an­führen wollen. Soweit meine langjährige parlamentarische Erfahrung reicht, weiß ich, daß Beispiele anzuführen immer in solchen Fällen sets tens der Herren Präsidenten gestattet wurden. Indessen, ich muß mich fügen.

Nun, meine Herren, als nun Ehrenberg all diese Dinge vorgelegt wurden, hatte der Herr die Unverschämtheit, nicht nur dieses alles zu Leugnen, sondern zu erklären: Alles das, was Bebel gegen mich aus­fagt und zu beweisen versucht, hat er mir vorgeschlagen."

( Hört!)

Das Umgekehrte sollte also wahr sein: ich sollte ihm den Vorschlag gemacht haben, er( Ehrenberg) soll der militärische Leiter der künftigen deutschen Revolution werden u. s. w. Er ging noch weiter und erklärte frech: Bebel hat mich sogar gefragt, wie man es machen muß, daß unsere Leute in der Armee, die Sozialdemokraten in die Offizierskasinos als Diener hineingebracht würden, um dort genau alles aushorchen zu Tönnen." Meine Herren, ich bin nie Soldat gewesen, ich habe keine Ahnung, wie es in den Militärkasinos zugeht, und da legt dieser Mensch mir eine solche Frage unter. Selbstverständlich ist, daß mir ein solcher Gedanke vollständig fern lag.

Nun, dieses Lenguen des Herrn von Ehrenberg schien aber auf das Militärgericht einen gewissen Eindruck gemacht zu haben. Nicht allein, daß er trotz aller entgegenstehenden Beweise nicht verhaftet wurde ich wurde aufgefordert, weitere Beweise herbeizuschaffen und nament­lich die Originale der von mir abschriftlich eingerichten Aufrufe einzu­reichen. Diese letztere Forderung fand ich gerechtfertigt. Ich habe diesen Wünschen nach bestem Willen und Vermögen genüge geleistet und muß sagen, ich war mit dem Resultate meiner Anstrengungen sehr zufrieden. Vor allen Dingen hielt ich es aber für angemessen, gegen über den eigenthümlichen Berdrehungen des Herrn von Ehrenberg, der die Thatsachen auf den Kopf zu stellen versuchte, den Wunsch auszu­sprechen, das Militärgericht möge mir Gelegenheit geben, Herrn von Ehrenberg gegenübergestellt zu werden, um Gelegenheit zu haben, auf feine Aussagen sofort die entsprechenden Antworten geben zu können. Dem ist auch von Seiten des Militärgerichts Folge geleistet worden, indem am 20. August zwischen ihm und mir eine Gegenüberstellung in Karlsruhe   stattfand, auf die ich noch näher zurückfommen werde.

( Unruhe. Zuruf rechts: Das ist uns gleichgiltig!)

Ja, meine Herren, ich bringe diese Sachen vor, mag es Ihnen noch so gleichgiltig sein. Hier ist ein allgemeines Interesse im Spiel. ( Abgeordneter von Stardorff: Nein! Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident Dr. Buhl: Ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen.

Abgeordneter Bebel: Also Herr von Kardorff, wenn es sich hier um Hoch- und Landesverrath handelt, ist kein allgemeines Interesse im Spiel Das ist in der That wunderbar. Wahrscheinlich nur, weil es sich um einen der Edelsten der Nattou" handelt, ist kein allgemeines Interesse im Spiel.

( Bustimmung links.)

Hätte es sich um einen Sozialdemokraten gehandelt, so wäre nicht der zwanzigste Theil dessen, was ich eingereicht habe, vorzubringen nöthig gewesen, und er wäre verhaftet, angeklagt und von Reichsgericht ver­urtheilt worden.

Für mich handelt es sich darum, das höchst eigenthümliche Verfahren des Militärgerichts zu brandmarken. Ich will von dem Herrn Striegsminister eine Antwort haben, wie er dieses Verfahren des Mili­färgerichts gegenüber den vorliegenden Thatsachen für Hoch- und Landesverrath zu rechtfertigen vermag.

( Schluß folgt.)

sid mm du ning

Sozialpolitische Rundschau.

find typdalin

London  , 20. Dezember 1888.

-Aus dem Reichstage. Die Sozialdemokraten find das Salz des Reichstages. Ohne die Sozialdemokraten wäre es im Reichstag vor Langeweile faum auszuhalten", gestand neulich unter vier Augen ein sehr gutgesinnter" Neichsbote, und der Mann hat Recht." Es ist", schreibt man uns, als wenn allen übrigen Parteien das Hirn eingefroren, jede schöpferische Straft abhanden gekommen wäre. Und thatsächlich ist das auch der Fall. Die Leute der herrschenden Klasse werden immer denkunfähiger. Man vergleiche z. B. die Rede, welche Bennigsen in der letzten Etatdebatte gegen Liebknecht   hielt, mit der Rede, welche derselbe Bennigsen 1878 für das Sozialistengesetz hielt welcher Abstand! Damals hatte der Mann doch noch Ideen und einen Standpunkt. Jetzt hat er beides verloren. Die ödeste Phra­seudrescherei und flachste Prinziplosigkeit auch nicht das leiseste Auf­flackern von Geist und Charakter. Es ist das übrigens eine ganz na­türliche Erscheinung: die besißenden Klassen werden durch das mehr oder weniger flare Bewußtsein gelähmt, daß sie gegen ihre bessere Ueberzeugung handeln daß sie thun, was sie innerlich ver­dammen, und daß sie unterdrücken, was sie innerlich für recht halten. In solcher Lage sucht man sich das Denken möglichst abzugewöhnen und sezt Alles auf die Karte der brutalen Gewalt, die nicht denkt und das Denken weder duldet noch verträgt.

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Die Debatte über das Altersversicherungsgesetz hat drei Tage gedauert, ohne daß es den Vertretern der Regierung gelungen wäre, die von sozialdemokratischer Seite geltend gemachten Argumente gegen den Entwurf irgend erschüttern zu können. Die Sachlichkeit der Rede Grillenberger's, der den Gegenstand meisterhaft beherrschte, wird auch von einem Theile der Kartellpresse eingestanden. Trotzdem wird die Mehrheit für alle Gründe der Gerechtigkeit und Humanität taube Ohren haben. In der Kommission, welche den Entwurf zu prüfen hat, sisen lauter Feinde einer vernünftigen und wirklichen sozialen Reform. In einer großmüthigen Laune hatten Mitglieder der Majoritätsparteien den Plan gefaßt, den Sozialdemokraten einen Platz in der Kommission einzuräumen, indeß die Großmuth dauerte nicht lange, und die biederen Herren haben es vorgezogen, unter sich zu bleiben, woran sie auch sehr gut thun. Der Entwurf wird nur in.un= wesentlichen Punkten abgeändert werden von den gerügten Mängeln wird nicht ein Einziger beseitigt werden namentlich wird das Ar­beitsbuch bleiben, namel

Der Befähigungsnachweis beschäftigte den Reichstag eine. ganze Sigung hindurch; den Zünstlern wurde von Frohme der Zopf tüchtig ausgeklopft. Für die pfiffigen Kartellbrüder hatte die Debatte den großen Vortheil, daß die Diskussion über die Wahl des berüch tigten Dr. Göy- Lindenau( im Leipziger   Wahlkreis) berhin dert wurde und der Gegenstand infolgedessen vor den Ferien gar nicht mehr zur Besprechung gelangte. Nun geschenkt soll ihnen nichts werden.

-Vor der eignen Thür  . Die Enthüllungen über die Stor ruption in Frankreich   sind bekanntlich von dem deutschen Reichs­

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pharisäer mit einem wahren Indianergeheul begrüßt worden. Gaben sie ihm doch Gelegenheit, sich nach Herzenslust in schöner Ent­rüstung über so viel Schlechtigkeit zu ergehen und hinterher in geho­benem Gefühl sich vor die Brust zu klopfen: Das ist doch nur in einer Republik und bei den verkommenen Franzosen möglich, so etwas kommt bei uns tugendhaften monarchischen Deutschen   doch nicht vor. Ganz recht, so etwas kommt bei uns nicht vor nämlich nicht vor das Publikum. Diejenigen, die es wagen, den Schleier zu lüften von den Durchstechereien und Finanzoperationen deutscher Wilsons, stoßen auf eine so wohlorganisirte Phalang von Schuß- engeln, daß ihnen ent­weder die Fortsetzung ihres Wagnisses gründlich verleidet oder aber sie sich im Stampf mit den Hütern der beleidigten Beamten- Unschuld er= schöpft haben, noch ehe fie dazu gekommen sind, ihr Anklagematerial dem Publikum zugängig zu machen. Verleger, Buchhändler und die Zeitungsredaktionen find durch die Gerichts- und Polizeipraris in diesen Dingen so eingeschüchtert, daß sie ernsthafte Angriffe gar nicht aufneh­men mit einem Wort, wir brauchen nur an das Schicksal des Herrn Rudolph Meyer und seiner Schrift Politische Gründer und die Kor­ruption in Deutschland  " zu erinnern, sowie an den ruhmvollen Aus­gang der vom Reichstag in der Mitte der siebziger Jahre eingesezten Untersuchungskommission über die Eisenbahngründungen, und man wird begreifen, warum die späteren Miqueliaden, Bleichröderiaden 2c. keinen Meyer, sondern höchstens antisemitische Kläffer gefunden haben, deren fittliche Entrüstung nicht weiter reicht, als der betheiligte Jude in Be tracht kommt. Ein halber Angriff ist aber, wie jeder weiß, gar kein Angriff. on the

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In den fiebziger Jahren hatte das Junkerthum nicht mit am großen Topf" gesessen oder vielmehr nicht nach Maßgabe seiner Ansprüche aus ihm zugewiesen bekommen, es bekam infolgedessen den Tugendrappel, und, unterstüßt durch die Verbindungen, die es in allen Ministerien 2c. besaß, begann es, aus der Schule zu plaudern, bis- Bismarck ein Einsehen hatte und die Aera der Korn- 2c. Zölle eröffnete. Da wurde aus dem entrüsteten Saulus ein gar christlich liebevoller Paulus siehe den braven Landrath a. D. von Diest  - Daber, der mit virtuoſer Geschwindigkeit aus einem Don Quixote der alten Ritterehre ein nüch= terner Realpolitiker wurde und heute Stein und Bein auf Bismards Uneigennüßigkeit schwört.

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Auch das Zentrum hat, wie jeder weiß, vom Baum der Erkenntniß genascht, es ist noch in der Opposition, aber zahm, sehr zahm, es wagt fich höchstens an irgend einen armen Schächer, an dem Herrn dagegen geht es ehrfurchtsvoll vorbei. Der Freifinn thut aus ähnlichen, sowie Sen oben entwickelten Gründen desgleichen.

Dies sind aber die Parteien, welche die Wissen den in ihrer Mitte zählen, und so kommt es denn, daß Alles fein hübsch vertuscht wird und bleibt, was Diejenigen thun und treiben, die um den großen Topf herum fißen. Trotzdem fehlt es an Beispielen nicht, die da zeigen, wie unsere christlich- germanischen Regierer und ihre Freunde das Pfeifen­Schneiden" verstehen. Herr Wilson ist ein reicher Mann, aber an den Neichthum des stillen Kompagnon des Herrn Bleichröder   reicht der seine nicht im Entferntesten, und ob Herr Nouvier es mit Herrn Miquel aufnehmen kann, möchten wir sehr bezweifeln. Ja noch mehr, für das Verwerfliche gewisser Durchstechereien, welche in anderen Ländern als ein unerhörter Standal gegeißelt würden, fehlt den deutschen Macht­habern der Sinn bereits vollständig, gewohnt, ihre Günſtlinge mit allen Vortheilen anszustatten, welche sie ihnen vermöge ihrer Stellung ver­schaffen können, verüben sie dieselben am hellen Tage wächst sie aber und macht sich groß, dann geht sie auch am Tage bloß." oi Man höre z. B. den folgenden Schmerzensschrei, den jüngst die ultra­montane Germania" über den Handel mit Gesezentwürfen ausstieß, den preußische Minister ihren Offiziösen frei­geben:

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Die offiziösen Berliner   Politischen   Nachrichten sind früher in den Besiz des Reichshaushalts- Etats ge­langt, als der Reichstag   selbst. Der heute hier eintreffende Han­ nover  'sche Kourier und die gestern Abend hier angekommene Magde­burgische Zeitung bringen bereits den Etat mid die Marinedenkschrift aus den Berl. Pol. Nachr." Es waren daher nicht nur dem of fiziösen Organ, sondern auch den Redaktionen der ge­nannten Blätter Vorlagen des Reichstags eher zugänglich, als dem Reichstage selbst. Das ist ein Mißstand, auf welchen immer und immer wieder hingewiesen werden muß. Er widerstrebt dem Amtsgeheimniß, verlegt die Würde des Reichstags und kann zu allerlei Ungehörigkeiten, z. B. geschäftlichen Spekulationen, ausgenügt werden. Gerade dieser Tage fandte der vielseitige Redak­teur der Berl. Pol. Nachr. ein Anschreiben an hiesige große Bank­Institute, in welchen er dieselben zum Abonnement auf seine Berl. Pol. Nachr. für den offiziös- bescheidenen Preis von 600 mt. aufforderte. Die Klage über den Handel mit Gesezentwürfen ist schon oft vorgebracht worden, ohne daß es etwas genügt hätte; viel­leicht könnte einmal im Reichstage mit Nachdruck darauf hingewiesen werden."

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Richter vor Allem die große Mission zu erfüllen hat, Hand in Hand mit der Polizei den Staat zu retten und die Reichsfeinde hinter Schloß und Riegel zu bringen. Sie haben auch eingesehen, daß der alte Saz: nur Handlungen, nicht Gesinnungen seien zu strafen, ein überwundener Standpunkt ist und unserer modernen Polizei­und Soldatenkultur nicht mehr entspricht. Der Leipziger   Richter ist fortgeschritten" genug, um über juristische Zwirnsfäden" nicht zur stolpern: seine Ueberzeugung" ist ihm die einzig richtige Rechts­grundlage, und nach seiner Ueberzeugung" be- und verurtheilt er jeden Reichsfeind im Allgemeinen und mit doppelter Wollust jeden Sozialdemokraten im Besondern.

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Also die Zwölf, welche morgen vor Gericht kommen, sie sind besorgt und aufgehoben. Handlungen" liegen nicht vor; Beweise sind nicht vorhanden, aber die Ueberzeugung" der Richter ist felsenfest, und sie heischt, daß jeder Sozialdemokrat für schuldig erklärt wird. Einerlei was er gethan oder was er nicht gethan.

Angesichts dieser Sachlage ist die Frage angebracht, ob vor sol­chen Richtern, wie den Leipzigern, die stets die Ueberzeugung" haben und stets die höchsten Strafen berhängen, überhaupt eine Vertheidigung noch einen Sinn hat? Die Anwälte wissen von vornherein, daß ihre Vertheidigung umsonst ist. Die Angeklagten wissen von vornherein, daß ihre Verurtheilung sicher ist. Wozu da noch sich vertheidigen oder ver­theidigen lassen? Es ist die reine Farce. Man sollte in der That mit dieser Tradition brechen. Wenn die Angeklagten gleich zu Beginn der Verhandlung erklärten:

Wir wissen, daß wir verurtheilt werden; wir wissen, daß man unseren Versicherungen nicht glaubt. Unter solchen Um­ständen halten wir es für eine un würdige Thorheit, ein Wort zu unserer Vertheidigung zu sagen oder einen Reichtsbeistand zu nehmen. Thun  , Sie, was Ihres Amtes ist: verurtheilen Sie!"

Wäre eine solche Erklärung nicht wirksamer, wäre sie nicht beschä= meuder für unsere Richter, eindrucksvoller auf das Publikum als die glänzendste Vertheidigung? Und die Angeklagten würden sicher nichts dabei verlieren.

Apropos, Sie erinnern sich noch des jungen Tölcke? Er ist jetzt bet seinen Eltern und wird wahrscheinlich genesen. Nicht so glücklich war einer feiner Leidensgenossen, Fabritarbeiter Kittler, der in dem Flugblattprozeß zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt ward. In Folge der Aufregung und der schlechten Behandlung verfiel auch er dem Wahnsinn und vor 8 Tagen ist er gestorben. Und einer der Aufrührer" von 1886, der vergangene Woche aus dem Zucht= haus zu Waldheim entlassen würde, wo er dritthalb Jahre gesessen( weil er verdächtig war, bei einer durch Polizisten veran­laßten Prügelei einen Polizist gestoßen zu haben!), ist plötzlich in Raserei verfallen und soll unrettbar sein!

O diese Verbrecher!

Und die Mörder unserer Genossen, sie fließen über von Humanität für die Schwarzen in Afrika   und wollen einen Kreuzzug zu ihrer Befreiung unternehmen! Verworfenere Heuchelei hat die Welt nie ge­sehen.

Am 14, ds. hat der Reichstag   seine Weihnachtsferien begon­nen, nachdem die kartellbrüderliche Mehrheit noch eine kleine Farce zu Gunsten nationaler-Kolonialpolitit in Szene gesetzt hatte. Es agirten dabei nur die kleinen. Statt Bennigsen der Wörmann, statt des Eisenstirn Bismarck der Herbert Bismarck  . Letzterer I as eine Rede, die der fürstliche Papa ihm hatte auffezen lassen, vom Blatt ab, und blieb trotzdem ein paar Hundertmal stecken. Gestottert hat er ebensogut wie der Alte. Auch ebenso genial fich geräuspert und gespuckt. Dieser jüngste Staatssekretär" war für den aufmerksamen Beobachter eine köstliche Studie. Eine spaßigere Kar­rikatur auf den Hausmeier und Reichshamster konnte nicht erfunden werden. Und daß der Hausmeier und Reichshamster selbst die sie erfunden hat, das macht das Spaßige doppelt spaßig. Nun Affenliebe ist blind und der Pascha von Friedrichsruhe scheint feine Ahnung zu haben, wie grausam er sich und seine Wirthschaft in seinem hoffnungsvollen Sohn und Nachfolger in spe verspottet.

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Die Schule der Verwilderung. Der liberale Reichsfreund" hat Kenntniß erhalten von einem Rundschreiben des Obersten einer Gendarmeriebrigade, in welchem derselbe die Gendarmen bei Strafe verpflichtet, eine ihnen zugefügte thätliche Beleidigung auf der Stelle mit der Waffe zu erwiedern. Weil dies ein Fußgendarm nicht gethan, wird er mit drei Tagen gelindem Arrest be­straft. Es handelte sich um einen Streit zwischen einem Gendarm und einem Förster im Wirthshause. Letzterer besprach tadelnde Aeußerungen einzelner Personen über Strafanzeigen des Gendarmen. Darüber ent­stand ein Wortwechsel, in welchem der Gendarm ein Schimpfwort auf den Förster ausgesprochen haben soll. Dieser verlangte die Zurücknahme, und da sie nicht erfolgte, gab er dem Gendarm eine Ohrfeige. Der Gendarm stand auf und ging in's Nebenzimmer. Inzwischen hing der Förster sein Gewehr um und setzte sich wieder an den Tisch. Der Gendarm kam zurück. Vermittelungsversuche der übrigen Anwesenden wurden von beiden Theilen abgewiesen. Der Förster ging dann fort. Es heißt nun in dem Rundschreiben des Obersten   in Bezug auf diesen Vorfall wie folgt: Es ist schmachvoll für den Soldaten, wenn er einen solchen ihm angethanen Schimpf auf sich sißen läßt. Mochten die Folgen sein, welche sie wollten, X. durfte fich unter feinen Umständen eine derartige schmähliche Behandlung ge= fallen lassen, sondern mußte sie auf der Stelle und zwar mit der Waffe erwidern. Wenn er in dem Wortgefecht zwischen B. und thm in seinen Ausdrücken grob, beleidigend wurde, so mußte er sich auch auf die Folgen gefaßt machen und mußie männlich dafür einstehen. Zur Beurtheilung dieses schlaffen und weibischen Benehmens ist es ganz gleichgiltig, ob B. überhaupt den ganzen Stan­dal durch sein ungehöriges Bekriiteln und tattloses Benehmen her= vorgerufen hatte." C#

Gewiß könnte es das, und wird es hoffentlich auch, ob es aber etwas nützen wird, ist eine andre Frage. In diesem Punkte wie in vielen andern haben alle Resolutionen des Reichstags, selbst wenn der Kartell- Neichstag fich zu solchen aufschwingen sollte nur den Werth schäzbaren Materials für den Papierkorb des Reichskanzlers. Indeß was werden wird oder nicht, ist für unsere Betrachtung neben­fächlich, hier handelt es sich darum, festzustellen, was geschieht. Und wer nicht nur in, sondern auch zwischen den Zeisen zu lesen versteht, dem sagt die Notiz der Germania" genug. Der Offiziöse eines preußischen Finanzministers erhält wichtige Nachrichten früher als die Körperschaften, für die sie bestimmt sind, und verkauft sie für schweres Geld vor der offiziellen Publikation an große Bankhäuser. Es gilt natürlich auch für alle Alarm und Befch wichtigungs= Artikel, die dem Herrn Schweinburg aus dem Ministerium zu­gehen oder die er sonst zu publiziren für gnt befindet. Was das aber für diese Abonnenten heißt, liegt auf der Hand. Eine Nachricht eine Stunde früher haben, als sie in den Blättern erscheint, heißt so und so viel Tausende von Mark in der Tasche haben, und derjenige Banfier, an den die Notizen des Herrn Schweinburg dies der Name des Offiziösen zuerst gelangen, kann dem Herrn dreift das zehnfache, das hundertfa che des obigen Abonnementspreises zahlen, er kommt dabei immer noch brillant auf die Kosten. Das weiß natürlich Nie­mand besser als sein hoher Gönner, der Herr von Scholz, aber er findet keinen Anlaß, ihm das Handwerk zu legen. Warum nicht? Nun, das ist sein Geheimniß, die Welt aber weiß, daß die Verbindung ber Politik mit Börsenspekulationen, diese ärgste aller Korrup- fleine Quantität Dynamit gefunden, zu zwölf Jahren Zuchthans tionen, in Deutschland   ein Ding der Unmöglichkeit ist. Und wer's nicht glaubt, zahlt 600 Mark an Herrn Schweinburg.

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In Leipzig  , so schreibt man uns unterm 14. ds. Mts., findet morgen wieder ein großer Sozialistenprozeß statt. Die Richter haben sich schon in die richtige Stimmung bersetzt, das Messer des Häntschel ist geweßt und die Abschlachtung in Form Rechtens kann vor sich gehen. Und die Opfer? Was haben sie gethan? Es

Wirths­alte Geſchichte. Zehn oder elf Genossen wurden Abends ihan? as ist die Kaiser Haus gefunden zwei Tage später sollte der jüngste deutsche Statfer nach Leipzig   kommen, um der Einweihung des neuen Zentralschlachthofs für Recht und Gerechtigkeit, vulgo Reichsgericht, die nöthige Feierlichkeit zu verleihen, und da mußte die Leipziger   Polizei doch beweisen, daß auch sie es versteht, den Staat und die Gesellschaft: den Kaiser felbst zu retten. Die zehn oder elf Sozialdemokraten wurden verhaftet, zwei andere, um das Dußend vollzumachen, wurden noch aufgegriffen, und den folgenden Tag schlüpften geheimnißvolle Notizen in die Presse, andeutend, daß der Leipziger   Polizei irgend eine große Entdeckung ge­lungen, und daß das Vaterland vor einer großen Gefahr bewahrt wor=

Seitdem find 7 Wochen verstrichen, und morgen kommen nun die Fäden, welche im Geheimen gesponnen worden, an das Licht der Son­nen". Oder auch nicht, denn die Oeffentlichkeit wird wahrscheinlich ausgeschlossen, weil die Sonne nicht sehen darf, daß die fein gesponnenen Fäden einfach aus Luft gesponnen sind.

Verdonnert wird aber das steht mit mathematischer Sicher­heit fest. Die Leipziger   Richter, einst stolz auf ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, sind jetzt stolz auf das Gegentheil. Sie haben den Geist der Zeit begriffen; sie sind von der Weisheit durchbrungen, daß Parteilichkeit die wahre Unparteilichkeit ist, und daß der reichstreue

Also entweder zur Flinte greifen, die schießt, oder zum Säbel, der haut. Das Mittel ist probat. Was aber vom Volk in Waffen" n gilt, muß das nicht auch von: Volke gelten, das in Waffen aufgewachsen? Gewiß. Was für einen Soldaten schmachvoll, kann für einen rechten Deutschen  , auch wenn er des Königs Rock" ausgezogen, nicht ehren­voll sein. Darum: Es leben alle Messerhelden, alle, die da hauen, stechen, schießen. Und wer's nicht thut, muß in's Loch.

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In Chicago   ist der Anarchist Shift Hronet, bei dem man eine verurtheilt worden. Nach der Behauptung des Staatszeugen Chle­boun sollte nämlich Hronek die Absicht gehabt haben, mittels dieses Dynamits den aus dem großen Anarchistenprozeß bekannten Richter Gary umzubringen. Obwohl sich nun bei den Verhandlungen her­ausstellte, daß dieser Chleboun ein ganz verlogener Bursche ist, der bei der Affäre als Agent provokateur gehandelt, schenkte die Jury doch seinen Angaben Glauben oder that fie so, als ob sie ihm Glauben Zu diesem echten Klassen- Urtheil bemerkt die New Yorker Volks­schente, um an dem unglücklichen Hronek ein Erempel zu statuiren". Zeitung" odg Gäbe es hierzulande eine Rechtswissenschaft, gäbe es Juristen, die noch mit einem Funken Scham- und Standes- Ehrgefühl behaftet wären, so hätte vom rein juristischen Standpunkte ein solches Urtheil a Ilge= meine Entrü ft uitg erwecken sollen. Nach allgemein menschlichen, von der Gesetzgebung aller zivilisirten Länder afzeptirten Rechtsbegriffen fann nämlich ein Mensch erst dann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn er entweder eine strafbare Handlung begangen oder wenig stens irgend welche vorbereitende Schritte dazu gethan. Nun lag aber gegen Hronet, selbst wenn man alle gegen ihn vorgebrachten " Beweise" gelten lassen will, absolut nichts Anderes vor, als die Aus­fagen des von Bonfield offenbar gekauften Denunzianten Chleboun, wel­cher behauptete, Hronet hätte die Absicht ausgesprochen, das in sei­nem Besize befindliche Dynamit zu einem Attentat auf Gary, Bon­field 2c. zu benüßen. Für eine Absicht- zwölf Jahre Zucht­haus. Bald werden wir in diesem freien Lande so weit sein, wie es im Mittelalter die heilige Inquisition war, nach deren Richterspruch ein Mann lebendig verbrannt wurde, weil er gebeichtet hatte, er habe ge= träumt, daß er den Papst umbringen wollte. Ein Ungeheuer, das Sol­ches träumen fönne, bebuzirte der Richter, set auch im wachen Zustande gefährlich und deshalb sei es weit sicherer, ihn aus dem Weg zu räu­

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