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Der Sozialdemokrat

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Organ der Sozialdemokratie deutscher Zunge

Briefe an die Redaktion und Erpedition des in Deutschland und Desterreich verbotenen Sozialdemokrat wolle man unter Beobachtung äußerßer Borsicht abgehen lassen. In der Regel schide man uns die Briefe nicht direkt, sondern an die bekannten Dedadressen. Ju zweifelhaften Fällen eingeschrieben.

Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten und Gemaßregelten nicht!

Verdiente Züchtigung.

Unter dem Titel: Die Dynastie Bismarck " veröffentlicht die Contemporary Neview"( Zeitgenössische Rundschau), eine der angesehen­jten englischen Zeitungen, in ihrer Februar- Nummer einen Artikel, der ein wuchtiger Schlag ist aus den Reihen Derer, die hinter die Koulissen schauen, gegen den allmächtigen Kanzler des deutschen Reiches und seinen hoffnungsvollen Sprößling. Höher hinauf wollte der ano­nyme Berfasser augenscheinlich nicht gern schlagen, aber um die Macht­stellung, welche die Dynastie Bismarck unter dem zweiten Wilhelm ein­nimmt, zu erflären, mußte er auch auf dessen Gesinnung und Charakter einige Streiflichter werfen, von denen mit Fug und Recht gejagt wer­5169 den kann: sie genügen.

Im Wesen der Sache freilich sagt der Artikel Keinem, der den Vor­gängen am preußischen Hofe in der letzten Zeit aufmerksam gefolgt ist, etwas Neues. Daß Herbert Bismarck seinem Vater im gleichen Maße an Befähigung nachsteht, wie er ihn an Rohheit der Gesinnung und Brutalität im Gebahren übertrifft- man bedenke, was das heißt pfeifen in Deutschland die Spaßen von den Dächern; daß Wilhelm II. mit Herbert Bismarck zur Zeit ein Herz und eine Seele" ist, hört die Reptilienpreise nicht auf, uns zu erzählen und durch Thatsachen zu belegen, und die Affenliebe Bismarcks für seinen ältesten Sproß gibt sich in umzähligen, mündlich und schriftlich erfolgten Reklamebemerkungen des Vaters über den Sohn kund. 3. B.:,,Herbert ist der Gröbste von uns" foll heißen, er ist der Schneidigste". Wenn ich soviel gearbeitet hätte, wie Herbert, so wäre vielleicht etwas Rechtes aus mir geworden." Wäre die Bescheidenheit, die aus diesen Worten spricht, nicht gar so greifend, man fönnte beinahe über die Vaterlicbe, die solcher Leistungen fähig ist, Thränen vergießen: Jedenfalls fühlt der Hörer oder Leser die Absicht und ist nicht verstimmt.

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Der Schluß des Artikels der Contemporary Review" verläuft in einer feineswegs sehr geschickten Verherrlichung der Mutter des jetzigen deutschen Kaisers. In dieser Hinsicht läßt der Artikel vermuthen, daß sein Verfasser kein Politiker ist. Indeß wir haben hier nicht mit ihm zu polemisiren das können wir den Bismarc'schen Reptilien über­Lassen vielmehr wollen wir aus dem thatsächlichen Material, das er zur Kennzeichnung der heutigen Machthaber in Deutschland bietet, das Wichtigste auszugsweise unsern Lesern zur Kenntniß bringen, da die deutsche Presse aus bekannten Gründen diesmal stumm ist wie das Grab".

Ein bezeichnender Ausruf.

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,, Jeßt werden sich die Unterröcke nicht mehr in unsere Politik ein­mischen!" Das abgesehen davon, daß das Wort Unterröcke" für ein anderes gesetzt ist, das zu gemein ist, um es wiederzugeben war der charakteristische Ausruf, der sich, als Kaiser Friedrich starb, den entzückten Lippen des Grafen Herbert Bismarck entrang. Die Be­merkung war ebenso bezeichnend als charakteristisch. In der Form wie im Inhalt gab sie getreulich der barbarischen Verachtung der Frau Ausdruck, welche einen der dunkelsten Schatten bildet, die die ger= manische Nasse dem Blut- und Eisen- Regiment verdankt." er

Damit beginnt der Artikel und führt sofort einen treffenden Hieb gegen die fich ihres Germanenthums rühmenden Rauf und Saufbolde Bismardischen Stalibers oder Bismarckischer Schule durch den Hinweis, daß grade bei den alten Germanen die Frau eine außerordentlich ein­flußreiche und geachtete Stellung einnahm.

Des Stückes ,, Helden".

Zur Sache selbst übergehend, heißt es dann:

Graf Herbert Bismard, der Mittelpunkt der Handlung des jetzt Szene für Szene durch das unbarmherzige Schicksal zu Ende gespielten Stückes, ist der Sohn seines Vaters. Dies ist sein einziges Verdienst, denn sein Vater hat das Glück, Hausmeier des neuen deutschen Reiches zu sein und Graf Herbert ist sein Erbe. Der Wunsch, Graf Herbert die Erbfolge der Kanzlerschaft zu sichern, ist der Schlüssel zur Politik des Fürsten Bismarck, ohne den dieselbe als ein unerklärliches Ge­wirre von Brutalitäten und selbst Banalitäten erschiene. Bis vor wenigen Jahren war es der Stolz und der Ehrgeiz des Fürsten Bis­marck, sein hohes Amt einzig im Interesse seines Königs und Herrn zu führen.( Red.) Er war nur der erste Diener der Hohenzollern und verurtheilte schonungslos alle Minifterverantwortlichkeits- Theorien, die auf die Herausbildung eines konstitutionellen Hausmeierthum" hinauslaufen würden, das noch mächtiger wäre, als das zur Zeit der schattenhaften karolingischen Könige".... Aber das Bild sollte sich bald ändern.

,, Das vorgerückte Alter Kaiser Wilhelms, und die theilweise Abdankung des alten Kaisers nach dem Nobiling= Attentat erhöhten die Macht des Reichskanzlers in ungeheuerem Maße. Aus dem Großvezier eines schwer zu behandelnden Sultans wurde er im vollsten Sinne des Wortes der Hausmeier. Wenn ihm kein Ausspruch zugeschrieben wird, der dem famosen Der Staat bin Ich" des französischen Monarchen entspricht, so einfach deshalb, weil er es nicht zu sagen brauchte. Er handelte in diesem Sinne. Er schloß und löste Bündnisse. Er erklärte dem Papst den Krieg, und er setzte die Kapitulationsbedingungen auf, auf Grund deren er Frieden schloß. In der innern wie in der äußeren Politik bestimmte der Wille Bismarcks. Wenn der alte Kaiser in einigen unbedeutenden Nebensachen peinlichste Berücksichtigung seiner Wünsche durchsetzte, so ließen diese Ausnahmen die enorme Regierungsdomäne, über die Bismarck als Erster herrschte, um so deutlicher in ihrer Ausdehnung erkennen. Die Hohenzollern durften den Hausgarten verwalten, Bismarck aber war als Oberver­walter Herrscher über das ganze Gut."

Das hatte aber seine Stehrseiten.

Bismarcks Ahnungen.

First Bismarck, obwohl der Höchststehende in Deutschland , ist nicht unsterblich. Er altert, und er altert schnell. Er ist am 1. April 1815 geboren und daher in seinem 74. Jahre. Wie manche Leute von ener­gischem Charakter glaubt er das Privileg zu besigen, das Datum feines Todes zu wissen. Er ist überzeugt, daß er nicht vor 1890 sterben wird. Er wird 1894 nicht überleben. Wie lächerlich man auch die Ansicht finden mag, daß selbst ein Reichskanzler sein Horoskop mit solcher Sicher­heit zu stellen vermag, daß er das ungefähre Datum seines Todes in solcher Weise ansetzt, die Thatsache ist unbestreitbar, daß Fürst Bismarck diesen Glauben hat und darnach handelt. Das Leben ist für ihn kein unbegrenztes Gut, das bis in eine entfernte Zukunft dauert. Er wird vor Ablauf 1894 ein für allemal damit abgeschlossen haben. Diese zwei Faktoren gegeben erstens, der Besitz absoluter Macht, und zweitens, das Bewußtsein, daß er sie in spätestens fünf Jahren ab­

Hören wir also:

Erscheint wöchentlich einmat

Ma London .

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Berlag der

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Poksendungen

franto gegen franto. Gewöhnliche Briefe

Bach England toßten Doppelporto.

10. Februar 1889.

Durch den Haß verblendete Gegner Klagen Fürst Bismarck an, er habe absichtlich Kaiser Friedrich in den Tod getrieben, um sein Ziel zu erreichen. Sie behaupten, daß, als der Reichskanzler Friedrich III. mitten im Winter von San Remo nach Berlin kommen ließ, er darauf rechnete, daß die unvermeidlichen Zufälle während der Reise den Lauf der Krankheit beschleunigen würden. Denn so fragen Diejenigen, die den Kanzler jeden Verbrechens für fähig halten, das seine Sache fördert welchen vernünftigen Grund sonst konnte Fürst Bismarck haben, wenn er erklärte, er könne nicht für die Folgen aufkommen, wenn Friedrich mitten im strengsten Winter über die Alpen komme? Von zwei Dingen Eines: entweder der Kaiser lehnte ab, in welchem Falle die Fürsten vielleicht eine Regentschaft proklamirt hätten, oder er ging was auch erfolgte nach Berlin , in welchem Falle er unterwegs sterben konnte. Jeder der beiden Fälle hätte dem Reichskanzler gepaßt. Wie wir wissen, passirte keiner beiden. Der die Reise

geben muß war es unvermeidlich, daß er sich nach einem Nachfolger besser, flag, ball erwartet hatte, und 3 i8 m ard ging, als er ihn

umschauen mußte..."

Wer soll das Reich erben?

Es wird nun darauf hingewiesen, wie Bismarck im Laufe der Jahre Alles gethan, feine Stellung so zu gestalten, daß er keinen Nachfolger zu fürchten habe, daß seine Stelle für einen simpeln Sterblichen, der nicht den Ruf des unübertrefflichen Staatsmannes genießt, des Guten zu viel biete. Wenn im Bienenstock die Königin stirbt, so wird aus einer der vorhandenen Larven, aus der sonst eine gewöhnliche Arbeits­biene ausgekrochen wäre, schnell eine andere Königin auferzogen, aber ,, die Kunst, aus einem Beamten einem Staatsmann zu machen ist, noch nicht in ein System gebracht."

Fürst Bismarck entfernte sich indeß in der Suche nach einem Nach­folger nicht über die Schwelle des eignen Hauses. Wahrscheinlich war es nicht sein bewußter Vorsaz, eine Dynastie zu gründen. Viele unsrer wichtigsten Handlungen geschehen unbewußt. Bewußt oder unbewußt, Fürst Bismarck folgte dem Beispiel aller Dynastiegründer seit Menschen­gedenken. Er wählte zum Erben seinen ältesten Sohn; und sein Stre ben, Graf Herbert die Nachfolge im Kanzleramt zu sichern, ist der geheime Schlüssel zum Verständniß der jüngsten Vor­gänge, die Europa in Entrüstung versezt. Es ist ein neuer Erb­folgekrieg, der unter dem dünnen Schleier konstitutioneller und gefeßlicher Formen geführt wird, ein Bismarckischer Krieg zum Zweck der Begründung einer Bismarck- Dynastie, in der Otto der Erste zum Nachfolger hat seinen Sohn Bismarck den Zweiten."

Herbertchen.

Bevor Graf Herbert zur Heranbildung auserkoren ward, galt er als ein ziemlich übelberüchtigter Vertreter seiner Familie. In seinen Jünglingsfahren war er in Bonn wegen einer Frau in eine Standal­Affäre verwickelt worden, aus der er sich mit dem Degen hatte heraus­hauen müssen, bei welcher Gelegenheit er in dem Duell, das zum Glück für keinen der beiden Theilnehmer fatal ausging, als Andenken einen Hieb über den Kopf erhielt. In jenem Stavallerie Gefecht, von dem die Kölnische Zeitung " behauptet, daß es dem nichteristirenden Telegramm zuzuschreiben ist, das von Sir Morier auf Umwegen an Bazaine ge­langt sei, erhielt er eine Wunde in den Schenkel.... Nach dem Kriege that er nichts, von sich reden zu machen, bis er in einer großen Stan­dalaffäre eine Rolle spielte, die seine Meinung von den Frauen noch verstärkte.( Die Karolath- Geschichte ist gemeint. Ned. d. Soz.) Die Frau ist in den Augen des Barbaren ein Mittelding zwischen einer Milchkuh und einer Haussklavin. So niedrig dieses Ideal sein mag, so ist es doch noch höher als das, wo sie mur als Mittel gilt, die Wollust des Ghebrechers zu befriedigen."

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Nach diesem Seitensprung mußte sich Graf Herbert an die Arbeit machen, und entwickelte in ein oder zwei Jahren eine große Befähigung für den höheren Staatsdienst.( Folgt eine kurze Stizze von Herberts großer diplomatischer Laufbahn, bis er es 1887 zum wirklichen Staats­minister brachte.) Seine Bedeutung leitete sich indeß einzig von seinem intimen Verhältniß zu seinem Vater her. Außer dem Hausmeier und seinem Erben zählte Niemand auch nur das Geringste in Berlin , und der Erbe zählte nur, weil er gleichzeitig seines Vaters Mädchen für Alles( factotum) war."

Der Störenfriedrich und Bismarck's Verlegenheit.

In dieses Idyll schlug im Frühjahre 1888 der plößliche Tod des alten Wilhelm wie ein Blitz aus heitrem Himmel ein, und es begann die Dreimonatsherrschaft des sterbenden Friedrich III., die jetzt ein so lautes und unwürdiges Nachspiel hat in der Aechtung der Freunde desselben und in der Verfolgung Aller, die in Wort und That dem dritten Friedrich gegen den zweiten Bismarck beigeftanden."

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Als der alte Kaiser starb, erfüllten einen Augenblick peinlicher Zwei­fel und Unentschlossenheit des Hausmeiers Gemüth. Was war zu thun? Wie lange würde Staiser Friedrich leben? War überhaupt ein Kaiser Friedrich nöthig? Bom Standpunkt der Dynastie Bismarck erschien es ficher wünschenswerth, daß die Erbfolge direkt vom Großvater auf den Enkel überging, denn der junge Mann war in der Bismarckischen Tra­dition aufgewachsen. Er war ein Produkt der Blut- und Eisen- Epoche. Mit ihm hatte, wenn er nicht schnöde hintergangen war, der allmäch tige Reichskanzler verschiedene wichtige und bindende Abschlüsse gemacht nach dem Prinzip bon do ut des ( Eine Hand wäscht die andre.*) Der Vater dagegen war kein Bismarckanbeter. Er nahm sich unter den preußischen Junkern aus wie ein fultivirter Athener unter kriegliebenden Spartanern. Von allen Unterthanen des alten Kaisers empfanden wahrscheinlich der Kron­prinz und die Kronprinzessin vor der brutalen Rohheit des Grafen Herbert den größten Widerwillen. Man kann sich leicht vorstellen, wie start die Versuchung war, die der Gedanke an den Krebs nahe legte, der an der Kehle des Kranken von St. Nemo fraß."

Ein Uriastelegramm.

Wenn Bismarck verhinderte, daß Friedrich den Thron bestieg, schlug er somit zwet Fliegen mit einer Klappe. Er sezte einen unangenehmen Gegner matt und verpflichtete sich einen ohnehin gewonnenen Freund. Wie löste der Kanzler das Dilemma? Der Verfasser äußert sich nur negativ. Er gibt eine gegen Bismarck erhobene Anklage wieder, aber er macht sie nicht zu seiner eigenen, bezeichnet sie vielmehr als ein Produkt wahnsinnigen Hasses. Aber er thut nichts, fie zu wider­legen, sondern gibt sich auf zwei Seiten alle Mühe, Entschuldigungs­gründe für den Eisernen aufzusuchen, wenn er so gehandelt, wie die Anklage von ihm behauptet. Oder vielmehr, er sucht die behauptete böse Absicht zu motiviren, die That selbst bestreitet er nicht, sondern bestätigt sie ausdrücklich.

*) Wörtlich: Ich gebe, damit du gibft.

sah, soweit, zu erklären, daß gar kein Grund vorgelegen habe, die Reise nach dem Norden zu unternehmen. So leicht ist es für Staats­männer, sich nach den Ereignissen, wenn ihre Pläne mißlungen, einzu­bilden, daß sie vollständig misverstanden worden."

Es folgt nun die Vertheidigung" des Kanzlers gegen den Verdacht, der zu ungeheuerlich ist, um von Jemand anders geglaubt zu werden als von Denen, die an dem Schmerz der Bismarck 'schen Hiebe franken."

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Hierüber kein Wort mehr. Halten wir uns an das positiv Ge­sagte, daß Friedrich III. nicht aus freiem Willen sofort aus San Remo nach Berlin fuhr, sondern erst nachdem Bismarck telegraphirt, daß Er der Kanzler- für nichts stehe, wenn er nicht fom me. Das genügt, alles Andere ist Nebensache. Unternahm Friedrich III. aus eigenem Antrieb die Reise, so ist darüber nichts zu sagen, er hatte die Folgen selbst zu tragen. Wenn aber ein Anderer einen Schwer­franken zu einer solchen Reise zwingt, dann weiß Jeder, was er von dessen Interesse für denselben zu halten hat.

Bismarck's Alpdrücken.

Den Einfluß der Kaiserin Viktoria hatte er stets als seinen speziellen Plänen feindlich betrachtet. Dieser Einfluß war uun maßgebend, und Niemand vermochte zu sagen, wie lange er dauern konnte. Daß eine Frau, und diese Frau eine Engländerin, und diese Engländerin liberal und von fortschrittlichen Ideen erfüllt, thatsächlich den Kaiser voit Deutschland in ihre Hand bekommen, den Herrscher des Herrschers über Deutschland kontroliren sollte, genügte allein, dem Kanzler Alpdrücken zu verursachen. Aber was konnte er thun? Seine Dynastie saß noch nicht fest genug, um an die gewaltsame Abseßung Friedrich's III. den: fen zu können. lad doch mußte, wenn der Kaiser nicht bald starb, jede Hoffnung schwinden, Herbert die Nachfolge zu sichern. Darüber erhielt er sehr bald durch ein praktisches Experiment Klarheit. Er sandte wiederholt seinen Sohn und dereinstigen Erben in Geschäfts= fachen zum Kaiser, um erfahren zu müssen, daß Friedrich III. sich weigerte, mit Jemand anders als dem Kanzler selbst zu verhandeln. Fuhr der Kaiser fort zu leben, so war daher der Traum des alten Sanzlers durchfreuzt."

Bald sollte aber eine noch schlimmere Furcht des Kanzlers Gemüth plagen. Wie, wenn Friedrich eines Tages auch auf seine Mitwirkung verzichten würde? Bei den großen prinzipiellen Meinungsverschieden­heiten zwischen Beiden mußte es sehr bald zum Krach kommen. Kein Wunder daher, wenn der Reichsgewaltige inbrünstig wünschte, der Krebs möge sich beeilen. Sehr gut heißt es im Artikel:

" Daß solche schlimme Gedanken in den verborgensten Winkeln bes Gehirns des großen Preußen sich einnisten konnten, ist sicher. Fürst Bismarck ist ein Mann, dessen Gemüth und Alles, was es erfüllt, be­ständig, gleich einem auf die Glasscheibe einer Laterna magica gemalten Bilde, auf einer riesigen, über ganz Deutschland sichtbaren Wand aus weißem Papier fich vergrößert wiederspiegelt. Wie eine Verbindung bon Mikroskop und Laterna magica thren Handhaber in Stand setzt, das große Publikum dadurch in Grauen zu versezen, daß er auf die weiße Wand alle die Thierchen erscheinen läßt, die in jedem Tropfen Trink­wasser kribbeln und wibbeln, so läßt uns die offiziöse und offizielle Presse Deutschlands alle die Steime und Sporen und unsauberen Dinge sehen, die in den niederen Regionen des Bismarck 'schen Hirns nisten oder zu nisten scheinen. Die Steptilienpreise ist des Kanzlers Laterna magica, bei der die auf einander folgenden Gedanken die Glas­scheibe bilden und durch die Linsen vergrößert werden. Diese Blätter machten während der ganzen Dauer der Herrschaft Kaiser Friedrich's feinen Hehl aus ihrer erbitterten Feindschaft."

Hageldicht regnete es Verleumdungen über den todtkranken Kaiser und insbesondere dessen Frau,

Wenn es denn sein muß, Herr, so nimm' dies Opfer. Friedrich III. fühlte sein Ende nahen und wollte wenigstens einen unzweideutigen Beweis der liberalen und fortschrittlichen Politik" geben, der er von Jugend auf zuneigte", und beschloß daher, den pfäffisch gesinnten Wahlforruptions- Minister zu verabschieden.

Bismarck war in einer großen Verlegenheit. Putty hatte ihm große Dienste geleistet, die schmutzigste Arbeit, zu der sich sonst Niemand fand, mit Vergnügen verrichtet, sollte er ihn feßt ruhig fallen lassen? Oder sollte er erklären: Mit diesem, meinem getreuen Senappen, stehe oder falle ich! Auf ein paar Wochen wäre es nicht angekommen, aber wenn Friedrich noch Monate, vielleicht ein Jahr lebte Buttfamer's Ent­lassung war ein populärer Schritt. Und der eiserne" Stanzler wurde plößlich unentschlossen wie ein junges Mädchen.*)

Das deutsche Publikum wird wahrscheinlich sehr überrascht sein, wenn es vernimmt, daß Bismarck so unsicher darüber war, was zu thun, daß einen Tag, bevor der Kaiser das Entlassungs­dekret unterzeichnete, der Kanzler ihm dazu rieth, aber den Tag, nach dem es erschienen war, von seiner Ansicht zurück fam und erklärte, der Kaiser sei zu weit gegangen. Wenn irgend Jemand an hoher Stelle dies zu leugnen wagt, so ist es sehr ein­fach, die Richtigkeit dieser Behauptung zu prüfen. Kaiser Friedrich hörte erst wenige Tage vor seinem Tode mit seinem Tagebuch auf. In dieses Tagebuch schrieb er alle wichtigen Ereignisse seines Lebens nieder. Wenn die Einträge vor und nach der Entlassung Buttkamer's geprüft werden, so werden sie voll und ganz bestä= tigen, was hier über Bismarck's Schwanken und Unentschlossenheit gesagt wird."

Je mun, wenn Simon mit dem Beinamen der Felsenfeste ( Petrus ) seinen Herrn dreimal verleugnete, bevor der Hahn zweimal gefräht, warum sollte der Kanzler sich um Putty's willen eisern

*) Das wichtigste Argument vergißt der Verfasser. Abtreten hieß den Reptilienfond aus der Hand geben. Nur einige Monate ohne diesen Segen, und was mußte aus Deutschland werden? Und dann, die fatale Abrechnung?