der Individuen in der Geschichte leugnen zu wollen. Und wenn wir zur Abhandlung selbst übergehen, so stoßen wir schon auf der ersten Seite auf den jede schablonenhafte Behandlung zurückweisenden Satz: Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern * unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen."

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Und nun wird in wahrhaft klassischer Darstellung Epoche für Epoche der auf die Februarrevolution folgenden Ereignisse analysirt, nachgewiesen, wie w.ber se lassenkampf in Frankreich   Umstände und Ver­hältnisse schuf, welche einer mittelmäßigen und grotesken Personage das Spiel der Heldenrolle ermöglichen."

Eine ganze neue Welt entrollt sich dem Leser, er sieht die Intriguen der. Parteien, er sieht die Fehler, die Schwäche, die Verräthereien der agirenden Personen, er sicht aber auch die Fehler, die Schwäche, die Berräthereien der hinter denselben stehenden Klassen. Man sieht, wie die Verhältnisse dem Staatsstreichhelden in die Hände gearbeitet, man fieht aber auch, wie der Staatsstreichheld und seine Mit- Verschworenen als abenteuerliche Komödianten ihr Gaufelspiel den Verhältnissen an­paßten. Und mit solcher Meisterhand", schreibt Fr. Engels in seinem Vorwort zur dritten Auflage des Buches, war das Bild gezeichnet, das jede neue inzwischen erfolgte Enthüllung nur neue Beweise dafür geliefert hat, wie treu es die Wirklichkeit wiederspiegelt." Dieses beispielloſe Durchschauen der lebendigen Tagesbegebenheiten, im Moment, wo sie sich ereignen, war aber nur möglich, weil das von Marg entdeckte Bewegungs­

geſetz der Geschichte ihm den Schlüſſel aum Berſtändniß be

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bot. nur

Mit einem Wort, wir lernen in Achtzehnten Brumaire" an der Hand der Mary'schen Geschichtsauffassung die Ereignisse, von denen das Buch handelt, begreifen, sondern wir lernen auch durch die wahrhaft klassische Darstellung und Stritit der Ereignisse die Mary'sche Gefchichtsauffassung richtig verstehen. Es ist ein Lehrbuch der Ge­schichte, wie unsere Literatur fein zweites bejizt.

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*

Neben seinem allgemeinen, hat der achtzehnte Brumaire" im gegen­wärtigen Moment aber auch ein besonderes Tages- Interesse. Wieder sehen wir in Frankreich   eine Bewegung sich entwickeln, die alle Eigen­schaften einer Staatsstreichbewegung aufweist. Auf der einen Seite steriles Parteigezänke im Parlament, auf der andern einen abenteuerlich­grotesken Dentagogen voller Widersprüche, aber unablässig auf das eine Biel lossteuernd, die höchste Gewalt im Staat zu erobern. Gestern noch eine Null, wird er plößlich durch die Macht der Verhältnisse eine seinen Widersachern gefährliche Größe. Er fann straflos die größten Unge­schicklichkeiten begehen. Was unter andern Verhältnissen ihn, un= möglich", zum Gegenstand des allgemeinen Hohnes gemacht hätte, geht vorüber, ohne seinen Einfluß im geringsten zu mindern, alle Fehler feiner Widersacher kommen ihm dagegen doppelt und dreifach zu Gute. Die heterogensten Elemente schaaren sich um ihn alle mit dem Hindergedanken, ihn auszunuzen, alle mit der Wirkung, von ihm aus­genutzt zu werden. Er verspricht allen zu geben, was sie mur wollen, muß also nothwendigerweise die Meisten betrügen, aber das macht nichts, jeder denkt: nicht ich, die Andern werden die Betrogenen sein. So wächst sein Anhang mit jedem Tage, immer neue Kategorien werden von seinen Agenten in das Heer der Nationalpartei" angeworben. Die Verhältnisse sind nicht vollständig die gleichen, aber auf Schritt und Tritt springen die Analogien in die Augen.

Wer den Boulangismus verstehen will, der kann nichts Besseres thun, als den Achtzehnten Brumaire" lesen. Wo wir das Buch nur auf­schlagen, stoßen wir auf Säße, die sich lesen, als seien sie erst gestern, mit spezieller Beziehung auf den Kampf der parlamentarischen Bourgeois­Parteien Fraufreichs mit dem außerparlamentarischen Netter des Bater landes" gefchrieben worden.

Man höre z. B. folgende Schilderung des Helden selbst und seiner Trabanten:

" In einem Augenblick, wo die Bourgoisie selbst die voll= ständigste Komödie spielte, aber in der ernsthaftesten Weise von der Welt, ohne irgend eine der pedantischen Bedingungen der fran­zösischen dramatischen Etikette zu verlegen, und selbst halb geprellt, halb überzeugt von der Feierlichkeit ihrer eignen Haupt- und Staatsaktionen, mußte der Abenteurer siegen, der die Komödie platt als Komödie nahm. Erst wenn er seinen feierlichen Gegner beseitigt hat, wenn er nun selbst seine kaiserliche Rolle im Ernste nimmt und mit der napoleonischen Maske den wirklichen Napoleon vorzustellen meint, wird er das Opfer seiner eignen Weltanschauung, der ernsthafte Hanswurst, der nicht mehr die Weltgeschichte als eine Komödie, son­dern seine Komödie als Weltgeschichte nimmt. Was für die sozialisti­ schen   Arbeiter die Nationalateliers, was für die Bourgeois- Republikaner bie Gardes mobiles, das war für Bonaparte die Gesellschaft vom 10. Dezember, die ihm eigenthümliche Parteistreitkraft. Auf seinen Reisen mußten die auf der Eisenbahn verpackten Abtheilungen derselben ihm ein Publikum improvifiren, den öffentlichen Enthusiasmus auf­führen, vive l'Empereur heulen, die Republikaner   insultiren und durch­prügeln, natürlich unter dem Schuße der Polizei. Auf seinen Rückfahr­ten nach Paris   mußten sie die Avantgarde bilden, Gegendemonstrationen zuvorkommen oder sie auseinanderjagen. Die Gesellschaft vom 10. De­zember gehörte ihm, sie war sein Wert, sein eigenster Gedanke. Was er sich sonst aneignet, gibt ihm die Macht der Verhältnisse anheim, was er sonst thut, thun die Verhältnisse für ihn oder begnügt er fich, von den Thaten Andrer zu fopiren; aber er, mit den offiziellen Redens­arten der Ordnung, der Religion, der Familie, des Eigenthums öffent­lich vor den Bürgern, hinter ihm die geheime Gesellschaft der Schuf­terles und der Spiegelbergs, die Gesellschaft der Unordnung, der Pro­stitution und des Diebstahls, das ist Bonaparte selbst als Original­Autor, und die Geschichte der Gesellschaft des 10. Dezember ist seine eigne Geschichte."

Oder an einer anderen Stelle:

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Wenn je ein Ereigniß lange vor seinem Eintritt seinen Schatten vor sich hergeworfen hat, so war es Bonaparte's Staatsstreich. Schon am 29. Januar 1849, kaum einen Monat nach seiner Wahl, hatte er den Vorschlag dazu dem Changarnier gemacht. Sein eigner Premier­minister Odilon Barrot   hatte im Sommer 1849 verhüllt, Thiers im Winter 1850 offen die Politik der Staatsstreiche denunzirt. Persigny  hatte im Mai 1851 Changarnier noch einmal für den Koup zu ge= ivinnen gesucht, der ,, Messager de l'Assemblée" hatte diese Unterhal­tung veröffentlicht. Die bonapartistischen Journale drohten bei jedem parlamentarischen Sturme mit einem Staatsstreich, und ie näher die Krise rückte, desto lauter wurde ihr Ton. In den Orgien, die Bona­parte jede Nacht mit männlichem und weiblichem swell mob) feierte, so oft die Mitternachtsstunde heranrückte und reichliche Libationen die Zunge gelöst und die Phantasie erhigt hatten, wurde der Staatsstreich für den folgenden Morgen beschlossen. Die Schwerter wurden gezogen, die Gläser flirrten, die Repräsentanten flogen zum Fenster hinaus, der Kaisermantel fiel auf die Schultern Bonaparte's, bis der nächste Morgen wieder den Sput vertrieb und das erstaunte Paris   von wenig ver­fchloffenen Vestalinnen und indiskreten Paladinen die Gefahr erfuhr, der es noch einmal entwischt war. In den Monaten September und Oftober überstürzten sich die Gerüchte von einem coup d'état   Der Schatten nahm zugleich Farbe an, wie ein buntes Daguerreotyp. Man schlage die Monatsgänge für September und Ottober in den Organen ber europäischen   Tagespresse nach und man wird wörtlich Andeutungen wie folgende finden: Staatsstreich- Gerüchte erfüllen Paris  . Die Haupt­stadt soll während der Nacht mit Truppen gefüllt werden und der andre Morgen Dekrete bringen, die die Nationalversammlung auflösen, bas Departement der Seine in Belagerungszustand versezen, das all­gemeine Wahlrecht wiederherstellen, an's Volt appelliren. Bonaparte soll Minister für die Ausführung dieser illegalen Dekrete suchen." Die Storrespondenzen, die diese Nachrichten bringen, enden stets verhängniß­voll mit aufgeschoben". Der Staatsstreich war stets die fire Idee Bonaparte's. Mit dieser Idee hatte er den französischen   Boden wieder betreten. Sie besaß ihn so sehr, daß er sie fortwährend ver= rieth und ausplauderte. Er war so schwach, daß er sie fortwährend wieder aufgab. Der Schatten des Staatsstreiches war den Parisern als Gespenst so familiär geworden, daß sie nicht an ihn glauben woll­ten, als er endlich in Fleisch und Blut erschien. Es war also weber die verschlossene Zurückhaltung der Chefs der Gesellschaft vom 10. De­zember, noch eine ungeahnte Ueberrumpelung von Seiten der National­rfammlung, was den Staatsstreich gelingen ließ. Wenn er gelang,

gelang er trotz seiner Indiskretion und mit ihrem Vorwissen, ein nothwendiges, unvermeidliches Resultat der hervorgegangenen Ent­wickelung."

Wird das Ende diesmal das Gleiche sein? Wird die Farce des 2. Dezember, diese Parodie anf den 18. Brumaire des Jahres VIII, sich in einer doppelten Parodie noch einmal wiederholen?

Wie die Dinge bis jetzt verlaufen, liegt es wenigstens nicht mehr außer dem Bereich der Möglichkeit. Die Arbeiterparteien sind gespalten, ein Theil hat sich von den Bourgeoisparteien in's Schlepptau nehmen laffen und macht alle Dummheiten und Infamien derselben mit, der andere ist durch Verfolgungen und Chikanen von Seiten eben dieser Bourgeoisparteien erbittert und verspürt geringe Luft, für die Erhaltung ihrer Herrschaft die Hand zu rühren. Und die Bourgeoisie selbst und ihre parlamentarischen Vertreter? Hören wir wieder Mary:

Wenn die parlamentarische Ordnungspartei, wie ich gezeigt habe, durch ihr Schreien nach Ruhe sich selbst zur Ruhe ver wies, wenn sie die politische Herrschaft der Bourgeoisie für unverträg= lich mit der Sicherheit und dem Bestand der Bourgeoisie erklärte, in­dem fie im Kampfe gegen die anderen Klassen der Gesellschaft alle Be dingungen ihres eignen Regimes, des parlamentarischen Regimes, mit eigner Hand vernichtete; so forderte dagegen die außerparlamen= tarische Masse der Bourgeoisie durch ihre Servilität gegen den Präsidenten, durch ihre Schmähungen gegen das Parlament, durch die brutale Mißhandiung der eignen Presse Bonaparte auf, ihren sprechenden und schreibenden Theil, ihre Politiker und ihre Literaten, ihre Rednertribüne und ihre Presse zu unterdrücken, zu vernichten, da=

der herrlichen und liebholden Phantasiegeburten von Gottvater, Gott­fohn und Gottheiligergeist, sammt all den schönen Siebensachen des Christifindchens, hart und schonungslos gegen meine bisweiligen Gefühle und traumseligen Gesinnungen verfahren zu sein, so habe ich damit ge­wiß und zwar nicht blos das Recht erworben, sondern auch die Pflicht erhalten, als Heilkundiger mit einzuschreiten, und auch den noch im Finstern wandelnden Mitmenschen in ihre bis zum Wohlbehagen ange= wöhnte Eiterbeule falschen Wahues bis auf das Blut zu stechen, um sie nach überstandenen Schmerzen das wahre Weltheil erkennen und genießen zu lassen. Ganz ähnlich sprach sich auch ein junger Freund in Deutsch­ land   über die Tendenz meiner Andachtsstunden aus, indem er mir unter Anderem Folgendes darüber schrieb:" Ich bin überzeugt, daß deine Psalmen, für unser Volk, das für Dicht- und Neimart eine gewisse Vorliebe hat, ein mächtiges Agitationsmittel abgeben für dein Streben: die Punkte des Zweifels und damit des Nachdenkens und des Suchens nach Wahrheit in das eingelullte Hirn zu werfen. Doch wirst du manche bittere Stunde bereiten und manchen harten Kampf in den Herzen ver­schulden.

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Aber um so besser!"

mit sie nun vertrauensvoll unter dem Schuße einer starken und unein- treie Peitsche der Satyre lieber in die Hallen der Wahrheit

geschränkten Regierung ihren Privatgeschäften nachgehen könne. Sie erklärte unzweideutig, daß sie ihre eigene politische Herr schaft loszuwerden schmachte, um die Mühen und Gefahren der Herrschaft loszuwerden.

Und sie, die sich schon gegen den blos parlamentarischen und literari­schen Kampf für die Herrschaft ihrer eigenen Klasse empört und die Führer dieses Kampfes verrathen hatte, sie wagt jest nachträglich das Proletariat anzuflagen, daß es nicht zum blutigen Kampfe, zum Kampfe auf Leben und Tod für sie aufgestanden sei! Sie, die jeden Augenblick ihr allgemeines Klasseninteresse, d. h. ihr politisches Interesse, dem bor­nirtesten, schmutzigsten Privatinteresse aufopferte und an ihre Vertreter die Zumuthung eines ähnlichen Opfers stellte, fie jammert jest, das Proletariat habe seinen materiellen Interessen ihre idealen politischen Interessen geopfert. Sie gebahrt sich als schöne Seele, die von dem burch Sozialisten irregeleiteten Proletariat verkannt und im entschei­denden Augenblicke verlassen worden. Und sie findet ein allgemeines Echo in der bürgerlichen Welt. Ich spreche natürlich hier nicht von deutschen Winkelpolitikern und Gesinnungslümmeln. Ich verweise z. B. auf denselben Economist  , der noch am 29. November 1851, also vier Tage vor dem Staatsstreich, Bonaparte für die Schildwache der Ord­nung", die Thiers und Berryer   aber für Anarchisten" erklärt hatte und schon am 27. Dezember 1851, nachdem Bonaparte jene Anarchisten zur Ruhe gebracht hat, über den Verrath schreit, den ignorante, un­erzogne, stupide Proletariermassen an dem Geschick, der Kenntniß, der Disziplin, dem geistigen Einfluß, den intellektuellen Hilfsquellen und dem moralischen Gewicht der mittleren und höheren Gesellschaftsränge" affe, war Nie­

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mand anders, als die Bourgeoismasse selbst."

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Oho," hören wir rufen, sind nicht die bürgerlichen Parteien par excellence, die Gemäßigten und die Opportunisten in den Kammern und im Senat heute die entschiedensten Gegner Boulangers?" sid Gemach; vorläufig ja. Denn Boulanger ist noch nicht Präsident und fie find ja die Parteien der Ordnung", der Erhaltung des Bestehen­den". So arbeiten sie vorläufig für Boulanger durch Vermehrung ihrer eigenen Unpopularität. Wenn aber Boulanger es Dank ihrer skandalösen Finanzwirthschaft, ihrer Rückwärtsrevisionen wieder zu einem Ministerium bringen follte, dann werden sie es gewiß nicht sein, die ihm den Weg Staatsstreich verlegen.

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Doch darüber ein andermal. Schließen wir heute lieber mit einem weiteren Ausspruch von Karl Marr über den Staatsstreich Napoleons  : Die französische   Bourgeoisie hatte längst das Dilemma Napoleons  gelöſt: ,, Dans cinquante ans l'Europe sera republicaine ou cosaque" Sie hatte es gelöst in der ,, Republique cosaque". Keine Circe hat das Kunstwerk der bürgerlichen Republik burch einen bösen Zauber in eine Ungestalt verzerrt. Jene Republik   hat nichts verloren als deu Schein der Respektabilität" faisio nobisdnsmall and

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Johann Philipp Becker.  and

Am 19. März hätte unser braver, stets jugendfrischer Water Becker das achtzigste Lebensjahr erreicht es hat nicht sei.. sollen. Der treue Vorfämpfer der Volksbefreiung, der so oft, wenn er um sein Befinden gefragt wurde, mit heiterer Selbstironie, hinter der sich jedoch ein heiliges Feuer der Ueberzeugung verbarg, geantwortet: Rin­der, ich will die kommende Revolution noch erleben", hat seine Kampf­genossen und Nacheiferer vor nun über zwei Jahren verlassen müssen. Heute werden ihm unsere Genfer   Freunde einen Denkstein sezen, ein äußeres Zeichen der Hochachtung und Liebe, deren sich der Alte von ver= Frankenthal bei den Genossen weit und breit erfreute. Nur eine v hältnißmäßig fleine Schaar seiner Freunde ist es, die der Enthüllungs­feier wird beiwohnen können, aber mit ihnen werden im Geiste an alle, die Vater seinem Grabe stehen Tausende und Abertausende Becker fennen gelernt sei es in seiner eignen, gewinnenden Persön= lichkeit, sei es durch seine Schriften.

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of Und aus seinen Schriften wollen wir auch heute ihn zu den Freun ben, den Jüngeren reden lassen sie sprechen besser für ihn, zei­gen flarer, was er war, als es Freundesmund könnte. Denn wie man auch vom Standpunkt der wissenschaftlichen Stritit über J. Ph. Beckers Schriften urtheilen möge, Eines ist ihnen unbestreitbar eigen: sie sind wahr. Was der Alte dachte, das schrieb er, was er geschrieben, das hat er much empfunden. 30m d

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So hören wir ihn denn im Nachwort zu seinen Stunden der An­dacht" zum Theil sich selbst über seine Auffassung von den Pflichten des Kampfes beurtheilen:

Dagegen kommen mir viele Lobpreisungen der Parteifreunde über mein Machwert, die sicher nicht so tief begründet und an Aufrichtigkeit so unübertrefflich dastehen, lange nicht so erquicklich vor, als die Labels­voten und Verdammungssprüche prinzipieller Widersacher. Wenn mir jedoch ein alter, sehr bewährter Freund warnende Winte gab, indem er mir schrieb: Du bist mit deinen Andachten auf dem besten Wege, sonst wackern und freisinnigen Leuten die edelsten Gefühle zu verlegen und süßesten Vorstellungen zu zerstöreu", so wollte mir das schon besser be­hagen, weil es mir Veranlassung gab, ihm Folgendes hierüber zu ant­worten: Das läßt sich doch wohl in einer revolutionären Bewegung­und der kleinste Schritt aus alten Verhältnissen in nicht anders machen, als her­neue ist ein revolutionärer tömmliche Anschauungen und Gefühle, durch das Alter ehrwürdig und recht­scheinig gemachte Mißstände und Mißbräuche, so wie von Jugend auf liebgewordene Vorurtheile und Gewohnheiten zu berleßen und zu vernichten, was freilich dort am bittersten empfunden wird, wo die Gefahr des Verlustes materiellen Wohlbehagens mit im Anzuge 311 sein scheint.

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Hierauf aber sentimental gefärbte Rücksicht nehmen, hieße sich selbst die Schlafmüze über die Ohren ziehen und Alles beim Alten lassen." Gilt es doch bei unserer sozialdemokratischen, sich von allen politischen und religiösen Nebelgebilden mittelalterlichen Andenkens frei zu halten­den Bewegung zuerst den inneren, im eigenen Kopfe und Herzen walten­den Tyrannen turzsichtiger Selbstfucht auszujagen, das Joch aner jogenen und selbstgepflogenen Wahrwißes abzuschütteln, die Freiheit des Willens  , das Recht der Selbstbestimmung und die unverkürzte Menschenwürde zu erringen, gilt es jede, brüderliches Zusammenwirken der Menschen hinder­liche Schranken nieberzureißen, um allgemeiner, naturgemäßer und menschenmöglicher Wohlfahrt die Bahn zu brechen. Wenn ich nun, wie schon in der Vorandacht" erwähnt, nach Einschlagung meines inneren Emanzipationsweges das Bewußtsein gewonnen, bei Wegwerfung all'

*) Vornehmer Pöbel.

gelächter preisgeben eine

Indeffen zielte ich ja nicht blos darauf hin, Blindgläubigen das rechte Licht anzuzünden, sondern auch Denjenigen, welchen es längst mehr oder weniger geleuchtet, träftige Anregung zu verleihen, demselben auch ohne Rücksicht auf irgend welche Sonderinteressen durch alle Lebenspfade offen und muthig zu folgen. Da aber Niemand, außer Lumpen, sich gerne auslachen läßt, diese jedoch nur eine Ausnahme von der Regel machen, so darf man füglich abwarten, daß sich die große Mehrheit der Schein­durch sie auf offenem Markte Tautem Spott- und Hohn­läßt. sonst sehr urtheils sichere Freundin hat hilig nach dem Grſcheinen der ersten daher meine Abficht Lieferungen dieser Schrift verstanden, als sie mir zurief: Deine An­dachten" befchlagen ja, namentlich in Bezug auf religiöse Dinge, einen von der Wissenschaft längst überwundenen Standpunkt."" Allerdings", antwortete ich, ein von der Wissenschaft Theorie aber nicht vom Leben Praxis überwundener Standpunkt; die Wissenschaft ist noch lange nicht: Gemeingut; sondern die willige Dienstmagd der in Staat und Gesellschaft herrschenden Elemente, die sie nach Belieben miß­brauchen und prostituiren und im Uebrigen nur ein solches Maß von Licht leuchten lassen wollen, als es ihnen zur, für ihre bevorrechtete Stellung bedürftige Beschränkung ersprießlich erscheint." Ein moderner Staat und eine moderne Gesellschaft, die ihrem ganzen Wesen nach rein weltlich sein sollten, mit der überweltlichen, phantasmagorischen Glaubens­poffe nicht das Geringste zu schaffen haben, bestehen eben bisher nur in der Theorie und so lange nicht in der Praxis, als sie mittel­alterliches gottbegnadigtes Monarchenthum und mittelalterliche Rechts­verhältnisse in sich bergen."

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Wir können ihm in seinen weiteren Darlegungen hier nicht folgen, so trefflich auch die moderne Gesellschaft darin gegeißelt wird. Hier entfernt sich Becker nicht vom sozialistischen   Programm. Aber in dem vorher Gegebenen steckt ein Stück der eignen Lebensphilosophie des alten Revolutionärs, und diese soll heute das Wort haben. Lassen wir barum der Prosa des Vater Becker zum Schluß lieber ein Stück aus seiner Poesie das Schlußwort seiner Psalmen" folgen: il filo

Und wer es noch ertragen mag ala nina Beim Deutsch- Geduldigsein, Erträgt die Qual vom Sisyphus, Des Tantalusses Pein.

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Und wer schon Alles durchgemacht, itlogAuf Alles ist gefaßt,

Der weiß, daß er im schwarzen Buch" Zur rothen Baude" paßt.

Und wer es noch ertragen fanno

Bei rother Reaktion,

Den rührt der Schlag, wenn niederstürzt

Der lezte Königsthron.

Und wer schon Alles durchgemacht,

Zu Allem ist bereit,

Der fürchtet teine Kugelspritz

Und feine Säbelschneid'.

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Das alte Mißgeschickt,

Der reich die Hand dem Arbeitsstand

Zur rothen Republik  !

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Zur Frage der Vielkandidaturen Zur

wird uns mit Bezug auf den Artikel in unserer vorigen Nummer ge­schrieben:

Mit dem Verfasser der in Nro  . 10 abgedruckten Einsendung stimme ich insofern überein, als ich gleich ihm die Vielfandidaturen verurtheile. Ich halte die Frage momentan sogar für weit brennender als der Ein­sender, weil ich überzeugt bin, daß die nächste Reichstagswahl noch im Laufe dieses Jahres stattfinden wird.

Im Irrthum ist der Verfasser des Eingesandt, wenn er meint, die Kandidatur Vollmar's für Magdeburg   habe die Zustimmung der Fraktion erhalten". Die Fraktion ist gar nicht in der Lage ge­wesen, ihre Zustimmung oder ihre Nicht zustimmung auszusprechen, benn sie hat mit der Angelegenheit überhaupt nichts zu thun ge­habt. Ob die Frattion, im all fie um ihre Zustimmung angegangen worden wäre, diese ertheilt hätte oder nicht, das kann ich natürlich nicht wissen. So weit ich aber die Verhältnisse tenue  , herrscht in der Frat­tion der Grundsay, den Wählern der einzelnen Wahlkreise die Wahl ihrer Kandidaten zu überlassen und sich nur auf ausdrückliches Ver= langen, ober einen förmlichen Antrag hin einzumischen.

91

Allerdings ist die Fraktion mit Ausführung der Kongreß- Be= schlüsse betraut und sie hat selbstverständlich auch nach Mög= lichkeit" dafür zu sorgen, daß der Beschluß des Kongresses gegen bie Bielkandidaturen zur Ausführung gelangt. Aber wie weit reicht denn die Möglichkeit"? Die Fraktion hat in dem bekannten Zirkular, welches zur Jnangriffnahme der Wahlarbeiten auffordert, auf den Kon­greßbeschluß gegen die Vielkandidaturen aufmerksam gemacht und den fozialdemokratischen Wählern die Beobachtung des Beschlusses eindring­des lich ans Herz gelegt was fonnte sie mehr thun? Partei- Exekution hat sie nicht.

zu einer Und es muß auch zugegeben werden, daß die sozialdemokratischen Wähler in weitaus den meisten Wahlkreisen sich Bielkandidaturen ab­geneigt gezeigt haben und sich eigene, besondere Kandidaten, auf die sie unter allen Umständen rechnen können, gesucht haben oder noch fuchen.

Dies zur Richtigstellung, und nun ein paar Bemerkungen über die Aufstellung der Kandidaturen! Daß die Kongreßbeschlüsse gegen die Bielkandidaturen bisher so unvollkommen beobachtet worden sind, liegt zwar theilweise in dem leidigen Personenkultus, der indeß zum Glück in unseren Reihen mehr und mehr aus­stirbt, anderseits in persönlicher Eitelkeit, die ein Dußend oder gar ein Schock Kandidaturen mit ähnlichem Stolz zur Schau trägt, wie ein Indianer die Stalps seiner erlegten Feinde allein es läßt sich nicht leugnen, daß, auch von diesen zwei Fattoren abgesehen, der radikalen Ausführung des betreffenden Kongreßbeschlusses große Schwierigkeiten und ernste Bedenken im Wege stehen.

So lange die Aufstellung der Kandidaten, wie das jezt der Fall, Sache der einzelnen Wahlkreise ist, kann es nicht vermieden werden, baß dieser und jener Genoffe, dessen Anwesenheit im Reichstag sehr wünschenswerth ist, in zweifelhaften Wahlkreisen fandidirt, während ein anderer Genosse, der im Reichstag weit eher entbehrt werden könnte, vielleicht einen sicheren" Wahlkreis hat. Indem ich hier von einem Unterschied in der parlamentarischen Tüchtigkeit( nicht Begabung) rede, verletze ich das demokratische Gleichheitsprinzip keineswegs und spreche nur einen Gedanken aus, den tein vernünftiger Sozialdemokrat miß­

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