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Der Sozialdemokrat

Organ der Sozialdemokratie deutscher Zunge.

Briefe an die Redaktion und Expedition des in Deutschland und Desterreich verbotenen Sozialdemokrat wolle man unter Beobachtung äußerster Vorsicht abgehen lassen. In der Regel schide man uns die Briefe nicht direkt, sondern an die bekannten Decadreffen. In zweifelhaften Fällen eingeschrieben.

Erscheint wöchentlich einmal

in

London .

Verlag

der

German Cooperative Publishing Co.

Stone E. Bernstein& Co., Lendon N. W. 114 Kentish Town Road.

Poßfendungen

franto gegen franko. Gewöhnliche Briefe

nach England tosten Doppelporto.

13. April 1889.

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Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten

und Gemaßregelten nicht!

Die Situation in Frankreich und die Haltung

der französischen Sozialisten.

Von befreundeter Seite ist an uns die Frage gerichtet worden, ob es nicht doch zu weit gegangen sei, wenn in un­ferm Flugblatt über den Internationalen Arbeiterkongreß die französischen Possibilisten als eine Regierungspartei hingestellt werden, und in der letzten Nummer der Justice" wird in einer, übrigens ziemlich sachlich gehaltenen Replik gegen uns der Vorwurf erhoben, wir maßten uns an, besser be­urtheilen zu können, was in Frankreich geschehen müsse, als die Possibilisten, die in Paris allein 5000 Stimmen reprä­

Jentiren.

Ehe wir auf die Beantwortung dieser Einwände eingehen,

wollen wir noch einmal vorausschicken, daß wir hier nur un­

fere individuelle Ansicht vertreten, daß also für das, was wir schreiben, nur wir selbst und niemand An­derer verantwortlich ist. Genau so, wie für das erwähnte Flugblatt mur der Unterzeichner die Verantwortung trägt. Was nun zunächst den Vorwurf der Justice" anbetrifft,

Parteien.

so haben wir ihn zum Theil bereits in unserem Leitartikel in Nr. 12 widerlegt. Dem dort Gesagten wollen wir hier nur noch hinzufügen, daß die französischen Possibilisten nicht die französischen Sozialisten darstellen, und daß ihrer Be­urtheilung der Situation die, man darf sagen, sämmtlicher übrigen Vertreter des Sozialismus in Frankreich gegenüber­steht. Uns scheint die von diesen vertretene Ansicht die rich­tigere, und indem wir dieser Auffassung Ausdruck geben, über­schreiten wir in feiner Weise das uns zustehende Recht der Kritik. Es ist nicht nur das Recht, es ist die Pflicht der fozialistischen Presse, ihre Leser über die wichtigen Ereignisse in den übrigen Ländern zu unterrichten, und dazu gehört auch die Beurtheilung des Verhaltens der verschiedenen Es ist uns übrigens niemals eingefallen, unser Urtheil als das allein Maßgebende hinstellen und jemand schon aus der Vertretung eines anderen Standpunktes ein Verbrechen machen zu wollen. Nichts kann uns ferner liegen als das. Handelte es sich nur um die Frage, ob die Possibilisten Recht haben, wenn sie Boulanger gegenüber mit den Bourgeoisrepubli­kanern gemeinsame Sache machen, oder die übrigen Sozia­Listen, wenn sie Boulanger wirksamer zu bekämpfen glauben, indem sie, getreu ihren Prinzipien, ihre volle Unabhängigkeit von allen Bourgeoisparteien wahren, so würden wir schwerlich ein hartes Wort fallen lassen, für einen so verhängnißvollen Fehler wir die Stellungnahme der Ersteren auch halten. Aber die Possibilisten haben nicht nur die Regierung in ihren Aktionen gegen Boulanger unterstüßt, sie haben auch allen reaktionären Maßregeln derselben gegenüber den Sozialisten anderer Rich­tung sei es durch stillschweigende Billigung, sei es durch unverhüllten Beifall ihre Sanktion ertheilt, und da hört, denken wir, der Spaß auf.

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Das Motto für dieses Vorgehen, das sich selbst richtet, war natürlich wer nicht mit uns ist, der ist wider uns, wer nicht mit der Regierung, wie sie auch aussieht, geht, der ist Boulangist und muß als solcher behandelt werden. Daß man auf solche Weise die denkbar beste Reklame für Boulanger machte, wurde natürlich nicht in Betracht gezogen. Die Hauptsache war, unbequemen Gegnern einen Schimpf anzuhängen.

Unsere deutschen Leser können sich die Situation sehr an­schaulich vergegenwärtigen, wenn sie an die Blüthezeit des deutschen Kulturkampfs zurückdenken. Damals war in den Augen der Regierung jeder, der nicht mit ihrer Art, die Ultra­montanen zu bekämpfen, einverstanden war, selbst ein ver­tappter Ultramontaner, ein Römling". Was ist in dieser Hinsicht nicht gerade uns Sozialdemokraten alles nachgesagt worden! Wir ließen uns aber dadurch nicht beirren, son­dern fuhren fort, gegen die Ausnahmegesetze der Regierung aufzutreten, nicht im Interesse der katholischen Pfaffen, son­dern im Gegentheil: erstens weil wir überzeugt waren, daß dieselben just das Gegentheil von dem bewirken würden, was fie angeblich bewirken sollten, und zweitens in dem Gefühl, daß es uns Sozialisten, den Vertretern einer unterdrückten Klasse, am letzten zuläme, den herrschenden Klassen Ausnahme­geseze in die Hand zu drücken. Wohlan, was würden wir gesagt haben, wenn sich damals Sozialisten gefunden hätten, die nicht nur Stellung für die Regierung genommen, nicht mur alle Ausnahmegefeße befürwortet, sondern jeden, der sich denselben widersetzte, als Römling" denunzirt hätten? Die um die Regierung zu kräftigen, sogar Polizeimaßregeln gegen die übrigen Sozialisten gutgeheißen hätten?

Das und Schlimmeres haben die Possibilisten gethan. Wir brauchen hier nur an ihr Verhalten gegenüber der Enthebung Boulé's vom Amt eines Mitglieds des Pariser Gewerbe­

schiedsgerichts zu erinnern. Aus Anlaß eines ganz unerheb­lichen Vorfalls hatte die Regierung Anlaß genommen, Boulé für sechs Jahre die Fähigkeit abzuerkennen, als Mitglied eines Gewerbeschiedsgerichts zu fungiren. Die Ungerechtigkeit und Gewaltthätigkeit des Vorgehens lag auf der Hand Boule's Vergehen" hatte darin bestanden, gegen einen Schieds­spruch, der zu Ungunsten der Arbeiter lautete, Verwahrung ein­zulegen. Von jeher ist es unter den Sozialisten Brauch, unter solchen Umständen die Sache als einen Kampf um's Recht aufzufassen und entweder direkt für die Wiederwahl des Ge­maßregelten einzutreten oder ihm mindestens keinen Gegen­kandidaten gegenüberzustellen. Als z. B. Ende 1872 ein sächsischer Gerichtshof sich herausnahm, Bebel wegen einer angeblichen Majestätsbeleidigung sein Reichstagsmandat abzu­erkennen, da hielten es- obwohl damals der Kampf zwischen ,, Eisenachern" und Lassalleanern" heftiger tobte als je zu­vor die Letztern für selbstverständlich, Bebel weder einen Wiederwahl zu unternehmen, begrüßten dieselbe vielmehr aus­Kandidaten gegenüberzustellen, noch sonst etwas gegen seine drücklich als einen Sieg des Prinzips der Volkssouveränetät" ( Neuer Sozialdemokrat" vom 24. Januar 1873.) Und halten, für irgend eine Regierungsmaßregel gegen die Las ebenso hätten die Eisenacher es für die höchste Schande ge­falleaner ins Zeug zu gehen.

Was thaten aber die Possibilisten? Als es zu der Neu­einen Gegenkandidaten gegen Boulé auf, sondern bekämpften wahl für das Gewerbeschiedsgericht kam, stellten sie nicht nur auch dessen Kandidatur mit den Mitteln der unsaubersten Ver­dächtigung. Trotzdem wurde Boulé mit kolossaler Majorität gewählt( 1200 gegen 250 Stimmen), was mindestens beweist, und diese sein Verhalten billigten. Die Wahl wurde für daß er das volle Vertrauen seiner eignen Berufsgenossen hat ungiltig erklärt, weil Boulé nicht wählbar sei, und eine neue ausgeschrieben. Wieder stellte die Syndikatskammer, der er angehört, Boulé als Kandidaten auf. Jetzt, sollte man meinen, angehört, Boulé als Kandidaten auf. Jetzt, sollte man meinen, war für die Possibilisten der letzte Grund weggefallen, ihm wurde alles gethan, seine Wahl zu hintertreiben, und wenn eine Gegenkandidatur entgegenzustellen. Weit gefehlt. Wieder dies auch nicht gelang, wenn Boulé auch mit noch größerer Majorität als vorher wiedergewählt wurde, so war doch Ein Erfolg erzielt: Der Versuch, die Regierung durch eine ein müthige Demonstration der Arbeiter in die Nothwendigkeit zu versehen, ihr Dekret gegen Boulé zurückzunehmen, war hinter­trieben, der Protest gegen die vom kapitalistischen Klassengeist diktirte Maßregel vereitelt.

die Entschuldigung einer bloßen Meinungsdifferenz über die Man wird uns zugestehen, daß für diese Handlungsweise Erfordernisse der Situation nicht zulässig ist.

Und ebensowenig ist dies der Fall dafür, daß die Possibilisten zur Maßregelung des Bordeauxer Kongreßes sch wiegen, daß sie das Verbot der Demonstrationen der unabhängigen Gewerk­schaften für die Arbeiterschutzgesetze guthießen, und als der Seine- Präfekt erklärte, er werde die Deputationen der Arbeiter nicht empfangen, in ihrem Blatt noch höhnten, die Veran­stalter der Demonstration könnten ihre Resolution beim Thür steher abgeben. So handeln nicht unabhängige Arbeiter, so handeln Be

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Wir wollen das Wort nicht ausschreiben, überhaupt nicht zu neuem Streit Anlaß geben, sondern nur begründen, daß wir in unserem Flugblatt kein Wort zuviel über die Possibi­listen gesagt.

Was heißt eine Regierungspartei? Eine Partei, die die herrschende Regierung unterstützt. Das ist an sich noch kein Vorwurf, jede Partei kann in diese Lage kommen, jede ernst­hafte Partei muß danach streben, in diese Lage zu kommen. Die Frage ist mir, welcher Art die Regierung ist, um deren Unterſtüßung es sich handelt. Eine Regierung, die meinen Grundsäßen entspricht, die die Interessen derjenigen Klasse vertritt, für die ich kämpfe, darf ich, muß ich sogar unter­stüßen.

Kein Mensch wird behaupten wollen, daß dies von Sozialisten in Bezug auf die gegenwärtige Regierung Frankreichs gesagt werden kann. Diese ist eine Bourgeois- Regierung wie sie im Bitche steht. Sie ist ausgesprochen kapitalistisch, entschieden antisozialistisch, ein Sozialist, der für sie eintritt, schlägt seinen eigenen Grundsäßen ins Gesicht.

Aber die Boulangistische Gefahr zwingt uns dazu rufen die Possibilisten.

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des Wortes ein Produkt der Verhältnisse ist. Der Mann hat sich nicht selbst zu dem gemacht, was er ist, er ist zu dem gemacht worden. Hinge seine Karriere mur von seinem Geschick oder Ungeschick ab, von seinen persönlichen Eigen­schaften

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Niemand wäre ungefährlicher als der tapfere" General- Ausreißer. Es ist überhaupt lächerlich, anzunehmen, daß derselbe nach vorbedachten Plänen handelt. Er hat so wenig feststehende Pläne, wie er feste Grundsätze hat. Und das ist seine Stärke. Es ist bezeichnend, daß dieselbe Situa­tion, die einen Mann von so hervorragender Befähigung wie Clemenceau bis zur Einflußlosigkeit herabgedrückt hat, einem Boulanger den Einfluß eines kommenden Gestirns" schuf. Warum? Clemenceau hat Grundsäge und Boulanger keine.

Wir halten Boulanger auch heute noch für eine Gefahr, nicht etwa mur für die Herren Tirard, Rouvier, Constans und wie die Herren Bourgeois- Republikaner heißen unt eine solche Gefahr" haben wir Sozialisten uns nicht zu kümmern

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sondern für das französische Volf und in weiterer Folge, der Völker Europas überhaupt. Wir halten es daher auch

für selbstverständlich, daß jeder überzeugte Sozialist Gegner Boulangers sein muß. Erfordert das aber, daß man sich des­machen muß? Keineswegs. So wenig die Gegnerschaft gegen halb mit den Bourgeois- Gegnern des Abenteurers solidarisch

den Ultramontanismus es erforderte, mit der damals liberali­sirenden preußischen Regierung zusammenzugehen. Den wenigen schlagen wurden Maßregeln fortschrittlichen Charakters, welche damals vorge­ha­so z. B. dem Zivilstandsgesetz ben wir zugestimmt, für die Gewaltmaßregeln waren wir nicht zu haben. Mit welchem Recht, hat der klägliche Miß­erfolg derselben bewiesen.

die Regierung nicht gewaltthätig genug vor. Genau das Gegentheil thun die Possibilisten. Ihnen geht Und jeder, der sich den Polizei 2c. Maßregeln der jetzt herrschenden Oppor­tunisten widerseßt, wird von ihnen in ihrem Blatt denun­zirt. So erst vor ein paar Tagen wieder( ,, Parti Duvrier" zirt. vom 7. April) die radikalen Abgeordneten Millerand, C. Dreyfus und der Sozialist Felix Pyat, weil sie sich dem Antrag der Regierung, den Senat zum Gerichtshof.

über Boulanger zu ernennen, der Abstimmung enthielten. Es wurde ihnen zu verstehen gegeben, sie hätten gegen Boulanger durch Dick und Dünn mit der Regierung zu gehen.

Eine Partei, die in ihren Organen solche Anschauungen propagirt, ist eine Regierungspartei, welche Bestrebungen sonst auch sie auf ihre Fahne geschrieben. Die deutschen National­Liberalen verfolgen zum Theil ganz andre Bestrebungen als Regierung gegen die Reichsfeinde" unter allen Umständen die Reichsregierung, aber sie erklären es für die Pflicht, die zu unterstüßen, und werden daher mit Recht eine Regierungs­partei genannt.

Wir erklären noch einmal, wir sind geneigt, die abweichende Ansicht zu respektiren, solange es sich wirklich blos um Mei­mungsverschiedenheiten, um eine andere Beurtheilung der Si­Etwas andres ist es mit der Preisgabe tuation handelt. unsrer Grundsäße. Wenn sich Sozialisten soweit vergessen, ihren politischen Gegnern mit Gefängniß und Gens­darmen zu drohen wie es der Possibilist A. Lavy im Parti Ouvrier" vom 8. April gegenüber einem boulangi­stistischen Gemeinderathsmitglied thut, wenn im ,, Parti Duvrier" vom 9. April der Possibilist Viktor Dalle über den Pariser Gerichtshof herfällt, weil er gegen die Führer der Patrioten Liga fein Tendenzurtheil gefällt, so sind das Dinge, die die schärfste Kritik herausfordern. Alles, was die bürgerlichen Republikaner heute Boulanger und seinen Leuten zum Verbrechen anrechnen, läßt sich mutatis mutandis gegen jede den zeitweilig Herrschenden gefährliche Partei vor­bringen. Es sind Blanketts, die man mur mit andern Na­men und Bezeichnungen auszufüllen braucht, und die Motive zu Polizeimaßregeln gegen Klerikale oder Freidenker oder, wenn es gerade beliebt, Sozialisten sind fertig. Wenn daher die Possibilisten sich dieselben Argumente zu eigen machen, so helfen sie selbst den Strick drehen, mit dem man eines Tages versuchen wird, den Sozialismus zu erdrosseln. Und wenn das auch nicht gelingen wird, so wird man doch der Partei der Armen und Enterbten viel schwerere Opfer auf­erlegen, als man es der Partei des abenteuernden Generals gegenüber vermag.

Wir wollen den Possibilisten keine andern Motive unter­stellen als sie selbst bekennen, ihre Verstöße gegen die Pflich­ten einer Arbeiterpartei als Verirrungen gelten lassen. Aber das sind sie mindestens, und darum kann es kein Un­recht sein, wenn die auswärtige sozialistische Presse durch ihre Kritik den Versuch macht, die auf falschen Wegen Begriffenen zur Umkehr zu veranlassen. Durch Vertuschen wird nichts gebessert.

-eb.

Wir haben die Boulangistische Gefahr nie unterschätzt. Wir unterschäßen sie auch in diesem Augenblick nicht trotz der schimpflichen Flucht dieses traurigen Abenteurers. So sehr sie den Spott herausfordert, so wird sie schwerlich die Wirkung haben, welche die Gegner Boulangers sich von ihr versprechen. Es ist leider nicht wahr, daß die Lächerlichkeit tödtet, so wenig wie leider der Fluch der Infamie tödtet. Die Lächerlichkeit gibt allenfalls einem Halbtodten den Gnaden­stoß, aber der Gesunde überwindet ihre Wirkungen schnell. Und Wie Wilhelm von Preußen im Jahre 1848 Boulanger ist- wieder sagen wir leider recht gefund. Gesund nämlich in dem Sinne, daß alle die Bedingungen fort­bestehen, aus denen der Boulangismus seine Lebenskraft zog. Man vergesse doch nicht, daß Boulanger im vollen Sinne

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Fersengeld gab.

Preußische Reptile haben bei Gelegenheit der Entrüftungs"-Stomödie über die Märzartikel der Berliner Volkszeitung" die Frechheit gehabt, die Thatsache abstreiten zu wollen, daß in den Märztagen 1848 bas