wüthendsten Stampfe, noch ihresgleichen. Parsons aber gehörte, zwar nicht von Geburt, aber durch frete Wahl einer ganz anderen Welt an wie feine Gegner: der Arbeiterklasse. Und das ist eben ganz etwas andres".

Das Alters- und Invaliden- Gesetz soll vor Ostern in zweiter Lesung erledigt werden. Bei Lichte betrachtet erscheinen die Verhand­lungen des Plenums als die reinfte Spiegelfechteret, denn über den Inhalt des Gesetzes hat sich die Majorität hinter den Koulissen geeinigt und die parlamentarischen Verhandlungen halten sich genau an die Abmachungen.

Daß die Regierung und die Kartellparteien das Gefeß noch in dieser Session fertig stellen wollen, hat seinen Grund darin, daß es zum Schaustück bei den nächsten Wahlen bestimmt ist. Deshalb geben sich die Bismarck , Bötticher, Stolle und wie sonst die braven Auguren noch heißen mögen, eine so außerordentliche Mühe, das Gesetz im Stile der Wunder- Reklame aufzupuffen. Deshalb führte Bismarc wieder den alten Wilhelm und sein Testament" ins Treffen und des= halb verstieg sich sein parlamentarischer Hausfnecht, Bötticher, zu der Phrase, er wolle sich gern einen Sozialdemokrat nennen lassen, weil er für dieses Gesetz schwärme, er sei aber ein Sozial­demokrat, der es wohl meine mit dem Vaterland.

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In der einen Hand das sozialdemokratische Alters- und Invaliden- Gesez und in der anderen das neue Preßtne belgeset so will die Regierung mit ihrem Kartellpack in die Wahlkampagne marschiren. Zuckerbrot und Peitsche. Und natürlich eine passende Attentats Atmosphäre mein Liebchen was willst Du mehr? Da kann es sicher nicht fehlen! Das Knebelgesetz wird erst nach Ostern vor den Reichstag gelangen, der mindestens bis Pfingsten tagen wird. Und dann kann aufgelöst werden.

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Nicht sofort. Die Regierung hat ja Zeit. Wir wiederholen jes doch: Falls nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die zu veränderten Dispositionen nöthigen, wird unter allen Umständen noch im Lauf dieses Jahres gewählt. Wornach überall zu achten!

Weiter schreibt man uns hierzu:

Die Debatte über die Alters- und Invaliden= bersicherung zieht sich sehr in die Länge. Die zweite Lesung, welche Freitag, den 29. März, begann, wird schwerlich vor Ostern be­endigt werden- man müßte denn zu Abendsigungen greifen. Für

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dieses langsame Tempo giebt es zwei Erklärungsgründe. Wie bereits erwähnt, wird mit diesem Geseze Wahlpolitit getrieben Herr bon Bötticher hat es mit dürren Worten eingestanden. Jede Partei hat ein Interesse daran, sich als möglichst arbeiterfreundlich" hinzu­Stellen und mit diesem Bestreben ist ein Ueber das Kniebrechen der Debatte natürlich nicht vereinbar. Es werden eben Wah Ireden ge­halten und die Kartellparteien, welche die meiste Ursache haben, mit Bittern und Zagen den kommenden Wahlen entgegenzusehen, haben dem­entsprechend auch das lebhafteste Bedürfniß, die Debatte nicht abzufürzen. Allein dies ist nicht der einzige Grund. Obgleich durch die bekannten Abmachungen hinter den Kulissen dem Entwurf in der Gestalt, wie er aus der Kommission hervorging, eine feste Majorität gesichert schien, so bestehen auch bei den Majoritätsparteien allerhand schwere Bedenken" gegen das Gesez, und nur mit beklommenem Zagen schicken sie sich zu dem Sprung ins Dunkle" an.

Nur als der erste Entwurf des Unfall gesetzes vor den Reichs­ tag fam, fühlten die Vertreter der besitzenden Klassen etwas Aehnliches. Ihre Besorgnisse wurden jedoch bald durch die Regierung zerstreut, welche die paar spärlichen Tröpfchen sozialistischen Dels" aus ihrem Brei wieder herausfischte und den polizeilich- bureaukratischen Charakter threr Talmi- Sozialreform so start hervortreten ließ, daß den Verthei­digern des heiligen Eigenthums und des heiligen Ausbeuterrechts bald wieder leicht ums Herz wurde; und es dauerte nicht lang, so konnten fie in ihrem Bismarck wieder den Hohenpriester des Kapitalismus anbeten und den Hauptmann der modernen Raubritterbande bewundern. Das Unfallgesetz wurde einer dreimaligen Verdünnung und Ausbeinung unter­zogen, ehe es zur Annahme gelangte. Und das Krankenversicherungs­gefeß war gleich von Anfang an so vertrauenerweckend polizeilich und geldsackfreundlich, daß eine Befürchtung überhaupt nicht aufkommen konnte. Etwas anders ist es aber mit dem Alters- und Invaliden­gesetz und deshalb liegt auch ein so langer Zeitraum zwischen dem Versprechen der kaiserlichen Botschaft" vom Jahre 1881 und der Nicht­einlösung des Versprechens, aber doch Einbringung eines bezüglichen Gefeßentwurfes in der Seffion 1888/89.

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Nicht, daß der eingebrachte Gefeßentwurf von sozialdemokratischem Geiste durchweht wäre nichts weniger als dies er ist womöglich noch polizeilicher, noch reaktionärer, als die beiden anderen Versicherungs­gefeße, deren Krönung" er sein soll. Er schnürt die Arbeiter in eine Zwangsjacke ein, belastet sie in der ungerechtesten Weise und gewährt ihnen so geringe Vortheile, daß es eine wahre Schande ist, und in­soweit ist das Gesetz ja ganz nach dem Herzen der Geldsack- Vertreter; allein es enthält eine Bestimmung, die ihnen Grauen einflößt: nämlich den Staatszuschuß, und darin steckt das Zugeständniß, daß es Plicht des Staats ist, für den arbeitsunfähigen Arbeiter in Gestalt einer Altersrente oder Invalidenpension zu sorgen. Zwar geschieht das heute auch schon thatsächlich durch die Armenunterstützung, und man hat deshalb auch mit vollem Rechte dieses Alters- und Invalidengesetz mit den anderen Arbeiter­Versicherungsgesehen eine Andersregelung des Armenwesens genannt, aber durch den Umstand, daß jedem unter das Gesez fallen­den Arbeiter gegenüber die Pflicht des Staates zu regelmäßigen Unterstübungsbeiträgen festgestellt wird, ist das Alters- und Invaliden= gesetz auf die Grenzlinie geschoben worden, wo die soziali= stische Verstaatlichung der Arbeit beginnt und der Privatarbeiter anfängt, Staats= oder Gesell­schaftsbeamter zu werden.

Ist diese schiefe Ebene einmal beschritten, so giebt es keinen Einhalt mehr, so rutschen wir tiefer und tiefer, bis wir schließlich mitten im Sozialismus stecken!" so jammern die geistlichen und weltlichen Vertreter des Kapitalismus ; und je weiter die Verhandlungen fort­schreiten, desto lebhafter werden die Bedenken, desto spaßiger die Angst­sprünge. Und ob die Angstsprünge schließlich doch noch zum Sprung ins Dunkle" führen werden, ist troz der Abmachungen hinter den Stoulissen und trotz der bevorstehenden Wahlen doch noch keineswegs ficher.

Troß der Aussichtslosigkeiten der von der sozialdemokratischen Frat tion gestellten Verbesserungsanträge die beiläufig ausnahmslos sich innerhalb des Rahmens der heutigen Gesellschaftsordnung bewegen betheiligen unsere Genossen sich tapfer und unermüdlich an den Debatten der zweiten Lesung.

Bei dieser Gelegenheit sei nachträglich erwähnt, daß die National= liberalen den Sozialdemokraten einen Sig in der Arbeiterschutz­Rommission abgetreten haben und daß Meister diesen Siz einnimmt.

- Das Knebelgesetz stößt im Bundesrath auf Schwierig= teiten. Einigen Regierungen, z. B. die sächsische( ei Herrjejes!), ist der preußische Autrag zu schwacher, andern dagegen zu starter Taback. Da wird denn wohl nach einigem Streiten der preußische Antrag als die richtige Mitte" erkannt werden.

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Die Reichskommission hat das Verbot der Berliner ,, Volks­zeitung" aufgehoben so meldet der Telegraph". Mit andern Worten, die sicherlich von jeder oppofitionellen Neigung freien Mit­glieder der Reichskommission haben sich gezwungen gesehen, zuzugestehen, daß das Verbot der Volkszeitung" wieder ein brutaler, gegen Recht und Gesez verstoßender Gewaltatt war. Da es in Berlin die Spaßen von den Dächern pfeifen, daß das Verbot vom neuen alten Friz" veranlaßt worden war, so ist der Spruch der Reichskommission feine üble Ohrfeige für den höchsten Vertreter des Gesetzes", und ein artiger Kommentar zu seinem föniglichen Versprechen an mein Bolt", das Recht zu schüßen.

Allerdings hat sich Wilhelm wohl kaum selbst der Illufion hingege ben, daß das Verbot aufrecht erhalten bleiben werde, es fam, wie wir ichon hervorgehoben haben, vor allen Dingen darauf an, das fort­

schrittlich- demokratische Blatt zu schädigen, und dieses Resultat ist erreicht worden. Eine materielle Verantwortung gibt es im Rechtsstaat Preußen nicht, und um die moralischen scheeren sich die Gewalthaber den Teufel. Wilhelm hat seinen Rachedurst gekühlt, und Herr von Richthofen, der sich zum Handlanger dieser echt föniglichen Stache hergegeben, wird um den Lohn für seine Dienstbereitschaft ebensowenig besorgt zu sein brauchen, wie sein nicht minder eifriger Ge­hülfe von Tausch.

Da der Spruch der Reichskommission immerhin auch für sie nicht gerade eine schmeichelhafte Anerkennung bedeutet, so wird der Lohn hoffentlich nicht hinter den Koulissen erstattet werden, sondern in Form einer eftatanten Genugthuung erfolgen.

Bei dieser Gelegenheit sei gleich erwähnt, daß der Vater der Meineld­spizel Jhring- Mahlow, Naporra 2c., Tugend- Putty, einen Ruf ins preußische Herrenhaus erhalten hat. Das Vergessen" des bösen Friedrich rentirt sich.

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Auch ein Ordnungshüter. Wir lesen in deutschen Blättern: Gegen den früheren Landes direttor Dr. Mehr in Westpreußen , freitonfervatives Mitglied des Abgeordnetenhauses, ist nuns mehr, nach einer Darstellung des Berliner Tageblatt", durch eine mehr, nach einer Darstellung des Berliner Tageblatt", burch eine Kommission des westpreußischen Provinziallandtages der Mißbrauch des Amtes zu eigennüßigen 3weden attenmäßig festgestellt worden. Es ist nämlich aus dem Provinzialhilfskaffen­fond einem Rittergutsbefizer Holz= Blumenfelde ein Darlehen von 104,000 Mart zur Entwässerung des Krangensees und Herstellung einer Riefelwiese bewilligt worden. Herr Wehr war beauftragt, den Fort­gang der Arbeiten zu kontroliren und nach Maßgabe derselben das Darlehen in einzelnen Raten auszuznhlen. Wehr aber hat ohne ent­sprechenden Nachweis Zahlungen angewiesen. Dann machte Holz ban ferott, sein Gut kam zur Subhastation, die Entwässerung erwies sich als vollständig mißlungen. Nunmehr aber ist festgestellt worden, daß der Landesdirektor Wehr bei jeder Ratenzahlung dem Holz eigene Wechsel über 1000, 2000, 3000, 7000 und 6000 Mark in Zahlung gegeben hat. Die Beträge hiefür wurden von den Raten in Abzug gebracht und wanderten in die Tasche des Herrn Wehr. Zuerst wurden diese Manipulationen durch einen Geschäfts­Agenten Lehre vermittelt. Nach Lehre's Tode hat Dr. Wehr dieses Geschäft selbst besorgt und zweimal an Holz Wechsel über 2400 Mark abgegeben. Im Ganzen hat Herr Wehr 32,400 Mark von dem Dar­lehen der Provinzialhilfskasse, also nahezu ein Drittel, in seinen eigenen zählige vergebliche Wechselflagen gegen Wehr schon vorher vorgekommen Wechseln gegeben. Diese Wechsel aber waren total werthlos, weil un­

waren."

Mit anderen Worten, Herr Wehr hat sich ganz gehörig best e che n lassen, und die Sache ist durch den Bankrott des Holz ans Licht ge= tommen.

Dieser Herr Wehr nun, gegen den, seit das Vorstehende geschrie­ben, endlich Antlage wegen Betrugs erhoben worden ist, war einer der frechsten, zynischsten Bismärcker im Parlament. Er war es auch, der zu einer Zeit, wo er nach der obigen Darstellung bereits bankerott war, im maßlofen Dünkel den parlamentarischen Ton durch den unsäglich faden Tingeltangel- Ausspruch uns kann Niemand an die Wimpern flimpern" veredelte. Wahrscheinlich bildete er sich ein, ihm als Vertreter der heiligen Ordnung" fönne überhaupt nichts passt­ren, für ihn gebe es fein Gesez. nach berühmten Mustern Und diese Auffassung dürfte er mit vielen seiner hochachtbaren Kol­ab= legen von der Ordnungspartei theilen. Nur werden nicht alle

gefaßt.

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Angriffe auf die Grundlagen der Monarchie gehören be­fanntlich zu den Erz- und Todsünden, die nach dem Entwurf des ver­befferten Schandgefeßes in der Rede verübt, mit mehrjährigem Gefängniß, in einer Druckschrift kundgethan außerdem noch mit Verbot derselben zu ahnden sind. Man braucht sich nur ein Wenig auf den Thronen Europa's umzuschauen, und man wird die Zeitgemäßheit dieser Bestimmung sofort einsehen.

Die Berliner Volkszeitung" hat ihren Zweifel daran, ob man in einem Alter, wo selbst ein N a cht wächter als dienstuntauglich pensionirt wird, als König noch für alle Regierungshandlungen ver­antwortlich gemacht werden darf, mit ihrer Eristenz bezahlen müssen, und König Wilhelm hat außerdem Strafantrag gegen den muthmaßlichen Beleidiger aller Nachtwächter gestellt.

Das ist nicht mehr wie zeitgemäß und billig. Es sind damit den Richtern der Zukunft die Wege vorgezeichnet. Zum Beispiel: Wer da erklärt, daß man bei jahrelang andauernder Gehirnerweichung nicht nur kein Aktenschreiber sondern auch kein rechter König sein kann, greift die Grundlagen der Monarchie an. Der König von Holland hat jahrelang an Gehirnerweichung gelitten und dabei wunder­schön regirt.

sittlicher Reife bedarf, ein Land zu regiren, als dazu gehört, Oder wer da bezweifelt, daß man bei weitem nicht den Grad einen noch fimplen bürgerlichen Beruf selbständig auszuüben, greift die Grundlagen der Monarchte an. Könige werden mit 18, 16, ja 15 Jahren mündig, andere Leute mit 21, allenfalls mit 20 Jahren. Und so fort ins Unendliche. In einer Zeit, wo man die Hälfte der gekrönten Häupter Europas in der Kinderstube, die andere im Narrenzimmer suchen muß, bedarf die Grundlage der Monarchie aller­dings sehr des Knebels.

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Ein schreiendes Beispiel von zweierlei Maß wird der Wiener Gleichheit" aus Budapest berichtet. Die Hauptstadt Un­ garns war, wie unsere Leser aus der Tagespresse ersehen haben werden, der Schauplatz äußerst stürmischer Demonstrationen gegen das neue Wehrgesez. Dasselbe hatte theils wegen der Berücksichtigung der deutschen Sprache den Zorn der ungarischen Chauvinisten, theils wegen gewiffer Erschwerungen für die Einjährig- Freiwilligen den Widerstand der grundbesißenden Bourgeoisie erregt, und da diese beiden Faktoren die öffentliche Meinung" beherrschen, nahmen die Demonstrationen gegen Das Gesez, geleitet von der Unabhängigkeitspartei der äußersten Linken des Partaments, wahrhaft riesenhafte Dimensionen an. Ein von der= selben veranstalteter Proteftaufzug, an dem gegen 100,000 Mann theil­nahmen, verlief infolge des vollständig paffiven Verhaltens der Polizei in vollkommener Ordnung, dagegen, heißt es in dem Bericht der ,, Gleichheit" weiter ,,, wurde in den nächsten Tagen eine Menschenmenge, welche den aus den Fenstern der Unabhängigkeitspartei gehaltenen Reden lauschte, und in den loyalen Schlußruf des Redners: Es lebe der König!" begeistert einstimmte, von der Polizei des Königs nieder geritten und auseinandergesprengt. Ganze Stadttheile waren im Lauf dieser 6-8 Wochen, während welcher Zeit die Oppo­fition die Vorlage tobtzureden versuchte, im Belagerungszustande; ganze Stadttheile waren militärisch ganz abgesperrt, auf den Trottoirs spreng­ten Husaren herum und ein aus der Sizung kommender Abgeordneter konnte sich vor den Hufen der Rosse nur so retten, daß derselbe mit affenartiger Geschwindigkeit auf das Gitter des Museumsgartens empor­kletterte, andere bekamen Säbelhiebe oder wurden fast niedergeritten; die Polizei feierte wahre Orgien, harmlose Passanten wurden überfallen und arretirt; Themis , die Göttin der Gerechtigkeit, die traditionell Blinde, wurde unter diesen Verhältnissen sehend und es wurde ein Art von Klasseniustiz aufgeführt, welcher sich fühn mit jedem in Europa messen kann und bei den Herrschenden in Ungarn ein hoch ent­wickeltes Klaffenbewußtsein verräth, was von den Unterdrückten leider noch nicht behauptet werden kann. Während nämlich eine Serie von 17 Arretirten, aus Nachtwächtern, Taglöhnern, Arbet­tern und Lehrlingen bestehend, auf die Aussagen von Polizisten hin, wonach fie Fensterscheiben zertrüm mert, Lampen ausgelöscht und eingeschlagen, also schlimmen Unfug getrieben hätten, wegen öffentlicher Ge­waltthätigkeit und Widerseßlichkeit gegen die Behörde von 18 bis zu 6 Monaten Kerker, und zusammen zu 13 Jahren Kerker verdonnert wurden, wurden Studenten, also Bourgeois­Söhnchen, von der Polizei derselben Uebertretungen beschuldigt, von demselben Gerichtshof zu je 15, fage 15 Gulden Geldstrafe berurtheilt!! Bemerkt muß werden, daß die 13 Jahre Kerker den Proletariern derart applizirt wurden, daß denselben nicht einmal ein amtlich bestellter Vertheidiger beigegeben war. Das Belastungs­material war hier wie dort dasselbe, Studenten wie Proletarier wurden

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von der Polizei beschuldigt, Proletarier wie Studenten lengueten, und doch diese kolossale Strafdifferenz, welche objektiven Rechtskundigen die Schamröthe ins Gesicht treibt. Die Verhältnisse, welche solche Justiz­blüthen zeitigen, find auch Ursache des allgemeinen Sinkens des Nechts­bewußtseins und des Moralgefühls..." Das Urtheil bedarf in der That feines Kommentars. Selbst die Thatsache, daß der Unfug" im Interesse von Bourgeoisparteien, ja, int nationalen" Interesse verübt worden, hielt die Musterbürger nicht ab, gegen die Arbeiter in bornirk pharifäerhaften sta stergeist die volle Strenge des Gesezes" anzu­wenden, sie in den Kerker zu schicken für genau dasselbe, wenn nicht weniger, was bei Studenten mit einer für diese lächerlichen Geld= ftra fe als hinreichend gebüßt erachtet wurde.

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Und die Arbeiter? Leider steht es, wie aus dem weiteren Theil des Berichtet hervorgeht, mit der Arbeiterbewegung in Ungarn und speziell in Budapest so traurig, daß man nicht einmal der Hoffnung sein darf, daß sie in absehbarer Zeit die Antwort auf solche schändliche Klassen­justiz ertheilen werden.

Nur logisch. Wie das Berliner Volksblatt" mittheilt, ist bei einer neulich abgehaltenen Kontrolversammlung auf dem Kaiser­Franz- Grenadierplay in Berlin den Ersazreservist en nahegelegt worden, sich an den Sammlungen für das Kaiser- Wilhelm­Denkmal auf dem Kyffhäuser zu betheiligen. Das erste Glied mußte die Hüte abnehmen und die beiden hinteren Glieder legten ihre Scherflein hinein. Ein Gleiches wird der Freis. Ztg." von einer Kontrol­bersammlung in Erfurt berichtet, wo ein Reservelieutenant Töbel­mann nach Abnahme des Eides für den jetzt regierenden Kaiser die Mannschaften aufforderte, für das Kaiser- Wilhelm- Denkmal auf dem Kyffhäuser beizusteuern und diese Beiträge in die aufgelegte Lifte einzu­tragen. Erst nach dieser Aufforderung, heißt es, wurde durch das Kommando Wegtreten!" die Kontrolversammlung geschlossen."

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Wir brauchen nicht erst darzulegen, warum das Nahelegen" unter solchen Umständen die Wirkung eines absoluten 3 wanges hat. Das hindert aber die Veranstalter der Sammlung nicht, wenn sie erst das ganze Geld für das Denkmal besammen haben, pathetisch zu erklären, es entstamme den freiwilligen Beiträgen des dankbaren Volkes 2c. 2c. Und warum sollten sie auch nicht? Die Fälschung der Begriffe, die Verdrehung des Sinnes der Worte in sein direktes Gegentheil ist ja schon lange im deutschen Reich im Schwunge. Wo die brutale Willffir Gefeßlichkeit heißt, die absolute Ehrlosigkeit mit dem allgemeinen Ehrenzeichen belohnt wird, wo man vom Schuh der Enterbten redet, wenn man die Beraubung der Ent= erbten zu steigern unternimmt, warum soll man da nicht freiwillig" für abgepreßt" sagen dürfen? Gerade beim Militär ist ja der Begriff der Freiwilligkeit durch das schöne Institut der Freiwilligen" mit so wunder­barem Erfolg zu allen möglichen Deutungen eingedrillt, daß sich gegen die Vornahme freiwilliger Sammlungen ,, auf Kommando" auch nicht das Geringste einwenden läßt.

Also: Antreten zu Beiträgen für das Kaiser- Wilhelm- Denkmal! Freiwillige vor!"

Sachsen ist das Musterland des Kartells, Sachsen ist der= jenige Staat im deutschen Reich, wo die kapitalistische Groß= Industrie im Verhältniß am Weitesten vorgeschritten ist kein Wunder, daß in Sachsen der Kampf der Ordnung" gegen die Sozial­demokratie amt fanatischsten, am gehässigsten geführt wird. Junker Bismarck haßt allerdings auch die Sozialdemokratie, aber mehr weil sie alle seine staatsmännischen Manöverchen durchkreuzt, als weil er sie von der Furcht vor Attentaten auf seine tostbare Persönlichkeit natürlich abgesehen für eine unmittelbare Gefahr hielte. Die sächsischen Schlot- 2c. Junker aber und ihre Kommis in der Regierung hassen die Sozialdemokratie aus wirklicher Furcht vor der drohenden sozialen Revolution und daher zeichnen sich alle ihre Maßregeln gegen die gefürchtete Partei ebenso durch ihren feigen wie durch ihren bru= talen Charakter aus. Das hat sich jetzt wieder in dem Verfahren gegen den Genossen Karl Albrecht, Schneider, gezeigt, der in einem der vielen sogenannten Geheim bundsprozesse letztes Jahr zu zehn Monaten Gefängniß verurtheilt worden war. Noch im Gefängniß erhielt Albrecht die Ausweisung aus dem Bannbezirk Leipzig zugestellt. Nachdem er am 11. Februar ds. Js. aus der Strafanstalt entlassen worden, nahm er seinen Wohnsiz in Dresden . Kaum drei Wochen lang hier anwesend, lesen wir jetzt im Sächsischen Wochenblatt", erhielt er am verflossenen Sonnabend von der Polizeipirektion die Au 3= weisungs ordre auf Grund des bekannten Vagabonden= gesezes, welches weniger die bestraften Vagabonden", als vielmehr die politisch geächteten Personen trifft. Albrecht, der Familienvater ist, hat nächsten Donnerstag die Stadt zu verlassen. So werden die Opfer des Klassenhasses ruhelos von Ort zu Ort gehetzt. Man ruinirt sie nicht nur wirthschaftlich, sondern vernichtet auch ihr Familienleben, von der Zerrüttung der Gesundheit noch gar nicht zu reden. Wahrlich, traurige Zeichen unserer Zeit!"

Und ein noch traurigeres Zeichen wäre es, wenn die Arbeiter solche Nichtswürdigkeiten je vergessen und nicht alles aufbieten würden, sie recht bald heimzuzahlen.

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Jm ,, Königreich Stumm " fand kürzlich eine Nachwahl zum Reichstage statt, und da das Zentrum vor Seiner schlotbeherrschenden Majestät unterthänigst die Segel strich, wurde der Alleinherrscher Stumm nahezu einstimmig, wenn man es so nennen will, gewählt. Soweit Stumm und seine Mannen die Wähler nicht kommandirten, that die Polizei das Ihrige, feine Opposition gegen den berüchtigten Eisen­fönig" aufkommen zu lassen. Einige muthige Arbeiter im Streise hatten es gewagt, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, und ließen zu diesem Behufe in Nürnberg ein Flugblatt herstellen. Sofort machte sich die Polizei auf und fahndete überall nach diesem Flugblatt, obwohl es noch gar nicht verboten war. Indeß ließ auch das Verbot nicht auf sich warten. Der Regierungspräsident in Trier sein Name wird leider nicht vermeldet erwarb sich das Verdienst, den Staat durch schleunigen Erlaß eines Verbotes zu retten. Wahrhaft klassisch ist die Motivirung", die er dem Erlaß hinzuzufügen geruhte:

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" Der Inhalt des Flugblattes, unter anderen die Säße: Darumt stellen wir einen Kandidaten aus unserer eigenen Klasse, einen Arbeiterkandidaten, einen Sozialdemokraten auf."- Ferner: Es ist das d. h. die Einführung der fünfjährigen Legis­laturperioden ein so unheilvolles Attentat auf das Prinzip der Volkssouveränität zc.", sodann: Durch die neue Sch na ps= steuer z. B. ist der Branntwein des armen Mannes um 70 Pf. per Liter vertheuert worden, nur damit eine Handvoll alt= preußischer Junker etliche 30 Millionen Mark in ihren un­ergründlich tiefen Beutel stecken können"; sodann: Die kleinen Bauern, die Arbeiter, die Handwerker, sie alle müssen zur Gunsten der Junker Haare lassen", lassen in demselben eine Druck schrift erkennen, in welcher sozialdemokratische, auf den Umst urz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Be­strebungen in einer den öffentlichen Frieden, insbesondere die Ein­tracht der Bevölkerungsklassen gefährdenden Weise zu Tage treten. Es war fonach jenes Flugblatt nach den Bestimmungen des§ 11 des vorerwähnten Reichsgesetzes vom 21. Oftober 1878 zu verbieten." Dixit er sprach's und damit war die Sache entschieden. Hätte er gesagt, der Inhalt des Flugblattes, unter anderen die Säße: zweimal zwei ist vier" und alle Menschen müssen sterben," sodann 1 von 1 bleibt Null " lassen in demselben 2c. 2c.( Fortsetzung der Litanei fiehe oben) die Beweisführung wäre um keinen Deut minder überzeugend, genau ebenso z wingend gewesen. Auch die in diesen Säßen enthal­tenen Wahrheiten können zu Zeiten für gewisse Leute unangenehm werden, und ein anderes Kriterium des Umsturzes" als die Eigen­schaft des unangenehmen Klanges für gewisse Ohren enthalten die zitirten Säße des Flugblattes nicht.

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Indeß wozu uns bei oft Festgestelltem lange aufhalten. Solche Polizei­Niedertracht nagelt man an, und damit ba st a!

Lumpazine Ehrenberg ist wieder an der Oberfläche. Aus einem amerikanischen Blatte ersieht die Züricher Post", daß Lumpazius von Ehrenberg, welcher der deutschen Justiz so gelegen verschwand, in Cleveland ein Blatt düngt, das den Namen ,, Germania " führt. Der Mann, heißt es, welcher hier. in Zürich gemeinfaßliche" Artikel über den vortheilhaften Betrieb des Straßen- und Barrikadenkampfes