falls fich für einen feschen Soldaten, nicht aber für das Soldaten­spielen zu begeistern!

Doch Scherz bei Seite. Es ist nicht einmal richtig, daß nur die an­genehmen Berufe, die ein behagliches Leben sichern, von den Vertretern ber Frauenemanzipation beansprucht werden. Ehe wir indeß auf diese Frage eingehen, noch eine Vorbemerkung.

Bar macht sich seine Angriffe dadurch sehr leicht, daß er fort­gesezt alle Gegner der heutigen untergeordneten Stellung der Frau in einen Topf wirft. Bourgeoisfrauenrechtler der verschiedensten Schattirungen, sozialistische Vorfämpfer für die Befreiung der Frau sind für ihn Eine Notte Korah  ; was die Einen geschrieben, müssen die andern verant= worten und umgekehrt. Dadurch kommt er in die angenehme Lage, ihnen allen die schönsten Widersprüche vorwerfen zu können. Es gibt extreme Frauenrechtler, welche der Fran keinen Beruf, selbst den ge­fährlichsten und unangenehmsten nicht, verschlossen wissen wollen. Die Frau soll nach ihnen Grubenarbeiten verrichten dürfen, auf Hochbauten arbeiten, an der Drehbank stehen, genau so wie die Männer, aber auch wie die Männer nach bestandenem Examen als Arzt, Advokat pratti­ziren 2c. 2c. Wir Sozialisten gehen nicht so weit, wir erkennen der Gesetzgebung das Recht zu, die Beschäftigung von Frauen in gewissen Industrien zu verbieten, z. B. in solchen, deren Betrieb erfahrungsgemäß die Frau unfähig macht, gesunde Kinder zu erzeugen 2c. Man mag über jeden der beiden Standpunkte urtheilen wie man will, zusammenwerfen darf man sie nicht. Der Eine geht von der bürger­lichen Gleichheitsidee aus, der andere, was Bar ganz unbekannt zu sein scheint, von der ökonomisch- sozialen Entwickelung der modernen Gesellschaft. Die Frauenfrage vom sozialen Gesichtspunkt aus zu beleuchten, fällt ihm überhaupt nicht ein.

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Den Zulaß zu den unangenehmen Berufen braucht Niemand für die Frauen zu verlangen, den räunit ihnen die bestehende Gesellschaft mit Vergnügen ein, so weit sie sie nicht schon in deren Dienst gepreßt hat! Es war wirklich nöthig, das Soldatenspielen anzuführen und den Dienst als Polizisten; denn von ihnen abgesehen, gibt es vielleicht keinen untergeordneten Beruf, in den nicht bereits die Frau einge­drungen wäre. Die gröbsten, anstrengendsten, die abstoßendsten, gesund­heitsschädlichsten Arbeiten werden heute in einer ganzen Anzahl nur, in den übrigen mit von Frauen verrichtet. Und wenn der große General­trach, an dessen Zustandekommen sämmtliche Gottesgnadenhäupter Europas  so eifrig arbeiten, noch etliche Jahre auf sich warten läßt, so können wir es bei den wachsenden Ansprüchen des Militärmolochs vielleicht doch noch erleben, daß auch der letzte Wunsch Bay's in Erfüllung geht und man auch die Frauen zum Wehrdienst einegerziert.

Jedenfalls ist die Thatsache, daß die Franen nicht Soldat werden, absolut kein Grund, ihnen den Zugang zu den höheren Berufen zu ver weigern. Fällt es doch keinem vernünftigen Menschen ein, denselben bei Männern vom Tragen des bunten Rocks abhängig zu machen.

Bleibt also nur der Einwand der mangelnden Befähigung". Würde er zu liefern sein, so wäre er auch für uns maßgebend. Aber auch nicht der Schatten eines Beweises ist dafür erbracht. Was mit dem Hinweis auf die physiologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau, Größe des Gehirns, behauptet worden ist, ist viel zu vager Natur, um zu irgend einer Norm Handhabe zu bieten. Allen diesen Theorien steht die nun bereits in unzähligen von Fällen durch die Thatsachen erwiesene Erfahrung gegenüber, daß kein menschlicher Wissenszweig so hoch ist, daß nicht Frauen in ihm alles erlernen können, was man überhaupt erlernen kann. Frauen haben in der Philologie, in der Mathematit, in den Naturwissenschaften und der Medizin, in der Philosophie furz in allen Fächern des Wissens brillante Ecamen abgelegt, oft unter Verhältnissen, die so ungünstig wie nur möglich waren. Frauen haben als Aerztinen, als Anwälte, als Dozenten schon Vorzügliches geleistet, sich als Verwaltungsbeamte, als Leiter geschäftlicher Unternehmungen bewährt mit einem Wort, bewiesen, daß sie denjenigen An­forderungen gewachsen sind, die man vernünftigerweise als Vorbedingung der Zulassung zu den höheren Berufen zu stellen berechtigt ist. Aber sie haben keine schöpferischen Genies ersten Ranges unter sich aufzuweisen! Merkwürdiger Einwand, der uns mit unfehlbarer Regel­mäßigkeit überall begegnet, wo es sich um die Emanzipation, um die Anerkennung bisher in Abhängigkeit gehaltener Elemente handelt. Selbst angenommen, daß es der Frau wirklich unmöglich ist, diejenige Höhe des Wissens und Könnens zu erreichen, die von einzelnen Männern er­reicht wurde, so ist das noch kein Grund, sie noch fernerhin in derjenigen Abhängigkeit zu halten, in der sie bis heute gehalten wurde und noch gehalten wird, künstliche Schranken fortbestehen zu lassen, die eine wirkliche Probe auf die Richtigkeit dieser Behauptung bisher verhinderten.

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" O", sagt Bar salbungsvoll, diese künstlichen Schranken haben in einzelnen Zeitläuften nicht bestanden und bestehen in verschiedenen Zweigen der Künste und Wissenschaften auch heute nicht, und doch haben die Frauen feinen Dante, keinen Raphael, keinen Mozart aufzuweisen. Und er weift auf die griechischen Hetären, die Hetären der römischen Kaiser­zeit, die Frau im heutigen England und Amerika   hin.

Es ist sehr schwer, bei solcher Argumentirung ernst zu bleiben. Weil einzelne Hetären troß ihres Berufes hohes Verständniß für die Wissen­schaften und schönen Künste an den Tag legten, scheint Bar anzunehmen, die daß die Hetäre überhaupt für diese erzogen wurde und nicht dazu, Sinnlichkeit der Männer zu reizen.

Das psychologische Moment in der Erziehung ist für ihn über­haupt nicht da. Er nimmt die Dinge rein äußerlich, wie sie sich schein­bar darstellen, und leitet so aus ihnen seine Schlüsse her. Daß die Frau, seit wir überhaupt eine Geschichte kennen, in der Abhängigkeit und für die Abhängigkeit erzogen wurde, daß ihre Erziehung ge= flissentlich darauf gerichtet war, das ernsthafte Denken zu unter­drücken, daß sie von Jugend auf für den Mann, sei es als seine Magd oder als sein Spielzeug, erzogen wurde, darüber geht er mit Seelenruhe hinweg, versagt es sich aber nicht, den Frauen vorzu­rechnen, daß sie vom Drechseln lateinischer Verse verschont geblieben. Als ob es nicht noch Geisttödtenderes im Unterricht gäbe.

Die Ignorirung der erklärenden Umstände bei der Beurtheilung der von ihm in's Feld geführten Thatsachen tritt auch frappant zu Tage, wo Bar den Versuch macht, aus der angeblichen größeren Lebenskraft der Frau einen Beweis für ihre Inferiorität gegenüber dem Mann herzuleiten. Er nimmt einzelne ihm grade in den Kram passende Bei­spiele und verallgemeinert sie ohne Weiteres für seine Zwecke. Nun weist wirklich die Statistik in einer Reihe von Kulturstaaten einen Ueber­schuß an weiblicher Bevölkerung auf, während Knaben zahlreicher ge= boren werden als Mädchen. Aber wie viele Thatsachen sozialer und politischer Natur tragen dazu bei, diese Erscheinung herbei­zuführen! Auswanderung und Krieg sind die am öftesten zitirten, es gibt aber noch eine ganze Reihe anderer. Von Jugend auf setzt sich heute der Mann größerer Lebensgefahr aus, als das Weib, nicht immer grade im Interesse der Gesellschaft. Auch lebt im Allgemeinen die Frau viel mäßiger als der Mann, was entschieden ihre Widerstandsfähigkeit erhöht. Die Statistik ist noch nicht soweit entwickelt, allen diesen Umständen genügend Rechnung zu tragen, wir tennen sie aber und müssen sie daher in Betracht ziehen. Von alledem bei Bar kein Wort. Er nimmt die rohe Thatsache und zieht daraus Schlüsse, die einer Vertheidigung der Brutalität Frauen gegenüber fehr nahe kommen. Aber er ist beileibe kein Frauenhaffer.

Am Ende seiner Ausführungen wird unser guter Feind der Frauen­vergötterung mit einem Male fromm". Er zitirt Schopenhauer  , der das Weib die Lebensschuld" mit ihrer Unterwürfigkeit unter den Mann bezahlen läßt, und findet mit ihm, daß der Mann der wahre Mensch", das Endziel, der Telos" der Dinge sei. Einen Beweis dafür gibt es natürlich nicht, wir müssen es glauben.

Nicht doch, auch hier weiß Bar Rath. Rann irgend Jemand", fragt er, sich das Weib als unabhängig eristirendes Wesen vorstellen, sei es einzeln als Persönlichkeit oder kollektivistisch als Geschlecht?" Das kann Niemand, und wir Frauenvergötterer" sind geschlagen. Nur eine Frage sei uns noch gestattet. Wie stellt sich Bay den Mann als unabhängig eristirendes Wesen vor, sei es einzeln als Persönlich­keit, oder kollektivistisch als Geschlecht?" Wir gestehen, daß wir das ebensowenig vermögen, wie das Erstere. Vorausgesetzt, daß der Sat nicht auf die größere Selbstständigkeit abzielt, die dem Mann die ge= sellschaftlichen Zustände ermöglichen, wie sie sich historisch entwickelt haben. Uebrigens spielt troß ihrer der an und für sich" be= stehende Mann, d. h. der Junggeselle, meist eine recht klägliche Figur. Wir sind am Schluß. Fassen wir unser Urtheil über die Bar'sche Darstellung der Frauenfrage noch einmal zusammen. Wir haben gesehen, daß er dieselbe in einseitigster Weise als eine Bewegung für die Privi­

legien einer schon bevorrechteten Kaste oder Klasse auffaßt. Die heutige Bourgeoisfrau ist ihm die Fran überhaupt. Die Proletarierin, die wirkliche Arbeiterin, wird nur angeführt, um gegen die Bourgeoisfrau zu zeugen, ebenso die Frau der Vergangenheit gegen die Frau der Gegen wart. Dabei wird aber weder den Verschiedenheiten der sozialen, noch denen der historischen Zustände Rechnung getragen, eine Entwickelung gibt es in der Frauenfrage überhaupt nicht. Was dabei herauskommen muß, liegt auf der Hand. Das individuelle Gefühl entscheidet, und Bar, den einzelne Ungerechtigkeiten oder Unzuträglichkeiten, die sich aus der falschen Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft ergeben, ganz besondere Schmerzen verursachen, nimmt diese Schmerzen zum Maßstab seines Urtheils über die ganze Frauenbewegung.

Das ist, wir wiederholen, der Standpunkt des Philisters. Auch der Philister denkt, wenn er von Frauenemanzipation hört, nur an die lächerlichen Uebertreibungen, die hier und da vorgekommen sind, oder wohl noch vorkommen. Genau so wie er vom Sozialismus nur die Aeußerlichkeiten begreift, derselbe ihm gleichbedeutend ist mit Mord und Brand, mit allgemeiner Theilung und roher Gleichmacherei. Aber die Macht der Dinge ist stärker als das Vorurtheil des Philisters. Er mag spotten oder schimpfen, Polizei und Gesetzgebung anrufen, er wird das Gespenst des Sozialismus nicht los. Immer näher rückt ihm derselbe auf den Leib und zwingt ihn, endlich zu erkennen, daß er Fleisch und Blut hat, eine Realität, eine Nothwendigkeit ist.

Und ebenso ergeht es ihm mit dem speziellen Theil der sozialen Frage, den man Frauenfrage nennt. Der Zersehungsprozeß der bürgerlich­fapitalistischen Gesellschaft hat bei der Stellung, welche die althergebrachte Doktrin der Frau anweist, nicht Halt gemacht, er hat auch die bisher geschüßte Frau der bürgerlichen Klasse ins Erwerbsleben geschleudert und damit den Bestrebungen nach sozialer Befreiung der Frau eine Basis geliefert, die allen Einwendungen spottet. Gleichzeitig schafft die ökonomische Entwickelung der Gesellschaft aber auch die Bedingungen, unter denen diese Befreiung sich vollziehen kann. Die Frauenfrage ist längst über das Stadium einer bürgerlichen Spielerei hinausgewachsen, sie ist ein Problem, das sich mit jedem Tag mehr der Gesellschaft auf­drängt und daher mit Ernst erforscht und behandelt werden muß. Wie in jeder großen Bewegung geht es auch bei ihr nicht ohne Uebertreib­ungen, wie in jeder revolutionären Bewegung denn das ist sie nicht ohne Unbequemlichkeiten für die bisher Privilegirten ab. Das mag den Philister sehr betrüben, wer frei von Vorurtheilen ist, freut sich des Fortschritts, auch wenn dabei manche Gottähnlichkeit zum Teufel geht.

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Sozialpolitische Rundschan.

London  , 24. April 1889.

- Die Feigheit des deutschen Bürgerthums zeigt sich unter Anderem in der Beslissenheit, mit welcher es sich jetzt über den Beschluß der Reichsbeschwerdekommission in Sachen der Berliner Volkszeitung" felber zu täuschen versucht. Es wird nämlich hartnäckig behauptet, durch die Motivirung sei festgestellt, daß die Volkszeitung" auf Grund des Sozialistengesezes nicht verboten werden könne; zwar seien in der Volkszeitung" sozialdemokratische Umsturzbestrebungen er­fannt worden, jedoch nicht in solcher Quantität oder Qualität, daß sich die Berechtigung eines Verbots daraus herleiten lasse. Das ist eine ganz falsche, und wie wir überzeugt sind, eine be= wußt falsche Auffassung des Entscheides der Reichsbeschwerde- Kom­mission. Die feigen Philisterorgane schließen absichtlich die Augen, um den gähnenden Rachen nicht zu sehen, der sich vor ihnen geöffnet hat. Die Volkszeitung" selbst macht sich feine Illusionen sie weiß, daß der einzige Tadel, der die Berliner   Polizeidirektion in dem Bescheide der Kommission getroffen hat, der ist, täppischer Weise eine falsche Nummer verboten zu haben, und daß das nächste Mal eine richtige Nummer gepackt werden wird.

Der Frankfurter   3tg." entlockte die gleiche Erscheinung wir meinen die Feigheit des deutschen Bürgerthums jüngst folgen­den Klage Artikel:

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, Unsere Tage stellen auch die eifrigsten Jünger der Kunst des ,, nil dmirari"( Sich über nichts wundern) auf harte Proben. Mel­dungen, die man noch vor Jahresfrist für schlechte Scherze gehalten haben würde, finden nicht nur Glauben, sondern werden auch mit einem Ernst besprochen, der sich wie ein blutiger Hohn auf die Rechtsbegriffe und auf den Fortschritt des Jahrhunderts ausnimmt. Was aber das Schlimmste ist, das Bürgerthum, das auf seinen Liberalismus pocht, nimmt dergleichen mit einer Stumpfheit und Gleich= giltigteit hin, wie sie in Deutschland   seit Beginn der Fünfziger Jahre nicht erlebt worden ist. Damals wußte die Reaktion in dieser Atmosphäre vortrefflich zu gedeihen; sollte ihr das jetzt weniger ge= lingen? Wir fürchten, die letzten Dinge werden schlimmer sein, als die ersten waren, denn in den Fünfziger Jahren war die Abgestumpft­heit des Bürgerthums eine Folge der erlittenen Niederlage, heute er­scheint sie als eine Frucht des nationalen" Aufschwunges, als der real­politischen Weisheit letzter Schluß.

Wir wollen etliche Proben herausgreifen. Da ist der Entwurf eines Gesetzes zur Knebelung jeglicher Opposition; welche tiefgehende Be­wegung würde ein solcher gegen die freie Meinungsäußerung gerichteter Anschlag noch vor wenigen Jahrzehnten hervorgerufen haben! Man erinnere sich des Schreies der Entrüstung, der 1863 die preußische Preßordonnanz, die erste Verfassungswidrigkeit der Bismarc'schen Aera, begleitete, und der Wandel der Zeiten und Menschen tritt grell hervor. Nirgends regt es sich heute, es ist, als sei dem deutschen Volfe die Be­deutung des freien Wortes für die politische und soziale Entwickelung aus dem Geiste geschwunden, als erblicke es in der Presse nicht mehr die Verfechterin seiner Rechte, sondern nur noch eine lästige Mahnerin, deren Schweigen ihm angenehme Ruhe bereiten werde. Was die nationale Machtanbetung nicht thut, das bewirkt die Furcht vor der Sozialdemokratie; zwischen diesen beiden Steinen wird gerieben, was sich einst stolz bürgerliches Bewußtsein nannte und wehrhaft und kampfbereit auf der Zinne der Partei stand, um jeden Angriff abzuschlagen. Jezt ist der Wall verödet, wenn die Bresche freiliegt, wird es zu spät sein zum Handeln und zur Reue..

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Das volksparteiliche Blatt bespricht dann weiter den Versuch, aus der Kritik Wilhelm I.   eine Beleidigung Wilhelm II.   herauszustaats­anwälteln, sowie den Plan, die Neidstagsfraktion der deutschen Sozial­demokratie für einen Geheimbund zu erklären, und schließt 199

Für uns ist nur Gines vorerst klar, daß wir es hier nämlich mit einem System zu thun, haben, das einen doppelten Zweck verfolgt, ein­mal die öffentliche Meinung auf angebliche Lücken in unserem Strafrecht hinzuweisen und sie zugleich einzuschüchtern, daß sie es nicht wagt, gegen die Versuche, diese Lücken auszufüllen, sich ernstlich zur Wehre zu setzen. Die Staatsanwaltschaften erperimentiren ob auf Anweisung oder aus eigener Angebung bleibe dahingestellt einst­weilen mit den gewagtesten Auslegungen der Geseze; gelingen die Ver­suche, so ist ja die Bahn frei, mißlingen sie, so ist damit der Beweis erbracht, daß Hindernisse vorhanden sind, die in gefeßlicher Weise aus dem Weg geräumt werden müssen, wenn die Grundlagen der Staats­ordnung" wirksam geschüßt sein sollen. Eine servile Presse unterstüt diese Experimente durch den lauten Nuf, das öffentliche Wohl müſſe als die höchste Richtschnur im Staatsleben gelten, das gebildete Bürgerthum aber läßt sich patriotisch in's Bocks= horn jagen durch die Vorführung angeblicher wilder Erzesse, zu denen die Freiheit der Presse in Deutschland   die Geister der Opposition angereizt habe. So wird die Stimmung präparirt für die Knebelung der öffentlichen Meinung; der gutgesinnte Bürger soll sich freuen, daß ihm Niemand etwas anhaben, sein Recht keine Gewalt antasten will, und er freut sich wirklich, bis eines schönen Tages auch ihm der Knebel auf dem Mund sißt und selbst am Stammtisch, wo man ja auch vor Denunzianten nicht ganz sicher ist, nicht von ihm weichen will. Dann soll die Presse helfen, die er selbst mit erschlagen hat, aber ,, die Klage, fie wecket die Todten nicht auf."

Das ist sehr richtig, und namentlich ist es der am Schluß zitirte Vers: Die Klage, sie wecket die Todten nicht auf." Die Klage der Frankfurterin und der übrigen bürgerlich demokratischen Blätter wecket den im deutschen Bürgerthum erstorbene Sinn für Freiheit und

Recht ebenfalls nicht auf, er hat aufgehört, zu den Größen zu zählen, die in politischen Berechnungen in Betracht gezogen werden. Zum Glück ist darum aber die Sache der Freiheit und des Rechts- nicht auch zu gleich verloren, ihre Partei lebt, und wenn sie auch noch nicht start genug ist, den Rückwärts- Elementen das Handwerk zu legen, so ist sie doch im steten Wachsthum begriffen und voll frischer, fröhlicher Kampfes­lust, denn die Klagen, sie wecken die Todten nicht auf.

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+ Die Statistik ist den Vertretern der bestehenden Gesellschafts­ordnung ein Dorn im Auge, weil sie durch Feststellung und syste= matische Ordnung der Thatsachen die Richtigkeit der sozialdemokratischen Lehre beweist, und die Gemeinschädlichkeit der heutigen Ordnung der Dinge jedem Denkfähigen klar macht. An keinem Zweige der Wissen­schaft wird deshalb auch so viel herumgefälscht, wie an der Statistik; höchstens noch in der Geschichte. Nicht zufrieden damit, die Statistik auf alle mögliche Weise zu beschränken, sie von Gebieten fernzuhalten, deren Beleuchtung man in ganz besonderem Grade zu fürchten Grund hat, gibt die offizielle, patentirte Wissenschaft sich auch die erdenklichste Mühe, die in ihren Stram nicht passenden Thatsachen, welche troßdem zu Tage gefördert werden, entweder dem großen Publikum verborgen halten, oder sie ihm nur verdreht, verstümmelt oder in einer Zu­bereitung zugänglich machen, die das eigentliche Wesen und die Bedeu­tung nicht erkennen lassen.

Selbst Männer, die auf ihren wissenschaftlichen Ruf einigen Werth legen, wie Professor Conrad in Halle tragen dem Fälschungs- und Verschleierungs- Bedürfniß der heutigen Gesellschaft Rechnung.

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Im neuesten Heft seiner Tagebücher für National- Dekonomie und Statistik" veröffentlicht er z. B. eine vergleichende Berechnung, welche Professor Soet beer in Göttingen   nach der Statistik der Klassen- und Einkommen- Steuer über das Volfseinkommen in Preußen in den Jahren 1876 und 1888 angestellt hat. Die Einkommen sind so berechnet, daß zu den Veranlagungen ein Zuschlag von 25 pCt. und in den Steuerklassen über 100,000 Mark ein Zuschlag von 10 pCt. gemacht ist. Darnach ergibt sich: 1876: Gesammt- Einkommen der Besteuerten 7857,2 Millionen Mark; Einkommen der Klassen mit Ein­tommen über 6000 Mark 958,5 Millionen, das Verhältniß also 100,0: 12,2. 1888: Gesammt- Einkommen 9332,1 Millionen Mark; Einkommen der Klassen mit Einkommen über 6000 Mart 1390,2 Millionen Mark, das Verhältniß also 100,0: 14,9.

Hieraus erhellt mit einer nicht mißzuverstehenden Deutlichkeit, daß der Antheile der reichen Leute am sogenannten National- Reichthum und National- Einkommen seit 1876 erheblich zugenommen hat. Die sogenannte Fürsorge für den armen Mann", die der leitende Gedanke der herrschenden Wirthschaftspolitik sein muß, stellt sich sonach ziffernmäßig als Fürsorge für die Reichen, d. h. als eine unver= schämte Lüge und Heuchelet heraus, was die Sozialdemokraten von Anfang an behauptet hatten und für welche richtige Behauptung fie manches Jährchen Gefängniß haben verbüßen müssen. Man erinnere sich nur der Prozesse auf§ 131, die während mehrerer Jahre namentlich in Sachsen   epidemisch waren, ehe der Paragraph 131 durch die Dank den Handlangerdiensten des Reichsgerichts bequenteren§§ 128 und 129 abgelöst worden ist.

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Indeß, die obigen Ziffern sind noch nicht die lehrreichsten. Professor Soetbeer hat auch die Kernfrage untersucht, ob die kleinsten oder die größten Vermögen sich stärker vermehrt haben. Und hier kommt der Herr Professor denn genau zu denjenigen Resultaten, die jedem Kenner der kapitalistischen   Produktionsweise und ihrer Wirksamkeit von vornherein selbstverständlich sein mußte.

Wie weiß er das fatale Ergebniß aber zu verhüllen! Doch lassen wir ihm zunächst selbst das Wort:

Nach der obigen Aufstellung der Klassen- und Einkommenstatistik beliefen sich die Einkommen der bedürftigen Klassen auf 17,7 Prozent des Gesammt- Einkommens der Bevölkerung. Auf die Klasse B, die der tleineren Einkommen von 526 bis 2000 Mart, entfällt sowohl hinsichtlich der Zahl der Gensiten( Eingeschäßten) als auch der Summe Der Einkommen mehr als die Hälfte des Ganzen. Ihre ab­solute Zunahme von 1876 bis 1888( von 4,704,757 Cenfiten mit 4354,4 Millionen Mark Einkommen auf 5,259,805 Censiten mit 4805 Millionen Mark) um bezw. 11,6 Prozent und 10,1 Prozent bleibt freilich etwas zurück im Verhältniß zur Zunahme des Ganzen.

Ehe wir diese Ziffern betrachten, müssen wir uns die Thatsache in's Gedächtniß rufen, daß 77,6 Prozent der eingeschätzten Bevölkerung, d. h. 776 von 1000 Personen in Preußen unbesteuert sind, weil sie ein geringeres Einkommen als 526 Mark jährlich befizen. Die kleineren Einkommen von 526 bis 2000 Markt" gehören demnach schon dem unteren Mittelstand, den gemeiniglich sogenannten fleinen Leuten", deren Zahl sich in den Jahren von 1876 bis 1888 nicht im Verhältniß zur Zunahme des Ganzen" vermehrt hat. Mit andern Worten: die Zahl der sogenannten kleineren Leute hat relativ, d. h. im Verhältniß zur Gesammtzahl der Besteuerten, welche 22,4 Prozent der Gesammtbebölferung betragen, abgenommen, der untere Mittelstand geht also mehr und mehr zurück. Herr Professor Soetbeer weiß sich jedoch über diese, den Lobrednern der heutigen Zustände so fatale, und den Sozialdemokraten gegenüber so hartnäckig geleugnete Thatsache mit jener, der priviligirten deutschen Wissenschaft eigenen Nonchalance hinweg zu setzen. si doom

Das freilich" am Ende des obigen Zitats bereitete den aufmerksamen Leser schon auf ein sophistisches Professoren- Kunststückchen vor; und der Herr Professor täuscht diese Erwartung auch nicht. Es folgt das übliche aber":" Aber dies nämlich der relative Rückgang des unteren Mittelstands wird erfreulicherweise dadurch bewirkt, daß die höheren Einkommentlassen Cbis Feine noch bedeutendere Steigerung aufweisen".

Dieses erfreulicherweise" ist köstlich. Es ist die panglossistische Zu­friedenheit der deutschen Patent- Wissenschaft mit Allem, was da ist. Nur daß diese neumodische Panglosse mit den gehaltserhöhungsdurstigen Taschen und den ordenshungrigen Knopflöchern nicht Opfer einer uto­pistisch- ideologischen Marotte find wie der ehrliche Dr. Pangloß Voltaires. Behüte diese Burschen sind nicht in Selbsttäuschung befangen, sie kennen die Wahrheit, verschweigen sie aber aus Berechnung in ihrem persönlichen Interesse, im Interesse ihrer St I asse

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In Wirklichkeit sind die Resultate, zu denen Professor Soetbeer ge­langt ist, die denkbar ungünstigsten für die heutige Ordnung der Dinge. Seine Zahlen beweisen, so handgreiflich es überhaupt bewiesen werden fann, daß der Mittelstand mehr und mehr zersetzt, und in das Prole­tariat hinabgeschleudert wird, wohingegen die Vermögen der höchsten Klassen nach Soetbeer's Berechnungen bis zu 56 Prozent zu genommen haben.

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Kann es eine deutlichere Sprache geben? Bersetzung und Vernichtung des Mittelstandes und Züchtung von Millionären und Proletariern.

Und das nennt Professor Soetbeer mit Professor Conrad's Billigung: erfreulich".

erfreulich ist es

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Ja jedoch nicht für die Lobredner und Stüßen der heutigen Gesellschaft, sondern für uns, die bereit dastehen­den Todtengräber des Kapitalismus.us

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Der Mittelstand ist der Pfeiler, auf welchem unsere bürgerliche Ge­sellschaft ruht und diesen Pfeiler unterwühlen in emsigem Eifer, die Ratten des Kapitalismus, jo daß im eigentlichsten Sinne des Wortes die bürgerliche Gesellschaft durch Selbstmord enden muß.

So will es die eherne Logik der Thatsachen, wie sie sich in der Statistit offenbart. Die Japanesen nennen den von der Regierung be= fohlenen Selbstmord den Harikiri  , zu deutsch die glückliche Er­lösung.

Das Proletariat sieht fröhlichen Sinns der Nattenarbeit zu und erwartet sehnsuchtsvoll die Stunde der glücklichen Erlösung!

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Gott hat's gewollt und die von Gott   eingesetzte Obrigkeit hat's verschuldet. In seinem Ukas über den Untergang der deutschen Kriegsschiffe vor Samoa   behauptete Wilhelm II.  , daß Gottes Wille" den auf diesen Schiffen stationirten Mannschaften das Leben genommen habe und spricht sein Bedauern" darüber aus. Das ist," bemerkt das St. Louis Tageblatt" ein Frevel gegen Gott  . Ueber Gottes Willen" hat sich Niemand" bedauernd" auszu­lassen. Da Gott allweise, allgütig u. s. w. ist, so muß er wohl am besten wissen, was sich schickt." Gegenüber Gottes Willen" gibt es nur die Worte Hiob's  :" Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's ge= nommen, der Name des Herrn sei gelobt."

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