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tiges Aufgebot von Mältär war im Stande, die Ruhe" wieder her= zustellen, aber erst, nachdem die gesammte arbeitende Bevölkerung Wiens in der gewaltsamsten Weise aufgerüttelt worden.
Daß das Lumpenproletariat diese Gelegenheit benußte, seinen Haß gegen Gesellschaft und Eigenthum und deren Wächter in seiner Weise Ausdruck zu geben, ist nicht zu leugnen. Das wird sich immer und überall ereiguen, wo das Volk mit der bestehenden Ordnung in gewalt= samen Konflikt kommt, und diese Betheiligung wird umso intensiver werden und umso häßlichere Gestalt annehmen, je länger die heutige Gesellschaft dauert, die das Lumpenproletariat züchtet und verkommen läßt.
Die Berantwortung für dessen Gebahren fällt ausschließlich auf die fapitalistische Gesellschaft, deren ureigenstes Produkt das Gesindel" ist; sie hat es geschaffen, fie mag zusehn, wie sie damit fertig wird. Erscheint es ihr während eines Volksaufstandes besonders gefährlich, so ist das ein Grund für fie, für ihre Stüßen und Leiter, jede Provokation eines solchen auf das Aengstlichste zu meiden, es ist kein Grund für die Arbeiter, vor jeder Provokation zurückzuweichen.
Es heißt die Bedeutung der„ Erzesse" abschwächen, wenn man, wie die Tagespresse es thut, behauptet, blos das„ Gesindel" habe sich daran betheiligt. Das ist nicht wahr, wie Schreiber dieses aus eigener Wahrnehmung behaupten kann. Die ganze Bevölkerung der Arbeiterquartiere war auf den Beinen, auf das Nachdrücklichste gegen die Polizei und ihr Verhalten im Streit zu demonstriren." Pilger", wie man hier die Lumpenproletarier nennt, waren dabei, aber sie waren die Minderheit gegenüber Arbeitern und Kleinbürgern und deren Frauen. Auch. Sozialdemokraten fehlten nicht.
Es wäre ein Unding, wollte unsere Partei als solche„ Exzesse" arrangiren; nicht nur, daß dergleichen sich nicht arangiren läßt, so beruht deren Bedeutung ja nur auf ihrer Spontanität; sie erlangen kaum je politische Bedeutung, sie ändern nichts am Kräfteverhältniß der Parteien, ihre Wirkung ist bloß eine moralische, indem sie bligartig die Stimmung erhellen, die in den Volksmassen herrscht, die für gewöhnlich nicht zum Wort kommen und die man für zufrieden hält, weil man sie nicht murren hört. Aber wenn es ein Blödsinn für die Sozialdemokratie wäre, Erzesse und Putsche zu arangiren, so ist das doch kein Grund, warum gerade Sozialdemokraten sich von einem thatkräftigen Protest ihrer Klassengenoffen gegen die Willkür des Klassenregiments fern halten follten. Im Gegentheil, ihr zahlreiches Einschreiten bei solchen Gelegenheiten kann nur die vortheilhafte Wirkung haben, den Einfluß des Lumpenproletariats niederzuhalten, die Menge vor thörichten Streichen zu warnen und dahin zu wirken, daß der Protest sich auch wirklich an die gehörige Adresse richte. Wir freuen uns, konstatiren zu können, daß auch die klassenbewußten Arbeiter, daß auch viele Sozialisten auf die Seite der Erzedenten" traten: ihnen vor Allem ist es zu verdanken, daß die Spize der Demonstrationen gegen die Tramway- Gesellschaft und die Polizei gerichtet blieb und daß die entstandene Bewegung nicht zu einem Juden Krawall sich umwandelte. Man kann solche Bewegungen nicht machen, aber bis zu einem gewissen Grade leiten, und daß ihre Nichtung gegen die wirklichen Ver= anlassungen eines Mißstandes sich wende und weiter kann ja eine plötzliche Bewegung unorganisirter Massen in der Regel nicht gehen, die Grundursachen der Noth bleiben davon unberührt daß die Bewegung gegen die wahren Schuldigen sich wendet und nicht am Ziele vorbeischießt, dafür haben gerade die Sozialisten zu sorgen, ihr überlegenes Wissen und ihre überlegene Erfahrung zu bethätigen.
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Da fast die ganze Bevölkerung der Arbeiterviertel an den„ Erzessen" sich betheiligte, waren außer Sozialdemokraten auch Antisemiten dabei vertreten, das heißt, die große Masse der Kleinbürger, die, halb verzweifelnd, doch noch glaubt, ihr Ruin sei die Folge einzelner Personen, nicht des Systems; die im Antisemitismus den richtigen Ausdruck ihrer dentfaulen und beschränkten dumpfen Unzufriedenheit gefunden hat. Wahrhaft er bärmlich dagegen haben sich die antisemitischen Führer be= nommen. Selbstverständlich verlangte man von den Herren nicht, daß fie in Favoriten und Hernals mitdemonstriren sollten. Sie hatten andere, wirksamere Mittel, ihren Sympathien für die streifenden Kutscher Ausdruck zu geben, und man durfte das um so eher erwarten, als diese , Christen" sind, die Pferdebahngesellschaft dagegen eine Judengeſellschaft" ist, beherrscht vom Juden Reizes. Aber für die antisemitischen Führer ist der Kampf gegen das Judenthum nur ein Kampf um die Beute, ein Stampf um das Privilegium auf Ausbeutung, nicht ein Kampf gegen die Ausbeutung. An Stelle der ausbeutenden Juden sollen ausbeutende Christen treten, die Ausbeutung selbst nicht angetastet werden. Da es nicht zu erwarten ist, daß Tramwayfutscher selbst nach radikaler Austreibung der Juden zu Ausbeutern werden, haben sie kein Anrecht auf die Sympathien unserer antisemitischen Herren. Dieselben rührten feinen Finger für die Streifenden; ihr Blatt, das täglich erscheinende Deutsche Volksblatt", äußerte sich fühl und nichtssagend und dachte nicht im Entferntesten daran, etwa eine Sammlung zu Gunsten der Kutscher einzuleiten.
Im Gegentheil. Die Liberalen wollten in höchst einfältiger Weise die Antisemiten als die Macher der Exzesse hinstellen. Unter Anderem behaupteten sie, dieselben hätten den streifenden Kutschern Geld gegeben; da verwahrte sich nun das„ Volksblatt" im Brustton tiefster Entrüstung gegen diese„ elende Verläumdung" und erklärte, daß vielmehr die Juden die Streifenden unterstützt hätten, nämlich der Jude Dr. Adler, der auch die Streifenden aufhezt und haranguirte".
So das Blatt, welches vorgibt, die Interessen der„ werkthätigen Bevölkerung gegenüber der Ausbeutung durch das jüdische Kapital" zu vertreten!
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Die Herren Liberalen und Antisemiten haben sich übrigens gegenseitig nichts vorzuwerfen, die Einen wie die Anderen haben sich gleich schäbig und feig benommen. Wer die Streifenden unterstüßte, das waren nicht die Antisemiten, nicht die Juden", sondern die„ Sozial= demokraten ". Nicht der Jude Adler, sondern der Sozialdemokrat Adler ist für sie eingetreten. Unsere Genossen haben den Streit natürlich nicht provozirt, sobald aber einmal die Kutscher ihren Entschluß geäußert, zu streiken, haben unsere Genossen Alles aufgeboten, daß der Streif günstig für dieselben ausfalle. Sie haben sie mit den betreffenden Gefeßesbestimmungen bekannt gemacht, so daß die Kutscher auf gefeßlichem Boden verblieben und den Herren Polizeikommissären die Freude verdarben, die schon in der Vorahnung der kommenden Ungefeßlichkeiten geschwelgt hatten. Sie haben den Stutschern gezeigt, wie man fich organisirt und wie die Einzelnen in Fühlung mit dem Gros bleiben; sie haben endlich in der Gleichheit" eine Sammlung eröffnet, die binnen wenigen Tagen achthundert Gulden ergab, eine für unsere bescheidenen Verhältnisse bedeutende Summe. Leider dürfte damit ein Auslangen nicht getroffen werden; es dürften manche der Streifenden gemaßregelt werden, die Leute haben gar keinen finanziellen Rückhalt; es gilt, ihnen und durch sie der ganzen arbeitenden Bevölkerung zu zeigen, daß die Arbeiter in ihrem Kampfe nur einen Freund haben, der thatkräftig für sie eintritt, die Sozialdemokratie, zunächst des eigenen Landes, wo die nicht ausreicht, die internationale Sozialdemokratie.
Es würde daher die Redaktion des„ Sozialdemokrat" der Sache einen großen Dienst leisten, wenn sie eine Sammlung für die Opfer des Tramwaystrifes eröffnen wollte. Die moralische Wirkung dieser Unterstügung wird eine noch viel größere sein als die finanzielle; sie wird in den Arbeitern Desterreichs das Bewußtsein ihrer internationalen Solidarität, vor allem mit den Genossen im Reich, verstärken. Die Arbeiter Desterreichs haben troß ihrer Armuth bei den letzten Reichstagswahlen in Deutschland 300 Gulden für ihre deutschen Genoffen aufgebracht. Mögen diese sich jetzt revanchiren.
Ueber den Ausgang des Streits ist zur Stunde, wo ich dies schreibe, Sicheres noch nicht zu melden. Die Unterhandlungen schweben noch. Die Absendung dieses Berichts läßt sich indeß nicht verzögern, wenn er noch vor Redaktionsschluß einlaufen soll. Wenn es den Kutschern gelingt, etwas zu erreichen, haben sie es nur dem Eingreifen ihrer Klassengenossen zu verdanken. Ohne das Eingreifen der Sozialdemokraten durch Rath und Geldsammlungen wären die Kutscher schon am ersten Tag unruhig und uneinig geworden und schmählich unterlegen. Und troß des festen Zusammenhaltens der Nuhe, Besonnenheit und Ausdauer, die sie thatsächlich an den Tag gelegt, wären sie schließlich doch auf Gnade oder Ungnade der Nache ihrer Beiniger preisgegeben worden, denn ökonomisch waren sie besiegt, sobald die Polizei gegen sie und für die Scabs eintrat. Wenn sie trotzdem nicht unterlegen sind, so danten sie es den„ Exzessen" ihrer Klassengenossen. Die Kapitalistenpresse behauptet heuchlerisch, diese Erzesse schädigten die Sache
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der Kutscher, raubten ihnen die Sympathien des Publikums. Thatsache ist, daß diese Sympathien des Publikums, soweit dasselbe nicht aus Arbeitern besteht, keinen Finger in Bewegung setzten. Erst als die Grzesse vom Samstag, Montag und Dienstag der Bourgeoisie in die Glieder fuhren, daß ihr die Knie schlotterten, gelangte sie zur Erkenntniß, daß etwas geschehen" müsse, verhängte der Gemeinderath einen Kautionsverlust von 50,000 Gulden über die Gesellschaft, versprachen Statthalter und Ministerpräsident, für die Streifenden ver= mitteln zu wollen. Ohne die Erzesse" wäre es feinem dieser Herren auch mur im Schlaf eingefallen, fich mit der Sache der Kutscher ernsthaft zu befassen, man hätte diese ruhig ihrem Schicksal überlassen. Aber man fann doch nicht Eigenthum und Leben aufs Spiel setzen, der fetten Dividenden des Herrn Neißes wegen?
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Wir Sozialdemokraten können zufrieden sein. Die Polizei hatte uns einen Maultorb angelegt, uns zu hindern, die Bevölkerung zu ber hezzen". Aber ihr Verhängniß will es einmal, daß, so oft sie uns die Berhekung" erschwert, sie selbst dies Geschäft in weit wirksamerer Weise besorgt.
Die Bevölkerung wird wieder zur Ruhe gelangen, die große Masse wieder in Indifferenz versinken. Darüber geben wir uns keinen Illusionen hin. Aber gar mancher ist doch zum Denken gebracht worden, gar mancher geheilt von seinem Vertrauen in die Gerechtigkeits- und Gesetzlichkeitsliebe unserer Polizei, gar mancher zur Einsicht gekommen, daß nur in der Sozialdemokratie das Heil der Arbeiterklasse zu finden ist. Und auch die große Masse vergißt nicht, was die Sozialdemokraten für die Arbeiter gethan haben, was die Polizei wider die Arbeiter verbrochen. Und das Eine wie das Andere wird eines Tages scine Früchte tragen.
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Sozialpolitische Rundschau.
Aus Deutschland wird uns geschrieben: Die Seeschlange des Elberfelder Monstre- Prozesses hat wieder eine andere Gestalt; sie gleicht der Wolfe des Polonius, die erst ein Wiesel ist und dann ein Wallfisch: Gestern war es ein Wallfisch, der, noch schlimmer wie der Wallfisch des Jonas, die ganze sozialdemokratische Fraktion verschlingen wollte; und heute ist's ein dummer schmächtiger Wiesel, der Einem unter den Fingern wegschlupft und dem nicht einmal die gewandtesten der Reptilien Salz auf den Schwanz zu streuen vermögen. So schreibt z. B. Hr. Pindter von der Norddeutschen Allgemeinen", die Absicht des Elberfelder Staatsanwalts, die fozialdemokratische Reichstagsfraktion in seinen Prozeß zu verwickeln, sei nicht recht verständlich; und gleichzeitig wird aus Elberfeld in auffallend emphatischer Weise gemeldet, daß für den Prozeß weder ein Termin anberaumt, noch die Zahl der Angeklagten schon bestimmt sei. Das heißt: die blödsinnige Anklageschrift des Elberfelder Staatsanwalts hat im Richterkollegium Bedenken erregt und es wird jezt erst geprüft, in wie weit die Anklage überhaupt aufrecht zu erhalten ist.
Sturz, durch die neuliche Reptilnotiz betreffend die phantastischen Pläne des Elberfelder Staatsanwalts find die Blicke der Oeffentlichkeit" auf das Treiben dieses Herrn gelenkt, sind einflußreiche Personen gezwungen worden, sich die Frage vorzulegen, ob es im Interesse des herr= schenden Systems, das ohnedies in allen Fugen wackelt, rathsam ist, den Kredit der neudeutschen Justiz noch weiter zu untergraben und durch ein schreiendes Attentat gegen Recht und Gesez das ganze deutsche Reich der Verachtung aller Kulturvölker zu überliefern. Denn das weiß schon jetzt alle Welt, daß in Deutschland ebensowenig wie in Ruß land ein Prozeß dieser Art denkbar ist, ohne daß die Regierung ent= weder den Anstoß oder zum Mindesten ihre Zustimmung dazu gegeben hat.
Genug es ist offenbar abgewinkt" worden, und das Blech des Elberfelder Staatsanwalts soll nun in eine etwas präsentablere Form gehämmert werden. Was schließlich herauskommt, wissen wir nicht, und wir haben auch keine Luft, uns den Kopf anderer Leute wegen zu zerbrechen. Die Thatsache selbst hat aber insofern eine unleugbare Bedeutung, als sie das böse Gewissen unserer Machthaber verräth, diesen die Ahnung aufzudämmern beginnt, daß auch ihre Krüge nicht da= gegen gefeit sind, zum Brunnen zu gehn bis sie zerbrechen. Eine andere Thatsache ist dem gleichen Motive entsprungen: die, altstellung" Stöcker's, dem befohlen worden ist, sich vorläufig von aller Agi= tation fern zu halten. Herr Stöcker ist bekanntlich der Lehrer und Vertraute des nenesten Kaisers, der ihn bis in die jüngste Zeit gegen alle Angriffe so warm vertheidigte, sich jedoch schließlich belehren lassen mußte, daß der Meineidspfaffe ihn, den schon so viel kompromittirten, doch allzu heillos kompromittirte. Da Bismarck dem Stöcker nicht mehr grün ist, seit dieser seine Nase in die Waldersee- Verschwörung gegen die Dynastie Bismarck " gesteckt hat, so wird die Kaltstellung bes Stöcker vielfach als Sieg Bismards aufgefaßt, jedoch ganz mit Unrecht, sintemalen Waldersee und seine Klique mehr als je sich der Gunst des neuesten Kaisers erfreuen. Eher ist anzunehmen, daß Waldersee selbst zur momentanen Saltstellung seines Lieblings gerathen hat, der ja bei der ersten passenden Gelegenheit wieder hinter den Koulissen hervorgeholt werden kann. Graf Waldersee ist troß seiner Frömmigkeit ein sehr weltkluger Mann; was nüßt ihm der Mantel, wenn er nicht gerollt ist, und was der Kaiser, wenn er nicht regiert? Sind die Hohenzollern futsch, dann kann auch der Waldersee einpacken und mit demselben Eisenbahnzug abdampfen, wie die Dynastic Bismard" und andere Parafiten der Monarchie. Er hat also ein lebhaftes Interesse, feinen jungen Herrn und Gebieter" vor Handlungen zu bewahren, die unmittelbar schlimme Folgen nach sich ziehen könnten. Und das hat er begriffen, daß das Maß des Anstößigen und Verletzenden zum Ueberlaufen voll ist, und daß das Haus der Hohenzollern kein Kapital der Popularität mehr zuzufezen hat.
Und so wurde der Stöcker geopfert. Aehnlich geopfert, wie vor 15 Jahren der alte Wagener", der in den Ostertagen gestorben ist. Freilich, diesem wollen wir nicht die Schande anthun, ihn mit einem Stöcker zu vergleichen. Wagener war in seiner Art ein Genie. Er war es, der das auf den Knauf des Schwertes und das allgemeine Stimmrecht sich stützende soziale Königthum" oder„ Volkskönigthum" erfand, und dem brutalen unwissenden aber thatenlustigen Krautjunker Bismarck von Schönhausen die Gedanken lieferte und die geistigen Waffen schmiedete. Er war es, der die napoleonische Idee vom demofratischen Kaiserreich auf Grundlage des allgemeinen Stimmrechts in's Deutsche übersetzte, die zäfaristische Sozialdemagogie entdeckte, die revo= lutionäre Nationalitätenpolitik mit dem legitimistischen Prinzip des Gottesgnadenthums verkuppelte mit einem Wort er war der intellektuelle Urheber jenes politischen Wechselbalgs, den der raubritterliche Feudalismus des Mittelalters mit der diebischen Bourgeois- Korruption der Gegenwart gezeugt hat, und der unter dem Namen„ System Bismarck" bekannt ist, aber mit viel mehr Recht den Namen" System Wagener" führen würde. Doch nein! Wagner harmonirte nicht mit
dem
" System Bismarck", obschon er ihm die Ideen geliefert. Die Ausführung war ihm zu stümperhaft. Er war ein abgesagter Feind der kleinlichen Polizeiwirthschaft und vor Allem der unverantwortlich bornirten Sozialpolitik und Sozialreform, die sein mißrathener Schüler zusammengepfuscht hat.
Wie er zu Fall kam, das ist vielen unserer Leser wohl noch im Gedächtniß. Den Tanz ums goldene Kalb, der organisch zum System gehörte, machte er in den Schwindeljahren des Milliardensegens luftig mit und pickte ein paar Brosamen auf, die von seinem glücklicheren Mittänzer verschmäht worden waren. Und siehe da, das uralte Sprichwort von den großen und kleinen Spizbuben bewahrheitete sich wieder. Es erfolgte die famose Komödie des Entrüstungssturms, eingeleitet durch Laskers berühmte" Gründerrede. Der See wollte ein Opfer haben. Damit er das richtige bekomme, wurde eine„ königliche Untersuchungskommission" niedergefeßt, die alle großen Spizbuben rein wusch und während diese schwierige Arbeit vollbracht ward, organisirten die Pächter der nationalen Sittlichkeit eine Haz gegen Wagener, der denn auch von seinem mißrathenen Schüler schnöde verlassen und den Lynchrichtern überliefert und von ihnen in den rasenden See ge=
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worfen wurde. Das Volk jubelte, die öffentliche Meinung feierte einen Triumph, und vergnügt drückten sich die großen Spizbuben, darunter der mißrathene Schüler, die Ehre war gerettet, mitsammt der Kasse. Wagner hat dieses Schelmenstückchen das die Ehrlichkeit unter Dieben so arg Lügen strafte seinem mißrathenen Schüler niemals verziehen; und unter allen Menschen, die letzteren gekannt haben und kennen, hat ihn gewiß feiner so gründlich verachtet, wie Wagener es gethan hat der ihn am besten kannte.
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Ueber die Art, wie die Untersuchung gegen die sich in Zürich wie überhaupt in der Schweiz aufhaltenden russischen Sozialisten und Revolutionäre geführt wird; gelangen immer standalösere Einzelheiten in die Oeffentlichkeit. So meldete die " Züricher Post" Anfangs voriger Woche, daß sämmtliche in 3 ürich verhafteten Russen, auch solche, gegen welche keinerlei Indizien eines politischen Vergehens vorliegen( und die trozdem verhaftet wurden!) im Gefängniß photographirt worden sind.„ Wir sind der Meinung," fügte das genannte Blatt seiner Meldung hinzu,„ daß dieses Photographiren unstatthaft ist und über das Maß dessen hinausgeht, was der Schuß unserer Landesinteressen verlangt. Jedermann begreift die schwierige Lage unserer Behörden, doch wünscht Niemand, daß von Männern, deren Verbrechen ihre politischen Bestrebungen sind, Ver brecherphotographien aufgenommen werden. Solche Photographien sind dem Zufall preisgegeben, sie können veruntreut werden und Unschuldige zum Opfer fremder Polizeiwillkür machen."
Das stimmt, und deshalb fordert diese, für den angeblichen Zweck der Untersuchung absolut werthlose Maßregel den energischen Protest aller Freunde des Rechts und der Freiheit heraus.
Leider aber scheint es in dieser Hinsicht zur Zeit in der Schweiz nicht so zu stehen wie es sollte. Man hat sich bisher auf einige tadelnde Bemerkungen in der Bresse beschränkt, und selbst diese athmen zum Theil einen so fatalistischen Geist der Ergebung in alles, was dem Bundesrath zu thun beliebt, daß es ein Wunder wäre, went Herr Droz seinen liebedienerischen Gelüsten gegen das Ausland Zwang anthun, oder wenn dieses seine Anforderungen an die Bundespolizei nicht immer höher schrauben würde. Auch wir verkennen nicht die eigenartige Situation der Schweiz und die Verpflichtungen, welche dieselbe heutzutage den Großmächten gegenüber hat, aber man soll sie auch nicht übertreiben und jedem Handlangerdienst an dieselben einen Freibrief ausstellen. Ob beabsichtigt oder nicht, thatsächlich war die Abnahme der Photographien ein solcher Handlangerdienst, sie ist in ihren voraussichtlichen Wirkungen geradezu die indirekte Auslieferung an die Henkerpolizei des Baren.
Mögen daher unsere Freunde in der Schweiz sich tüchtig rühren, die Untersuchung hat einen Charakter angenommen, daß ihr gegenüber ob jektives Abwarten nicht mehr am Plaze ist. Proteste hinterher helfen nichts.
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-Zur Frage des Internatianalen Arbeiter Kongresses. Einen sonderbaren Beschluß hat der in den Ostertagen in Jolimont abgehaltene Songreß ber belgischen Sozia ist en gefaßt. Da auf der Tagesordnung desselben auch die Frage der Beschick ung des Internationalen Kongresses in Paris stand, so hatten die Possibilisten einen der Jhrigen, Paulard, von Paris dorthin geschickt, um die Belgier in ihrem Sinne untzu stimmen. Ganz ist ihm das freilich nicht gelungen, aber Dank dem Umstande, daß Genosse Anseele durch die Eröffnungsfeierlichkeiten der vergrößerten Institute des„ Vooruit" in Gent zurückgehalten war, und Dank der von Paulard wir urtheilen nach seinem eigenen Bericht im Parti Ouvrier" gegebenen Entstellungen der wirklichen Sachlage, ist es demselben gelungen, den Kongreß zu einem Beschluß zu bewegen, der die Situation, anstatt sie zu klären, immer mehr ver wickelt: nämlich sowohl auf den Kongreß der Possibilisten, als auch auf einen von nichtpofsibilistischen Sozialisten Frankreichs einzuberufenden Kongreß je einen Delegirten zu entsenden. Der erstere Antrag ward mit 39 Stimmen gegen 33, 18 Enthaltungen, der zweite mit 50 Stimmen gegen 16 bei 21 Enthaltungen beschlossen.
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In der Osternummer des Berliner Volksblatt" tritt ein Mitarbeiter desselben nach der Berliner Volkstribüne" Genosse Auer- da= für ein, daß deutscherseits der von den Possibilisten einberufene Kongreß beschickt werde erstens, um in Paris gegen den Chauvinismus zu demonstriren, und zweitens in der Annahme, daß, wenn die deutschen Sozialdemokraten durch ihre Anwesenheit bekunden, daß sie im Interesse der großen, gemeinsamen Sache der Arbeiter zu einer Verständigung gern die Hand reichen", die Poffibilisten vernünftigen Vorstellungen ( in Bezug auf die Zulaffung anderer französischen Sozialisten auf dem Kongreß) um so eher zugänglich sein werden."
Wir meinen, die Haager Beschlüsse waren bereits ein Beweis, daß die deutschen Sozialdemokraten zu einer Verständigung die Hand bieten, und doch sind die Possibilisten auf sie nicht eingegangen, sondern haben sich durch Winkelzüge um fie herumgedrückt. Dann aber geht der Berfaffer von der irrigen Auffassung aus, daß sich in Paris noch werde gut machen lassen, was vorher zu regeln verabsäumt worden. Daran ist schwerlich zu denken. Man kann doch den Sozialisten der Provinz nicht zumuthen, auf die Möglichkeit hin, daß fie in Gnaden zu gelaffen werden, mit großen Kosten Delegirte nach Paris zu entsenden, während die Possibilisten, die speziell in Paris ihre Stärke haben, den Rongreß mit Delegirten geradezu überschütten können.
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Einen durchaus falschen Standpunkt nimmt auch die Berliner „ Boltstribüne" ein, wenn sie meint, dadurch, daß die Mandatsprüfung den einzelnen Nationalitäten zugewiesen sei, seien die Neibungen zwischen Guesde und Brousse zu einer inneren Angelegenheit der Franzosen geworden, die man ihnen überlassen mußte." Erstens handelt es sich nicht um eine Personen frage, der schwerkranke Guesde wird leider schwerlich an irgend einem Kongresse theilnehmen können, sondern um eine Frage des Rechts. Und zweitens ist diese keine innere Angelegenheit der Franzosen , sondern eine wichtige Angelegenheit aller Theilnehmer des Kongresses. Alle haben ein Interesse daran, daß der Kongreß eine möglichst vollzählige Vertretung der klassenbewußten Arbeiterschaft aller Länder werde, Alle müssen dafür eintreten, daß Niemand vom Kongreß ferngehalten wird, der begründeten Anspruch auf Zulaß hat. Versezze sich doch jeder Einzelne in die Lage der anti poffibilistischen Sozialisten Frankreichs , die, obwohl in ganz Frankreich die Mehrheit, in Paris doch möglicherweise die Minderheit der Dele girten bilden werden und daher gewärtig sein müssen, daß grade ihren besten Wortführern von den Possibilisten das Mandat streitig gemacht wird.
Hält man die Letzteren dessen nicht für fähig? So beantworte man sich doch die Frage, warum sich die Possibilisten so sehr gegen die Haager Vorschläge sträuben. Enthalten diese irgend etwas unbilliges
Bestehen sie nicht aus Forderungen, die sich im Grunde ganz von selbst verstehen, die überhaupt die elementarsten Voraus segungen jedes Kongresses sind? Welcher Kongreß läßt sich seine Souveränetät in allen inneren Fragen bestreiten? Welcher Kongreß verzichtet auf das Recht, Appelinstanz gegen Beschlüsse einzelner Aus schüsse zu bilden? Wir haben die Haager Konferenz nicht veranlaßt noch auf ihr mitgestimmt, aber wir haben ihre Beschlüsse begrüßt, weil wir in ihnen ein Mittel sahen, einen würdigen Kongreß der Arbeiter aller Länder zustande zu bringen, einen Kongreß, auf dem kein nur irgend namhafter Bruchtheil der fämpfenden Arbeiterschaft unvertreten bleibe.
Dazu war freilich nothwendig, daß alle, welche diese Beschlüsse ge faßt, alle, welche sie gebilligt, mit voller Energie für sie eintraten. Ihrem einmüthigen, entschieden ausgedrückten Willen hätten sich die Possibilisten gefügt, würden sie sich wahrschein lich noch fügen, jede Nachgiebigkeit legen fie als Schwäche aus und bestehen um so rücksichtsloser auf ihrem Schein. Wer den Beschluß von Jolimont näher ansieht, wer den Artikel des Berliner Volksblatt" genauer durchlieft, der wird finden, daß Beide nichts weniger als ehrenvoll für die Possibilisten lauten, und doch haben diese mit Triumph von ihnen Notiz genommen, aus ihnen Ermuthi gung geschöpft, auf ihrem Eigensinn zu beharren, sie dazu benutzt, in den mit den Verhältnissen Unbekannten den Glauben zu erwecken, als bedeuten sie Vertrauensvoten zu ihrem Gebahren.
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