Die das Kapital- oder richtiger gesagt die Interessen der Kohlen barone vertretende Presse suchte von vornherein die Anzettelung des Streits bei einer Partei, und selbstverständlich wurde die sozial= demokratische als die Schuldige auserkoren. Aber Angesichts der in den Streifversammlungen ausgebrachten Hoch's auf den Kaiser und der Bewilligung der Audienz beim Kaiser mußte dies fallen gelassen werden; ebenso hatte man mit dem Versuch, die ultramontane Presse als Ur­heberin des Streifs hinzustellen, fein großes Glück.

Wer hat nun den Streit provozirt oder angezettelt? Wir glauben, Telbst der einzelne Bergmann wird diese Fragen nicht zu beantworten wissen. Die Ursache dagegen ist leicht festzustellen: Auch der Berg­manu sucht wie jeder andere Mensch seine wirthschaftliche Lage aufzu bessern. Die allgemein von säntmtlichen streikenden Bergleuten aufge= stellten Forderungen waren, abgesehen von Nebenforderungen, Ver= kürzung der Arbeitszeit und in Verbindung damit eine ents sprechende Lohnerhöhung. Wodurch ist den Leuten die Noth­wendigkeit derselben klar geworden? Durch die zu große Ausbeutung der Arbeitskraft einestheils und die niedrigen Lohnfäße anderntheils. Seit dem Niedergang der Kohlenindustrie suchten die Zechenverwal tungen allerlei Einrichtungen zu treffen, die die Produktion zum Vor­theil der Zeche erhöhten, dagegen von den Bergleuten ihrerseits als ihnen nachtheilig angesehen wurden, welche Auffassung auch nicht be= stritten werden kann.

Es wurde nach Belieben die Arbeitszeit verlängert, es wurde ferner nach Belieben der Zechen das lieberarbeitungssystem( lleberschichten) so start betrieben, daß ein großer Theil der Leute sich genöthigt sah, Woche für Woche mehrere solcher Neberschichten zu machen, um nur zu einem Lohn zu kommen, der wenigstens das Allernothdürftigste zu be­schaffen ermöglichte. Je länger dies jedoch anhielt, um so flarer wurde uns Bergleuten, daß diese lleberproduktion uns feinen finanziellen Vor­theil brachte, wohl aber für Leben und Gesundheit im höchsten Grade verderblich war.

Die Behandlung, welche die Bergleute jahraus, jahrein zu er tragen hatten, hat unter denselben auch nicht wenig böses Blut gesetzt. Bei Weigerungen, für einen geringeren Lohn zu arbeiten, wurde die Abkehr ertheilt. Wollte Jemand die Ueberarbeit nicht mitmachen, drohte fast immer eine Strafe; wenn Lettere auch nicht immer direkt erfolgte, so dann sicher indirekt. Viel Anlaß zur Unzufriedenheit gaben auch die Brutalitäten der Beamten, was in den Streitversammlungen sehr oft von den Rednern betont wurde. Wenn ein Arbeiter eine Beschwerde gegen einen dienstthuenden Beamten eingab, befam er bei den höher= stehenden Beamten in den wenigsten Fällen sein Recht und die Herren Direktoren oder Repräsentanten lassen sich in solchen Angelegenheiten selten sprechen. Wie kann da den wirklichen Zechenbefizern bekannt sein, in welcher Lage sich die Arbeiter befinden. Diese Herren haben erst recht keine Fühlung mit ihren Arbeitern.

Mußte ihnen da der Streif nicht ganz unerwartet kommen? Es wäre ja nicht zu viel verlangt, daß die Herren es sich zur Gewohnheit machten, von Zeit zu Zeit fich persönlich um die Lage der Arbeiter zu kümmern, von deren Schweiß und Blut sie leben, anstatt die Verwal tungen nach Belieben schalten und walten zu lassen und dann glänzende Berichte über die Lage der Arbeiter entgegenzunehmen. Aber wenn diese Herren nur jedes Jahr viele Prozente an Dividenden einheimfen können, dann fühlen sie sich behaglich und kümmern sich den Teufel um die jammervollen Arbeitsbedingungen ihrer Arbeiter. So herrschen denn die Beamten nach Willkür. Und da wundert man sich, wenn die Leute von Jahr zu Jahr mehr sozialdemokratisch gesinnt werden. Glaube man ja nicht, daß der Arbeiter sich noch länger wie ein Thier behandeln lassen will! Je nachdem die Saat gefät wird, wird die Frucht ausfallen.

Kommen wir auf die eigentliche Lohnbewegung, bezw. den Streit zurück. Es ist ein großer Jerthum, anzunehmen, der Streit sei ange­zettelt oder von Außen" in die Bewegung hineingetragen. Lange Jahre schon waren unter den Berglenten Bewegungen zu verzeichnen auf Ne­form der Knappschaftsverhältnisse entsprechend den Abänderungen des Versicherungswesens durch die sog. Sozialreformgesetzgebung. Besonders zu dem Entwurf des Alters- und Juvaliden- Versorgungsgesetzes sind Petitionen abgefaßt und in öffentlichen Versammlungen besprochen wor= den. So famt es denn, daß nachdem die Berichte der Lieferungsverträge und Kontraktabschlüsse bereits seit einem Jahr stets günstig für die Zechen ausgefallen, die Berglente auch daran dachten, eine Lohnauf besserung anzustreben. Kaum aber war die Frage der Lohnaufbesserung einmal aufgeworfen, so griff sie wie ein elektrischer Strom um sich, und #das Resultat war der Streif.

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An und für sich brach der Streit ganz plöglich aus, man möchte fagen, ganz unschuldig. Im Westphälischen verweigerten einige junge Lente die Arbeit, wenn ihnen keine Lohnerhöhung bewilligt werde. Anstatt die Leute zu befriedigen, bittirten ihnen die Zechenbeamten die Entlassung und dies gab Anstoß zum Ausbruch des Streifs. Allgemeine Erbittering griff um sich, und Zechenwetje legten die Leute die Arbeit nieder, so daß nach kaum acht Tagen bereits im ganzen Oberbergamtsbezirk ge= streift wurde. Diesem ersten Ausbruch schlossen sich alle Hauptkohlen bezirke an. Wäre es, wie vielfach angenommen wird, ein geplanter Streit gewesen, so würde derselbe auf der ganzen Linie zugleich ausge brochen sein. Aber gerade an solchen Orten, wo die Lohnforderung zuerst erörtert worden war, hatte man am Allerwenigsten an Streifen gedacht, denn nicht dort wurde damit begonnen, sondern an den Bläßen, wo in dieser Angelegenheit fast gar nichts geschehen war. Wenn die Herren Zechenbesizer den Leuten, sobald die Lohnfrage aufgeworfen war, eine Lohnaufbesserung hätten zukommen lassen, so würde der Streit nicht ausgebrochen sein. Wen trifft also die eigentliche Schuld? Die Hart­herzigkeit der Kohlenbarone!

II.

Der Streit ist zu Ende. Aber die Gährung unter den Bergleuten, die, durch die Noth gezwungen, die Arbeit wieder aufgenommen haben, ist feineswegs beigelegt. Jut Gegentheil, die Erbittering ist noch immer im Steigen, da man zwar ihre Forderungen zu berücksichtigen versprach, das Halten aber vergessen hat. Von höherer Stelle, von der die Arbeiter für ihre gerechten Forderungen Unterstügung erwartet hatten, ist ihnen ein roh brutales: Alles, was sich Meinen Behörden widersetzt, lasse Jch über den Haufen werfen, denn meine Macht ist groß," ent­gegengeschleudert worden. Die freche Behandlung von Seiten der Zechenbarone, mit ihrem servilen Troß von Unterbeamten war und ist der treibende Faftor, welcher die Masse der Bergarbeiter aus ihrem Indifferentismus herausger seit hat.

Die Unverschämtheit dieser Sippschaft raubt ihr die Ueberlegung, und so zeigten die Herren sich in ihrer wahren Gestalt. Es ist mit wenigen Ausnahmen hier tein Bergmann   im Stande, von seinem Verdienst auch nur halberwegs seine Familie anständig zu ernähren. Die Knappschafts­ärzte könnten die beste Auskunft darüber geben, daß die Leute in Wirklichkeit langsam verhungern, denn wenn ein Bergarbeiter 40 Jahre alt wird, so ist er schon ein alter Mann.

Das Klassenbewußtsein ist geweckt, sie haben sich überzeugt, daß sie von keiner Seite Hülfe zu erwarten haben, sie haben sich von der Un= fähigkeit des mächtigen Kaisers", der starken" Regierung, ihnen zu helfen, von der Böswilligkeit der Kapitalisten überzeugt und gefunden, daß die Befreiung der Arbeiter einzig und allein Sache der Arbeiter selbst ist. Die Berarbeiter zu leiten und en und ihnen den Weg zu zeigen, wie sie ihre Lage verbessern, kann nur Sache der Arbeiter partei sein, welche auch nur allein den Willen und Muth hat, die gerechten Forderungen derselben zu vertreten und zu vertheidigen.

Die Machtprobe ist übrigens doch zu Gunsten der Arbeiter ausge­fallen, und wenn sie sich ihrer Macht voll und ganz bewußt sind, dann können sie dem Kaiser zurufen: Unsere Macht ist größer, wir pfeifen auf deine Macht; deine Macht ist eine geborgte, die unsere ist unser Eigenthum, wir können es mit jeder andern aufnehmen und der Sieg ist unser,"

Für Mich ist jeder Sozialdemokrat gleichbedeutend mit Reichs- und Vaterlandsfeind," schnarrte der junge Kaiser die Deputation der Ar­beiter an. Haben die Arbeiter überhaupt ein Vaterland? Diese Frage wird auf allen Zechen, in allen Werkstellen diskutirt. Berlangt ein Arbeiter sein Recht in seinem Vaterlande, dann hält man ihm eine Flinte unter die Nase; wagt er dagegen zu protestiren, so schießt man ihn einfach über den Haufen." Das richtige vaterlandslose Gesindel jagt sich eben: Das Vaterland sind wir, und ihr seid nur dazu da, um uns nach unserer Willkür zu dienen; die Rechte haben blos wir, ihr die Pflichten. Die Arbeiter aber fagen, wenn wir keine Rechte

haben, dann haben wir auch keine Pflichten. Man sagte den Arbeitern, ihr seid kontraktbrüchig, das ist straffällig." Die Antwort war ein schallendes Gelächter bei sämmtlichen Bergleuten, denn von dem Kontrattbruch der Gruben besiger, der täglich vorkommt, davon hörte man an höchster Stelle nichts. Wovon sollten denn auch die armen Kapitalisten leben, wenn man sie nicht den Arbeitern gegenüber frei schalten und walten läßt?

Die Kapitalisten dürfen nicht scharf angefaßt werden, denn da könnte ber junge Ober- Blutegel seine unverschämten Forderungen nicht bewilligt bekommen. Der weiß ganz gut, daß die Milliönchen nur aus den Knochen der Arbeiter gepreßt werden, und darum, weil er es weiß, der schöne Gruß an die Bergarbeiter: Alles, was sich den Behörden widersezt, lasse Ich über den Haufen schießen." Hat der Mensch, der das sprach, ganz vergessen, daß es wiederum Arbeiter sind, die fchießen? Daß sie Bruder- und Vatermord provoziren, scheint solch rohen Burschen ganz gleichgültig, wenn nur die Milliönchen einkommen, mit denen fie ihre zügellosen Leidenschaften befriedigen.

Den Haß, den dieses Vorgehen in der Arbeiterwelt hervorgerufen hat, kann nur der begreifen, welcher Fühlung mit den Arbeitern hat. Die Arbeiter werden bei der nächsten Reichstagswahl wohl die richtige Antwort geben. Der Haß der Herrschenden gegen die aufgeklärten Arbeiter ist ein großer, aber ihre Niederlage wird noch eine größere fein.

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Aus Australien  .

Sidney, den 1. Mai 1888. Schon seit Langem war es meine Absicht, dem Sozialdemokrat" von Botany- Bay  , dem Lande, wo man Kinder henkt und alte Leute gesetzlich mit den Knüppel bearbeitet, einen Situationsbericht zukommen zu lassen, es ist aber des dicken, politischen wie ökonomischen Nebels wegen, der hier herrscht, noch stets unterblieben. Da jedoch das elet­trische Licht nun auch zu uns gedrungen und es mit einem Male be= fannt geworden ist, daß auch hier der Kapitalismus tapfer am Werke ist, den großen Generalfrach vorzubereiten, will ich nun nicht länger samen.

Kapitalistische Kombinationen zum Zwecke der gründlichen Ausbeutung und Knebelung der Arbeiter eristiren hier, wie sie Amerika  , die Heimath der Pools", nicht besser hat, und gegenüber denen der deutsche Stapi­talismus die reine Tölpelei ist. So ist gerade jetzt wieder befannt ge= worden, daß die Druckereibefizer in Brisbane  ( Queensland  ) eine Ver­einigung zustande gebracht haben, welche bezweckt, erstens, die Löhne zu reguliren( lies: reduziren) und zweitens, daß wenn es sich infolge dieser Lohn- Negulirung" zutragen sollte, daß die Arbeiter eines Eta­blissements sich das Vergnügen eines Streit's erlauben, der Verein fämmtliche Arbeiten des betroffenen Etablissements übernimmt, bis es gelungen ist, entweder den Konflikt beizulegen, will sagen, die Arbeiter zu Paaren zu treiben, oder eine genügende Anzahl Skab's" zu erhalten. Eine ähnliche Verbindung besteht auch unter den Grubenbesizern. Jedoch gehen diese etwas anders zu Werke. Da die Arbeiter ziemlich gut gewertschaftlich organisirt find, so ist die Möglichkeit gegeben, daß wenn dieselben einige Jahre Ruthe haben, sie mit ihren Beiträgen ein ziemliches Stapital zusammenbringen, mit Hülfe dessen es ihnen gelingen fönnte, ihre Forderungen durchzusetzen. Der Grubenbesigerverein nun hat den Zweck, die Anhäufung eines solchen Kapitals zu verhindern. Und das machte er auf folgende Weije:

Wenn eine oder mehrere Gruben fich nicht im Betrieb befinden, so erhalten sie von Vereint eine Dividende bezahlt, welche der gleich kommt, die sie selbst durchschnittlich bei voller Arbeit erzielen würden. Nun fündigt eine Grube ihren Arbeitern eine Lohyreduktion an. Nehmen sie sie an, so ist es gut, und es fängt eine andere Grube dasselbe Manöver an. Lehnen sie dagegen ab, so ist die Folge entweder ein Lock- out von Seiten der Grube, oder ein Streik, und in beiden Fällen müssen die Arbeiter von Seiten der Gewerkschaft unterstützt werden.

Dant diesem Manöver mun befinden sich seit ungefähr drei Jahren in den Newcastle Kohlen- Distrift fortwährend 600 bis 1000 Arbeiter außer Arbeit und ist die Kasse des Grubenarbeiter- Verbandes so ge= schwächt worden, daß der Grubenbefizer- Verein die Zeit gekommen er­achtete, nim mit einer Maßregelung in Masse herauszurücken. Die Arbeiter widersetzten sich und es tam zu einem Streif, an dem sich un gefähr 7000 Mann betheiligten. In der Verbandstasse befanden sich 5000 Pfund Sterling und froßdent die Sammlungen ebensoviel ergaben, war es leicht vorauszusehen, daß die Arbeiter sich nicht lange würden halten können. Stabs wurden angeworben, und zu deren Schutze, vielleicht mit der geheimen Hoffnung, die Arbeiter zum Aufruhr zu provoziren legte die Regierung sich ins Mittel, d. h. auf die Seite des Kapitals, fandte einige hundert Mann Polizei und Militär, sowie auch einige Kanonen, und erließ Proffamationen, in denen sie verkündete, daß sie den Kanonen auch Munition( Kartätschen) beigegeben habe, wo= mit sie die Freiheit der Arbeit" aufrecht erhalten wolle. Die Arbeiter wurden ausgehungert und mußten sich den Bedingungen des Kapitals fügen sie befinden sich jetzt in einer erbärmlichen Lage.

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Es wird ungeheuer viel über die hohen Löhne hier geflunfert, jedoch bei Lichte besehen, verhält sich die Sache etwas anders. Es ist wahr, nominell ist der Lohu höher hier als anderwärts, thatsächlich aber, wenn man den Lohn berechnet nach dem Antheil, den der Arbeiter damit von dem erhält, was er erzeugt, ist derfelbe im Allgemeinen hier nicht höher, manchmal sogar niedriger als in Amerika   oder Eng land, und wenn überhaupt vielleicht nur sehr wenig höher ais in Deutsch  = land.lus

Greifen wir z. B. einige Gewerbe- Branchen, und aus diesen die best= bezahlten heraus, so läßt sich das sehr gut ersehen. Es beträgt: Bei einem Anzug: der Preis des Stoffes 20-35 Mart, der Arbeitslohu 22-35 Mt., der Verkaufspreis 80-120 Mt.

Bei einem Paar Stiefel: der Preis des Materials 9-11 Mt., der Arbeitslohn 10-12 Mt., der Verkaufspreis 27/ 2-40 Mt. Bei einem Sch a ut a st en( Tischlerarbeit): der Preis des Holzes 7-15 Mr., des Glases 12-30 Mt., der Arbeitslohn 16-30 Mt., der Verkaufs preis 60-140 Mr.

In der Uhrmacherei beim Zylinder Einziehen: Preis des Materials 50 Pfennig bis 1 Wharf, der Arbeitslohn 2,50-4, Mr., Preis 10 bis 12 Mt.

Beim Bauhandwerk ßt sich das Verhältniß nicht so genau berechnen, wenn man jedoch hört, wie Bau- Unternehmer im Falle eines Kontraltbruches von Seiten des Bauherrn   auf 1500 bis 2000, oder fogar 3000 Mt. und noch mehr Schadenersaz klagen, so kann man sich einen Begriff machen von dem enormen Profit, den solche Unternehmer einstecken.

Was ich hier aufgeführt habe, bezieht sich aber nur auf die am besten bezahlten Berufe, bei den schlechter bezahlten, und die sind bei Weitem die Mehrheit, stellt sich das Mißverhältniß noch viel ungünstiger.

Im Allgemeinen steht der Lohn hier bei 8-9ftündiger Arbeit wie folgt: Zimmerlente 10-11 Mt. Maurer und Steinhauer 10-11 Mt., Tischler 7-10 Mt., Eisenarbeiter 7-10 Mr., Gruben- und Erdarbeiter 6-8 Mt., Schuhmacher 5-8 Mt., Schneider 6-8 Mt. pro Tag. Diese Zahlen gelten so ziemlich über ganz Australien  .

Die Regierung von Neu- Süd- Wales beschäftigt in ihren Betrieben zufammen ungefähr 35,000 Mann, deren Lohn zwischen 6-10 Mark pro Tag variirt, jedoch mit Ausschluß der höheren Beamten, die sich ihre Dienste, die manchmal bloß in Zeitungslesen bestehen, gewöhnlich sehr gut bezahlen lassen.

Das hier Angeführte gilt indeß bloß für die obere Klaffe" der Arbeiter. Ans den genannten Gewerben sowohl wie auch in anderen von mir nicht angeführten, in der Hausindustrie, für Dienstboten, Laden­gehülfen, Schreiber u. f. w. beläuft sich der Lohn lange nicht so hoch, sondern beträgt ungefähr nur 4-6 Mf., zuweilen noch weniger, so daß man für den Durchschnittslohu 30 Mt. pro Woche annehmen fann, während z. B. die Hausrente( für verheirathete Arbeiter) im Durchschnitt auf nicht weniger denn 11 oder 12 Mt. gerechnet werden muß.( Jede Familie bewohnt gewöhnlich ein Hans für sich; der Mieth= preis dieser Häuser beträgt von 8 bis 30 Mart oder auch noch mehr, zu deren Aufbringung die Leute dann gewöhnlich Softgänger halten, fo daß sie selbst von ihrem Hause weiter nichts haben als das Vergnügen, den Schmutz fern zu halten, und sich selbst mit den kleinsten Winkeln, die sie stostgängern nicht anbieten fönnen, zu begnügen. Softgänger bie fie Stoftgängern nicht anbieten fönnen, zu begnügen. Softgänger

zahlen von 16 bis 20 Mart; der Preis für ein Bett, 3 Zimmer, beträgt 5 bis 6 Wit. pro Woche.)

bis 4 in einem Wie man sieht, steht es hier durchaus nicht so idyllisch wie gewöhn lisch geschrieben wird. Allerdings, so gottserbärmlich wie in Deutschland  ist es nicht, d. h. wir sind bis jetzt noch nicht so ganz auf den Hund und hier liegt das Geheimniß unserer Größe" gekommen. Aber wir sind auf dem besten Wege dazu, denn unsere Kapitalisten feufzen sich das Herz( oder was sie an dessen Stelle haben) wund nach deutscher Prosperität. Daß wir in diesem Artikel leistungsfähig sind, beweist die industrielle Reservearmee: ein stehendes Heer von Arbeits­losen Tramps".

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Die Bevölkerung Australiens   beträgt ungefähr 4 Millionen, und die Zahl der Arbeitslosen betrug 1887-88 nach offiziellen Angaben über 40,000 männliche Arbeiter, die ,, upper classes" der Arbeitslosen nicht mitgerechnet. Mit diesen Arbeitslosen wird eine förmliche geschäfts­mäßige Agitation, d. h. politischer Schwindel mit Hochdruck getrieben, sie sind für unsere politischen Seiltänzer ein gefundenes Fressen. Von den Freihändlern werden sie als Stimmvieh benußt, da dieselben gerade an der Regierungsmaschine figen und ihnen von Zeit zu Zeit einent Knochen in Gestalt von Nothstandsbeschäftigung, reliefworks" hin werfen, während die Schutzöllner sie als eine Illustration von der Ver­derblichkeit des Freihandeis und der Nothwendigkeit ihrer eigenen Knebelungs- und Erpressungstheorie sehr gut ins Feld zu führen ver stehen. So weiß ich z. B., daß sie eine Anzahl gesellschaftliche Strauch­ritter, wahre politische( und auch thatsächliche) Bauernfänger, als Agenten bezahlen, um die Arbeitslosen- Agitation in Fluß zu bringen.

Diese Leute( die Arbeitslosen) sind selbst durchaus nicht im Stande, fich) zu organisiren; ein willenloferes Heer von Schlachtschafen hat man nie gesehen. Jeder Hanswurst, jeder verlumpte Gassenpolitiker, der so notabene zum gnädig ist, sich zu ihnen herabzulassen, kann sie haben Schreien. Wenn es sich darum handelte, sich Arbeit und Brot" zu nehmen, so würde es sehr windig bei ihnen aussehen. Ja, wenn fie feine Engländer" wären! 13th( Schluß folgt.)

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Sozialpolitische Rundschau.

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London  , 26. Juni 1889.

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-Aus Deutschland wird uns geschrieben: Die Todten reiten schnell. Vor wenigen Tagen feierte Wil­ helm II  . den ersten Geburtstag seiner Kaiser- und Königschaft und in diesem Jahr hat er es verstanden, Illusionen und Wahuvorstellungen in sieben Jahren vermocht hatte, so gründlich auszurotten. Nicht daß zu den Illusionen der Glaube an den liberalen Strouprinzen" gehört hätte. Dieser Glaube war mit unserem Friz" zu Grabe getragen worden, der sein ganzes Leben lang liberaler Stronprinz ge wesen war und sterben mußte, als er aufhörte es zu sein. Für liberal" hatte den ältesten Enfel des alten Wilhelm kein Mensch gehalten. Daß die Soldatenspielerei sein höchster Zeitvertreib war und Berachtung der bürgerlichen Kanaille und noch mehr des arbeitenden Volkes feine Seele erfüllte, das wußte man die denkwürdige Szene, wie er selber die Bolizei in Botsdam geholt, um das Gonntagsverguülgen einiger Ber­ liner   Sozialdemokraten zu stören war noch in frischem Gedächtniß, als er den Thron seiner Väter bestieg. Und wie er sich gegen den sterbenden Vater, die tranerude Mutter benoninen, das erzählen sich die Spatzen von den Dächern. into the sin

Here te verfähigste feiner Borfahren- Friedrich Wilhelm IV.

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Aber er sollte einen scharfen Verstand und glühenden Ehrgeiz haben so lautete die Legende, welche um ihn gewoben worden war. Der

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Freund des Stöcker sollte ein Betbruder sein vom Schlage der Groms well und seiner Eisenfesten", voll rücksichtsloser Energie, ein mili tärisches Genie mit dem Zeug zu einem zweiten Friedrich den Großen", und dabei erfüllt von der idealen Mission des sozialen Königthums". Wo ist heute diese Legende? Jeder Tag hat eine Rede gebracht, die den folgenden Tag forrigirt werden mußte, und Stück um Stück von der Legende abriß. Selbst das militärische Genie", das gemeinſte und niederste von allen Geniesorten wurde durch zahlreiche, zum Theil fast unglaubliche Ungeschicklichkeiten auf dem Manöverfeld und bei Paraden und Revuen, zu blauem Dunst verflüchtigt. Und vie massenhaft und handgreiflich waren die sonstigen Ungefchldlichkeiten! In Einzelnheiten gehen zu wolled, ist nicht unsere Absicht. Nur auf einen Punkt wollen wir aufmerksam machen, weil er für uns von einem gewissen Interesse ist: wir meinen die Stellung des jungen Monarchen zuni sozialen Königthum. Es sollte endlich wahr werden und Wirklichkeit, das feit länger denn einem Vierteljahrhundert, allerdings mit Unterbrechungen, aber nach jeder Unterbrechung mit ver­doppeltem Eifer gepredigte Evangelium vom fozialen Königthum", das über den Parteien steht, dem Klassenkampf ein Ende macht, die Gleichberechtigung des Arbeiters anerkennt und der Arbeit zu ihrem Rechte verhilft.

Die westphälischen Bergleute, fern vom Getriebe der Welt, unberührt von den Wogen des politischen Parteilebens, hatten in Schacht der Erde die frohe Botschaft gehört, und sie glaubten.

Sie glaubten und gingen nach Berlin   ins Schloß, um den sozialen König" und das foziale Stönigthum" zu schauen und sich Hilfe und Rettung zu holen # 150 b

Ich lasse Alles über den Haufen schießen!" Es waren nur sieben Wörter, doch jedes Wort tödtlicher als der tödt lichste Dynamit- Torpedo.

Menschen sind vorläufig nicht über den Haufen gefchoffen" wor den, aber etwas anderes: das soziale Königthum. Ueber den Haufen geschossen durch den sozialen König". Das war ein Königs schnß schnß ein Schuß ins Schwarze oder Schwarzweiße. Aber es ist nun einmal Despotismus, mag der Eine oder Andere noch gedacht haben und der Despotismus, auch went er noch so wohlwollend" ist, es noch so gut meint, verlangt unbe dingten Gehorsam. Ueber den Haufen geschossen werden ist fein Bergnügen, allein man braucht ja nur Ordre zu pariren und man hat nichts zu befürchten. Wenn er uns nur gegen die Ausbeuter schützt, nur uns nicht weiter von ihnen aussaugen und unterdrücken

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In seiner Rede an die Grubenbefizer machte Wilhelm der Zweite oder der Verfasser der Nede entschieden einen Anlauf zur Un parteilichkeit den Herren Grubenbesizern wurde der Text gelesen, für die Arbeiter ein gut Wort eingelegt.

Nun seitdem sind fünf Wochen verstrichen, und was ist das Er gebniß jener schönen Ermahnungen und Versprechungen?

Der föniglich faiserliche Redner hatte zivar Tags zuvor den Berg arbeitern ausdrücklich gejagt: meine Macht ist groß, febr groß!" indeß das war bloß die Macht zu m, eberben Haufen schießen", die bei anderthalb oder gar dritthalb Millionen leben diger Todtschieß- Maschinen uuzweifelhaft eine ziemlich beträchtliche ist; mit der Macht, den Arbeitern zu helfen gegen die Unter nehmer, der Willkür und Brutalität der Kohlenbarone und sonstigen Arbeiterschinder zu steuern, dem bösen Stlaffenstaat an den Stragen 3 gehen mit dieser Macht war es nichts. Ob's mit den Willen ebenfalls nichts war, das können wir nicht wissen, sintemalen wir Nie manden ins Herz blicken können und es in Menschenherzen und Men schenschädeln mitunter gar traus aussicht, namentlich wenn sie Leutel gehören, die auf einem Thron siten und für diese problematische Ge sellschaft erzogen worden sind.

Genug, mit der Macht gegen die Kohlenbarone und den Klassenstaat war es nichts. Die Stohlenbarone pfiffen auf die kaiserlich- löniglichen Mahnungen, und der Stlassenstaat drehte dem sozialen Königthum" eine Die Arbeiter über den Haufen schießen, das fannst du, das Maje: das liegt in meinem, des Klassenstaats, Interesse, desse darfst du gehorsamer Diener du zu sein hast. Bedent, daß du nur durch mid bist. Was wärt ihr Hohenzollern   ohne den bürgerlichen Klaffenstaat dem ihr etwas beffer, etwas intelligenter gedient habt, als die übrige deutschen   Fürsten  . Oder glaubst du, 1866 und 1870 hätte dein Groß vater Oesterreich aus Deutschland   geworfen und halb Deutschland   ver schluckt, wenn er nicht das deutsche Bürgerthum für sich gewonne und sich dem selaisenstaat mit haut und Haare ver

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