Manne erringen wird. Für den Augenblick ist diese Unabhängigkeit der Frau noch nicht zu Gute gekommen, diese hat nur den Herrn gewechselt, sie ist von der Abhängigkeit vom Manne in die vom Ka­pitalisten gerathen. Derselbe hat nicht nur die Frauenarbeit an und für sich ausgebeutet, sondern dieselbe auch als Mittel benüßt, die Männer­Arbeit noch stärker auszubeuten. Das kapitalistische System hat einen Gegensatz, eine Konkurrenz zwischen Männer- und Frauenarbeit, ge­schaffen, die jedoch mit dem System zusammen verschwinden muß. Männer und Frauenarbeit haben keine gegensäzlichen, sondern nur gemeinsame Interessen, gegensägliche Interessen bestehen nur zwischen der Arbeit überhaupt und dem Kapital. Die Abschaffung der Frauenarbeit

ist eine durchaus reaktionäre und wirthschaftlich undurchführbare For= derung. Der Kapitalist kann ebensowenig auf die Frauenarbeit ver­zichten, wie der Mann, der in Folge seines sinkenden Lohnes auf den Erwerb der Frau rechnen muß. Will man der Konkurrenz und des Lohnbrückens wegen Abschaffung und Beschränkung der Frauenarbeit, so muß man logischer Weise auch Abschaffung der Maschinerie und Einführung der alten Zünfte fordern. Befferung der Konkurrenzver­hältnisse kann nur erfolgen durch möglichste Gleichstellung der Frauen, deren Organisation, politischöfonomische Schulung und Durchführung des Grundsatzes Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Wirthschaftlich un­durchführbar, ist die Forderung einer Abschaffung der Frauenarbeit prinzipiell durchaus verwerflich. Die ökonomische Unabhängigkeit ist die Basis aller sozialen Freiheit und Gleichheit, und die Frauen haben also prinzipiell gegen jeden Versuch, ihre Arbeit abzuschaffen oder zu beschränken, energisch zu protestiren, weil sie nur infolge ihrer ökono­mischen Unabhängigkeit vom Manne ihre soziale Gleichstellung mit diesem erhalten werden. Zur vollen Emanzipation der Frau ist nöthig ihre Emanzipation von der Tyrannei des Kapitals. Die Frau hat die gleichen Interessen wie der Arbeiter überhaupt, muß sich also dessen Emanzipationskampf anschließen. Die Arbeiterinnen stellen deshalb keine Sonderforderungen auf, sondern verlangen nur den gleichen Schutz, den jeder erwachsene Arbeiter dem Kapital gegenüber fordert. Nur für schwangere Frauen sind Ausnahmsregeln zu verlangen. Die bewußten Arbeiterinnen hoffen auch nichts von einer blos politischen Gleichstellung, da diese ein leeres Wort bleibt, so lange die ökonomische Abhängigkeit bom Kapital besteht, wie die sozialpolitische Lage der Arbeiter in Län­dern mit dem freien allgemeinen Stimmrecht beweist.

Eine volle und endgiltige Lösung der Frage der Frauenarbeit kann mur erfolgen mit Lösung der sozialen Frage, durch Emanzipation der Arbeit vom Kapital. Die Frauen, welche ihre Gleichstellung anstreben, schließen sich deshalb voll und ganz an die kämpfende sozialistische Ar= beiterpartei an, sie folgen ihrem Banner, zu allen Opfern des Stampfes bereit, aber auch entschlossen, ihren vollen Antheil an den Früchten des Sieges zu fordern.

Hierauf schloß die Generaldebatte und es wird die Spezialdebatte eröffnet. Es wird beschlossen, die Nedezeit auf fünf Minuten zu beschränken, nur für den Hauptredner der Anarchisten wird auf Lafargue's   Antrag 15 Minuten Redezeit bewilligt, damit auch die An­hänger dieser Richtung genügend Gelegenheit haben, ihren Standpunkt zu entwickeln.*)

Der Anarchist Montand ergeht sich ergeht darauf in einem langen Erguß über die absolute Freiheit, die mit einer sozialistischen  Gesellschaft nicht verträglich sei, und Franchet, Vertreter einer Ge­werkschaft der Tischler, tritt leidenschaftlich für Wahlenthal tung ein.

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Sizung vom 20. Jult.

Vaillant eröffnet die Verhandlungen und übergibt den Vorsitz dem englischen Delegirten Cuninghame Graham.

Es sind wiederum zahlreiche Telegramme, sowie noch 3 neue Dele­girte eingetroffen. Die Arbeiterpartei der Argentinischen   Nepublik hat einen Situationsbericht eingesendet und Liebknecht   das Mandat über­tragen, sie zu vertreten. Die Belgier haben 100 Franken für die Hinterbliebenen der verunglückten Kohlengräber zu St. Etienne   gegeben. Liebknecht theilt mit, daß er gestern beim Empfang im Stadthaus mit einer großen Anzahl von französischen   Arbeitern zusammengetroffen sei, welche ihn ihrer durchaus brüderlichen Gefühle für die Deutschen  versichert hätten. Viele Mitglieder des Possibilistischen Kongresses hätten geäußert, daß fie nur durch einen Zufall auf diesen gerathen und von seinem Verlauf enttäuscht seien. Es that ihnen leid, sich nicht sofort dem streng sozialistischen Kongreß angeschlossen zu haben.

Cuninghame Graham tritt entschieden für den 8 stündigen Nor­malarbeitstag ein. Der Arbeiter, welcher zu lange und zu schwer schafft, werde unfähig, an einer sozialistischen   Bewegung theilzunehmen. Zwischen Arbeit und Schlaf lebe er ftumpffinnig dahin. Die gewecktesten und gut entwickelten Arbeiter Australiens  , welche den achtstündigen Arbeits­tag haben, beweisen, von welchem Einfluß eine kürzere Arbeitszeit für die förperliche und geistige Entwicklung der Profetarier ist. Abgesehen davon, wird kürzere Arbeitszeit ein Steigen der Löhne herbeiführen. Es ist ein ökonomisches Gesch, daß der Lohn um so höher steht, je fürzer der Arbeitstag ist. Die Bourgeofie sucht zwar die Arbeiter über diese Wahrheit zu täuschen, allein es mangelt nicht an beweisenden Bei­spielen. Redner führt solche aus England und den Vereinigten Staaten  an und fordert alle Songreßtheilnehmer zur energischen Aktion für den Achtstunden- Arbeitstag auf, denn der Normalarbeitstag ist der erste Schritt zur Emanzipation der Arbeit.

Nach einer kurzen Debatte über die zu befolgende Geschäftsordnung wird beschlossen, daß in der Vormittagsjigung noch die bereits auf­gezeichneten Redner sprechen sollen, in der Nachmittagssigung zunächst über die eingebrachten Resolutionen, abgestimmt werden soll.

Kloß( Stuttgart  ) legt in furzen Worten, aber mit trefflicher Klar­heit dar, daß die Frage des Arbeiterschußes von höchster Wichtigteit für die Emanzipationsbewegung der Arbeiter sei. Dieselbe müsse Hand in Hand mit der politischen Agitation behandelt werden. Gerade die Sozialisten müssen Arbeiterschuß verlangen, um die Wege zu ebnen, auf welchen die Masse vorwärts schreitet, damit diese nicht auf dem Marsche in das gelobte Land des Sozialismus unterliegt. Seẞt man dem Ka­pitalismus feinen Damm entgegen, so degenerirt er die Arbeiter derart, daß diefelben unfähig zu jedem Aufraffen werden.

Gleicherweise wie die Arbeitsschutzgesetzgebung hat man auch von ver­schiedenen Seiten die gewerkschaftlichen Organisationen verurtheilt, weil dieselben nicht den Arbeitern das ganze Ziel bieten. Dies stimmt, allein es ist Aufgabe der Sozialisten, das fehlende Mehr hineinzutragen, den Sauerteig 31 bilden, welcher das Klassenbewußtsein in Gährung bringt. Der Redner erklärt sich entschieden für die Resolution Bebels.

Nachdem Bebel unter großem Beifall erklärt, daß die von ihm, Guesde und Morris eingebrachten Resolutionen in eine einzige ver= schmolzen worden, welche heute Nachmittag zur Beschlußfassung vorge= legt werden solle, spricht Lefèvre über die Lage der Weber von Amiens  , welche sich kurz zusammenfassen läßt in: Ueberarbeit, Unter­lohn, Konkurrenz der Frauen- und Kinderarbeit, Mangel an Organi­sation. Erft feit vorigem Jahre hat sich im Anschluß an einen glück­lichen Lohnstreit, eine Syndikatstammer der Weber gebildet, welche jedoch erft 300-400 Mitglieder umfaßt,

Sebastian Faure  , Anarchist, fühlt sich zu einer Entgegnung auf Cuninghame Grahams Ausführungen verpflichtet. Gerade das Hoffen und Harren auf Reformen hält die Arbeiter vom Eintritt in eine Bewegung zurück, nur die Idee der Revolte könne sie aus ihrem Stumpffinn emporrütteln. Der ökonomische Mechanismus der heutigen Gesellschaft mache jede Verbesserung der Lage des Arbeiters unmöglich. Das allgemeine Stimmrecht sei ein Betrug, Gesetze und Gesetzgeber feien stets im feindseligen Gegensatz zum Volte. Nur die permanente Revolte fönne Abhülfe bringen.

Frau Ihrer spricht zur Frage der Frauenorganisation. Ohne Fachvereinigungen der Frauen werden die Männer in ihren ökonomischen Kämpfen nur theilweise Sieger bleiben. Die Männer müssen die Frauen in ihren Organisationsbestrebungen unterſtüßen. Der Einwand, Die Frauen feien zu rückständig, um die Nothwendigkeit der Organisa­  

*) Wie nicht anders zu erwarten war, bedanken sich der Anarchisten in ihrer Bresse für dieses Entgegenkommen durch ein maßloses Schimpfen auf die sozialistische Mehrheit des Kongresses. Herr Sebastian Faure 3. B., der in der Sigung vom 16. Juli so vortrefflich den Versöhn­lichen zu spielen wußte, tobt in der Pariser Attaque" wie besessen und erklärt alle Nicht- Anarchisten des Kongresses sammt und sonders für Bourgeois". Ihn überbietet im Schimpfen noch ein gewisser Karl Stan, sowie in der" Nevolte" Herr Merlino. Ned.

tion zu begreifen, ist durchaus nicht stichhaltig. Man fonnte ihn früher ebenso gut auf die Arbeiter anwenden, ja er gilt von einem Theil der= felben noch heute. Die eiserne Nothwendigkeit hat den Männern ihre Pflicht gelehrt, fie öffnet auch den Frauen die Augen. Daß dieselben der Frage Verständniß entgegenbringen, beweist schon der Umstand, daß sie sich auf dem Kongreffe vertreten lassen, ferner die vielen Zustim­mungsadressen, die Rednerin aus allen Theilen Deutschlands   erhalten. Die Sache der Fachvereinigungen der Arbeiterinnen müsse mit großem Eifer betrieben werden." Proletarierinnen aller Länder vereinigt Euch!" müsse eine Devise werden so gut wie der Marg'sche Mahnruf für Ver­einigung aller Arbeiter.

Mit Zustimmung des Kongresses erhält hierauf der Engländer John Burns, Delegirter des possibilistischen Kongresses, das Wort. Er bedauert, daß keine Einigung zu Stande gekommen ist. Nur ein Zufall hat es gefügt, daß er nicht diesem Kongreß beiwohnte: das Einladungs­schreiben der Possibilisten war früher eingelaufen und die Gewerkschaft, der er angehört, hatte sich dementsprechend bereits entschieden, als die Einberufung für den Kongreß der vereinigten Sozialisten erging. Burns vertritt 57,000 Maschinenbauer, welche in einer Trades Union grup­pirt sind. Die Trades Unions stehen in dem Rufe, reaktionär zu sein, allein dieser Nuf ist weniger von Seiten der Mitglieder, als der alten Führer verdient, welch lettere sich jedoch immer mehr abwirthschaften. Die Verhältnisse haben die englischen Arbeiter, die bisher wähnten, auf nationalem Wege alles erringen zu können, eines Besseren belehrt, sie begreifen die Nothwendigkeit einer internationalen Verständigung. Die ötonomisch Entwicklung legt den englischen Arbeitern das Verständniß der sozialistischen   Theorien nahe, und der Redner ist überzeugt, daß in 5 Jahren alle organisirten Arbeiter seines Vaterlandes im sozialistischen  Lager stehen und die Macht des internationalen, für Emanzipation fämpfenden Proletariats bedeutend stärken werden. In dieser Hoffnung begrüßt er diesen Kongreß und wünscht ihm den besten Erfolg.

Cäsar de Paepe, obgleich schwer leidend, ergreift das Wort, um ,, wahrscheinlich zum letzten Mal auf einem internationalen Kongreß" zu Gunsten der Arbeiterschutzgesetzgebung zu sprechen. Arbeiterschus anzu­streben, sei fein unpraktisches resultatloses Beginnen, denn langfam, Schritt für Schritt dringen die bezüglichen Forderungen trotz des Wider­standes der Kapitalisten und kapitalistischen Regierungen durch. Die Freiheit der Arbeit, von welcher die Bourgeoisökonomen reden, wird durch Schutzgesetze nicht beeinträchtigt, nur die Freiheit des Ausbeutens, welche durch Erstere maskirt wird. Dem anarchistischen Einwand Be einträchtigung der absoluten individuellen Freiheit gegenüber ist zu bemerken, daß diese überhaupt mit einer gesellschaftlichen Organisation unvereinbar ist. Eine internationale Regelung der Arbeitsverhältnisse ist auch möglich, trotz den Verschiedenheiten, die sich in Bezug auf Einzelheiten in den Ländern ergeben. Die Forderungen betreffs Ein­führung hygieinischer und anderer Schutzmaßregeln, auf Abkürzung der Arbeitszeit 2c. find überall die gleichen. So gut wie man für den Postbetrieb eine internationale Ginigung zu Stande gebracht, könne man dies auch für den Arbeiterschutz thun. Redner ist deshalb für den Vor­schlag des Schweizer   Bundesraths, aber er geht in seinen Forderungen weiter, da man Alles fordern muß, was überhaupt innerhalb der gegen­wärtigen Gesellschaft erlangt werden kann.

Eine große Anzahl Delegirter von Syndikatskammern( Fach­vereinen) der Provinz lassen durch den Vorsitzenden eine Erklärung verlesen, des Juhalts, daß das Gros der Klassenbewußten Arbeiter in der Provinz durchaus nicht auf anarchistischem Standpunkte stehe. Wenn dies auf dem Kongreß so scheine, so kommt dies daher, daß die Anarchisten, besonders die Pariser  , zuerst das Wort erhalten haben, während sie selbst noch nicht Gelegenheit gehabt hätten, ihren sozialisti­schen Standpunkt darzulegen.

Diese Erklärung wird mit großem Beifall, ein späterhin einlaufender und von 8 Personen unterzeichneter Protest dagegen, welcher konstatirt, daß es auch in der Provinz Anarchisten gäbe, mit ironischer Heitertelt aufgenommen.

Der russische Delegirte Beck führt aus, daß Rußland   bereits voll und ganz in die kapitalistische Periode eingetreten sei. Die kapitalistische Bourgeoisie werde den Despotismus nie stürzen, weil dieser ihre festeste Stüße sei. Sie werde auch die alten sozialen Einrichtungen, wie das Gemeindeland 2c., nicht abschaffen, denn der russische Kapitalismus   habe sich an dieselben angepaßt, sie in Mittel verwandelt, das Volk auszu= beuten. Die russischen Sozialisten wissen, daß sie gleichzeitig den Zäsaris­mus und den Kapitalismus zu bekämpfen haben.

Redner ist für eine internationale Arbeiterschußgefeßgebung, um die breite Masse der Arbeiter vor dem Sturz ins Lumpenproletariat zu be= wahren, von dem Nichts für eine sozialistische Bewegung zu hoffen fet.

Mehrere französische Delegirte treten darauf ebenfalls für die Arbeiterschutzgesetzgebung ein, deren Verwircklichung durch formelle Be­schlüsse des Kongresses und Zähigkeit der Forderung angebahnt werden müsse. Der Pariser Stadtrath habe schon für die bei städtischen Unter­nehmern beschäftigten Arbeiter gewisse Schußmaßregeln eingeführt.

Chauvière, Stadtrath, fordert als wirksamstes Mittel zur Durch­setzung der bezüglichen Geseze die Entwaffnung der Bourgeoisie und die allgemeine Voitsbewaffnung.

Duprès, Vertreter eines Vereins von Kunst- und Möbeltischlern des Faubourg St. Antoine, bekämpft in leidenschaftlicher Weise die Forderung von Schußgefeßen. Die heutige Gesetzgebung ist Schwindel, die morgige wird faul sein. Geseze werden stets gegen das Volk ge= richtet sein. Das Kapital, die Kapitalisten, das Monopol, Alles muß vernichtet werden!"

Domela Niuwenhuis erwartet für den Arbeiterschutz Nichts vom Parlamentarismus. Wenn die Regierungen ihren eigenen Vor­theil verstünden, so würden sie die von uns aufgestellten Forderungen fofort bewilligen, denn dadurch wäre die sozialistische Bewegung mit einem Schlage getödtet. Zum Glück für dieselbe sind die Regierungen nicht so flug. Schutzmaßregeln für die Arbeit tragen, wie die früher gepredigte Enthaltung von der Heirath, der Kindererzeugung( Neo- Mal­thusianismus) 2c., welche die Lage des Einzelnen etwas erträglicher gestalten können, nur dazu bei, den Arbeiter bis zu einem Grade mit seiner Lage auszuföhnen. Der Kapitalismus selbst wird im gegebenen Augenblick selbst den achtstündigen Normalarbeitstag geben, denn er wird vorziehen, mit kleinen Opfern Herr der Situation zu bleiben. Um den Arbeiter als Sklaven zu behalten, wird er ihm die Ketten mit Sammt umwickeln. Die Lage des Arbeiters fann nur gründlich verbessert werden durch Ueberführung des individuellen in gesellschaftliches Eigenthum. G Liebknecht erwiedert hierauf, daß er nicht auf eine Distussion über den Nugen des Parlamentarismus eingehen wolle. Die Auffassung der deutschen Sozialdemokratie über diese Frage sei bekannt. Nur müsse er bemerken, daß die Einführung von Schußgefeßen, weit entfernt, die sozialistische Bewegung zu tödten, derselben einen neuen mächtigen Auf­schwung geben würde.

Die Sigung wird hierauf bis 3 Uhr vertagt.

Die Nachmittagsfibgung findet unter dem Vorsitz von Deville statt. Dem Beschluß des Kongresses entsprechend soll zunächst die Abstimmung über die beantragten Resolutionen erfolgen; erst, wenn diese erledigt, weiteren Meldungen zum Wort Folge gegeben werden.

Etliche Anarchisten, die sich trotz der übergroßen Geduld, mit welcher der Kongreß ihre Theorien von dem alleinseligmachenden Allesverunjeniren angehört, in ihrem Redebedürfniß beeinträchtigt fühlten, protestirten lärmend gegen diese Unterdrückung der Redefreiheit". Ganz besonders zeichnete sich dabei der Italiener Merlino, der sich auf dem Possibi­listentongreß lammfromm benommen, durch systematisches Schreien aus. Alle Versuche des Präsidenten und der erdrückenden Majorität der Delegirten, die Ruhe wiederherzustellen, scheitern. Man erhält den Ein­druck, daß die Anarchisten systematisch Lärm machen, um den Kongreß nicht zur Abstimmung tommen zu lassen, und schließlich wird Merlino nebst zwei anderen allarchistischen Störenfrieden aus dem Saale   gebracht, und etliche ihrer Freunde folgen ihnen.

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Der Kongreß geht nach dem Zwischenfall zur Abstimmung über. Die Resolution wider die stehenden Heere, bezw. für all gemeine Voltsbewaffnung wird mit allen Stimmen gegen 7 Stimmenthaltungen angenommen. d

Ueber die Resolution, betreffend die Mittel und Wege zur Ver­wirklichung der auf den Arbeiterschutz bezüglichen Beschlüsse des Kongresses erfolgt auf Verlangen der belgischen Delegirten Abstim= mung nach Nationalitäten. Dafür 13 Nationalitäten. 3( Belgier, Holländer, Desterreicher) enthalten sich der Abstimmung.

Für die von Bebel eingebrachte, von Guesde, Morris,

Scherrer 2. amendirte Resolution für Arbeiterschuhgefege ( Sozialdem." Nr. 30) stimmen 14 Nationalitäten, und 2( Holländer und Belgier) enthalten sich der Abstimmung.

Die von Bebel beantragte 3ufazresolution( Anerkennung der Frau als gleichberechtigte Arbeitskollegin) wird einstimmig angenommen.

Eine von William Morris   eingebrachte und von Guesde amendirte Einleitung zur Resolution über den Arbeiterschutz wird mit 11 gegen 3 Nationalitäten bei 2 Enthaltungen( Belgier und Holländer) angenommen.

Zu den gegen die Refolution Stimmenden gehörten auch die Deutschen  . ( Wohl nur in Folge eines Mißverständnisses!)

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Die von Lavigne- Bordeaux im Namen des Nationalverbandes der französischen   Syndifatskammern beantragte Resolution zu Gunsten gleichzeitiger, am 1. Mai 1890 vorzunehmender Manifestationen für den Achtstundenarbeitstag erhält die Stimmen aller Nationalitäten außer Belgien   und Rußlan d.( Die russischen Dele­girten motiviren ihre Abstimmung mit den Verhältnissen in ihrer Heimath, die eine solche Manifestation unmöglich machen. Aehnlich hatten vorher die Desterreicher ihre Stimmenenthaltung motivirt.)

Eine von Bushe( Newyork) eingebrachte Resolution für Ausnüßung des allgemeinen Wahlrechts ohne Kompromiß mit bürger­lichen Parteien wird mit allen gegen eine Stimme angenommen. Später werden noch im Lauf der Debatte zwei 3usaganträge zur Reso­lution Bebel- Guesde 2c. betreffend den Arbeiterschutz einstimmig angenommen. Der eine verlangt Berbot des 3 wij gen- unter­nehmer-( Sweating-) Systems, der zweite Abschaffung der privaten Stellenvermittlungsbureaus.

Nachdem die Abstimmung vorüber motivirt Volders die Stimm­enthaltung der Belgischen   Delegirten. Dieselbe bezieht sich nicht auf den Inhalt der verschiedenen Resolutionen, mit denen er und seine Freunde vielmehr durchaus übereinstimmten, sondern sie erfolgte als Protest gegen die undemokratische Art und Weise, erst abzustimmen und dann das Wort zu Diskussion zu ertheilen. Aehnlich sprechen sich Kirchner( Philadelphia  ) und Werner( Berlin  ) aus. Deville als Vorsitzender antwortet darauf, daß das Bureau nur die Be= schlüsse des Rongresses ausgeführt habe, und Liebknecht weist in eingehender Darlegung auf die Schwierigkeiten der Geschäfts­führung hin, sowie darauf, daß über Fragen, wie die zur Abstimmung gekommenen, über die wohl jeder der Delegirten schon mit einer festen Ansicht zum Kongreß gefonimen sei, auf die fast alle Redner in der Generaldiskussion Bezug genommen, eine nochmalige Diskussion wirklich nicht nöthig gewesen sei.( Wir erinnern bei dieser Gelegenheit daran, daß, als Lafargue   am fünften Tag den Antrag stellte, mit der Ent­gegennahme der Berichte abzubrechen und zur Diskussion der auf der Tagesordnung des Kongresses stehenden Buntte überzugehen, dieser Antrag vom Kongreß mit großer Majorität abgelehnt worden war. ( Red, d. S.-D.")

Verschiedene deutsche und französische   Delegirte drücken ihr volles Vertrauen zu dem Ausschuß aus.

Eine Resolution Tressaud( Marseille  ) für den General streit als Anfang der sozialen Revolution" wird nach Begründung von Seiten des Antragstellers und Widerlegung durch Liebknecht mit großer Majorität verworfen.

Ein Antrag, der Amnestie aller politischer Verbrecher und ein Zusazantrag, der Agitation in diesem Sinne befürwortet, wer­den, bei Stim menthaltung von Seiten der Deutschen  , angenommen. Im Namen der Deutschen erklärte Liebknecht, daß es für die deutsche   Sozialdemokratie ein Akt der Feigheit sein würde, angesichts der Natur ihres Kampfes in Deutschland  , für einen Gnadenakt einzutreten. dunl

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Es erfolgen verschiedene Erflärungen von untergeordnetem Intereffe. Der Anarchist Faure   verliest einen Protest von 7 Englandern*), und einem Italiener**) gegen die Erstickung der freien Distusfion". Palmgreen( Schweden  ) anerkennt, daß Unregelmäßigkeiten vorgekommen, dieselben seien aber kaum zu vermeiden gewesen. Der Verlauf des Kongresses zeige, daß derselbe echt sozialistischer geweser sei und seinen Zweck voll und ganz erfüllt habe. Cipriani erflärt, die italienischen Delegirten hätten, nachdem sie ihr Mandat, eine Einigung beider Kon­gresse herbeizuführen, nicht erfüllen gekonnt, zwar den Kongreß nicht verlassen, aber ihm nur noch als Zuschauer beigewohnt.

Vollmar berichtet über die Veranstaltungen behufs Niederlegung der Kränze auf dem Massengrab der Kommunards, sowie der Gräber Heines und Börnes. Auf einen Antrag der Deutschen   und der Eng­länder, der die Arbeiten des Kongresses für erledigt erklärt, wird der internationale sozialistische Arbeiterfongreß mit einem begeisterten Hoch auf die internationale Sozialdemokratie und die soziale Revolution geschlossen.

brio ednom salud asjad

Der internationale sozialistische Arbeiter­Kongreß und die deutsche Presse.

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Der internationale Arbeiterkongreß in Paris   gehört zu jenen Greig­nissen, die umgekehrt wie die Sensationsereignisse des Tags so größer erscheinen, je mehr man sich zeitlich von ihnen entfernt. Alle wirklich bedeutungsvollen Ereignisse haben diese Eigenschaft: ihre Trag­weite, die anfangs nur von Wenigen begriffen wird, macht sich erst allmählich, durch die Logik der Thatsachen, den Massen klar. Wenn verschiedene Monarchen mit ihren Ministern zusammenkommen, so bringt Aufregung das auf ein paar Tage die ganze Presse und das ganze Publikum in es ist ein welthistorisches Ereigniß und nach acht Tagen ist's vergessen. Daß ein halbes Tausend Arbeitervertreter aus allen Stulturländern der Grde sich zu einem internationalen Arbeiter= Parlament vereinigen, sich um Fürsten   und Diplomaten gar nicht bekümmern, das elende Intriguenspiel der sog. hohen Politik und die Quackfalbereien einer bankrotten Staatsstümperzunft von genialen Staatsmännern" voll vornehmer Verachtung ignoriren und ruhig und fest die Etappen bezeichnen, welche zum Ziel führen zum ruhig und fest bezeichneten, gleich einem Leuchtthurm strahlenden, in Finsterniß, Nebel und Sturm den Weg weisenden Ziel das ist an sich schon ein weltbewegendes Ereigniß ein Ereigniß noch weit bedeutungs­boller als vor 100 Jahren der Zusammentritt der französischen   Na­tionalversammlung und der Triumph des dritten Standes". Vom dritten Stand" sagte man damals und mit Recht-: ,, Er

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ist das französische   Volt minus( weniger) eine halbe Million Adelige und Pfaffen. Der dritte Stand" hat sich seitdem in seine verschie= denen Bestandtheile chemisch aufgelöst die Bourgeoisie, welche als Rahm oben hin gestiegen ist, hat sich mit den einst so heftig bekämpften Adligen und Pfaffen vereinigt und steht als befizende und ausbeutende Lasse den arbeitenden und nicht besigenden Stlassen gegenüber, die num ihrerseits eine ähnliche revolutionäre Rolle spielen, wie der dritte Stand vor hundert Jahren, und num ähnlich wie dieser vor hundert Jahren von sich sagen können: wir sind das Volte minus die winzige Minorität der Ausbeuter."

Das Pariser   Arbeiterparlament hat für die Geschichte des das

sammten Welt- Proletariats dieselbe Bedeutung, Versailler   Bürgerparlament weiland für das französische   Bür= gerthum. Das Nationale hat sich zum Internationalen, Frank­ reich   sich zur Welt erweitert. Wohl wissen wir, daß das Welt= Proletariat noch nicht so regierungsfähig" ist man verzeihe das Wort, wir finden fein passenderes wie vor hundert Jahren das französische   Bürgerthim, allein das that der Bedeutung des Ereignisses feinen Abbruch der Bundesvertrag ist geschlossen zwischen den Proletariern aller Kulturländer: das Ideal der Inter­

diese noch zu schwach

verwirklicht worden:

nationalen Arbeiter- 21110tation, au besen Berwirt: die Verbrüderung des internationalen Proletariats ist vollendefe That­fache, das herrliche: Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" ist Wahrheit geworden. and tibi fi.pl

*) Frau. G. G.- Schack, F. Charles, J. Cooper, Nition, Frau Tocchatti, G. J. Netlow von der Sozialistische Liga und J. Tocchatti vom Nadikalen Klub in Hammersmith  .

**) Molinari, italienischer Delegirter"( Derselbe Molinari figurirte auf dem possibilistischen Kongreß unter" Schweiz  ".

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