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auch im vollsten Maße verdienen. Ihre heroische Ausdauer ist wahr­haft bewunderuswerth. Troßdem die Gaben sehr reichlich fließen, reichen sie doch bei Weitem nicht aus, die große Masse der Ausstän­digen vor Mangel zu schüßen. Es herrscht ein fürchterliches Glend unter den Opfern der kapitalistischen   Profitgier, und doch halten sie tapfer aus, und dabei legen sie eine außerordentliche Selbstbeherrschung an den Tag ruhig und entschlossen hören sie die Berichte über den Stand der Dinge an, und ruhig und entschlossen stimmen sie einmüthig dafür, nicht nachzugeben, bis sie ihr bescheidenes Verlangen durchgesetzt. Das Streiffomite, dessen einzelne Mitglieder physisch geradezu Un­glaubliches geleistet haben, hat sich Ende voriger Woche, als die ab­lehnende Antwort der Dockdirektion bekannt wurde, in der ersten Auf­wallung zu einem Schritt hinreißen lassen, der leicht für den Streit hätte verhängnißvoll werden können; es veröffentlichte ein Manifest, in dem es die Arbeiter Londons   aufforderte, wenn bis zum Montag die Forderungen der Docker nicht bewilligt sein würden, einen General­streit eintreten zu lassen. Das war, wie sich alsbald herausstellte, ein großer Fehler; denn abgesehen von der physischen Unmöglichkeit, den Generalstreit ins Werk zu setzen, mußte eine solche Aufforderung, selbst wenn sie, wie wohl beabsichtigt, nur als Pression wirken sollte, von der Gesammtheit der Arbeiterorganisationen ausgehen. Das Stomite fah dies auch ein, und zog am nächsten Tage das Manifest wieder zurück.

Am Sonntag fand eine neue Demonstration im Hyde- Park statt, die noch weit zahlreicher, vielleicht doppelt so stark besucht war, wie die erste. Gegen 150,000 Menschen drängten sich um die Tribünen und stimmten für die Resolution, die zu Festhalten am Streif und zur Unterſtüßung der Streifenden aufforderte. Außer den sozialistischen  Mitgliedern am Streit- Stomite: John Burns  , H. H. Champion, Tom Mann  , Fr. El. Aveling, sowie Cunninghame Graham   und dem Sekretär des Vereins der Dockarbeiter, Ben Tillet, sprachen auch verschiedene Bertreter von Gewerkvereinen, sog. qualifizirte Arbeiter. Dieses Hand in Hand Gehen der Letzteren mit ihren bisher verachteten unqualifi zirten Stameraden ist eine der verheißungsvollsten Erschei nungen dieses an erhebenden Momenten so reichen Kampfes.

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Obwohl wir im Leitartikel bereits darauf hingewiesen, müssen wir hier noch einmal der großen, über alles erhabenen Opferwilligkeit ge= denken, welche die Arbeiterschaft Londons   für die armen Docker an den Tag legt. Diese straft die Nedensarten von dem Mangel an Idealis­mus unter den englischen Arbeitern vollständig Lügen. Es ist geradezu überwältigend, wie schwere Opfer sich die Einzelnen auferlegen, um denen zu helfen, die sie bisher für Gesindel" hielten. Eine Steuer von 5 Prozent vom Wochenlohn ist noch das Wenigste, viele geben 10, 20 Prozent, ja es haben Arbeiter den halben, ihren ganzen Wochen­John gebracht, für die armen Ostend- Leute". Der Verein der Lon­ doner   Schriftsezer hat in Urabstimmung beschlossen, während der Dauer des Streiks in Wochenraten von je 100 Pfund bis zu 500 Pfund Sterling= 10,000 Mart( 1) dem Streitfonds zu überweisen, und zwar stimmten 5,559 Mitglieder dafür und nur 194 dagegen. Daneben wird aber noch in den einzelnen Seßereien gesammelt und auch dabei kamen sehr anständige Beiträge zusammen. Andere Branchen können nicht so viel geben, aber thun ebenfalls, was in ihren Kräften steht. Kurzum, es zeigt sich, daß der Gedanke der Solidarität der Arbeiter intereffen tiefe Wurzeln in den Herzen der englischen Arbeiter ge­schlagen. Wäre die Zahl der Streifenden nicht eine so gewaltige und fehlte diesen, int buchstäblichsten Sinne des Wortes Ausgehungerten nicht jede sonstige Hilfsquelle es wäre kein Zweifel, daß der Sieg ihnen zufällt und die verruchte Spekulation auf den Hunger als Bändiger" elend in die Brüche geht.

Im Augenblick, da unser Blatt in die Presse geht, werden erneute Vermittlungsversuche gemeldet. Ob sie erfolgreicher sein werden als die vorhergehenden, bezweifeln wir. Die Herren Dock­Direktoren bestehen auf ihrem Schein, und um sie zum freiwilligem Nachgeben zu bewegen, ist der Druck der öffentlichen Meinung nicht start genug.

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Nichts zu spiteln? Wie ein Berliner   Telegramm der Londoner Daily News" meldet, sucht die Norddeutsche" an der Hand von Aus­zügen aus deutschen sozialdemokratischen Blättern den Beweis zu lie­fern, daß der Londoner   Dockarbeiter- Streit von den Sozialisten ange­settelt worden sei; die Berliner   Volkstribüne" habe bereits am 27. August von der Absicht, den Generalstreit zu proflamiren, gewußt, während das betreffende Manifest erst am 30. August erschienen sei.

Diese Deduktion ist des Bismarc'fchen Leibblattes vollkommen wür dig, schade nur, daß fie in England ihren Zweck vollständig verfehlt. Aber sie zeigt wieder einmal deutlich das Bestreben der Berliner   Drath­zieher, für ihre Polizei- Internationale Reklame zu machen. Wie sie in Genf   durch ihren Haupt Attentate auf den russi= ichen 3aren aus- spizeln ließen, so wollen sie jetzt sich den Eng­ländern gegenüber den Anschein geben, als glaubten sie an eine große Verschwörung, die nur sie ausfinden könnten. Hinter dieser Sucht, ben Allerweltsspizel zu machen, steckt selbstverständlich nichts als der Wunsch, die ganze Welt bismarckisch regiert zu sehen. Leider wird er aber wohl ein frommer" bleiben müssen.

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Wenn die herrschende Klique in Deutschland   irgend ein wohlklingendes Wort in den Mund nimmt, so kann man sicher sein, daß sie eine neue Infamie plant. In unsrer Zeit der Ab­schleifung aller ehrlichen Begriffe, ist ja nichts leichter, als für die schlechteste Sache eine gleißende Nedensart aufzutreiben. So wurde das Tabaksmonopol, obwohl nur für fiskalische Zwecke beſtimmt, als Patrimonium der Enterbten" zum Glück vergeblich angepriesen und die Vertheuerung der Lebensmittel des Volkes als Schutz der nationalen Landwirthschaft. Gerade das Wort Schuß muß besonders häufig herhalten, um den Deckmantel für allerhand Spizbübereien ab­zugeben soll irgend ein Raubzug auf die Taschen des Volkes, irgend ein Handstreich gegen ein Recht des Volkes geführt werden fofort wird das Wort Schuß ausgespielt in demselben Sinne, wie der Dieb von in Sicherheit bringen" redet, wenn er irgend einen Gegen­stand seinem rechtmäßigen Eigenthümer entwendet.

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So wird denn auch der Feldzug gegen dasach, so beschränkte Roalitionsrecht der deutschen Arbeiter unter dem Zeichen des Schutzes" geführt. Man höre nur, was die Nordd. Allgemeine", das Leiborgan Eisenstirn's, neulich in dieser Hinsicht für Falschmünzerei zu Tage förderte:

" Daß der Gesetzgeber von 1869 die Koalitionsfreiheit nur den, von ihm in§ 152 ausdrücklich benannten Kategorien hat gewähren wollen, geht namentlich auch daraus hervor, daß die in§ 153 von ihm ausge= sprochene Strafandrohung eine allgemeine, nicht auf diese Kategorien beschränkte ist. Hätte der Gesetzgeber nicht nur den Arbeit­gebern und Arbeitnehmern den Gebrauch des Koalitionsrechtes gewähren wollen, sondern jedem, der die Neigung verspürt, sich in die Verein­barung des Arbeitsvertrages einzudrängen, so hätte der Gefeßgeber feine Unterscheidung betreffs der von beiden Paragraphen begriffenen Per­fonen und Kategorien zu machen nöthig gehabt. Gerade daß diese Unter­scheidung gemacht wurde, spricht für eine einschränkende Interpretation des§ 152, wenn aber, wie die Nationalliberale Korrespondenz" sagt, der heutige Gesezgeber nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet erscheint, möglichst großen Schuß gegen den Mißbrauch des Koalitionsrechts zu schaffen, so möchte solcher Schutz zunächst dahin anzustreben sein, daß die Koalitionsfreiheit gegen den, jei es zu welchen Zwecken immer, erfolgenden Mißbrauch durch Unbefugte gefch ist wird."

Die einleitende Rechtsfolgerung ist der Nabulisten würdig, die in demselben Augenblick, da sie die famose Bismarckspende in Sicherheit brachten, die Diätenprozesse gegen die Reichstagsabgeordneten in Szene setzten. Weil die Gewerbeordnung vom Jahre 1869 da, wo sie von der Koalitionsfreiheit handelt, ganz logischerweise nur von denen spricht, die fie bisher nicht hatten,§ 152 handelt von der Aufhebung bisheriger Verbote und Strafbestimmungen da aber, wo sie von Uebergriffen handelt, schlechtweg sagt: Wer andere durch Anwendung törperlichen Zwanges 2c. 2c." soll dies ein Beweis sein, daß der " Gesetzgeber" das Stoalitionsrecht nur so verstanden habe, daß die Ar­beiter denn für die Arbeit- Nehmer eristiren Strasbestimmungen überhaupt nicht beileibe Niemand zu Nathe ziehen, als Sprecher wählen dürfen, der nicht zu ihrem Berufe gehört, nicht direkt an ihrem Lohnkampf betheiligt ist! Wir würden sagen, das ist der Gipfel des

Widersinns, wenn der Sinn dieser Auslegung nicht so klar auf der. Hand läge: bei der in Deutschland   notorischen Gepflogenheit des Unternehmerthums, die Wortführer der Arbeiter selbst wenn es sich um noch so legitime Forderungen handelt, zu ächten, soll diesen auf solche Weise die Benutzung des Koalitionsrechts erschwert, unmöglich gemacht werden. Der geplante Schutz der Koalitions= freiheit übersetzt sich in's ehrliche Deutsch als Mord der Koalitions= freiheit.

Zum Glück dürfte vorderhand auch das nicht gelingen". Bei solchen Schurkenstückchen, bei diesem nichtswürdigen Hochverrath an der Sache des Volkes gilt aber der Grundsaz, den die Machthaber als Schutz ihrer Gewaltherrschaft in die Strafgefezbücher eingeschrieben haben: Schon der Versuch ist strafbar. anjunir

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k. Er hat keine Zeit. Als neulich, bei der Anwesenheit des Reisekaisers in Elsaß- Lothringen   eine Deputation zu ihm gehen wollte, um die Aufhebung der russischen Maßregel des Paßzwangs zu er­bitten, ließ er den bittluftigen Leuten sagen, er fönne sie nicht empfangen, er habe teine Beit.

Nun die Leutchen hätten auch besser gethan zu Hause zu bleiben, denn daß an dieser Stelle nichts auszurichten war, und daß die richtige Schmiede wo anders liegt, das hätten sie wissen müssen. Die Bedeutung der kaiserlichen Antwort wird hierdurch aber nicht im Mindesten geschmälert. Für solche Angelegenheiten, die so recht eigentlich Gegenstand des Regierens sind, hat der Kaiser keine Zeit so sagt er selbst. Und warum hat er feine Zeit? Weil er auch das sagte er selbst Soldaten besichtigen und reisen muß. Da nun ein Kaiser weder die Unwahrheit sagen, noch Unrecht thun fann, so erhellt aus der kaiserlichen Antwort, daß die Beschwerden seiner Unterthanen" anhören überhaupt nicht Sache des Kaisers

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wohl aber das Soldatenbesichtigen, Reisen und sonstige zur Repräsentation" gehörige Vergnügungen. Es ist sehr gut, daß dies dem Volfe, welches in Bezug auf die Stellung und das Amt der Kaiser und Könige mitunter noch gar naive Anschauungen hat, von einem der betreffenden Herren selbst einmal gesagt wird.

Diese Rede des Kaisers ist auch nicht forrigirt worden. Sie war insofern glücklicher als die Rede, in welcher der Kaiser ein paar Tage später das scharfe Schwert" der Westphalen feierte, und die na ch dem sie gehalten worden dreimal forrigirt werden mußte, bis das scharfe Schwert" so weit abgeschliffen war, daß es im Staatsanzeiger" fein Unheil mehr anstiften konnte. Da jede der Lesarten dem Publi­fum sofort durch das Wolff'sche Telegraphenbureau brühheiß mit= getheilt wurde, so konnte das Volk der Denker den interessanten Abichleifungsprozeß ganz genau verfolgen was immerhin etwas Belehrendes hatte. Jedenfalls ist aber der Beweis geliefert, daß zwei Stenographen der kaiserlichen Beredsamkeit nicht genügen; und wir rathen, die Zahl zu verdoppeln.

Apropos, Er hat noch eine Rede gehalten, die nicht korrigirt wurde. Nämlich in Mez bei der Grundsteinlegung des Denkmals für den alten Wilhelm, wo der junge Wilhelm sich also ausdrückte: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Zum Ge­dächtniß des Begründers der deutschen Einheit, des heimgegangenen Kaisers, Wilhelm I. Ich sprech's. Gott   walt's!"

Was Gott  , walten" soll, haben wir leider nicht entdecken können. Vielleicht ist ein Andrer glücklicher gewesen. sic dabing tindred

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Eine Bestie. Folgende nichtswürdige Soldaten­schinderei wird der Frankfurter 3tg." aus München   berichtet: Wiener Blätter meldeten vor etlichen Tagen, beim Regiments= Eperzieren des 1. bayer. Infanterieregiments seien jüngst in Folge toloffaler Hize 135 Mann ertranft, 2 davon seien ge storben. Ein hiesiges Blatt, das dem beim Militär herrschenden Bertuschungssystem prinzipiell in die Hände zu arbeiten scheint, brachte ein geharnischtes Dementi, worin jene Meldung als ungeheuere Auf­schneiderei bezeichnet war. Die Sache sei nicht so schlimm gewesen, es seien lediglich einige Leute ausgetreten als ob ein Soldat nur so zu seinem Vergnügen aus Reih und Glied treten könnte!, von ernsten Erkrankungen fönne nicht die Rede sein. Diese Notiz veranlaßte uns, Erfundigungen über den Vorfall einzuziehen, und wir hörten nun aus bestunterrichteter Quelle Folgendes: Am Montag den 19. August rückte das Regiment in feldmarschmäßiger Ausrüstung( Tuch­montur, Helm, bepackter Tornister, Spaten 2c.) Morgens 6 Uhr aus und kehrte erst um 1/12 Uhr zur Kaserne zurück. In den Vorjahren unter Herrn von Asch- der jezige Oberst heißt Melchiorrückte das Regiment stets um 10 Uhr ein. Es war da drückend heiß. Der erste Mann, der austreten zu dürfen bat, war ein Einjährig- Freiwilliger. Er wurde derb angefahren. Natür lich, ein Einjähriger", hieß es. Die Hauptleute machten daraufhin in ihren Kompagnien Folgendes bekannt: Jeder Einjährige, der von nun ab austritt, muß zur Strafe dafür taferniren, weil anzunehmen ist, daß er Abends zu lange kneipt, überhaupt einen liederlichen Lebenswandel führt, folglich den Strapazen nicht mehr ge wachsen ist. Jeder Gemeine, der austritt, darf aus den nämlichen Gründen die Kaserne nicht mehr verlassen." Und die Folgen dieser mehr grausamen als weisen Logit? Aus Furcht vor der angedrohten Strafe wagten die Leute es nicht mehr, sich zum Austreten zu melden, sie thaten mit, bis sie eben einfach nicht mehr konnten und zu Dußenden umfielen! Theilweise erholten sie sich langsam wieder, so daß sie zu Fuß nachhinken fonnten, der größere Theil aber mußte mittelst Sanitätswagen nach der Kaserne bezw. ins Lazareth   gefahren werden. Ein Reservist der 7. Rom­pagnie, Familienvater, ist inzwischen den Folgen des Hizschlages erlegen, mehrere andere liegen noch schwer Sarnieder. Ohne jene Strafandrohung würden sich die Leute bei den ersten Anzeichen des Hizschlags, also noch rechtzeitig, zum Aus­treten gemeldet haben."

Mit einem Wort, die Bestie von Oberst, der die Soldaten um nichts und wieder nichts das darf dabei nicht aus dem Auge gelassen werden einer so schändlichen Tortur aussetzte, ist der Mörder des an den Folgen derselben Gestorbenen, der Zerstörer des Lebens derjenigen, die zwar vom Tode gerettet wurden, aber auf Jahre hinaus, zeitlebens an den Folgen des Sonnenstiches zu leiden haben werden. Aber für diesen Mord, für diese Störperver= Leung gibt es keine Strafe, der Verbrecher geht frei aus mehr noch, er hat begründete Anwartschaft auf besondere Auszeichnung. Hat er doch durch die That bewiesen, daß auch er den Krieg, den Massen= mord als eine siehe die vorige Nummer dieses Blattes Er= frischung betrachtet!

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- Der Arbeiterwahlverein in Dresden   ist von der dortigen Streishauptmannschaft aufgelöst worden; es ist dies eine Maßregel, welche mit den bevorstehenden Wahlen zusammenhängt, und welche nicht bereinzelt bleiben wird. Die sächsische Regierung hat die Gewohn= heit, mit solchen Schlägen bis zum Beginn der Wahlkampagne zu warten. In ihrem wallwigigen Scharfsinn vermeint sie, uns auf diese Weise Verlegenheiten zu bereiten und für die entscheidende Zeit lahm legen zu können. Sehr naiv allerdings. Indeß es ist nun einmal so; und wir haben uns längst darauf eingerichtet, mit den genialen Kniffen und Pfiffen unserer Feinde zu rechnen. Die übrigen Wahlvereine der Sozialdemokraten, namentlich in Sachsen  , werden wohl bald demselben Schicksale verfallen. In Leipzig   sucht man mit wahrhaft polizei­widriger, und doch polizeilicher Plumpheit nach einem Vorwande. Als nämlich vergangene Woche der durch Hasenherzigkeit und Naivetät aus­gezeichnete Polizist Förstenberg bei irgend einer möglichst unpassen den Stelle eine Versammlung des Wahlvereins aufgelöst hatte, zog er ohne jegliche Veranlassung seinen Revolver und lief zum Saale hinaus, als gälte es, sein armes Leben vor den blutdürftigen Sozial­demokraten, die den Poltron nur auslachten zu retten. Den andern Tag stand in dem amtlichen Organ der sächsischen Regierung, der Leipziger Zeitung", die Schauermähr zu lesen: Die Versammlung sei sehr erregt gewesen; der überwachende Polizeibeamte habe sich mit der Waffe in der Hand den Weg zum Ausgange bahnen müssen!" So unverschämt muß man lügen, wenn man einen Verein auflösen will, der unbequem geworden ist, aber keine gesetzlichen Handhaben zur Maßregelung bietet! Es genügt, solche Erbärmlichkeiten anzunageln eines Kommentars bedürfen sie nicht. Ebensowenig als wir es nöthig haben, zu versichern, daß die Sozialdemokratie auf derartige Seniffe vorbereitet ist.

Inzwischen wird der Polizeifeldzug gegen die Fachbereine mit wachsendem Eifer fortgesetzt. In Leipzig   find fezt auch die Töpfer aufgelöst" worden. Obgleich dieses Auflösungs- Spiel nun schon über ein Jahrzehnt, d. h. seit Proflamirung des Sozialistengefeßes, von der Leipziger   Polizei getrieben wird, ohne daß ihr auch nur der bescheidenste Erfolg gelächelt hätte, so schöpft sie nach wie vor Eimer um Eimer aus dem brandenden Meere der Arbeiterbewegung, und merkt nicht, daß die Fluth immer weiter vordrängt, und vor der heiligen Herman= dad nicht den geringsten Respekt hat. Daß den Herren Staats- und Gesellschaftsrettern gar nicht einmal das Bewußtsein aufdämmert, wie unsäglich albern sie sind! Freilich, zur Selbsterkenntniß bedarf es eines gewissen Grads von Verstand eines höheren jedenfalls, als er bet Polizisten und Polizeipolitikern zu finden ist.

Einen erbaulichen Kontrast zu den Maßregelungen der Arbeiter­Organisationen bildet die absolute Duldung jeder Organisation der arbeiterfeindlichen Parteien, und vergehen sich diese Organisationen auch noch so flagrant gegen den Buchstaben und Geist des Gesetzes. So beriefen z. B. neulich die Junungen von Burgstädt   und einigen Städten der Umgegend eine Konferenz der Junungen zum Zweck der Aufstellung eines Landtagskandidaten. Da die Inuungen sich mit po­litischen Dingen nicht befassen dürfen, und da eine Wahl unzweifelhaft etwas Politisches ist, so ziemlich das Politischste, was es auf Erden gibt, so war die konferenz entſchieben ungejeklich. Es iſt aber Niemand eingefallen, sie zu verbieten, obgleich die Einladung öffent lich erfolgt war; und mehr! gerade der Beamte, welcher die straf­gefeßliche Verfolgung hätte einleiten müssen, der königliche Amts= Anwalt von Burgstädt   ging selber als Referent auf der Kon­ferenz! Das nennt man in Deutschland  :" Gleichheit vor dem Gesez".

Arbeiterfängerei wird jetzt, da Neuwahlen in Sicht sind, wieder mit doppeltem Eifer betrieben und zwar von allen bürgerlichen Parteien ohne Ausnahme. Und sehr spaßhaft ist es, wenn beim Be­trieb dieses edlen Geschäfts die Herren Konkurrenten einander in's Ge­hege und in die Haare gerathen. In Westphalen erleben wir jetzt dieses Schauspiel. Die schlauen Zentrumsleute haben ihren Katholiken­tag heuer nach Bochum   berufen, ins Hauptquartier der national= liberalen Kohlenbarone, und haben dort die Fahne der Sozial­reform aufgepflanzt. Dem Arbeiter soll und muß geholfen werden; es ist aber nur möglich auf dem Boden des Christenthums und im Schaf stall oder doch wenigstens im Schatten der alleinseligmachenden Kirche. Und der pfiffige Windhorst hat eine parlamentarische Kampagne zu Gunsten der Arbeiter im Allgemeinen und der Westphälischen Stohlen­arbeiter im besonderen angekündigt. Was er gesagt, und was er in Aussicht gestellt das natürlich Alles so allgemein als möglich tann uns sehr gleichgültig sein es ist die alte Leier, und wir kennen die Weise, wir lennen den Tert und wir kennen die Herren Verfasser. Immerhin verdient es Beachtung, daß die Erklärung gerade an diesem Orte erfolgt ist. Es ist entschieden ein sehr geschickter Schachzug gegen die Nationalliberalen, die durch ihre Brutalität gegen die Arbeiter sich das einst so gehorsame Stimmvich" ganz entfremdet haben.

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Nun wir schauen diesem Konkurrenzkampf der Arbeiterfänger mit größtem Vergnügen zu, die Sozialdemokratie ist der Dritte, der sich freut," und, wenn es auch zu viel wäre, wollten wir sagen, der ultramontane Borstoß werde ganz ohne Erfolg bleiben, so hegen wir doch nicht den mindesten Zweifel, daß Ultramontane wie National­liberale nur für uns arbeiten, und daß durch ihre Kazbalgereien die Emanzipation der westphälischen Bergarbeiter aus den Banden der Zentrums Pfaffen und des nationalliberalen Sapitals nur beschleunigt wird.

Die erfolgreiche Einigung der deutschen   Berglente in Dorst­feld hat die Gruben befizer ganz rasend gemacht. Die meisten Delegirten find gemaßregelt, und die es nicht sind, werden gemaßregelt werden. Auch im gemüthlichen Sachsen", wo bisher die Grubenbesitzer sich einigermaßen mäßigten, wird nun das Maßregeln en gros betrieben. Bravo! Wir können nicht so schnell als wir möchten, die heutige Welt untergraben und unterwühlen. So müssen unsere Feinde uns helfen. Wie gut sie es doch mit dem Umsturz meinen!

Wunder, o Wunder! Als der alte Wilhelm gestorben war, bemerkte ein Lakai, wie sich ein Schwan, nach andern Lesarten tvar's ein prosaischer Habicht über dem Palast des altgewordenen Sünders von Rastatt   erhob und majestätisch wer hat schon einen Schwan majestätisch fliegen gesehen? den Blicken der staunenden Zuschauer entschwand.

Dieses Kleine Wunder hat in den Kreisen der Frommen am Berliner  Hofe so sehr gefallen, daß man seitdem von Zeit zu Zeit die Noth­wendigkeit von Wiederholungen desselben empfindet. Das Zwischen­regiment des bitterbösen Friedrich bot dazu natürlich keinen Anlaß, und als derselbe todt war, hätte man ihm zwar gerne einen schwarzen Raben nachgeschickt, aber aus Gründen der Etikette mußte man darauf verzichten. Dafür erfolgte bei der Beisezungsfeierlichkeit das Wunder die Berliner nannten es den Zauber der Beleuchtung des jungen Wilhelm durch einen Sonnenstrahl, der sich plötzlich in vollem Glanze auf das Haupt des neuen alten Frißen ergoß. Das reichte für den Augenblick aus, hat aber immerhin noch nicht geflutscht", und so hat man denn während der Kaisertage" in Straßburg   ein neues Wunder, das wunderbarste von allen- sagen wir, ermittelt. Man höre, was die nationalliberale Straßburger Post" nachträglich zu berichten weiß:

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Gerade als bei dem Lampionzug die ersten Leuchtkugeln in den Nachthimmel emporfuhren und mächtige Hochrufe über der weiten Platz brausten, erschien über dem Kaiserplaz eine weiße Taube; man wußte nicht, woher sie fam. Ein paar Mal kreiste das anmuthige Thierchen über dem Palast, dann ließ es sich auf dem Dachsimms grade über dem Arbeitszimmer Kaiser Wilhelms nieder."

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Man wußte nicht, woher sie tam." Sn ganz Straßburg   hatte man bis dahin noch keine Tauben gekannt. Sollte es die historische Taube gemesen sein, von der schon die Apostel geschrieben haben? Dann ist nur Eines zu bedauern: daß sie nicht auch ihre Stimme erhoben hat. Hoffentlich thut sie es das nächste Mal. Und hoffentlich ist denn auch gleich ein Stenograph zur Stelle.

Im Wettbewerb um die überzeugendsten Versammlungs­Auflösungsgründe sind wieder einige Leistungen ersten Ranges zu verzeichnen. Nachdem jüngst in Leipzig   eine Versammlung auf­gelöst wurde, weil ein Theil der Besucher über verschiedene weise Anordnungen des Beamten gelacht hatten wer lacht da? find

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in der Weltstadt Brandenburg a. d. Havel   kurz hintereinander zwei Gewerkschafts- Versammlungen gleich beim Beginn aufgelöst worden, die erste, nachdem der Redner die staatsgefährlichen Worte Meine Herren", die zweite, nachdem der Referent die nicht minder staatsgefährlichen Worte Meine Freunde" gesprochen. Ja, die lettere Anrede scheint noch staatsgefährlicher zu sein, als die Erstere, denn während die Auflösung für diese von der Aufsichtsbehörde als nicht gerechtfertigt erklärt wurde, hat die Auflösung für jene deren volle Zustimmung erhalten. Sicher aus guten Gründen, denn wenn jemand eine Versammlung mit" Meine Freunde" anredet, läßt das nicht auf einen stillen Geheim bund schließen? Wir empfehlen den deutschen Staatsanwälten diese Frage, wie es im Reptildeutsch heißt, in Erwägung zu ziehen" is Day bumal

Aber auch mit dem Meine Herren" hat es seinen eigenen Haken. Es wird einem ftrebsamen Jünger Tessendorf's unmöglich schwer fallen, nachzuweisen, daß wer eine Versammlung von Arbeitern meine Herren" anredet, damit sagen will, daß die Arbeiter die Herren sein sollen. Also Aufforderung zum Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschafts- Ordnung".

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Die Polizeibehörde von Brandenburg   hat sich noch nicht ganz auf der Höhe der Situation gezeigte aand in sinar Eine recht hübsche Auflösung wird aus Eßlingen   gemeldet. Sie erfolgte, als ein auf den Frieden und alle, die en wollen, ausgebracht wurde. den Frieden Die Ehre Schwabens ist gerettet!

Une honte pour

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,, Eine Schande für unser Land" notre pays" betitelt sich ein kleines Schriftchen, welches unser Genosse 2. Heritier in Genf   im Auftrage einer Versammlung von