weitere Folge war die Einstellung der Arbeit. In gleicher Weise war der Angeklagte in die Werkstätte eines andern Meisters gekommen; hier traf ihn aber der lettere bei seiner Rückkehr noch vor und komplimen= tirte ihn etwas unsanft hinaus. In diesem Thatbestande hatte die Anklagebehörde einen Hausfriedenbruch erblickt und, nachdem der Angeklagte vom Schöffengerichte freigesprochen worden war, hatte die Staatsanwaltschaft die Berufung eingelegt. Sie vertrat auch in der Berufsinstanz den Standpunkt, daß in solchem Eindringen in die Werkstatt eines Fremden zu einem solchen Zwecke ein Haus­friedensbruch erblickt werden müsse, da dem Angeklagten bewußt sein mußte, daß ihn von den Inhabern der betreffenden Werkstätten unter den obwaltenden Umständen gewiß nicht die Erlaubniß zum Eintritt in

die Arbeitsräume ertheilt werden würde. Es würde enne

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schlimm um die Arbeitgeber bestellt sein, jedem fremden Arbeiter gestattet sein sollte, in der Eigenschaft eines Revisors" in die Werkstätten zu tommen, um bei den Arbeitnehmern unzufrieden= heit gegen die Arbeitgeber zu erregen. Die Berufungs kammer schloß sich jedoch der Ansicht des Vertheidigers N.-A. Sa ch& dahin an, daß in diesem speziellen Falle der Angeklagte in dem guten Glauben sich befunden habe, daß ihm der Zutritt zu den Werkstätten auch gestattet worden wäre, wenn die Besizer anwesend gewesen wären. Es erfolgte deshalb Freispreching."

Es fehlt in der That hier jedes Kriterium des widerrechtlichen Eindringens, das das Strafgesetzbuch als maßgebend für den Hausfriedensbruch ansieht. Mit dem Zweck des Betretens einer Woh­nung 2c. hat das Gesetz nichts zu thun, und wenn der Zweck ein Mord gewesen wäre, wäre die Erhebung einer Anklage wegen Hausfrieden­bruch unmöglich, sobald die Wohnung 2c. mit Bewilligung derjenigen Personen betreten ward, in deren Obhut sie sich zur Zeit befand. Trozdem deduzirt der Anwalt einen Hausfriedensbruch, weil es sonst um die Arbeitgeber", b. h. die Kapitalisten, nach seiner Ansicht sehr schlecht bestellt sein würde. Er gibt dem Hausfriedensbruchparagraphen eine neue Deutung im Interesse des Kapitalisten. Von einem& api= tals Anwalt ganz in der Ordnung von einem Staats- Anwalt bagegen der reine Hohn auf den Begriff Rechtspflege, eine Infamie im Gewande heuchlerischer Gesezlichkeit.

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Zu den Russenhaftungen in Paris   erhalten wir von einem Genossen folgende Zuſchrift:

Sie haben in Ihrer letzten Nummer mit Recht das skandalöse Vor­gehen der französischen   Regierung gegen die russischen Sozialisten und Revolutionare verurtheilt, und Sie haben ferner nur zu Recht, wenn Sie behaupten, daß auf die ministerielle Erklärung, die beschlagnahmten Papiere blieben bei den richterlichen Akten und kein Fremder würde Kenntniß von denselben erhalten, fein Pfifferling zu geben ist. Neben dem von Ihnen angeführten Beispiel aus der Zürich   er Affäre möchte ich noch auf ein Zweites aufmerksam machen, das fast noch gra= birender gegen die Züricher  , bezw. Schweizerischen  Behörden spricht als das Erstere. Das radikale XIX. Siècle" hat eine Reihe von Enthüllungen über die verhafteten Russen gebracht, die es von einem höheren russischen Beamten haben will. Da heißt es u. A. von einem der Verhafteten, Orloff:

" Orloff sollte an dem Attentat vom Jahre 1889 in Peters burg mitwirken. Bei der damals verhafteten Sophia Günz= burg wurde ein Brief Orloffs gefunden, in welchem derselbe schreibt: Sie theilen mir mit, daß man mich in zwei Monaten brauchen wird. Ich habe mir das Nöthige( Paß, Bomben 2c.) beschafft und stehe jederzeit ganz zu Ihrer Verfügung." Der Brief klingt mehr wie abenteuerlich, und man könnte annehmen, daß entweder das XIX. Siècle" oder sein russischer Einbläser geflun­tert hat. Aber es ist doch nicht blos Flunkerei dabei der russische Gensdarmerie- Oberst Popoff, der als Abgesandter der geheimen Po­lizei des Baren in Paris   eingetroffen ist, ist viel zu schlau, um Dinge zu behaupten, die ganz aus der Luft gegriffen sind. Es erhebt sich also die Frage, wie tommt die zarische Polizei zur Kennt niß des bei der Günzburg   in Zürich   gefundenen Brie­fes, wenn nicht durch Verrath der oder doch eines Schweizerischen   Beamten? Hoffentlich greift einer Ihrer Leser in der Schweiz   diese Frage auf, die wichtig genug ist, um gründ­lich untersucht zu werden. Und ich wiederhole mit Ihnen: Wenn das am grünen Holz der Züricher   Polizei geschehen fonnte, wessen soll man fich da erst von der nach Petersburg sch enden Pariser   Polizei versehen?

Nun aber die Kehrseite des Bildes. Die Disposition der maßgeben­den Elemente in Frankreich   zu allerhand Liebesdiensten gegenüber dem Baren, besonders wenn bei denselben nichts riskirt wird, ist eine be= dauerliche Thatsache, aber sie ist eine Thatsache, die Jedermann kennt und die darum auch Jeber, der auf Zurechnungsfähigkeit Anspruch er­hebt, bei seinen Handlungen in Betracht zu ziehen. Wenn aber von dem, was über die Affäre amtlich berichtet worden ist, auch nur die Hälfte wahr ist, so fann ich meine Verwunderung nicht unterbrücken, wie Menschen mit gefunden Sinnen so unverantwortlich leicht­fertig handeln konnten. Es wird mir schwer, dies in Bezug auf Leute auszusprechen, die sich zur Zeit hinter Schloß und Riegel be­finden, aber es muß nach meiner Ansicht ausgesprochen werden, weil es gradezu handgreiflich beweist, daß es sich hier unmöglich um eine ernsthafte revolutionäre Unternehmung gehandelt haben kann. Leute, die einen bestimmten Zweck im Auge haben, pflegen nicht in so kind­lich- forglofer Weise bei ihren Experimenten zu Werfe zu gehen, wie es die verhafteten Erperimentirer gethan, die sich um die Thatsache, daß es in Paris   von russischen Spionen wimmelt, absolut nicht gefümmert zu haben scheinen. Und in der That, wenn es sich nur um die Sicher­heit Väterchens gehandelt hätte, so würde es auch schwerlich der Da­zwischenkunft der Pariser Polizei bedurft haben. Aber es handelte sich um einen Schlag gegen das Asylrecht, gegen die Gesammtheit der politischen Flüchtlinge, gegen den ganzen Nihilismus".

Ich spreche nicht grundsäglich über das Bombenfabriziren zc. Die ruffischen Zustände sind so ungeheuerlich, daß man eher geneigt ist, sich über die relative Seltenheit der Attentate als darüber zu wundern, daß überhaupt Attentate in Rußland   vorkommen. Außerdem haben wir Westeuropäer kein Recht, den Ruffen Vorschriften darüber zu machen, toie fie den heimischen Despotismus bekämpfen. Aber im Interesse derer, die wirklich kämpfen, sei es in Wort und Schrift, sei es Person gegen Person, glaube ich es rügen zu müssen, wenn in leichtsinniger Weise alle Rücksichten auf die allgemeine Lage außer Augen gelassen, die handgreiflichsten Thatsachen, man möchte fast sagen, in sträflicher Unbesonnenheit ignorirt werden.

Indeß, die Dinge find einmal geschehen und nicht zu ändern. Wir müffen vielmehr sehen, den angerichteten Schaben wieder gut zu machen. Und in dieser Hinsicht hätte ich eine Bitte an Sie. Wie ich höre, ist das Elend unter den Verhafteten, von denen die Meisten absolut nichts mit der Experimentirerei zu thun haben, fon­dern theils auf Grund schuftiger Denunziationen, theils auf Grund bloßen polizeilichen lebereifers in's Gefängniß gekommen find, sehr groß. Die Freunde und Gesinnungsgenossen derselben thun ihr Mög­lichstes, ihnen zu helfen, aber die Leute sind selbst arm wie die Kirchen­mänse, und troßdem sie noch mehr hungern, als gewöhnlich, so bringen fie doch nicht das nöthige zusammen. Daher möchte ich die geehrte Redaktion des Sozialdemokrat" ersuchen, auch ihrerseits eine Samm­Inng zu Gunsten dieser Opfer politischer Verfolgung zu eröffnen. Unfere theoretischen und tattischen Meinungsverschiedenheiten haben ja mit der Unterſtüßungsfrage nichts zu thun, leben wir freimüthig Stritit an einander, aber helfen wir, wo es Verfolgte und Gemaßregelte gibt, das ist die wahre Solidarität."

Soweit die Zuſchrift.

Wir entsprechen der Bitte des geehrten Einsenders sehr gern und er­flären uns hiermit bereit, Beiträge zur Unterſtüßung der Verhafteten und ihrer Familien entgegenzunehmen. Da Eile Noth thut, haben wir unfererseits einen Beitrag von 100 Franken an das Komite zur Unter­stützung der verhafteten Russen überwiesen, und quittiren weiter ben Betrag von 5 Franken, der uns von Genosse B. aus D. zu diesem Zwecke zugegangen.

Eine Musterleistung des Reichsgerichts ist das famose Erkenntniß, wonach auch jetzt schon die Aufforderung zum Kon= trattbruch natürlich wenn es sich um die kontraktlichen Ver pflichtungen von Arbeitern gegenüber Fabrikanten handelt straf­

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bar sein soll. Dieses Kabinetsstück rechtsverdreherischer Nabulistik erhält in der Berliner   Boltsztg." folgende Beleuchtung:

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Bekanntlich war unter den zahlreichen Prozessen, die sich als eine Folge der rheinisch- westfälischen Bergmannsbewegung ergaben, auch einer von dem Gffener Staatsanwalte wegen Verstoßes gegen§ 110 des Strafgefeßes gegen einige Bergleute angestrengt worden, welche in öffentlichen Versammlungen ihre Kameraden zur Niederlegung der Ar­beit ohite Innehaltung der Kündigungsfrist gegenüber den Bergwerks­besitzern aufgefordert hatten. Das Landgericht sprach die Angeklagten frei, das Neichsgericht hob dies Urtheil aber auf und entschied die Frage, ob die öffentliche Aufforderung zum Ungehorsam gegen bürger­liche Gesetze unter§ 110 falle, in bejahendem Sinne. Vor einigen Tagen ist nun die Begründung dieses Urtheils veröffentlicht worden, über welche uns ein Jurist Folgendes schreibt.dlib In der Begründung des Urtheils heißt es: l

Der§ 110 des Strafgesetzbuches bestraft denjenigen, der" ( öffentlich vor einer Menschenmenge, oder durch Verbreitung oder möffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften, oder andere Darstellungen) zum Ungehorsam gegen Gefeße" auffordert. Daß unter Gefeßen nicht oder doch nicht ausschließlich Strafgesehe zu verstehen sind, ergibt sich schon daraus, daß der Ungehorsam gegen Strafgeseze, die bewußte oder gewollte Zuwiderhandlung gegen lettere, in der Regel in der Begehung strafbarer Handlungen besteht und die Aufforderung zu solchen durch§ 111 besonders unter Strafe gestellt ist. Daß irgend eine andere Art von Gesezen von dem Schutze des§ 110 ausgeschlossen sein soll, läßt sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck des Paragraphen nicht entnehmen.n Nach dieser Entscheidung können die angeklagten Arbeiter mit einer Marimalstrafe von zwei Jahren Gefängniß belegt werden und zwar auch in dem milderen" Falle, daß ihre Aufforderung erfolglos ge= blieben ist. Nun bestimmt aber§ 111 des Strafgesetzbuchs, daß der­jenige, welcher öffentlich zur Begehung einer strafbaren Handlung auffordert, falls diese Aufforderung erfolglos bleibt, im höchst falle mit einem Jahre Gefängniß zu bestrafen ist.

Und nun halte man zusammen: Der Eine, der zum Kontratt= bruche gegen den Unternehmer aufreizt, kann mit zwei Jahren Gefängniß bestraft werden, der Andere hingegen, der zur Er­mordung, Brandstiftung 2c. gegen den Unternehmer oder sonst wen aufreizt, kann mit höchstens einem Jahre davonkommen. Es ist bemerkenswerth, daß dies verblüffende Mißverhältniß der Strafen, welches sich bei der reichsgerichtlichen Auffassung des§ 110 ergibt, dem erkennenden Senate nicht als ein Bedenken gegen die Rich­tigkeit seiner Auslegung aufgestoßen ist, zumal die Urtheilsgründe fa die beiden Paragraphen gegenüberstellen."

So die Zuschrift. Die Volksztg." bemerkt dazu, daß die unbefangene Nebeneinanderstellung der beiden ominösen Paragraphen von Seiten des Reichsgerichts den Verdacht ansschließe, daß das Reichsgericht an­ders als in gutem Glauben" gehandelt habe. Grade deshalb aber sei der immer weiter einreißende Zwiespalt zwischen der Rechtsprechung der Gerichte und dem Rechtsbewußtsein des Volkes um so bemerkens­werther.

vorausge

Wir denken etwas anders von den Herren in Leipzig  setzt, daß die Bemerkung der Volksztg." nicht ironisch gemeint ist. Schwerlich ist den findigen Juristen des Reichsgerichts irgend ein Punkt in diesen beiden in der That ominösen Paragraphen entgangen. Wenn sie sie troßdem ruhig nebeneinanderstellen, so ist dafür das Wort ,, unbefangen" nicht ganz dem Range des Reichsgerichts angemessen. Höher' rup, liebe Volksztg."

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Darin aber hat die Bolksztg." Necht, wenn sie ihre Notiz wie folgt schließt:

Setzen wir den Fall, daß nach einigen tausend Jahren von dem heutigen Deutschland   der Menschheit nichts mehr bekannt wäre, als dies eine Urtheil des Reichsgerichts, so würden die Geschichtsforscher, welche in jener Zukunft leben, daraus mit unfehlbarer Sicherheit schließen, daß die Epoche, in welcher ein solches Urtheil erlassen wurde, eine großfapitalistische Epoche war."

- Recht so. Berliner   Zeitungen der abgelaufenen Woche berichten: Wegen Majestätsbeleidigung find am Montag Vormittag die Arbeiterfrau G, aus der Swinemünderstraße und zwei Arbeiter aus der Rügenerstraße zum Sicherheitsarrest eingeliefert worden. Die Be­schuldigten sollen gelegentlich der Grundsteinlegung zur Himmelfahrts­firche im Humboldthain schwere Beleidigungen gegen die Kaiserin aus­gestoßen haben. Ein Restaurateur aus der Brunnenstraße hat der Be­hörde die Anzeige erstattet, worauf sofort zur Verhaftung der drei Personen geschritten wurde. Der Schantwirth hat am gestri­gen Abend, um sich vor den Zornesausbrüchen des empörten Publikums zu schüßen, seine Schantwirth­schaft schleunigst schließen müssen."

Ein Bravo den wackern Berlinern, die ihrem Abscheu gegen das nichtswürdige Denunziantenunwesen so energischen Ausdruck gegeben haben. Hoffentlich machen sie es sich auch zum Gesez, die Wirthschaft des erbärmlichen Angebers von nun an gänzlich zu meiden, denn am Geldbeutel sind diese Geister am Empfindlichsten.

Was für ,, Utopisten"! Die Arbeiter- Ausschüsse des Saarbrücker   Kohlenreviers hatten bereits mehrmals die Absicht geäußert, die Wünsche der Bergleute übersichtlich zusammenzu faffen. Kürzlich ist nun diese Zusammenstellung mit der Bitte um Be­rücksichtigung dem Oberbergamt zu Bonn  , dem Abgeord netenhaus und dem Reichstag eingereicht worden. Die Berg­Teute fordern eine achtstündige Schichtbauer mit Einschluß der Ein- und Ausfahrt, die Einsetzung eines Schiedsgerichtes unter dem Vorsitz eines Arbeiters und einen Mindestlohn von 4,50 Mark für Affordarbeiter. Selbstverständlich erachten die Grubenleitungen aus leicht begreiflichen Gründen" diese Forderungen als" unannehmbar". Am Entschiedensten wenden sie sich jedoch gegen den Wunsch der Ar­beiter, es möge eine Strafordnung für Beamte, welche Arbeiter miß­handeln, eingeführt und in die Arbeitsordnung aufgenommen werden, denn das Verlangen nach einer verbrieften Strafordnung für Beamte enthalte eine unzweideutige Anklage gegen das Gerechtigkeitsgefühl der Verwaltung. Die Forderung der Bergleute, man möge ihnen die Wahl der Gruben freistellen, wird mit der Behauptung abgefertigt, daß die Gewährung unbeschränkter Freizügigkeit die größten Unzuträglichkeiten mit sich führen müsse. Das ganze Vorgehen der Vertrauensmänner", meint die brave Köln  . 3tg."," zeugt von einer bedauerlichen Verfen­mung ihrer Aufgabe. Es war die Absicht, in den Ausschüssen ein Mittel­glied zwischen Arbeitgeber und Arbeiter zit schaffen; feinenfalls wollte man damit neue Träger der Unzufriedenheit, neue Verfechter utopischer Anschauungen in Arbeiterfragen in's Leben rufen."

Also das Verlangen, einen Schuß der Arbeiter gegen die Willkür der Herren Beamten zu schaffen, ist nach dem Erztapitalistenblatt ein Ausfluß utopischer Anschauungen". Das heißt mit andern Worten, Gerechtigkeit für die Arbeiter ist unter dem heutigen fapitalistischen Pro­Suktionssystem unerfüllbar. Nun, wir können nur wünschen, daß die Arbeiter sich diesen Sazz recht tief einprägen, und bei jeder ent­sprechenden Gelegenheit danach handeln.

Die sächsische Regierung rüstet sich in ihrer Art bereits auf die sozialistengeseblose Zeit ein. Sie hat den Polizeibehörden strengste Weifung gegeben, das Vereinsgefeß und die übrigen Polizeigejeze rid fichtslos anzuwenden. Und desgleichen sind die Staatsanwälte und die natürlich unabhängigen" Richter angewiesen worden, gegen die Umsturzparteiler möglichst viel Prozesse einzuleiten und möglichst hohe Strafen zu verhängen.

Wir haben schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß das gemeine Strafgesetzbuch verbunden mit den bestehenden Bolizeigefeßen ein ebenso brutales Unterdrückungs- und Verfolgung 8- fy it e m ermöglicht wie das Sozialistengefeß, dessen Hauptvortheil darin besteht oder bestand, daß es die Polizei- Allmacht sans phrase bedeutete.

Wir können natürlich nicht alle Vorkommnisse registriren, welche fich als kapitalsanwaltliche Leistungen der sogenannten Staats­anwälte fennzeichnen wir greifen nur die frappantesten Beispiele heraus. Dazu gehört aber sicher die folgende, in   Magdeburg unterm 29. Mai veröffentlichte Bekanntmachung":

" Zur Warnung  .( Die gesperrten Worte sind in der Bekannt­

| machung fett gedruckt.) Arbeitseinstellungen sowie Verabredungen und Vereinbarungen zu Arbeitseinstellungen zum Behufe der Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen sind nach§ 152 der Ge werbe- Ordnung zulässig und straflos. Vergewaltigung Arbeits­williger zur erzwungenen Arbeitseinstellung oder zu widerwilligem Festhalten an der Arbeitseinstellung aber wird, wenn durch Anwendung förperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverlegung oder durch Verrufserklärung begangen oder versucht, nach§ 153 G.-D.,§ 240 St.-G.-B. bestraft. Auch schon eine öffentliche Aufforderung zur vertragswidrigen Arbeitseinstellung ist nach $ 110 St.-G.-B. straffällig. Auf Grund des einen oder andern vor­genannten Strafgesetzes sind 23 Angeklagte durch Urtheil der Straffammer I des Landgerichts vom 22. d. Mts. wegen Störung der Erwerbsfreiheit zu empfindlichen Freiheitsstrafen, bis zu einem Jahr Gefängniß, berurtheilt. Indem ich dies zur öffentlichen Kenntniß bringe und vor ähnlichen Gesezwidrigkeiten eindringlich warne, ersuche ich, dennoch vorkommende Ausschreitungen in dieser Richtung mir unverzüglich und ausnahmslos zur Anzeige zu bringen, um sowohl die Erwerbsfreiheit zu schüßen, als gesezlose Hezer und Störenfriede der verdienten Strafe überliefern zu können."

Verfügt zu   Magdeburg im Jahre der kaiserlich- föniglichen Sozial­reform, Eintausendachthundertundneunzig.

Wie hübsch würde unter diesen Utas passen: der erste Kapitals= anwalt. Nichts logischer, nichts selbstverständlicher, als daß ein Anwalt des Kapitals, resp. der Kapitalisten, aus der Gewerbe- Ordnung nur heraus- und, wo es geht, außerdem in sie hineinliest, was den Kapitalisten angenehm ist und den Arbeitern die Hände bindet, daß er zu Denunziationen gegen streifende Arbeiter auffordert, die ihre Kollegen zum Aushalten ermahnen, denn darauf läuft ja der Schlußsazz hinaus kurz, wider den Splitter im Auge der Arbeiter tobt und den Balken im Auge der Kapitalisten vollständig übersieht. Aber wenn ein Staatsanwalt das so offen thut nun, logisch ist's am Ende auch, ob es aber staatserhaltend ist, was man doch von einem Beamten, der diesen Titel führt, erwarten solle, darauf gehört ein großes dickes Fragezeichen.did n

- Die praffenden Arbeiter tauchen wieder auf. Das Lieg­nizer Tageblatt" ließ sich fürzlich aus   Beuthen schreiben:

Vor einigen Tagen kam in ein hiesiges Geschäft eine Anzahl junger Arbeiter, die Kaviar zu haben wünschten. Auf die Frage des Ver­fäufers, ob zu 7, 9 oder 11 Mark, forderten dieselben, als wenn es sich von selbst verstände, solchen zu 11 Mart. Hierzu kauften sie noch 2 Pfund Lachs und außerdem noch Sardinen, so daß sie einige 20 Mart zu zahlen hatten, worauf sie vergnügt von dannen zogen. Augenschein­lich wußten die Arbeiter, die irgendwo einmal etwas von Kaviar gehört hatten, nicht, was sie mit demselben anfangen sollten, denn kaum nach einer Viertelstunde kam einer von den jungen Arbeitern wieder in den Laden und fragte sehr naiv:" Sagen Sie mal, wie wird denn der Kaviar eigentlich gekocht?"

Wir haben über den Vorfall Erkundigungen eingezogen und können auf Grund genauer Ermittlungen feststellen, daß es mit dem Kaviar und dem Lachs allerdings seine Richtigkeit hat. Aber das war noch nicht Alles. Aus dem betreffenden Laden zogen die Arbeiter weiter und kauften in einer Weinhandlung nicht weniger als 25 Flaschen prima Bordeaux und 20 Flaschen Champagner( Röderer, carte blanche). Diese ließen sie in die reizende Villa Stillvergnügt" senden, die einer von ihnen sich jüngst hat bauen lassen, und dort führten sie mit einigen hübschen Fabrikantentöchtern, die sie unter der Drohung, sonst zu strei­fen, willfährig gemacht, eine Orgie auf, wie sie nur ein übersättigter Geschmack ersinuen kann.

Und das alles auf Kosten der armen Fabrikbesizer, die bei 12-14­stündiger Arbeitszeit mit einem Reinertrag von höchstens 12 Mark die Woche fürlieb nehmen müssen. Es ist schändlich!

- lleber den bisherigen Erfolg des Achtstundenkampfes der amerikanischen Zimmerlente veröffentlicht die zuletzt erschienene Nummer des offiziellen Organs derselben," The Carpenter", einen ge­nau detailirten Bericht, den das Philadelphia Tageblatt", wie folgt, zusammenfaßt:

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Jn 141 Städten streiften 54,852 Mann. Nicht eine einzige Niederlage ist bis jetzt zu verzeichnen. Für 23,355 Mann ist der achtstündige, für 14,180 Mann der neunst und ge Arbeitstag errungen worden; für 2662 Mann sind sonstige Vortheile aufzuweisen, so daß mithin über 40,000 Arbeiter im Zeitraum weniger Wochen eine Verbesserung ihrer Lage erftritten haben. Es sind noch etwa 14,000 Mann in der Bewegung begriffen.

Das ist wahrlich ein glänzendes Resultat, bemerkt das Tageblatt" dazu, und es ist, vom finanziellen Gesichtspunkt betrachtet, auch ein vortreffliches Geschäft gewesen. Die Ausgaben der Hauptkasse und der Lokal- Unions werden auf etwa 70,000 Dollars geschätzt. Nun hat freilich jeder Streifer zeitweilig seinen Verdienst eingeblißt, allein die Arbeit, die er inzwischen verrichtet hätte, ging ihm nicht davon; wo das Bedürfniß für fein Produkt existirte, da ist die Befriedigung höchstens auf einige Tage oder Wochen hinausgeschoben worden. Da fann also von einem Verlust gar nicht geredet werden. Und so wäre die Errungenschaft mit dem gar nicht in Betracht kommenden Aufwand von einem bis zwei Dollars per Kopf erkauft worden. Wahrlich, die Gewerkschaft ist die beste Kapitalanlage für die Arbeiter; hier ist der Klarste Beweis dafür.

Damit ist aber der ganze errungene Vortheil noch nicht erschöpft. Der Bericht sagt weiter, daß die Organisationen 46 neue Unions und 11,241 neue Mitglieder aufgenommen habe, so daß der Bestand derselben sich auf 67,200 beziffert. Diefer agitatorische Erfolg der Bewegung ist nicht geringer anzuschlagen, als der materielle; dem er wird wieder dazu beitragen, daß der materielle Erfolg auch fest= gestellt werden kann.

So wäre also in der Hauptsache die erste Attacke der Federation bereits fieghaft gewesen. Und nun: Glück auf zur zweiten! Die Kohlengräber werden nun an die Reihe kommen.

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x. Der deutschfreifinnige Froschmäuslerkrieg- schreibt man uns ist vorläufig durch einen Waffen still stand unterbrochen; derselbe kann jedoch günstigstenfalls nur zu einem faulen Frieden, oder genauer, zu einer Vertuschung der vorhandenen Gegenfäße führen, und bei der ersten besten Gelegenheit wird die Stagbalgerei wieder beginnen, um schließlich in einer Trennung zu endigen. Die deutschfreisinnige Partei fann ihrer Natur nach kein homogenes, festzusammengeschlosse= nes Ganzes bilden. Politisch hat sie kein Programm- sie ent­hält bemokratische Elemente, ist aber nicht demokratisch und fann es nicht sein, weil sie einer Verlengnung der Demokratie ihren Ursprung verdankt. Johann Jakoby, der die Fortschrittspartei demokratisch gestalten wollte, wurde aus ihr hinausgedrärgt und in das Lager der Sozialdemokratie getrieben, wo allein er die konsequente Demo­tratie fand. Und das wirthschaftliche Programm der Fort­schrittspartei ist das Manchesterthum, welches an sich eine feste Parteibildung unmöglich macht. Das Manchesterthum, dem die Richter und Genossen vom linken Flügel" ebenso eifrig huldigen, wie die Rickert, Hänel, Barth und Genossen vom rechten", be­deutet die gesellschaftliche Anarchie, die Herrschaft des Indivi­dualismus, die Unterordnung des Gemeinwohles unter das per­sönliche Intereffe; und dies muß auch in dem Parteileben zum Ausdruck gelangen. Während in der   sozialistischen Partei, welche die Unterordnung des Individuums unter das Ganze fordert, die einzelnen Mitglieder ihre Kräfte der Gesammtheit zur Verfügung zu stellen haben, und nur in der Gesammtheit und für die Gesammtheit sich wirksam bethätigen können, sezt der Fortschrittler, als richtiger Manchestermann, jein Ich über die Gesammtheit, und, statt in der Partei aufzugehen, will er, daß die Partei in seiner Person aufgehe. Nicht die Dit= tatur ist es, was die Barth, Rickert und Konsorten in Richter be= kämpft haben, sondern daß Richter der Diktator ist. Jeder möchte Diktator sein.

Ein Streit", wie der, welcher in diesen Tagen vor der Oeffentlich­feit zwischen Richter und seinen Widersachern ausgefochten wird, ist in der sozialdemokratischen Partei einfach unmöglich. Wir haben Meinungs­verschiedenheiten in unseren Reihen gehabt, und werden sie auch ferner noch haben; wir haben aber stets nur um Fragen der Theorie oder der Praxis gestritten, niemals um Machtfragen- niemals um die Frage, ob dieser oder jener Person die Herrschaft in der Partei zukomme. Eine Person tann bei uns die Herrschaft nicht ha­