34. Jahrgang.+ Nr. 19
Das
Der Gefangene.
Sonntag
Kamen Ruffen zu uns in den Schacht. Sollten da unten, in ewiger Nacht, mit uns schaffen, Steine flauben, Wagen schieben und Bergholz rauben, Stroffen wäffern, Pferde führen, als Pförtner stehn an den Wettertüren, die Gescheitesten auch eine Keilhau haben, um mit zu schürfen und mit zu graben. Waren die Kerle doch alle so dumm, irrten und schwirrten und stampften herum. Saßen am liebsten im Winkel verstedt, wo die Fäule haust, wo die Mäuse knittern, wo die warmen Geschiebe dumpf grollen und ziffern, beim Broten im Bergamt und kaufen ffumm, mit ihren Mänteln zugededt,
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flagten und jagten: Wonna taputt! German dobra und German gutt. Anfangs, da wollt mich der Zorn oft fassen, glaubte, ich müßte die Kerle haffen, die so manches auf dem Gewiffen, die meines Bruders Herze zerriffen, die, das verfluchte Gewehr in der Hand, bedroht unser herrliches Vaterland.
Belam auch einen zu mir vor Ort.
Ein Jungbauer war's, aus Kurland da oben. Deutschtum fputte in ihm verwoben, sprach ab und zu ein bekanntes Wort. Mochte ihn nach und nach sogar leiden, denn er war fleißig und fromm und bescheiden. Einmal, da glaubte er sich allein.
Ich sah hinterm Stoße und kontrollierte die schlagenden Wetter. Da stand er und ffierte mit den blauen Augen ins Licht hinein; lange, lange, es zudte sein Mund. Und leise stieg ihm aus Herzensgrund ein Lied, eine Weise, so fremd, so schön, ich meinte, ich hörte die Winde fingen, die über ms hoch ihre Flügel schwingen, mit der Sehnsucht ziehn über Täler und Höhn. Und als er schwieg, verloren in Sinnen, noch immer ffarrend ins zitternde Licht, da sah ich durch sein berußtes Geficht zwei Tränen langsam niederrinnen.
Und gleich, im Geiffe, in Schmach und Banden, in Sibirien sah ich die deutschen Brüder, hörte vor Heimweh gesungene Lieder, und spürte ihr Grüßen aus endlosen Landen. Da ward mir flar, ich jag' es frei, daß Sehnsucht, Treue und Heimatliebe
bei guten Menschen dieselbe sei;
und daß des Herzens schönste Triebe,
die aus uns fommen, Zeichen sind.
daß wir alle einer heiligen Erde kind,
gefchaffen zur Eintracht und zum Frieden,
daß uns allen ein Himmel auf Erden beschieden. Otto Wohlgemuth.
Beilage zum„ Vorwärts" Berliner Volksblatt
was damals ftaatsreformatorisch in den Ländern, die das habsburgische Zepter anerkannten, geschah, stellt sich, an dem heutigen Ziel des Nationalitätenstaates gemessen, doch als ein bedeutsam vorwärts führender Akt modernstaatlicher Entwicklung dar.
Der erste Schritt zum Absolutismus.
Sie wurzelten nicht, wie in den Weststaaten Frankreich ) und England, in dem Erstarken der neuen bürgerlichen Wirtschaftlichkeit, denn diese fehlte in dem noch feudalistischen Donaustaat; sie gingen vielmehr aus von der Notlage der Landesverteidigung und also von der Sorge um Heer und Finanzen, die sich beide in zurüdgebliebenem, stärkeren Anspannungen nicht gewachsenen Zustande befanden. Ein Land, in dem die Interessen der Bevölkerung noch örtlich begrenzt und dessen Einrichtungen außerdem gebietsweise gespalten und ungleich entwickelt sind, ein solches Land trotzdem zentra listisch zu vereinheitlichen, war eine ungeheure Aufgabe, und die Schwierigkeiten zeichmen sich denn auch im Verlauf und Ergebnis der Lösung drastisch ab.
( 1740-1748), und zwei Kriege mit Preußen, die beiden ersten schlesischen, verquickten sich mit dem schweren Ereignis. Der Gegensatz zu Preußen, das durch den geographisch begründeten Wunsch nach dem Besitz des schlesischen Oderlandes zunächst zum Anschluß an Frankreich gelangte, trieb Desterreich auf Englands Seite; später aber fand Preußen Englands Bündnis und Oesterreich. machte gemeinsame Sache mit Frankreich . So zeigen sich die Kriege, die seit 1740 um Maria Theresias Epoche ist heute nicht mehr unmittel- Schlesien geführt wurden, als ein Teil des Kampfes, der bar nah. Für die reichsdeutschen Lande ist sie ganz in den eben damals zwischen Frankreich und England begann: des pudergrauen Dämmer vorrevolutionärer Seiten entwichen, weltpolitischen Kampfes, der zunächst die atlanund das Desterreich der Gegenwart sieht im Surückschauen tischen Küstenländer Nordamerikas betraf und der schließlich zunächst den geschichtlichen Gipfel der achtundvierziger Soff- ein Vierteljahrhundert nach Maria Theresias Tode- mit nungen, Errungenschaften, Enttäuschungen und Lehren. Aber der Vorherrschaft Englands auf den Meeren der Welt endete. wer die Aufgaben, die diese erschütternde Zeit in Defter. Die beiden wirtschaftlich fortgeschrittenen, innerlich gereich in Angriff nahm, an der Quelle studiert, dem drängen schloffenen Staaten trugen also ihren Machtkampf zum Teil sich auch die Jahrzehnte der Maria Theresia auf, in denen auf dem Boden des wirtschaftlich zurückgebliebenen, in staatdie kräftiger bewegte Reformära Josephs. II., des Sohnes lichen Neubildungen auseinanderweichenden Deutschen Reiches und Mitregenten dieser Kaiserin, anfeßt. Das Jahr 1848 aus. Dieser bedrohlichen Rage aber entsprangen die Anbewies, daß das absolutistische Regiment bis zur triebe der Reformen, die unter Maria Theresia für Unfähigkeit an Haupt und Gliedern erledigt war; die Ver- Desterreich begannen. fuche aber, ein System der absoluten Monarchie in Desterreich aufzurichten, fallen in die Zeit iener Herrscher des 18. Jahrhunderts. Was diese anstrebten, darf nicht schlechtweg verwechselt werden mit dem, was den Sturm von 1848 gegen sich aufrührte. Der Kern ihrer Arbeit bedeutet den Anfang des modernen Staates, der über den alten mittelalterlichen Lehnsstaat hinauswollte. Die Arbeit war aber der gewaltigen feudalen Gegenmacht nicht Herr geworden, hatte ihre wirtschaftlichen Grundlagen und die daraus entspringenden Vorrechte nicht erschüttert. Die Gutsuntertänigkeit, der Robot der Bauern trozte zäh und verschwand nicht. Wenn die Monarchie eine zentralistische Verwaltung anstrebte, so zeigte sich in der Folge, daß dem Grund. adel keineswegs die Möglichkeit genommen war, bestimmende Klasse zu bleiben. Er paßte fich der geschaffenen bureaufratischen Organisation ein, brachte sie unter seinen Einfluß, besetzte ihre Aemter. Für eine grundstürzende Aenderung Der Absolutismus , dem unter Maria Theresia Bahn gehätte es der neuen wirtschaftlichen Macht bedurft, die der schaffen wurde, mußte also gegen die noch ungebrochene birgerlichen Klasse geschichtlich beschieden war. Doch dieser Autorität der Stände durchgesezt werden. Daß man fehlten noch die Bedingungen zu schnellem, kräftigem Ge- den Weg einschlug, dies Ziel unter Schonung der zu Bedeihen. Das Gewerbe blieb Kleinbetrieb, es mangelte an San- fämpfenden zu erstreben, entsprach nur dem Stande der del, an Kapital. Die alte zünftlerische Organisation wurde wohl ökonomischen Kultur Desterreichs. In diesem Gebiet nistete mit Ausnahmebestimmungen behängt, aber nicht gebrochen und beseitigt. Das wirtschaftliche Schicksal Mitteleuropas , seit der Aera der großen Umwälzungen der Handelswege und Neulandsentdeckungen in Hemmung, Stillstand und nach schleppendes Aufkommen geworfen zu sein, lastete schwer auf Desterreich. Die Reformen des 18. Jahrhunderts blieben äußerlich, berzerrten sich, wurden rückwärts revidiert; was sich daraus ergab, wirkte schließlich darauf hin, daß der Staat, innerlich erstarrt und verwirrt, jäh in die Gärung von 1848 gerissen wurde. Dieser endlich gelang der Feudalvormacht gegenüber, was dem Wollen des tüchtigen Joseph II. und mehr noch seiner Mutter versagt geblieben war. Was unter Maria Theresia für den neuen Staatsbau erreicht war, glich nur, wie der Geschichtsforscher Adam Wolf sagt, einem modernisierten Feudalschlosse: ein neues Stockwerf war auf gefeßt, neue Flügel waren angebaut, aber alles ruhte auf dem alten Grundbau.
Die Hemmgewalt der Stände.
noch die alte feudalistische Macht von Kirche und Grunda del, die in den blutigen Zeiten der Gegenreformation ihre wirtschaftliche Sache und politische Vorherrschaft gesichert hatte. Das habsburgisch regierte Spanien war führende Vormacht dieser Bewegung gewesen, und in Wien hatte der spanische Geist, durch engste höfische Beziehungen lebendig erhalten und getragen von der Organisation der Jesuiten , bis in Maria Theresias Beit einen Hauptstüßpunkt. Die Reaktion des mittelalterlich- feudalen gegen das neuzeitlich- bürgerliche Europa drückte sich in diesem Geiste aus, und mancher Bug in Maria Theresias Haltung weist auf die Macht hin, die er in Desterreich noch besaß.
Der Not ihrer Staaten sich fügend, konnte Maria Theresia der Reformarbeit ihres Ministers Haugwitz, die den großen Adel traf, nicht im Wege sein. Ihr persönlicher Anteil daran bestand in dem willigen Gewährenlassen trotz der ständischen Gegenwehr. Sie wäre trop alles Eifers, fich ein Reineswegs gingen die Staatsmänner jener Zeit, die Urteil über den zu behandelnden Stoff zu verschaffen, einem Saugwis und Kaunis und andere, darauf aus, diesen autokratischen Eingreifen auch nicht gewachsen gewesen, ganz Staatsgrundbau zu ändern. Sie waren keine Sozialrefor- abgesehen davon, daß ihr, die sechzehnmal Mutterschaft er. matoren, in deren Vorgehen sich ein von Erfahrung gereiftes fuhr, gerade in den Jahren des aus Zeiten ihres Vaters erSystem offenbarte. Nicht von wirtschaftlichen Bedürfnissen erbten schlimmsten Wirrsals des Staates die physische Mög der breiten Schichten der Staatsbevölkerung wurden sie ge- lichkeit zu solchen Leistungen fehlen mußte. Aber da die Macht trieben, sondern von der Sorge um den politischen Zusammen- der Stände- das war eben der Adel - ein vorsichtig- rücksichtsAls der Weltkrieg begann, schossen die Eroberer halt der österreichischen Staatsteile. Wenn das Gebiet, das volles Vorgehen der Regierung bedingte, fand die frauliche, wünsche ins Kraut. Stärker aber als sie ist im Verlaufe sich, von der Donau verbunden, zwischen Alpen, Sudeten und menschlich zugängige, lebensfrohe, gewinnende Art der Fürstin der ungeheueren Auseinandersetzung von Blut und Eisen der Starpathen erstreckt, auch geographisch als eine Einheit er- die Aufgabe, die ihr lag. Ihr Wort und Tun verstand sich Erneuerungswille geworden, der auf die innere scheint, so war es doch dem Volksaufbau nach vielfach geteilt auf das Mildern und Ueberbrücken, das von Person zu PerArt und Kraft der Staaten schaut. Die Probleme, deren und in Gegensatz gebracht; gleichwohl wies der politische son wirkte; ihre Neigung, festlich und kostspielig Hof zu halten, Lösung der Krieg unterbrach, sind aus Erschütterungen aufs Faftor, sich gegen übermächtigen feindlichen Andrang zu half alte Verbindung mit dem Adel sichern; ihre Abneigung neue hervorgewachsen und zeigen sich in verstärkter, drän- wehren, immer wieder auf gemeinsames Handeln an. Aus gegen die Aufloderung der Sitten, die mit dem eindringenden gender Mächtigkeit. Die Stunde bricht an, wo die Zukunft dieser, zumal von Südosten her durch die Türkenflut ge- französischen Einfluß die adlige Lebensweise wandelte und neue, befreiende Stufen und Schwellen hergeben muß und stellten Aufgabe, die den österreichischen Landen eine Aufgabe von der Fürstin durch Keuschheitskommissionen" ämpft wo der reiche Vorrat an Wust und Unrat, den die Staaten des gesamten Deutschen Reiches übertrug, erhielt, die Haus- wurde, entsprach bürgerlichen Stimmungen. Ihr Ge en lag schleppen, unter den Besen gelangen wird. Verschollene machtspolitik der Habsburger ihren geschichtlichen Sinn. Da im Staatsinteresse; sie hatte dafür Verständnis, gas sich daEpochen werden in der Stimmung dieser Zeiten wach, diese Aufgabe, als das Reich wirtschaftlich und politisch zurück nach und brauchte nicht viel zu künsteln, um das StaatsEpochen, in denen die staatliche Entwicklung in Stillstand ge- ging, blieb und sich sogar steigerte, wurden die Donaulande nüßliche zu treffen. Als es darauf ankam, in Bayern Symriet, den wir nun zu lösen haben, Epochen aber auch, in denen zu dem gesonderten Reichsgebilde, das sich als Ganzes hielt pathie für Habsburg zu erobern, zog sie so wurde es wenigdie Bewegung anhub, die für Folgezeiten Erhebliches wirkte. und sich schließlich im 19. Jahrhundert vom Deutschen Reiche stens im Bilde dargestellt in Gegenwart ihrer entsetzten Das kann dem Gedenken an die Desterreicherin Maria abschied. Die Zeit Maria Theresias hat gerade die größte Sofleute ein paar bayerische Lederkurzhosen über die Beine. Theresia, das deren 200. Geburtstag am 13. Mai an- Gefahr bedeutet, daß der Donaustaat, der große feste Kern Es ist kein Zufall, daß der Absolutismus , der in die alteinregt, in gewiffem Umfange eine gegenwärtige Wichtigkeit deutschen Reichsgebiets, dem Böhmen , Ungarn , Tirol ange- gelebte Ordnung der breiten Bevölkerung viele neue und ungeben. Denn von dem Donaustaat läßt sich sagen, daß er gliedert war, zerfiel oder vielmehr zerschlagen wurde. bequeme Pflichten einzuführen unternahm, angestrengt bcrecht sehr ein Land der durch Jahrhunderte hin belastenden, Daß der Vater dieser Frau, Karl VI. , der letzte Sabs. müht war, Popularität für die Träger der Krone zu ge aber immer noch ungelösten Fragen ist. Nicht wenige von burger, ohne männlichen Erben blieb, hatte sich zwar nach winnen. Auch um Maria Theresia ist mit eifrig nachhelfender den Schwierigkeiten, auf die reformatorischer Wille zur Zeit umjäglichen kabinettspolitischen Mühen und schweren poli- Hand die Legende der Volkstümlichkeit gesponnen worden, jener Herrscherin stieß, machen sich im Werden des öfter- tischen Handelsopfern durch die Pragmatische Sanktion, die und ihre Art machte dies Gespinst leicht. reichischen Staates noch heute lästig geltend. Aber was einst das Recht der weiblichen Nachfolge in den habsburgischen Schrittweise wurde in Defterreich das Ziel gesucht, den Durch die Gewalt äußerer Umstände aus sehr verschiedenen, Herrschaftsrechten sicherstellte, in den österreichischen Landen ständischen Körperschaften den Anteil an Gefezungleichen Volksbestandteilen politisch und staatlich zu ausgleichen lassen. Ueber diefe hinaus blieb jedoch die Frage gebung und Verwaltung zu nehmen, und das geschah, ohne fammengeführt wurde, ohne doch zu einer vollkommenen der Anerkennung ein Mittel, sich in die österreichischen und bie alte Ständeverfassung aufzuheben. An die Stelle der inneren Verbindung zu gelangen, das kommt nun endlich, ge- damit immer in die deutschen Angelegenheiten einzumischen. Stände trat das Beamtentum; die Steuerfreiheit des stützt von wirtschaftlichen Möglichkeiten, die früher noch Die Thronbesteigung Maria Theresias wurde gleichsam das Adels wurde aufgehoben, ein neues Steuersystem, das nicht fehlten, und gefördert durch die Gefahr schwerer Kriegs- Signal zu Kriegen, die sich über zwei Jahrzehnte hinwälzten. mehr auf das Bewilligungsrecht der Stände angewiesen war, ftürme, unter das Gesetz der Forderung, die einzelstaatlichen Frankreich , das seit hundert Jahren die Berflüftung wurde geschaffen, die Bewilligung der Truppen den Ständen Elemente als innerlich zusammengehörenden Wirtschafts- Deutschlands mit fettem eigenen Landgewinn betrieb, unter- genommen und so unter Zentralisierung der Verwaltung, für förper überstaatlich zur Einheit zu verschmelzen. Das liegt stükte Ansprüche der bayerischen Kurfürsten auf die habs- die das preußische Muster vorbildlich wurde, die finanzielle weit über den Zielen, die sich die österreichische Staatskunst burgische Erbfolge und ließ ein Heer marschieren, das sich in Grundlage für ein neues Heerwesen hergestellt. Das Pro Der Regentenzeit Maria Theresias( 1740-1780) stellte, aber Böhmen festsette. Acht Jahre dauerte dieser Erbfolgefrieg vinzialintereiie wurde hinter das Staats
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