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34. Jahrgang. Nr. 20 Heilage zum �vorwärts" Serliner Voltsblatt Serttn, 20. Mal 1417 Soldaten der Nlenfihheit. Nicht Minen, Granaten, Angriff und Mut. nicht Massengräber und Siegesfanfaren... wir tragen in uns eine heilige Glut, die wollen wir hüten und treu bewahren. Ach, alle Not und Sehnsucht und Pein und alle wilden Stürme vertoben.... wir wollen Soldaten der Menschheit sein, das herz zu fröhlicher Tat erhoben. wir wollen aus dieser wütenden Qual hinab in die Städte großer Maschinen. wir wollen im sausenden, dröhnenden Saal der göttlichen Arbeit inbrünstig dienen. wir wollen, daß unsere stroßende Srafi nicht elend und müde im Graben vermodert. wir haben ein herz voll Leidenschaft, das steil in die Enge der Werkstatt lodert. wir olle kommen au, Morden und Wut. wir wollen endlich Friede auf Erden! nun brennt unser herz eine heilige Glut, daß alle Menschen brüderlich werden. Max vurthel. das Arbeitsverhältnis im Freien" Gewerbe. Bon August Winnig. Die Lage der Lohnarbeiter unter dem Arbeitsverhältnis dcS absoluten Staates war für unsere heutigen Begriffe ge- drückt bis zur Unerträglichkeit. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Arbeiter der damaligen Zeit sie ebenso empfunden hätten. Auf die Festsetzung des Lohnes hatten sie zwar keinen rechtmäßigen Einfluß; wo sie einen solchen geltend zu machen versuchten. liefen sie Gefahr, von der Obrigkeit zur Ordnung gerufen und bestraft zu werden. Da aber nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht ist, so boten sich den Arbeitern doch, je nach dem Grade der Beschäftigung, illegale Mittel, die Arbeitsbedingungen zu beeinflussen und unter dem Druck der Knappheit an Arbeitskräften einige Verbesserungen heraus­zupresse». Andererseits bildete die obrigkeitliche Reglemen- ticrung des Arbeitsverhältnisses einen gewiss en Schutz gegen die mit dem Kapitalismus emporwachsenden VerelcndungStendenzen. Je mehr der Kapitalismus erstarkte, um so lebendiger wurde sein Ausbeutungs- trieb. Es gelüstete ihn, die Arbeitszeit zu verlängern, ge- lernte Arbeiter durch ungelernte, erwachsene Arbeiter durch billigere jugendliche oder Frauen zu ersetzen. Dem aber stand die obrigkeitliche Reglementierung im Wege. Der Schrei nach Freiheit war vor allem das Verlangen nach hemmungsloser Betätigung der kapitalistischen Erwerbssücht. Dem brachte die Gewerbegesetzgebung in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Erfüllung. Die neue Grundlage des Arbeitsverhältniffes wurde die Preußische Gewerbeordnung von 1845, die das Vorbild der ganzen norddeutschen Gewerbegesetzgebung wurde. Ihr leitender Gedanke für das Arbeitsverhältnis sprach aus, daß dies Gegenstand freier Uebereinkunft sei. Aus dem bisherigen Herrschaftsverhältnis wurde ein Mietsverhältnis. Der letzte Rest der alten Auffaffung, die Arbeiter und Unter- nehmcr als soziale Stände betrachtete, wurde ausgetilgt, es gab für die rechtliche Beurteilung des Arbeitsverhältnisses nur noch Einzelmenschen, die nach der Theorie in ihren Entschlüffen völlig frei ivaren. Keine Organisation sollte sich zwischen Arbeiter und Unter- nehmcr drängen. Vereinigungen und Verab- redungen zur Erzielung höherer Löhne waren bei Gefängnis st rase verboten. Das geschichlliche Merkmal dieser dritten Stufe in der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses war das völlige Zurücktreten der Staatsgewalt, die bis dahin so ausschließlich auf diesem Gebiet geherrscht hatte, daneben aber die rechtliche Auflösung der beiden sozialen Gruppen Arbeiter und Unternehmer in Einzelpersonen. Der Grundsatz der freien Konkurrenz hatte ge- siegt auch das Arbeitsverhältnis war nun dem freien Spiel der Kräfte ausgeliefert. Der Steg dieses Grundsatzes war geschichtlich notwendig, der Kapitalismus sollte eine neue Ge- sellschaft bilden, er konnte es nur, indem er die Bindungen der alten Sozialordnung löste und die gesellschaftlichen Kräfte zunächst atomisierte, um dann auS den einzelnen Teilen die ncueuBildungen zusammenzufügen. Aber dieser Borgang bedeutete für die Lohnarbeiter zu- nächst durchaus keinen Fortschritt. Wohl iourden sie der Be- dingungen ledig und unterstanden keinem Arbeitsreglement mehr. Aber diese Freiheit brachte ihnen wenig Segen. Denn der sogenannte freie Arbeitsvertrag wurde jedesmal das, was der stärkere der Vertragschließenden aus ihm machen wollte. Das alles war in 9vü von 1000 Fällen immer der Fabrikant. Wohl stiegen unter der Wirkung der allgemeinen starken Nachfrage»ach gewerblichen Arbeitern zunächst die Löhne. Aber da nun alle Hemmungen gefallen waren, so verlängerte man auch die Arbeitszeit, zog die Frauen und schließlich auch die Kinder zur Arbeit heran. DaS waren Umstände, die bald eine lohndrückende Wirkung auszuüben begannen. Für diese Zeit wir haben hier die Jahre von 18201850 im Auge fehlen so gut wie alle Quellen über die Höhe der Arbeitslöhne. Als Dr. Kuczinski sein großes Werk über die Bewegung der Arbeitslöhne verfaßte, hatte er die größte Mühe, diese Bewegung auch nur bis zum Jahre 1870 zurück- zuverfolgen. Im Jahre 1848 stand der Lohn der Berliner Maurer und Zimmerer auf 20, 22 und 24 Groschen. Es ist nicht anzunehmen, daß er in den westlichen Industriegebieten und in den anderen Städten höher gewesen sei, diese Sätze dürften vielmehr die Höchstgrenze der Löhne gewerblicher Arbeiter jener Zeit darstellen. Alle Schilderer der sozialen Zustände in dieser Periode sind sich jedoch darin einig, daß die Not und Verwahrlosung des industriellen Proletariats zum Himmel schrie. Die Berichte, die der oberschlesische Korrespondent der Schlesifchen Zeitung'(des Organs der schlesischen Konserva- tiven) seinem Blatte über die Lage im dortigen Industriegebiet schickte, klingen unseren Ohren unglaublich. Ganze Scharen von Grubenarbeitern, so berichtet er, nebst Frauen und Kindern, ziehen abends in die Nähe der Schlackenhalden, um sich dort die warmen Stellen zum llebernachten aufzu- suchen, da sie keine Wohnung haben. Am Rhein waren zarte Kinder von acht Jahren an in Fabriken tätig und arbeiteten dort bis zu 16 Stunden täglich. Kinder und Frauen gingen auch in die Kohlengruben und arbeiteten unter Tage. Das furchtbare Elend, das Friedrich Engels in seinem Buche über die Lage der arbeitenden Klassen in England schildert, hat auch in Deutschland die Geburt des Industrie- kapitalismus begleitet. Mit diesem wirtschaftlichen Elend ver- banden sich bald körperliche Verwahrlosung, sittliche Ver- kommenheit. Die alte Vorstellung von der»Ehrbar- keit" des Gewerbegehilfen verschwand, daS Ansehen deS gewerblichen Arbeiters sank tiefer als in irgend einer früheren Periode. Trotz der formalrechtlichen Gleichheit der beiden Vertragspartner war der Arbeiter in der Praxis zu einem rechtlosen Ausbeutungsobjekt geworden. Vielfach behielt sich der Unternehmer daS Recht vor, den Arbeiter bei Arbeitsmangel jederzeit entlassen zu können, während der Arbeiter an bestimmte Kündigungsfristen ge- Kunden war. Das Trucksystem hielt seinen Einzug. Die Fabrikanten errichteten neben ihren Betrieben Verkaufsstellen für Lebensmittel, Arbeitskleidung u. a. und nötigten die Ar- beiter, ihren Bedarf dort zu entnehmen; der Betrag wurde ihnen vom Lohn abgezogen. So kam es häufig vor, daß der Arbeiter nur wenig baren Geldlohn erhielt, sondern mit Waren bezahlt wurde, an denen der Fabrikant aber- mals verdiente. Was dabei herauskam, war nichts weiter als eine neue Form der Hörigkeit. Auch zu jener Zeit schon bildete sich hier und da der Brauch herau», auf oder neben den Betriebsstätten Wohnungen für die Arbeiter zu errichten, so daß sich manche deutsche Fabrik kaum noch durch etwas anderes als durch die Hautfarbe ihrer Arbeiter und durch die Art der verarbeiteten Stoffe von den Faktoreien Amerikas mit ihren Negersklaven unterschied. Es scheint, als habe die Geschichte an einem Schulbeispiel zeigen wollen, wohin ein hemmungsloses Walten der kapita- listischen Triebkräfte führt. So brach sich dann die Ueber- zeugung Bahn, daß man dieser Entwicklung nicht länger un- tätig zusehen dürfe. Die Arbeiterklasse selber war freilich noch nicht so weit, um eine Aenderung der Gesetzgebung durch- setzen zu können. Ihre junge Bewegung war aus einer polt- tischen Situation entstanden und erprobte ihre Kraft einst- weilen in der politischen Arena. DaS von Lassalle zwar nicht konstruierte aber doch popularisierte eherne Lohn- g e s e tz, wonach der Lohn niemals dauernd über die zur Lebensfristung notwendige Höhe steigen könne, verurteilte die Bestrebungen nach Verbesserung deS Arbeitsverhältnisses von vornherein alS vergeblich. Staatsbeamte. Militärs, Volkswirte forderten das Eingreifen deS Staats, um der Verwüstung der Volkstraft zu wehren. So kam eine Bewegung in Fluß, die vom Ausgang der dreißiger Jahre an zu vereinzelten Maßnahmen staatlichen Ar- beiterschutzes führte. Waren diese Eingriffe auch zu- nächst schwach und wenig erfolgreich, so brachten sie aber doch mit dem Gedanken des staatlichen ArbeiterschutzeS ein neues Prinzip auf, das von ganz anderen Voraussetzungen ausging als die frühere obrigkeitliche Reglementierung. Bedeutsamer noch als diese staatlichen Eingriffs war der Fall der Koalitionsverbote. Damit war die Feffel gesprengt, die der Arbeiterschaft die Hände gebunden und sie von jeder Beeinflussung deS Arbeitsverhältniffes ab- sperrte. Nun trat die Arbeiterschaft zum ersten Male wieder als mitgestaltende Kraft des Arbeitsverhältnisses auf. Damit begann der Uebergang zu einer höheren Stufe deS Arbeitsverhältnisses, zu dem Arbeitsverhältnis, daS auS dem Ringen des organisierten Kapitals und der organisierten Arbeit als Diagonale der Kräfte hervorgeht. AuS der atomisierten Gesellschaft entstehen neue mächtige OrganisationS- gebilde. Heftig ist der Zusammenprall der durch sie ver- tretenen gegensätzlichen Interessen. Aber. auS dem Kampf- getümmel erhebt sich akS der verheißungsvolle Anfang_ einer gewerblichen Demokratie der Tarifvertrag die Grund- läge des Arbeitsverhältnisses der Gegenwart und noch mehr der Zukunft. Sehen wir von dem �Interregnum der Kriegs- Wirtschaft ab, so können wir eine Entwicklung verfolgen, die aus dem Gegeneinanderwirken und Ineinandergreifen der drei Faktoren: Staat, Unternehmertum und Arbeiterschaft besteht und deren letztes Ergebnis die organisierte Ar- bett ist. die Verkäuferin. Bon Klara Bohm-Schuch. DaS Verkaufsgeschäft war der erste Zweig im Handelsgewerbe, den sich die Frauenarbeit in großem Um- fange eroberte: langsamer drang sie in den Kontorberuf ein, wo ihr jetzt, besonders durch den Krieg herbeigeführt, ein breiter Raum gehört. Für den Beruf der Verkäuferin bringt die Frau von Natur viel Vorbedingungen mit: Ge- wandtheit im Verkehr mit dem Publikum, schnelle An- paffungsfähigkeit usw. Die Hauptursache der Verwendung weiblicher Arbeitskräfte ist aber hier wie überall ihre Billigkeit. Die junge Verkäuferin hat eine Lehrzeit von zirka einem Jahr durchzumachen während der sie eine Vergütung von 10 bis 20 M. monatlich erhält, sie verdient also im Alter von ca. 16 Jahren mehr als der männliche Berufskollege. Während es aber der Verkäufer meistens soweit bringt, daß er ein Gehalt verdient, von dem er auskömmlich leben kann, so ist es bei den Verkäuferinnen die Minderheit, welche über- Haupt einen höheren Verdienst als 100 M- im Monat erreicht. Bei den Aufwendungen, welche die Verkäuferin für Kleidung machen muß, wird bei ernenn solchen Verdienst nur ein kümmerliches Auskommen ermöglicht. Eine wirtschaftliche Unabhängigkeit gewährleistet dieser Beruf heute nicht, noch weniger die Möglichkeit, sich in ihm eine Lebens- existenz zu schaffen. Wenn es auch Ausnahmen gibt, so be- stätigen sie nur die Regel. Es handelt sich also, ebenso wie bei den Stenotypistinnen, gewissermaßen um einen Zwischenberuf vom Elternhaus zur Ehe und leider wird er auch von der Mehrzahl der Beschäfftgten so aufgefaßt. Hierauf beruhen nun viele Mißstände des Berufs. Zunächst wird durch solche laxe und irrtümliche Auf- faffung eine ernste Berufsfortbildung vereitelt, denn wenn eine Beschäftigung nur als vorübergehend gilt, werden die kargen Freistunden nicht mit Lernen ausgefüllt werden. Es entspringt hieraus aber auch eine gewisse Leichtheit der ganzen Lebensauffassung und eine Verständnislosigkeit gegenüber allen Bestrebungen, die auf Zusammenschluß der Berufs - ungehörigen zur Hebung des Berufs selbst und zur Besserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen hinzielen. Der obligatorische Fortbildungsschulzwang ist sehr gut und nützlich und er wird immer weiter ausgebaut werden müssen, aber der Grund- fehler liegt wohl in der unterschiedlichen Erziehung von Knaben und Mädchen. Leider ist unser ganzes ErziehungL- system noch darauf eingestellt, daß der Junge wohl einen Beruf erlernen muß, weil er sich eine Lebensexistcnz schaffen soll, das Mädchen aber nicht. Die(viel zu.lange) Lehrzeit des Knaben muß also durchgehalten werden. wie schwer es oft den Eltern auch fallen mag. Das Mädchen aber muß verdienen, sobald es nur die Schule verlassen hat.»Kommt Zeit, kommt Rat' denken wohl viele Eltern, die schweren Herzens, aber trotzdem nur mit dem Verdienst der Tochter die Lehrjahre des Sohnes ermöglichen. Wie falsch dieses System ist. haben unzählige Frauen in der Kriegszeit an sich erfahren müssen; es hat zu großen Nachteilen für die Frauenerwerbsorbeit geführt, da es in- folge der mangelnden Berufsausbildung für die Frau schwer ist, zur Q u a l i t ä t s a r b e i t e r i n anzusteigen und damit der gleichen Entlohnung wie der männliche Arbeiter teilhaftig zu werden. Hier wird, auf die Erfahrungen der Kriegszeit gestützt, ein Ausgleich zwischen Knaben- und Mädchenerziehung eintreten müssen, indem die praktische Berufsausbildung der Knaben verkürzt und damit ihres ausbeutenden Charakters entkleidet, eine solche für die Mädchen bei absolut freier Be- rufswahl aber geschaffen wird. Daneben muß, wie schon be- merkt, die theoretische Berufsfortbildung werter ausgebaut werden. Die soziale Schichtung der Verkäuferinnen ist eine sehr verschiedene; Töchter von Arbeitern, Handwerkern, Kaufleuten und Beamten erwählen diesen Beruf. Dadurch treten dem organisatorischen Zusammenschluß weitere Hinder- niss« in den Weg. Besonders in der Lebensmittelbranche kommt auch ein großer Prozentsatz der Verkäuferinnen aus hauswirtschaftlichen Berufen, weil sie hier, trotz des vielfach vorhandenen Kost- und Logiszwanges, doch etwas unabhängi- ger leben und eine etwas bessere Entlohnung als in iwr Haus- Wirtschaft erreichen. Der Beruf an sich ist schwer, wenn es auch vielen Leuten angenehm erscheinen mag, wenn jemand, nett angezogen, de» ganzen Tag an dem Verkaufsstand oder hinter dem Laden- tisch stehen und mit all den schönen Dingen hantieren kann. welche man kaufen will. Vor allen Dingen wird von der Verkäuferin Gewandtheit im Verkehr mit der Kundschaft ver- langt. Jeder will schnell bedient sein, jeder will aber auch das haben, was er wünscht, wenn er selbst über seine Wünsche sich vielleicht noch nicht ganz klar geworden ist. Letzteres ist besonders ein Fehler kaufender Frauen; sie wissen oft nicht recht, waS sie wollen. Sie wollen sich erst entscheiden, wenn etwas ihrem Geschmack entspricht. Der Krieg ist hier aller- dingS ein strenger Lehrmeister, weil durch die Warenknappheit und durch die enormen Preise die Auswahl sehr beschränkt worden ist. Durch ein solches Zaudern beim Kauf, durch das Vorlegenlassen vieler Waren, von denen dann schketzkich nichts gekauft wird, wird die Arbeitskraft der VeiSiinferin über Gebühr in Anspruch genommen, ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. Die Verkäuferin soll immer liebenswürdig und höflich sein, auch dann, wenn es die Käuferin durchaus nicht ist. Der Chef verlangt aber daneben, daß das Personal tüchtig ist, daß es nicht nur die Käufer bedient, sondern auch das verkauft, was er absetzen möchte.