34. Jahrgang. Nr. 33
Die Erziehungsaufgabe
Sonntag
Beilage zum„ Vorwärts" Berliner Volksblatt
Drei Sonette aus dem harten Leben.
I.
der Arbeiterbewegung. Ich weiß von Schlachten, die verborgen dröhnen,
Von Heinrich Schulz.
Die deutsche Arbeiterbewegung beschränkte sich in den erften Jahrzehnten auf ihre nächsten gewerkschaftlichen und politischen Ziele. Die Gewerkschaften kannten noch kein Unterftüßungswesen, die politischen Vereine waren eigentlich nur Wahleinrichtungen, so daß bis vor noch gar nicht langer Zeit biele Parteibereine sich der Ueberlieferung gemäß schlechthin fozialdemokratische Wahl" vereine nannten.
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Das ist inzwischen anders geworden. Die Gewerkschaften find nicht mehr nur lediglich Kampf" organisationen, sie sind auch im Laufe der Zeit zu sehr wichtigen Unterstützungseinrichtungen geworden; gerade darauf ist ihr großes Wachstum und darauf wieder in der Hauptsache ihr erheblicher Einfluß im öffentlichen Leben zurückzuführen. Aber sie haben sich dadurch auch in besonderem Maße das Vertrauen der Arbeiterfrauen erworben, so daß der Verband für die Arbeiterfamilie schon eine mächtige Rolle spielt. Die Gewerkschaften wiederum suchen diese wertvollen Beziehungen zum Arbeiterhause über die nächsten materiellen Beweggründe hinaus zu heben und zu stärken; abgesehen von mannigfachen Veranstaltungen für die Angehörigen ihrer Mitglieder legen manche Gewerkschaften ihren Blättern besondere Beilagen für die Frauen bei oder sie richten doch den Inhalt ihrer Blätter so ein, daß er auch die Frauen fesselt. Seitdem wir eine ſelb. ständige Jugendbewegung haben, sind weiterhin die Gewerkschaften auch bemüht, die schulentlassenen jungen Arbeiter und Arbeiterinnen in besonderen Jugendabteilungen zu sammeln und für ihre Unterhaltung und Belehrung zu sorgen.
Auch die sozialdemokratischen Vereine haben ihren anfänglichen engen und rein politischen Aufgabenkreis durch Aufnahme mehr fultureller Arbeitsgebiete erweitert. Nachdem die geseglichen Hemmungen für die politische Mitarbeit der Frau gefallen waren, blühte die sozialdemokratische Frauenbewegung auf. Nicht als eine Sonderorganisation innerhalb der Gesamtheit, aber doch mit eigenen Beranstaltungen und Maßnahmen, die dem Wesen der Frau beffer Rechnung trugen und ihre Anteilnahme am politischen Leben hoben. Der Frauenbewegung fehlte die Bildungsbewegung. Sie suchte in die auch früher schon geübte Bildungsarbeit von Partei und Gewerkschaften Ordnung zu bringen und sie nach Ziel und Wegen besser zu organisieren. Dadurch erhielt die allgemein fulturelle Betätigung der Arbeiter mannigfache Antriebe und Anregungen. Zwar erzwang das Bedürfnis und die Notwendigkeit, zunächst einmal selbstständige Grundlagen einer eigenen Arbeiterbildung zu schaffen, zu einer freiwilligen Isolierung unserer Bildungsarbeit, die unnötigerweise durch die unfreiwillige Isolierung verschärft wurde, zu der die feindselige Stellung der bürgerlichen Gesellschaft zur modernen Arbeiterbewegung diese zwang. Aber die Besonderheit der Bildungsarbeit, besonders die stark aufblühende kunstpflegerische Tätigkeit der Bildungsausschüsse brach doch schon vor dem Kriege hier und da den Bann und führte zu gemeinsamer Arbeit mit bürgerlichen Bildungsorganisationen. Der Bildungsbewegung wiederum folgte bie Jugendbewegung. In ihrem Wesen unterschied sich dieses jüngste Kind praktischer proletarischer Betätigung nicht sonderlich von der Bildungsbewegung. Der Unterschied bestand hauptsächlich darin, daß es die letztere mit den erwachsenen Arbeitern und Arbeiterinnen zu tun hatte, während für die Jugendbewegung mur die 14-18 jährigen Arbeiterjünglinge und-mädchen in Betracht kamen. Das nötigte zu anderen Methoden und Formen der erzieherischen Arbeit.
die fein Generalbericht dem Bolke kündet, in fiefen Schluchten, die kein Ung' ergründet, weiß ich von Truppen, Greisen, Männern, Söhnen,
die todverachtend vortreiben ins Granen und teine Mühjal, teine Schreden tennen, ob gleich die Herzen fief vor Sehnsucht brennen, einmal gerechten Cohn und Glüd zu schauen.
Und diese Schlachten nehmen nie ein Ende, und dauern lange schon. Die Kämpfer wiffen nicht mehr, worum es geht. Bergrämt, verbiffen,
vom Bater nimmt der Sohn in seine Hände die schweren, abgenutzten Waffen. Sinnend gehf er ans harte Wert, im ewigen Wechsel täglich neu beginnend.
II.
Still ift's in unfern Wäldereinsamfeiten, die fof und schwarz in fiefften Bergen träumen, tein Licht, tein Lüfflein spielf in grünen Bäumen, tein Fisch, kein Bogelruf seit Ewigkeiten.
Furchtbar und öde find die finftren Schleiche durch die wir Roder täglich drunten dringen. Wir schlagen Stamm für Stamm, gefühllos ringen wir uns voran im dunklen Schattenreiche.
Bis wir den Urwald aus den Höhlenschluchten der bösen Erdgiganten raubend schleppen, hinan zum Licht, auf drohenden Felsentreppen.
Wir fehn verrußt, geblendet daun. Die Buchten der Urgrundschätze haben wir längst vergeffen, vor Hunger und Müdigkeit, rings um uns aber loh'n und glüb'n die Feuereffen.
Π III.
Wir Fröner tief im Schachte, Schaffende in der Erden erleben das Gewalt'ge dumpf und unbewußt,
den Prengel in der Klaue, nadt die narbige Bruft, von Gift und Gas umschwelt und dunklen Todsgefährden,
befteigen wir die Schale überm Grunde,
und grüßen, fintend, kaum das Tageslicht. Der Schachtbaum schwankt, der Stollen drunten bricht, nur matt ein mühsam Lämplein hellt die Stunde,
wo, finster fämpfend mit den Nachtgewalten die Leiber erdigdampfend vorwärts scharren, wo hart die Eisen in den trampfgetrafften,
DHIT!!
Bei Lichte betrachtet ist für unsere gesamten sonstigen Arbeiten erzieherischer Art eine sachgemäße Kinderpflege und Kindererziehung gleichsam die erste und wichtigste Vorausfegung. Wir haben gewissermaßen vom Giebel angefangen zu bauen, statt von der Grundlage, wenn wir erst die Ers wachsenen, die Frauen und die Jugendlichen kulturell für uns zu gewinnen suchen, die Kinder aber sich selbst. überließen. Nehmen wir uns dagegen in umfassender und planmäßiger Weise der Kinder an, und selbstverständlich lediglich nach erzieherischen Gesichtspunkten und mit erzieherischen Mitteln, nicht zu parteipolitischen Zweden- denn dies wäre eine schwere Verfündigung an den Kindern, so schaffen wir erst damit die solide und gesunde Grundlage, auf der sich alles andere lotrecht und sicher erheben kann.
Was soll also geschehen?
Ich denke an alle Möglichkeiten der Kinderfürsorge und Erziehung: an die Schaffung von Säuglingsheimen, von Kinderbeivahranstalten, Kindergärten, Kinderhorten, Kinderheimen, von Spielplägen, Spielräumen, Spielvereinigungen, an die Gewinnung und Ausbildung geschulter, erzieherischer Kräfte, an die Pflege der erzieherischen Kräfte in der Arbeiterfamilie, Aufklärung durch Lehre und Beispiel, an Ausflüge und Wanderungen, und die Fürsorge für die Kinder in den Ferien. Ich will damit nur einige Stichworte genannt, das weite Gebiet aber keineswegs erschöpfend gekennzeichnet haben.
Wie die Fülle der Aufgaben praktisch zu bewältigen ber sucht werden muß, ist eine organisatorische Frage, zu deren Lösung ich berufene Genossen und Genofsinnen hierdurch einlade, sich zu äußern. Es ist die Form von Ausschüssen denkbar, gemäß den bestehenden, aus Vertretern der Partei- und der Gewerkschaftsbewegung zusammengesetzten Bildungs- und Jugendausschüssen. Vielleicht eignete fich aber noch besser die Form der Genossenschaft, der Zusammenschluß gleichgesinnter Männer und Frauen Schaffung von Erziehungsgenossenschaften. Die praftische Erziehungsarbeit, an die ich denke, ist mit kosten verknüpft. Aus rein idealen Bewveggrünnden würden die Kosten faum in genügendem Maße aufgebracht werden. Es muß das materielle Interesse hinzukommen. Das wird aber auch der Fall sein.
zur
Nach dem Kriege bleiben Hunderttausende bon Frauen, die erft der Krieg in die Erwerbsarbeit gezogen hat, dauernd barin, ein Umstand, ben wir Sozialdemokraten nicht mit fentimentalen Reden über zerstörtes Familienglück zu bejammern, sondern als eine gesellschaftsgeschichtliche Notwendig. feit zu begreifen und praktisch zu würdigen haben. Es wird also das Bedürfnis nach Säuglingsheimen und Kinderbewahranstalten, das der Krieg plöglich auch bürgerlichen und amtItchen Kreisen so überzeugend flar gemacht hat, daß in aller Eile Hilfsmaßnahmen getroffen worden sind, als ein dauernder Zwang bor den Beteiligten stehen. Die Beteiligten sind in erster Linie die arbeitenden Mütter, ferner die auf die Arbeitskraft dieser Mütter angewiesenen kapitalistischen Unternehmungen, sodann die Gemeinden, der Staat und das Reich. Wie bisher werden sie alle auf ihre Weise der Notlage zu begegnen suchen. Die Gemeinden werden die notwendigen Anstalten errichten, die Kapitalisten werden ihren Fabriken Kinderheime angliedern, Vereine und Gesellschaften religiöser und humanitärer Art werden in der gleichen Richtung ar beiten. Wir wollen unsererseits diese Entwicklung nicht hindern oder bekämpfen, sondern sie im Gegenteil vorwärts
fchwieligen Fäuften wild und machtpoll ftarren, wo fteter Hammerschlag das Hirn durchbrauft, und Hike, Enge, Dunkelheit zerrüffend in der armen Seele treiben. Besonders haben wir in dieser Beziehung nachdrück
hauft.
Otto Bohlgemuth
lich auf die Gemeinden und die gesetzgebenden Faktoren ein. zuwirken. Aber wir müssen noch ein übriges tun! Wir müssen Kinderheime aller Art aus eigenen Mitteln So ist für die Organisierung und Aufklärung der Frauen, und unter eigener Verantwortung und Ver. für das Bildungsbedürfnis der Erwachsenen und für die Auf dem Gebiet der Rindererziehung scheinen mir aber maltung schaffen. Einmal, weil noch auf lange Zeit erzieherischen Notwendigkeiten der Jugendlichen gesorgt. außeror dentlich wichtige und verheißungsvolle Arbeitsmöglich hinaus rein zahlenmäßig das Bedürfnis nach solchen EinGewiß nicht in genügendem Maße. Ueberall handelt es sich feiten für fulturpolitische Betätigung der Arbeiterklasse zu richtungen weit größer sein wird als die Einrichtungen selber. nur um Anfänge, um bescheidenes Stückwert. Es soll auch liegen. Daß zukünftigen Versuchen der Arbeiter, die Er- Sodann aber, weil wir aus fulturpolitischen Erwägungen und nicht verkannt werden, daß der Strieg uns manche neue Erziehung ihrer Kinder durch eigene vereinte Kraft zu heben, vom Standpunkte unserer sozialistischen Auffassung über fahrung eingetragen hat, die uns zwingen wird, Ziele und wiederum mit behördlichen Eingriffen das Leben schwer Kinderpflege und erzieherische Behandlung des Nachwuchses Methoden unserer Frauenbewegung, unserer Bildungs- und gemacht werden wird, braucht man nicht zu befürchten. uns eigene Laten neben die bürgerlichen stellen müffen. Wir Jugendbewegung erneut fritisch zu prüfen, auszuscheiden, was Jedenfalls darf man diese Erwägung böllig außerhalb der müssen auch in dieser Beziehung unseren eigenen sozialistischen sich nicht bewährt hat, und einzufügen, was wir als Mangel Berechnungen lassen. Sollte trog der Kriegserfahrungen das Faden dem allgemeinen Gewebe kultureller Entwicklung: praterfennen mußten. Aber es sind immerhin wichtige Vorarbeiten Unglaubliche Ereignis werden, so wird schon zu gegebener tisch einfügen. geleistet und einige brauchbare Grundpfeiler gelegt worden, auf Zeit dagegen das nötige getan werden. Umgekehrt darf man Dabei denke ich keineswegs an Kampf und Feindseligkeit denen nach dem Striege tatkräftig weitergebaut werden tann. eher annehmen, daß solche neuen Erziehungsversuche der Arbeiter gegen gleichartige bürgerliche Unternehmungen. In vielen, Dagegen haben wir für ein Gebiet noch nicht einmal auch von der bürgerlichen Gesellschaft in geeigneter Weise vielleicht den meisten Einzelheiten werden wir uns in unserer diese bescheidenen Vorarbeiten geleistet. Das ist das Gebiet gefördert werden, denn es liegt ganz besonders auch in ihrem Arbeit taum von der bürgerlichen unterscheiden. So wenig, der Kinderpflege, der Kinderfürsorge, der interesse, den gefährdeten Nachwuchs der Arbeiterschaft in wie sich in dieser Beziehung die praktische Arbeit unserer Erziehung ber schulpflichtigen und vorschul- feder Weise zu schützen und auf diese Wetse die unmittelbarste Frauen-, Bildungs- und Jugendbewegung von der bürgerpflichtigen Rinder. Ein zaghafter Schritt, der aber und wertvollste Bevölkerungspolitik zu treiben. Der Strieg lichen unterscheidet. Es ist lediglich der Ton, der die Mufit durchaus den einseitigen negativ- kritischen Charafter trug, der mit seinen fürchterlichen Opfern an Menschenleben hat den macht. Auch in den bürgerlichen Einrichtungen sind die„ Töne" unserer ganzen Bewegung früher mehr oder weniger den Wert des einzelnen Menschenlebens außerordentlich erhöht. verschieden. Evangelische Kinderheime unterscheiden sich von Stempel aufdrüdte, ist freilich getan worden: man hat hier Es geschieht deshalb schon jetzt von der Regierung und von katholischen, Fröbelsche Kindergärten von, Bewahranstalten der und dort Kinderschußkommissionen eingesetzt, die die Aufgabe zahlreichen freien Organisationen mancherlei zum Schuße der inneren Mission. In theoretischer Beziehung stüßen sie sich hatten, Berstößen gegen die ohnehin so spärlichen gefeßlichen Kinder, angefangen bei den Säuglingen bis zu den Jugend- alle mehr oder weniger auf die Ergebnisse der allgemeinen Bestimmungen zum Schutz der Kinder vor gewerblicher Aus- lichen. Diese allgemeine, aus der Rot des Krieges heraus. Erziehungswissenschaft, wobei die eine Richtung mehr diesen beutung nachzuspüren. Ein noch bescheidener Schritt zu gewachsene Stimmung tommt auch unserem Bestreben zugut. Pädagogen, die andere mehr jenen bevorzugt. Dagegen fehlen positiver Arbeit, die versuchte Gründung eines freien Kinder- Selbstverständlich leitet auch uns das allgemeine staat- besondere sozialistische Einrichtungen, obwohl auch sie in der gartens( um das Jahr 1906) wurde von der Polizei auf- liche Interesse an der Erhaltung jedes Menschenlebens, in wissenschaftlichen Pädagogit, von Comenius und Pestalozzi gehalten. Sie konnte sich auf irgendwelche uralte, bermoderte erster Linie jedes aus objektiven gesellschaftlichen Ursachen bis zu Fröbel und Natorp , die wertvollsten Richtlinien finden Berordnungen berufen, um ein Stüd wertvoller praktischer gefährdeten proletarischen Menschleins. Dazu tritt allerdings würden. Andererseits würde wiederum die praktische pädMitarbeit sozialdemokratischer Väter und Mütter im Steime bei uns das allernächste persönliche Interesse an der Er- agogische Arbeit von Sozialisten die theoretische Pädagogik in zu erstiden. Aehnlich erging es den Arbeiter- Turnvereinen haltung und erzieherischen Förderung unseres eigenen Nach- wertvoller Weise anregen und befruchten. mit ihren Versuchen, die körperliche Erziehung der Arbeiter- wuchses, sowohl aus allgemein menschlichen Gründen als auch Nun glaube ich, daß sozialistische Väter und Mütter ihre finder in die Hand zu nehmen, während die Anfänge von aus den besonderen Gründen unserer eigenen, auf die Zu- Kinder lieber eigenen Erziehungsheimen anvertrauen würden Ferienausflügen und Spielen mit Kindern im allgemeinen funft und ihre Umwandlung im Sinne des Sozialismus als bürgergerlichen privaten Unternehmungen. Sie können das unbehelligt geblieben sind. eingestellten Bewegung. nicht tostenlos verlangen, werden aber auch gern bereit sein.
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