شرب
34. Jahrgang. Nr. 34
Wiederkehr.
Sonntag
Der Krieg hat sie von ihren Maschinen gerissen, aus Sälen, in denen fie werkend standen, Hobel und Hammer haben sie laffen müssen
Nun fahren sie in vollgepfropften Zügen
durch fremde Lande in sternendurchleuchteter Nacht.
In allen Menschen, und den Dingen die auf ihren Wegen liegen
find bei ihrem Unblid Seufzen und heiße Wünsche erwacht.
Daheim die verlassenen Maschinen harren mit rostgetrübten Mienen
auf das blaublufige Arbeitsheer.....
Und plötzlich ist eine Wiederkehr!
Daß die riesenfäligen Bauten erdröhnen und aufjubeln die dumpfen Sirenen:
„ Kinder der Arbeit, seid ihr wieder hier!" Die greifen wieder in das Hebelgewirr und stehen bei ihren Maschinen vereint wider den alten, den gemeinsamen Feind!
M. Lazarowit.
Staat und Gesellschaft nach Marxscher Auffassung.
Beilage zum„ Vorwärts" Berliner Volksblatt
N
Berlin, 26. August 1917
Unterhaltsbeschaffung sich ergebenden Wechselbeziehungen In jeder Gesellschaft sett fich als Folge des wirtschaftlichen ( Wirtschaftsbeziehungen) bilden die grundlegenden Gesell- Lebensprozesses eine gewisse Regelung der sozialen Wechselschaftsbeziehungen. Die Gesellschaft ist demnach der Kompler beziehungen durch, ohne die das Zusammenwirken der aller folcher Personen, die zu einer gegebenen Zeit unmittel- einzelnen gar nicht vor sich zu gehen vermag. Diese Regeln bar oder mittelbar in solchen Wechselbeziehungen zu ein- nebst den sich aus ihr ergebenden abgeleiteten Normen des ander stehen. allgemeinen sozialen Verkehrs, auch soweit er sich über die Dagegen ist der Staat nach Hegel teine Gesell Staatsgrenzen hinaus erstreckt, bilden die Gesellschaftsschaft fsondern eine Gemeinschaft, eine Verordnung; die Staatsordnung besteht hingegen in den vom fassungs- bezw. Rechtsgemeinschaft, die auf einer bestimmten Staat zur Nachachtung für seine Mitglieder erlassenen, ihr sozialen Entwicklungsstufe aus der gesellschaftlichen Diffe- gegenseitiges Verhalten zu einander regelnden, unter Zwang renzierung, der Standesschichtung( Hegel unterscheidet noch gestellten staatsbürgerlichen Gesezen.
nicht zwischen Stand und Klasse und gebraucht daher das Wort Ebenso unterscheidet Marr zwischen sozialen und staat" Stand", vielfach in demselben Sinne, wie Mary das Wort lichen oder politischen Gesezen. Als soziale Geseze, " Klasse") hervorgeht. gelten ihm jene Normen des gesellschaftlichen Lebensprozesses,
Marr übernimmt diese Unterscheidung von Hegel , hebt die sich in diesem von selbst durchsetzen, da sie Bedingung aber die konstituive Grundlage des Gesellschaftslebens, die seiner Existenz und ständigen Erneuerung sind, wie z. B. das Zusammenarbeit zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung, d. h. Bevölkerungsgeseh, das Wertgeset, das Lohngesek, das Preisden Wirtschaftsprozeß, noch schärfer hervor. Leider hat Marr bildungsgesek, die Geseze des Anstandes usw. seine Gesellschafts- und Staatsauffassung nicht in einem Ganz verschieden davon sind die staatlichen Ge besonderen Werk systematisch entwickelt; doch läßt sich aus sete. Sie sind gesezte verbindende Normen des Verhaltens seinen Schriften, besonders aus dem fünften Kapitel des der Staatsmitglieder zueinander, zu den staatlichen Einrich britten Abschnittes des ersten Bandes seines Kapitals" über tungen oder zu fremden Staaten. Mary bezeichnet sie daher den Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß" und aus dem auch als politische Rechte, die nur in Gemeinschaft mit andern zwölften Kapitel des vierten Abschnittes über die Teilung ausgeübt werden" und deren eigentlicher Inhalt die Teilder Arbeit und Manufaktur" die Marrsche Auffassung leicht nahme am politischen Gemeinwesen, am Staatswesen" sei. rekonstruieren. In den vulgärmarristischen Schriften laufen diese begriff
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Marr gilt der isolierte Mensch als ein Phantom, immer lichen Unterscheidungen vielfach bunt durcheinander, wie haben die Menschen schon in kleineren und größeren Gemein- sicherlich fein Kenner diefer Literatur bestreiten wird. Man schaften zusammengelebt, und bereits in der primitivsten sehe sich nur daraufhin Kautskys fleine Schrift Ethit und dieser Gemeinschaften, der Horde, ist die Bedürfnisbefriedi- materialistische Geschichtsauffassung". an. Der schönste gung eine gesellschaftliche", geschieht sie im Zusammen- Wirrwart. Genosse Karl Renner hat leider in seiner jüngst wirken der Hordenmitglieder miteinander. zum Beispiel erschienenen Schrift Marrismus, Krieg und Internationale" bei der Nahrungssuche, Jagd, Fischfang usw. Aus nur allzu recht, ivenn er meint, daß es uns, obgleich sie solchem Zusammenwirken aber ergeben sich für die Be- ganz unentbehrlich sei, noch immer völlig an einer marristischen teiligten mannigfache Gegenseitigkeits- und Abhängigkeits- Staats- und Rechtslehre fehlt. beziehungen.
Die Gesamtheit solcher verschiedenen Wechselbeziehungen Der Krieg erweist sich auch im Gedankenkreise der bildet die Gesellschaftsstruktur, und alle in solchen Beziehungen deutschen Sozialdemokratie als großer Revolutionär. Mancher, zueinander stehenden Individuen bil den im sozioder sich vor wenigen Jahren noch als Marrist bekannte und logischen Sinne eine Gesellschaft. Die Formation unter Bezugnahme auf Marrsche Aussprüche von einer dem- jeder Gesellschaft wird also durch ihren der Bedürfnisnächstigen, durch eine proletarische Revolution befriedigung dienenden Gesamtarbeitsprozeß und den sich aus herbeigeführten Abschaffung des Staates und feine Erfekung dieſem ergebenden wirtschaftlichen Wechselbeziehungen bestimmt, durch die sozialistische Gesellschaftsordning" sprach, steht heute durch ihre ökonomische Strutture der ganzen Marrschen Staats- und Gesellschaftslehre mißtrauisch gegenüber; nicht wenige haben sich sogar zu liberalindividualistischen Staatstheorien zurückgefunden.
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Von Curt Morcd.
schon fast mythiſch gewordener Ahn mit den Füßen auf der Erdesc
In einer Zeit wie dieser kann der Dichter nicht mehr wie sein und der Stirn in den Wolfen wandern. Er, der in einer neu ind Als Gesellschaft" im soziologischen Sinne gilt anders organisierten Gesellschaft und Welt mit den wirkenden denn auch Marr in konsequenter Präzisierung der Hegelschen Sträften lebt, kann fie in seinem Schaffen nicht übergehen. Seine Auffassung nicht, wie dies so oft im gewöhnlichen Sprachgebrauch Methode ist nicht mehr rein poetisch, sie ist auch wissenschaftlich; Was heute vielfach als Marrsche Staats- und Gesellschafts- geschieht, schon jede beliebige Vereinigung oder Zuſammen seinen Dichtungen schöne Träume zu bilden, welche phantastisch er ist Psychologe und Analytiker. Es darf ihm nicht genügen, in auffassung gilt, hat freilich meist mit Marrens Lehre wenig häufung von Individuen. Der Gesellschaftsbegriff" ist minder Begabten ihre kümmerliche Alltäglichkeit für furze zu tun. Mehr noch als von anderen sozialphilosophischen kein einfacher Kollektivitätsbegriff. Eine Aktiengesellschaft ist Theorien unseres Altmeisters gilt von seiner Staatsauffassung, ebensowenig wie eine Dorfschaft, eine Gelehrtenvereinigung daß der Wille, für die Menschheit zu wirken, in ihm schaffend wird. Stunden vergessen machen; er findet seine Berechtigung erst darin, daß sie nicht in ihrem Originalgehalt, sondern in einer dem ebensowenig wie ein Stamm eine„ Gesellschaft". Eine politischen Tagesbedarf angepakten Vereinfachung, in einer„ Gesellschaft" ist lediglich jener Streis von Personen, der Wirklichkeit zu fördern, indem er ein Idealbild der Menschheit mit seinem Werk die Umwandlung und Vervollkommnung der Schlagwortähnlichen Zustugung in der deutschen Sozialdemo- unter den sich aus einer bestimmten Wirtschaftsweise er- Wirklichkeit zu fördern, indem er ein Idealbild der Menschheit fratie Aufnahme gefunden hat. Marr steht mit seiner Staatstheoretik auf den deffen Mitglieder also durch bestimmte wirtschaftliche Lebens- Welt in ihrer nackten Wahrheit enthüllt und, indem er so das Vergebenden Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen steht, zeigt, das Licht einer großen reinen Idee in das dumpfe Dunkel. der Massen flammen läßt oder aber als Diagnostiker die wirkliche Schultern von Hegel und manche seiner Ausführungen verhältnisse( aus denen sich als solche in weiterer Folge altete zerstört, den neuen Aufbau fördert und zu ihm aufruft And ohne genaue Kenntnis der Hegelschen Philosophie kaum geistige Lebensverhältnisse ergeben) verbunden sind. zu verstehen gerade die Hegelsche Philosophie hat aber Die Wirtschaftsweise ist also die Grundlage des Gesell- dies ist in einer Beit wie der gegenwärtigen des Dichters 3ived, unter den heutigen Marristen nur wenige Freunde gefunden. schaftslebens und bestimmt dessen Charakter, wie denn auch mag er selbst nicht bewußt auf ein politisches oder soziales Ziel So ist es denn gekommen, daß wir in dem landläufigen die nähere Bezeichnung einer Gesellschaftsformation meist, gerichtet sein. Bulgärmarrismus, wie er sich seit einigen Jahrzehnten in ohne daß die Sprechenden sich über den Zusammenhang find Sternheims Komödien, mögen sie nun szenisch entwidelt oder Nicht im Sinne politischer Agitation oder moralischer Tendenz Deutschland entwickelt hat, nicht nur Anschauungen und An- zwischen Wirtschaft und Gesellschaft klar geworden sind sichten vorfinden, die zur Marrschen Gesellschaftsauffassung in gewohnheitsmäßig nach der Wirtschaftsweise erfolgt. Man novellistisch konzentriert sein, Ausdrud sozialer Weltanschauung. schärfstem Gegensatz stehen, sondern daß auch manche Grund- spricht allgemein in der Sozialwissenschaft( im Marr- Hegel- Sie beruhen auf der Feststellung sozialer Erscheinungen, die im auffassungen der Marrschen Staatstheorie, z. B. das Ver- fchen Sinne ist das begrifflich durchaus richtig) von einer Kern ihres Wesens und in ihrer demaskierten Wahrhaftigkeit erhältnis des Staates zur Gesellschaft, der Staats- tapitalistischen Gesellschaft( die älteren Sozialphilosophen faßt werden, nicht sachlich und bejahend, sondern subjektiv und ordnung zur Gesellschaftsordnung, des staatlichen Rechts zum fagten„ bürgerliche" oder" zibile" Gesellschaft), einer feudalen kritisch, ironisch und karitierend. Wenn andere Dichter begeistert sozialen Recht, gar nicht erfaßt worden sind. Gesellschaft, einer Gesellschaft des Agrarfommunismus, noch die gewiß gewaltige und staunenswürdige Mechanisierung des Die ältere Staatstheoretik bis in den Beginn des neun- des Frühkapitalismus, der handwerksmäßigen Pro- Lebens bewundern und erleben, erkennt Sternheim schon, wie das zehnten Jahrhunderts hinein, geht meist von dem iso- duktion usw. Geschaffene über den Schöpfer hinauswächst und zu einer Macht lierten Individuum als Gesellschaftsstifter aus und Etwas ganz anderes ist nach Marrens Auffassung der geworden ist, der die Menschen sich unterordnen, statt fie zu hebasiert die Gesellschaftsentstehung auf die Vereinigung dieser Staat. Er ist keine Gesellschaft, auch keine Gesellschafts- herrschen. Sternheims kritisch eingestellter Geist faßt die innere Individuen unter Abschluß eines öffentlichen oder still- formation, sondern eine öffentliche Gemeinschaft oder, wie Wirklichkeit seiner aus dem bürgerlichen Leben erhaschten Menschweigenden Gesellschaftskontraktes. Durch ihre Einsicht Marr sich selbst ausdrückt, ein politisches Gemeinwesen, eine schen wie das intensive Strahlenbündel der Röntgenlampe; er zieht ( Vernunft) oder den Zwang ihrer Lebensverhältnisse getrieben, Verfassungsorganisation. Der Staat ist demnach auch keine von der Gesamtsumme den Schein, die Maske, die täuschende bereinigen sich nach dieser Annahme die bisher isolierten Unterabteilung der Gesellschaft, sondern Gesellschaft und Staat Außenseite ab, so daß das kümmerliche Skelett ihres Charakters Individuen oder Einzelfamilien zu einer Vielheit. Da nun existieren nebeneinander als besondere, wenn auch in bestimmter übrigbleibt. Er zeigt mit brutaler Offenheit ihr inneres Nichts, aber ein Zusammenleben ohne eine gewisse Regelung des Weise miteinander zusammenhängende, Komplere, die weder und die Geste, mit der er dies tut, ist die sachliche des wissenschaftgegenseitigen Verhaltens nicht möglich ist, so geben sie sich ihrem Umfange nach, noch mit ihren Grenzlinien, noch mit lichen Forschers. Er hat eine Distanz zum Objekt, die diese Festeine Art Verfassung( natürlich zunächst keine geschriebene) und ihrem Lebensinhalt zusammenfallen. Am besten läßt sich der Unter- stellungen historisch macht, aber seine Entlarbungen sind restlos. bestellen sich einen Regenten. So entsteht die Gesellschaft, schied durch folgenden Vergleich veranschaulichen: die heutige Er erregt so den gewollten Abscheu vor einem Bürgertum, das die ohne weiteres mit dem Staat identifi- bürgerliche oder kapitalistische Gesellschaft erstreckt sich über dumpf und träg, satt und verschlagen, verderbt und entgeistigt im ziert wurde. verschiedene Staaten, wie das Deutsche Reich, Frankreich , Konservatismus seiner Eristenz beharrt. Gruppiert er in den Später, teilweise schon im 17. Jahrhundert, erkannten England, die nordischen Reiche usw.; aber deshalb sind diese Dramen seine Typen zu Rede und Handlung, analysiert er in den zwar manche theoretiker, wie Montesquieu , Mably de Con- Staaten feineswegs bloße Unterabteilungen der Gesellschaft, Erzählungen die einzelne Erscheinung, legt den Typ eigentlich dillac, William Temple , Bernhard de Mandeville, Authony denn die Zugehörigkeit zu einer dieser Staatsgemeinschaften erst fest, indem er die Wesensseiten einer Gattung der sozialen of Shaftesbury, David Hume , Adam Ferguson , Adam Smith bedingt nicht auch zugleich die Zugehörigkeit zu einer be- Gemeinschaft zusammenschweißt zu einem Musterbeispiel der Art. usw., daß, Gesellschaft schon immer existiert" stimmten Gesellschaftsformation. Es können vielmehr die So sind diese Novellen, gesammelt in den beiden prächtigen mit habe, wenn auch zunächst nur in der Form von Familien- Mitglieder eines Staates in materiellen Wechselbeziehungen Ottomar Starkes Zeichnungen geschmückten Bänden" Drei Ergemeinschaften und Familienstämmen, aber in der Gesamt- zu einander stehen, die ganz verschiedenen Wirtschaftsweisen zählungen" und" Mädchen"( bei Kurt Wolff in Leipzig ), auffassung wurde dadurch wenig geändert. Nur wurde jetzt entspringen. Mit anderen Worten: es kann ein Teil der Staats- monographische Darstellungen bürgerlicher Schicksale. Die charqfmeist angenommen, daß die Gesellschaft im Laufe der Zeit mitglieder zur kapitalistischen Gesellschaft gehören, während teristischen Profile sind ins Groteske stilisiert, zum Zweck der Wir ihre Formen verändert habe; der Staat vergegenwärtige die ein anderer Teil noch in feudalen oder primitiv- naturalwirt- fung übersteigert ins Karikaturenhafte; eine im Zeichnerischen höchste Form. Von den früheren noch auf Verwandschafts- schaftlichen Gesellschaftszuständen stecken geblieben ist. So ge- schon erprobte Formel der sozialen Kunst ist hier ins Literarische banden beruhenden„ Gesellschaften" wurde der Staat nun als hören z. B. die schwedischen Lappen, weil sie zum fapitalistischen übertragen. In Einzelschicksalen gibt Sternheim die Wesens,, politische Gesellschaft" unterschieden. Staat gehören, deshalb noch keineswegs zur kapitalistischen verhältnisse einer ganzen sozialen Schicht; für Zeit und Zukunft Der erste, der begrifflich genau zwischen Gesellschaft und Gesellschaft. ist durch den stahlfesten zusammenfassenden Griff des Künstlers Staat unterscheidet, ist Hegel . Nach ihm beruht das Gesell- Gesellschaft und Staat sind demnach etwas Verschiedenes der Typ festgehalten. schaftsleben auf der Befriedigung der menschlichen materiellen und ebenso auch Gesellschaftsordnung und Staatsordnung, So ist Busetow", die Geschichte des Schuhmanns, bes Bedürfnisse vermittelst des die einzelnen miteinander ver- soziales und staatliches Gesez. uniformierten Menschen, der innerlich der Beamtendisziplin entbindenden und in Wechselbeziehung zueinander segenden Wirt- Wie die Gesellschaft früher da ist, als der Staat, so ist fprechend organisiert ist und der sein Leben steigert, indem es durch schaftsprozesses. Die aus diesem Prozeß der allgemeinen auch die Gesellschaftsordnung früher, als die Staatsordnung. eine Leidenschaft fruchtbar wird. Aus dem mechanisch funt