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3S. Jahrgang. Nr. 5 Seilage zum»vorwärts" berliner Volksblatt SerUn, Z. Februar 191S In allen Stürmen fest am Steuer! allen Stürmen fest am Steuer! Sewachfen aus öes öootes holz! In allem Tosen ungeheuer Eiserne Ruh See Zauste Stolz! Ohnmächtig brechen Wogenzangen, Sin spöttisch Lächeln streift öas Riff, Nnö immer wirkt üer flchre Griff» Die beste Stromkrast einzufangen. Srekthohe Segel brausen vor: Kein Tag sei, öen Pas Ziel verlor! Franz D i« d e r i ch. Zurück zum Sozialistengesetz! Bon Wilhelm B l o K. Jawohl zurück zum Sozialistengesetz! Das ist der eigentliche Inhalt des ganzen Rummels, der unter dem Namen derV a t e r I a n d s p a r t e i" gegenwärtig vor. sich geht. Die politischen Brandstifter, die jetzt überall zum Vor­schein kommen, versuchen zwar die Komödie fortzusetzen. hinter der sie anfangs ihr Treiben verbargen und mit dem sie das gute deutsche Volk über.den eigentlichen Charakter und Zweck des ganzen Spektakels täuschen wollten. Sie reden immer noch davon, daH er mit innerpolitischen Angelegen­heiten nichts zu tun hätte. Aber diese demagogischen Künste halten nicht mehr vor, und es wird offenbar, daß es sich weit weniger um die Zukunft von Mandern , Litauen , Kurland und Bolen handelt, als um einen Feldzug gegen die So» zialdemokratie. Die bisherigen Mißerfolge der Vater- landspartei, in der sich alle reaktionären Elemente Deutsch­ lands gesammelt" haben, und die Aussichtslosigkeit dieser neuenSannnelpolitik" haben die Heißsporne der Reaktion in eine solche Wut versetzt, daß sie schier platzen möchten. In Stuttgart brüllt in einer Versammlung der Daterlandspartci ein Ueberpatriot, man müsse die Reichstagsmehrheit auf­hängen, und die Versammlung zollt ihm begeisterten Beifall: die ostelbischen Junker Wangenheiin und O l d c n- bürg, �anuschau reden öffentlich vom Erschießen der Ele­mente, die ihnen nicht gefallen, und dieK r e u z z e i t u n g" fordert in demselben Stil, wie sie 1849 das Blut Kinkels gefordert hat, das Blut von E b e r t und S ch e i d e m a n n. Wahrhaftig, so schlimm war es vor vierzig Jahren nicht, als man dem deutschen Volke vorgetäuscht hatte, die Sozialdemo- kratie habe diemoralische Verantwortlichkeit" für die beiden Attentate auf den alten Kaiser W i l h e l m I. zu trägem Tie Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schrieb damals:Was das Eisen nicht heilt, heilt das Feuer!" Aber damit war auch der Höhepunkt des Rummels von damals erreicht. Zu Drohungen mit Erschießen und Aufhängen hat man sich damals kaum ver- stiegen. Aber um was handelt es sich denn? Allerdings um die ..heiligsten Güter" der Kraut- und Schlotjunker, um die Aus- beutungs- und Untcrdrückungsfreiheit. Das Dreiklassenwahl- gesetz soll abgeschafft werden, und es wird abgeschafft werden trotz aller Lerschleppungsversuche: der§ 153 der Gewerbe­ordnung soll fallen und er wird fallen. Diese Aussichten stei- gern die Wut der Reaktionäre zur Sinnlosigkeit. Zwar ist die Notwendigkeit der in Rede stehenden Reformen von oben herab zugestanden und dort ihre Durchführung in die Hand genommen worden. Aber wer da glaubt, das könnte das Re- formwerk bei Schlot- und Krautjunker sanktionieren, der be- findet sich in emem schweren Irrtum. In blinder Wut schlagen sie auf die Sozialdemokratie, weil diese das Reformwerk angeregt und gefördert hat: wen sie noch sonst damit treffen wollen, darüber wird kaum jemand im Zweifel sein. Die Sozialdemokratie, die im Kriege ihre volle Pflicht getan und heute noch am Standpunkt des 4. August 1914 festhält, wird des Vaterlandsverrats schuldig erklärt. Erschießen, erhängen, Sozialisten- gesetzl In diesen drei Worten konzentriert sich die ganze politische Weisheit derVaterlandspartei ". Wären die Zeiten nicht so ernft, so würden wir uns darauf beschränken, über die Rodomontaden der Kraut- und Schloff»nker herzlich zu lachen. Denn nur darum wird das große Maul so voll genommen, weil sie wissen, daß sie nichts ausrichten können im Ganzen genommen. Es ist die Wut der Ohnmacht. Sic wissen, daß sie die ungeheure Mehrheit des Volkes gegen sich haben, daher die Beschimpfung eben des Volkes:Vax populi, vox Rindvieh!" Sie wissen auch, daß sie vergeblich nach einer Rückkehr zum Sozialistengesetz trach- ten. Denn nach den Erfahrungen, die man mit dem Sozia- lfftengesetz gemacht hat, wird es niemals mehr eine Regierung in Deutschland geben, die so dumm wäre, diese Erfahrungen nochmals machen zu wollen. Bismarck , der eben durch diese Ersahrungen erst belehrt werden mußte, würde sicherlich heute nicht mehr mit dem Sozialistengesetz operieren. Abgesehen davon, daß die Sozialdemokratie 1878 im Vergleich zu heute ein kleines Häuflein. bildete, das man leichter zumObjekt" der Gesetzgebung machen konnte. Aber so sehr uns das Toben der ohnmächtigen Wut zum Lachen reizt, so hat die Sache doch auch ihre ernsteSeite. Wir wissen wohl, daß mit Intrigen, mit Verschleppung der Reformen und mit allerleiZwischenfällen" zu rechnen ist. Das Gespenst der Kamarilla in schwarzem Frack und weißem Sp'benunterrock schleicht immer noch über die Hintertreppen der Paläste. Aber das ist nicht die Hairptsache. Weit ernster wird uns zumute, wenn wir uns in die Empfindungen ver­setzen. welche das Treiben der Reaktionäre in der Seele der Landesvcrteidiger erregen mag. Wir wollen den Empfindungen nicht näher Ausdruck geben, welche die Seele derer bewegen, die ihre Freunde und Gesinnungsgenossen daheim so bedroht sehen und für sich selber das gleiche erwarten müßten, wenn die Wünsche der Reaktionäre in Erfüllung gehen würden. Es sei ferne von uns, angesichts des Feindes die Siedehitze der Leidenschaften noch steigern zu wollen. Aber wir können eS mitfühlen! wie in ihrer Seele der unerschütterliche Enff'chluß reift, nach der Heimkehr nicht zu ruhen und nicht zu rasten, bis der Wall der Vorrechte niedergelegt ist, hinter dem sich die Re- aktionäre auch für die Zukunft verschanzen wollen. Diese Reaktionäre vergessen nichts und lernen nichts. Sie kommen imnier wieder auf ihre alten Mittel zurück und denken gar nicht daran, daß diese in die von Grund aus ver- änderten Zeitverhältnisse nicht mehr hineinpassen können. Aber wir freuen uns, daß sie ihre' menschenfreundlichen Gedanken so ohne Rückhalt geoffenbart. Ten Weg zur Be- seitigung ihrer Vorrechte haben sie damit nicht wenig gedmet. Und so sind auch sieein Teil von jener Kraft, die stets das Höfe will und doch auch Gutes schafft", Trotzki . Von Paul Zifferer . In der Wiener Revue d'Autriche". dieser französtsch ge­schriebenen Halbmonatsschrift, die voll Berständigunasgestt das menschlich Verbindende zwischen den Nationen sucht, gibt 'Paul Zifscrer aus Wiener Erinnerungen Züge zum Blldc Trotzkis.' Wir teilen den Aufsatz(mit einigen Abstrichen) deutsch übertragen mit. Die Völker wollen den Frieden, alle Völker ausnahmslos. Die Seele ist müde von allzu starken Eindrücken und Gesichten: immer neue Gestalten tauchen auf, kommen aus dem Dunketz. werden groß, Namen, die wir gestern nicht kannten, sind heute be- rühmt und mit dem Geschehen dieser Jahre für alle Ewigkeit ver­bunden. Wie Schattenbilder auf einer weißen Leinwand werden später die Gestalten vorüberziehen, von Neigung oder Abneigung vergrößert oder verzerrt. Gestalten kommen zu uns Lebenden als Lebende und wir kennen sie nicht, wir wissen nicht, ob sie be- stimmt sind, die Ereignisse zu beherrschen oder von ihnen ver­schlungen zu werden. Die Ereignisse sind Scheinwerfer: wo sie hintzeuchten, da strahlt es in der Nacht. Aber man weiß nicht, ist es morsches Holz oder ein blühender Baum. So steht noch immer finster, undurchdringlich das große Ruß­ land vor uns. steppentief, geheimnisvoll. Jetzt erst bemerke» wir, mit wieviel Zungen eZ redet. Zwei Namen leuchten auf: Lenin Trotzii. Sind es Sternschnuppen, die schnell niedergehen, oder sind es wirklich Kometen, die ihren unerwarteten Weg mitten durch die hergebrachte Bahn nehmen. Es ist kein Zufall, daß die beiden Namen nur angenommen sind, nicht bürgerliche Namen, die in Registern eingetragen werden, wenn man zur Welt kommt, wenn man ein Weib freit und wenn man stirbt. Das Pseudonym dieser Namen macht eS deutlich, daß sie für eine unbürgerliche Masse stehen, die uns fremd ist, die selber anonym ist und die ihren eigenen Weg noch nicht kennt. Von Lenin wissen wir, daß er mit seinem wirklichen Namen Wladimir Jlitsch heißt; er soll aus einer altrussischen adeligen Lehrerfamilie stammen. Der Name Trotzki stieg zur Zeit der ersten russischen Revolution auf. Da stand Trotzti an der Spitze der Petersburger Arbeiierdeputierten. Beim Moskauer Aufstand wurde er verhaftet. Sein« leidenschaftliche Rede gegen den Zarismus verstummte hinter GcfängmStnauern, es kam der lange schweigende Weg nach Sibirien . Mittel? im nordischen Winter gelang eS Trotz! i zu entfliehen. Armselig, gehetzt, traf er' in Wien ein, um hier sieben lange Jahre freundliche Zuflucht zu finden. In der Rodlergasse hat er gewohnt, in der wienerischsten aller Vorstädte: Sievering. Seine Wohnung war bescheiden, doch mit allem Anstände eingerichtet. Wenn man sie betrat, überraschte nur, daß als einziger Wandschmuck eine große Landkarte diente: die Karte Rußlanos, die alle Orte, durch die er. von Häschern ge- folgt, geflohen war, in seinem Geiste deutlich sichtbar aufleben ließ, dte noch immer und trotz allem geliebte russische Erde, die unwirt­lichen Flecken in Sibirien auch, wo er Freunde und Kampf- genossen in tiefster Erniedrigung schmachtend wußte. Links und rechts von der Landkarte gab eS umfangreiche Bücherkasten. Sie enthielten so ziemlich die ganze marxistische Literatur. In diesem Kreise ging das Leben Trotzkis während der sieben Jahre hin. die er in Wien weilte. Wie auf Dauer begründet nahm sich sein Heim aus. im stillen bescheidenen Famtlienglück Eine Zrau für 100 Kinder. Ein afrikanisches Märchen. Es war einmal ein Mann und eine Frau, und sie lebten diele Tage im Lande Pata, und sie bekamen einen Sohn. Und ihr Vermögen bestand auS 100 Rindern. Sie besaßen nickst ein einziges Kalb mehr, als diese Rinder, welche sie hatten. Und allmählich wuchs der Sohn heran und wurde ein großes Kind. Und als der Knabe 15 Jahre alt war, starb sein Vater. Und nach ewigen Jahren starb seine Mutter auch. So beerbte der Jüngling seine beiden Eltern, und er erbte die 100 Rinder, die man ihm hinterließ, und so blieb er und hielt die Trauerzeit für seine Eltern. Und als er ausgetrauert hatte, da verlangte ihn, nach einer Frau zu suchen, damit er sie heirate. Und er sagte zu sewcn Nachbare>t:Ich möchte gern eine Frau heiraten, denn meine Eltern sind gestorben und jetzt bin ich ganz allein; ich kann nicht allein bleiben, sondern ich muß eine Frau heiraten." Seine Nachbaren sagten zu ihm:Jawohl, heirate nur. denn du bist jetzt wirklich ganz allein und wir werden uns für dich umsehen, damit du eine Frau zu heiraten bekommst." Und er sagte:Ja, so soll eS sein." Und er sagte:Ich möchte gern, daß jemand hinginge und siw mich eine Frau suchte." Sie sagten:Wenn Gott will!" So stand emer von den Nachbarn auf und ging hin pnd suchte nach einer Frau, die jener heiraten könnte, bis er eine fand. Und dann kam er und sagte zu ihm:Ich habe eine Frau gefunden, wie du sie willst, aber sie ist nicht aus dieser, unserer Stadt." Er fragte:Wo ist sie denn?" Er sagte:In einer anderen Stadt, ziemlich ferne, ich denke, es sind acht Stunden Reifens von hier bis dort." Und er fragte ihn:Wessen Tochter ist denn dieses Mädchen?" Er sagte ihm:Es ist die Tochter Abdallahs, und ihr Vater ist sehr reich; diese Frau besitzt sechstaufend Rinder: und er hat kein Kind, als diese seine einzige Tochter." Als der Jüngling dieses hörte, war er ganz voll Der- laugen, diese Frau zu bekouuueu. und er sagte zu seutem Nachbarn:Gehe doch morgen hin und überbringe dorthin meine Antwort, nämlich, daß ich einverstanden bin." Da sagte der Nachbar:So Gott will, morgen werde ich hingehen, wenn Gott mir das Leben schenkt." Und als der Morgen graute, stand der Vermittler apf und ging, bis er zu dem alten Abdallah hinkam, und er überbrachte ihm die Botschaft jenes Jünglings, alleS, wie eS zugegangen war. Schließlich antwortete der Vater und sagte:Ich habe deine Worte gehört, aber ich verlange, daß jeder, der meine Tochter heiraten will, mir hundert Rinder als Brautschatz geben muß; wenn er solchen Brautschatz gibt, so gebe ich ihm meine Tochter zur Frau." Der Vermittler sagte:So Gott will, ich werde gehen und die Antwort überbringen." Er sagte ihm:Jawohl, tue es l" Da stand der Vermittler auf und ging zurück und antwortete dem Jüngling alles,»vas dort verhandelt war. Und der Jüngling sagte:Ich habe deine Worte gehört, aber er will als Brautschatz hundert Rinder, und ich habe nichts, als hundert Rinder; wenn jch sie ihm alle gegeben habe, wovon soll dann meine Frau leben, wenn sie zu mir kommt? Und ich habe doch kein anderes Ver- mögen, als diese hundert Rinder, die ich von meinem Vater ererbt habe." Schließlich sagte sein Nachbar zu ihm:Nun, tvenn du sie nicht willst, so sage es mir, damit ich hingehe und Ant- wort bringe, oder, wenn du sie willst, so sage es mir endlich." Der Jüngling beugte sich nieder und dachte nach, und als er sich dann wieder aufrichtete: sagte er:ES schadet nichts, gehe hin und sage: ich bin damit einverstanden, ich werde die hundert Rinder holen und sie ihm geben." So stand denn der Vermittler auf und-ging zu dem Vater hin und sagte ihm:Der junge Mann hat darin eingewilligt, die hundert Rinder zu zahlen." Und der Vater sagte:So bin ich damit zufrieden, daß er die Tochter nimmt." So besprachen sie sich die Einzelheiten, und jemand wurde ausgeschickt, um den jungen Mann zu rufen. Dieser kam und wurde freund» lich aufgenommen, und dann besprachen sie sich über die Heirat. Und er wurde getraut und zahlte die hundert Rinder und man hielt das Hochzeitsfest. Und dann nahm er seine Frau und zog heim. So blieben sie denn zunächst zehn Tage; und als der mit- gebrachte Vorrat zu Ende war, da hatte der junge Mann nichts zu essen für seine Frau. Und a sagte zu seiner Frau:Liebe Frau, jetzt habe ich nichts zu essen mehr. Vorher hatte ich meine Rinder, die habe ich gemolken und so'meinen Unterhalt gehabt; aber heute habe ich alle meine Rinder für dich hingegeben, und so habe ich Nichts mehr. Liebe Frau, ich will nun zu meinen Nach- barn gehen und mir von denen, die Kühe haben, etwa« Milch einmelken lassen, wieviel es auch immer sei, damit wir etwas zu essen haben." Da sagte seine Frau zu ihm:Jawohl, lieber Mann." Da stand der junge Mann auf und eS war nur dies sein Geschäft: alle Tage ging er hin und ließ sich die Kühe anderer Leute melken, damit er irgend etwas für sich und seine Frau zu essen bekam. So trieb er es jetzt alle Tage. Und eineL Tage? ging die Frau hinaus und stellte sich vor ihre Türe; da kam ein sehr schöner junger Mann dort an der Tür vorbei. Und als er die Frau an der Tür stehen sah. entbrannte er von Verlangen, sie zu verführen und so schickte er nachher seinen Kuppler zu jener Frau. Die Frau sagte:So Gott will, ich habe die übersandte Botschaft gehört, aber warte nur noch ein wenig, dann werde ich dir meine Meinung sagen; jetzt kann ich es noch nicht." So stand denn der Kuppler auf und ging heim. Nach drei Monaten dachte der Vater der Frau:Ich will einmal hingehen und meine Tochter bei ihrem Manne besuchen." So begab er sich auf die Reise und wanderte seines Weges, bis er bei seinem Schwiegersohn ankam, und er klopfte an die Tür. Die. Tochter stand auf und gab Ant­wort:Wer bist du denn da?" Der Alte sagte:Ich bin hier, der und der." Da stand seine Tochter auf und sagte zu ihm:Tritt doch näher!" So ging er hinein und be- grüßte sich mit seiner Tochter, und sie nötigte ihn in die Hallo und der Alte setzte sich dort. Und der Vater fragte seine Tochter, wie es ihr gehe; und sie sagte:Ganz gut, mein Vater." Schließlich' stand die Tochter auf und ging von dort fort, wo ihr Vater saß und ging in ihr Zimmer hinein und dachte nach und weinte sehr, weil im ganzen Hause auch nicht das geringste war, was sie ihrem Vater hätte kochea tömmu Hq