1. Jahrgang. Nr. 26.

Freitag, 30. September 1921.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der deutſchen ſozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republik.

Redaktion und Verwaltung: Brag II.. Savličkovo nám. 32.| Einzelpreis 70 Heller. Bezugsbedingungen: Bei Zustellung ins Saus oder bei Bezug durch die Noft monatlich 16-, Telefon 6795, nachts 6797. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Prag. vierteljährlich 48, halbjährig 96-, ganziahria 192. ir Deutschöferreich monatlich 1,20 öK, für Deutschland 16.- N. k. Bostsparkassakonto 57544. Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Vorläufig kein Eisenbahner- Schon wieder konfisziert! war, der jüngst in Preßburg , als ihm der schaftlich ſchwächsten Kleinſtaaten eigen ift. Die­

streik.

Weitere Verhandlungen.

Die Vertreter der Rahmenorganisationen der Eisenbahnbediensteten beim Ministerpräsidenten Dr. Benesch.

Vertreter einer Abordnung Beschwerden eines ser Paragraph 264 und die folgenden, auf Die neue Regierung, das so vielgepriesene Teiles der Bevölkerung vortrug, für die Offen Grund welcher diese famose Ueberwachungs­Konzentrationsministerium, war erst etwa vor heit, mit der diese Beschwerden vorgebracht tommission eingesezt wird, verpflichtet Deutsch­24 Stunden ernannt worden und schon becilte wurden, ein anerkennendes Lobeswort fand. land, die Alliierten und Assoziierten- 27 an es sich durch die Konfiskation unserer gestrigen Der Präsident des Staates zeigt sich erfreut, der Zahl! in feiner Form ungünstiger zu Ausgabe die Visitenkarte bei uns abzugeben. wenn ihm Beschwerden mit aller Offenheit, behandeln, als die Erzeugnisse irgendeines an Es war dies gleichsam die erste Aktion des wie es bei Menschen, die nicht niedrige Krie deren Landes. Etwaige Einfuhrsverbote müs ,, neuen Kurses" und man kann danach recht cherseelen sind, üblich ist, vorgetragen werden, sen sich gleichmäßig auf alle Staaten beziehen. Da alle Bemühungen der Rahmenorganisa- erfreuliche Schlüsse auf Art und Richtung aber was nützt es, der Zensor ist anderer Mei- und alle handelspolitischen Vergünstigungen, tionen, vom gewesenen Eisenbahnminister Dr. dieses Kurses ziehen. Wir standen früher jahr- nung und erweist sich als mächtiger, als der die Deutschland irgendeinem Staat gewährt, Jng. Burger eine Sicherstellung für eine zehntelang im Kriege mit der österreichischen indirekt ausgesprochene Wunsch des Bräsiden- treten gleichzeitig und bedingungslos entsprechende Durchführung der durchbehandel- Bensur, aber ein ähnlich starkes Gegenstück zu ten nach Offenheit derjenigen, die sich an ihn ohne besonderen Antrag und ohne Gegen­ten Gesetze zu erwirken, versagten, begaben sich der gestrigen Konfiskation, die, wenn sie Sy- wenden! leistung für sämtliche alliierten und assozi­stem des neuen Kurses" würde, die völlige gestern, den 29. ds., die Vertreter der Rahmen Bernichtung des letzten Restes von Preßfrei mal, wie tief wir trotz aller Schein und ten nun an die Aufhebung der wirtschaftlichen Die gestrige Konfiskation zeigt wieder eine ierten Staaten in Geltung." Die Sieger knüpf­organiſation u. zw.: des Verbandes der Eisen- heit bedeuten würde, suchen wir vergebens in Lippendemokratie im Geiste des altösterreichi Sanktionen die Bedingung, daß Deutschland bahner", der Unic zel. zamestnancu", der unseren Erinnerungen. Kaum einer selbst der schen Vormärz stecken und wie groß die Auf die Erfüllung dieser Paragraphen kontrollieren Jednota zriz. drah", und des Spolek cest. allerborniertesten Zensoren in Alltösterreich gabe affer wahrhaft freiheitlich Denkenden ist, lasse. Deutschland , so weiß es die franzöſiſche zelz. ured." unter Führung der Abgeordneten hätte eine solche, Beschlagnahme gewagt, wie zu erträglichen Zuständen zu gelangen. Jeden- Presse zu berichten, hat an diese Bedingung Grünzner, Brodecky, Burival und sie hier der neue Sturs durch den tschechoslowa- falls irrt der Zenfor, wenn er glaubt, unsere auch seinerseits Bedingungen gestellt, was Navratil zum neuen Ministerpräsidenten tischen Zensor gleichsam an die Spitze seiner Mahnung an Masaryk , die Opfer der Dezem keineswegs Wunder nimmt, wenn die absicht­Dr. Benesch. um nochmals, im letzten Mo- nenen Regierungstätigkeit stellen ließ. Es ist berjustiz zu befreien, dauernd unterdrücken zu lich unklar abgefaßte Ententengte von der fran mente auf die offen gebliebenen strittigen Fra- wahrlich nicht unsere Schande, wenn wir im fönnen und er sei überzeugt, daß, sowie es uns zösischen Presse so ausgedeutet wurde, daß der gen, deren Erfüllung die Rahmenorganisationen mer wieder zu Vergleichen mit den reaktionä- gelungen ist. die österreichischen Zensoren zu Entente eine intime Einmischung in beim ehemaligen Eisenbahnminister Dr. Ing. ren Verhältnissen in Desterreich gereizt werden europäischen Sitten zu erziehen. es dem Rechte die deutsche Zollverwaltung und ein Veto­Burger, dessen Unnachgiebigkeit die Ursache der und dabei zu der traurigen Konstatierung ge- und der Wahrheit gelingen wird, auch dem recht für unbequeme Lizenzen zu bedenklichen Bewegung unter den Eisenbahn - langen, daß diese Vergleiche so oft und so tschechoslowakischen Zensor Raison beizubrin- ſtehe. Was für ein verwerfliches Spiel die

Die Fauft des Siegers.

französische Diplomatie auch mit ihren eng­lischen Stollegen treibt, geht aus einer Meldung des 2ndoner Korrespondenten der Frankfur ter Zeitung" hervor. Dieser berichtet: Die Franzosen hatten jene Formel für die Bedin­gungen in französischer Sprache so abgefaßt, daß sie nichts und alles bedeuten konnte. In der Eile scheint niemand Anstoß daran genomt­men zu haben und heute, ins Englische über. tragen, liest man, die Kommission solle die Li­praktischen Erwägungen seine Ein- und Alus zenzen examine and deliver." Prüfen und fuhr, sondern dieses Ueberwachungskomitee der erwägen." In das Ermessen der Ueberwa Entente wird in Wirklichkeit Ein- und Aus- chungskommission ist also nicht nur die Ueber fuhrscheine an französische Sändler und Schie- wachung der Einhaltung des Friedensvertra ber austeilen. So wird Deutschlands Wirt- ges, sondern einfach die Ein- und Ausfuhi der deutschen Industrie gestellt. Es gellt wi

bediensteten war, vergeblich angestrebt hatten, Demokratie" ausfallen. In Oesterreich wurde gründlich zu ungunsten der tschechoslowakischen gen. mit allem Nachdruck hinzuweisen. Die Vertre in den letzten zwei Jahrzehnten gewiß auch ter der Rahmenorganisationen machten den viel fonfisziert, aber es gab lange Perioden, in Ministerpräsidenten Dr. Benesch auf die Ge- denen der Notstift des Staatsanwaltes fast fahr und die katastrophalen Folgen, welche vollständig ruhte, die Zeitungen eine Mei­Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen durch die Nichterfüllung der berechtigten For- nungsfreiheit genossen, die wie eine richtig ge- Deutschland sind aufgehoben worden, aber wie derungen entstehen würden, aufmerksam. hende Preßfreiheit aussah und die Zensoren nach einer schweren Krankheit bleibt auch hier Der Ministerpräsident versicherte, daß die wurden gewöhnlich erst wieder nervös und ein Uebel zurück: das Ueberwachungskomitee. gegen freie Meinungsäußerungen empfindlich, Nicht Deutschland allein regelt fernerhin nach neue Regierung alles daran setzen werde, da- wenn die Lage eine für die jeweilige Regie­mit die Forderungen der Eisenbahnbedienste- rung kritische wurde, oder die Regierung ins ten, welche den verfassungsgemäß genehmigten Wanken fam. Die Zensoren dagegen, denen mir Gesetzen entsprechen, durchgeführt werden und jetzt ausgeliefert sind, fennen nicht einmal die­zwar schnell und derart, daß sie dem Geiste der se Unterscheidung in freiheitlichere und weni­Gesetzgeber entsprechen. Der Ministerpräsident ger freiheitliche Beitläufte, sie sind immer ner- schaft ,, überwacht" werden! ersuchte zu diesem Zwecke um weitere vös und sie fassen ihre Aufgabe nicht dahin Schon die Einführung der wirtschaftlichen ein Sohn. wenn man von der Aufhebung der Verhandlungen mit den parlamentari auf, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit and militärischen Sanktionen gegen Deutsch Strassanktionen hört. Die fünfzigprozentige schen Vertretern der Rahmenorganisationen. etwa bloß zum Schutze einer verkrachenden Re- land bedeutete eine extensive Auslegung, einen Exhortabgabe hat sich zur Snebelung Deutsch gierung ins Werk zu setzen, sondern diese Un- Bruch des Vertrages von Versailles . Einer di- lands als unwirksam erwiesen, denn dies Die Vertreter der Rahmenorganisationen terdrückung des freien Wortes ist ihnen nach rekten Annektion deutschen Gebietes tam aber fünfzig Prozent wurden vom deutschen Fabri sahen nach diesen Verhandlungen keine Ursache, ger de Selbstzwed geworden und sie werden die Verlegung der französischen Zollerenze fanten und Händler auf den ausländischer an dem ernsten Willen der neuen Regierung, nicht erst am Sterbebette eines abgelebten Mi- über das besetzte Gebiet bis an den Rhein Verbraucher überwälzt, aber der gewaltsames welche die gerechten Forderungen erfüllen nisteriums lebendig, sondern stehen rotstift- gleich. Deutschland hat hierauf das Ultimatum Lizenfierung der Einfuhr steht die deutsch will, zu zweifeln. Nachdem zur Durchführung behrt schon an der Schwelle jeder neuen der Entente angenommen und sogar einige Wirtschaft einfach ohnmächtig gegenüber. der Erklärung des Ministerpräsidenten Dr. Regierung und machen die Vernichtung der Tage früher. als von den Alliierten gefordert Auf dem Mannheimer Ausgang der Lud Benesch eine gewisse Frist erforderlich ist, em- Preßfreiheit zur selbstverständlichen Erschei- wurde, die Goldmilliarde den Siegern überge- wigshafener Rheinbrücke halten Neger Wache ben. Aber erst heute, nach Wochen, werden Niemand anderen wußte die französische Re pfehlen die Vertreter der Rahmenorganisatio- ung des Alltags. nen, die Erfüllung der Verbindlichkeiten, In dem besonderen Fall der gestrigen Kon- die wirtschaftlichen Sanktionen aufgehoben und publik dort aufzustellen, niemand anderer sok welche mit der Regierung vereinbart wurden, fislation wird aber selbst das landesüblich ge- die militärischen, die Teile des Reiches zu die französische Herrschaft den Deutschen gegen abzuwarten. Die Erklärung der Solidari- ordene Unmaß der Unterdrüdung der Mei- einem Exerzierplatz der Entente und Deutsch über versinnbildlichen. Die Neger werden in nungsfreiheit noch überschritten. Der Beschlag- land zu einem Zahler dieser militärischen Mannheim auch bleiben, trotdem die wirt tät des Gesamtpersonales sowie dessen Entschei- nahme verfielen zwei größere Stellen in dem Mätchen machen, bleiben bestehen. Aber nicht schaftlichen Sanktionen aufgehoben wurden bung mit einem zweistündigen Streite zu de- Artikel Ein Wort an Masaryk ". Wir genug daran, daß französische, belgische und Die Faust des böhnenden Siegers Tastet uner monstrieren, hat nach Anschauung der Vertre- gestehen, daß, wenn auch unsere Meinung über englische Offiziere das Rheinland durch ihre träglich auf dem wehrlosen Deutschland . ter der Rahmenorganisationen für diesen Zeit- die tschechoslowakische Zensur nicht die beste bedürfnivolle Anwesenheit sanktionieren", foll punkt seinen Zwed erfüllt und entfällt ist, wir es doch schlankweg für unmöglich ge- auch fernerhin der französische Champagner­daher der für den 30. ds. anberaumte zwei- halten haben, daß der Zensor es wagen fönn- und Parfümeriewarenhändler Unterstützung stündige Demonstrationsstreit. te, wenn es das Zentralorgan einer großen finden, wenn er seine Bedarfsartikel für Für den 15. Oktober I. J. werden die Ver- Partei für notwendig findet, ein Wort an den Schlemmer und Konsorten nach Berlin brin­trauen männer der Bediensteten neuerlich Präsidenten des Staates zu richten, sich einzu gen will. Das Loch im Westen", das Deutsch einberufen, um auf Grund der gemachten Pro- mengen, dieses Wort zu konfiszieren und so lands wirtschaftliche Kraft unterhöhlt, seine positionen der Regierung über die weitere zu verhindern, daß es zur Kenntnis des Prä- Valuta ruiniert, wird nur noch weiter aufge­sidenten gelange. Darin liegt nicht nur eine rissen. Denn die Hemmung der deutschen Aus­Zattit zu beraten und zu entscheiden. unerhörte Bedrückung der Bewegungsfreiheit fuhr, die durch die fünfzigprezentigen Sank Für: einer Partei, das Vorgehen des Zensors kommt tionen verursacht wurde, hatte eine, wenn auch auch einer Bevormundung des Staatsober- mäßige Abnahme der Einfuhr zur Folge. Jept hauptes gleich. Man stelle sich vor, wir hätten aber fallen auch diese in blindem Haß von der in Desterreich einmal in einem offenen Briefe Entente selbst aufgerichteten Schranken und ein Wort an den Raiser zu richten für not- durch das gewaltsam geöffnete Reich kann AI­wendig befunden, ob es ein Staatsanwalt ge- les das einströmen, was, von Parasiten ge­wagt hätte, diese Aeußerungen, auch wenn sie nossen, Deutschland wirtschaftlich vernichtet. Der Teil der wirtschaftlichen Bestimmungen nicht ganz nach seinem Geschmack gewesen wä­ren, zu unterdrücken eine Vorstellung, die des Versailler Diktats, der die Handelsbezie­jeder für völlig unmöglich erklären muß. In hungen des Reiches mit der übrigen Welt re­dem Vorgehen des Zensors liegt eine umso gelt, raubt Deutschland in der Tat auch den ärgere Anmaßung, als es der Präsident selbst lesten Rest von Souveränität, der selbst wirt­

ben Verband der Eisenbahner" Ernst Grünzner, Max Cech; die Unie zelez. zamestnaneu" Franz Stanet, Wilhelm Brodecky; bie Jednota grizeneu drah" Gottfried Prochazka, Franz Burival; den Spolek eest. zelez. uredniku" Blastimil Pokorny, Ottokar Sefcit.

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Die Aufhebung der Sanktionen.

Berlin , 29. September. Die Mitteilung de Aufhebung der Santonen ab 30. Septembe besagt in ihrem zweiten Satz: Die Alliierte laden die deutsche Regierung ein, möglichst ba! ihre Delegierten zu bezeichnen, die zusamme mit den alliierten Sachverständigen die Mi dalitäten festseßen werden, nach denen d Lizenzen geprüft und ausgestellt werden. I Uebereinstimmung mit der Entscheidung de Obersten Rates vom 13. August 1921. De Berliner Tagblatt" sieht darin einen Bewei daß die Aufhebung der Sanktionen nicht etw wie es das französische offiziöse Kommuniqi darstellt, nur dadurch zustande gekommen fo daß Deutschland restlos vor der französisch Auffassung kapituliert hat.

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