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und Verwaltung: Brag II.,
Savličtovo nám. 32.
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3. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Ihr jeiert Hus?
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tichechoslowakischen Republit.
Der Todestag von Johann Hus , des Kon stanzer Märtyrers, wird heute von den tschechischen nichtklerikalen Parteien und Bevölke rungsschichten in einem Umfang gefeiert werden, wie es schon viele Jahre vorher nicht geschah. In zahlreichen Versammlungen und Kundgebungen wird des vor fünfhundert Jahren von der römisch- katholischen Kirche auf dem Scheiterhaufen verbrannten firchlichen Refor mators und großen Sohnes des tschechischen Wolfes gedacht werden, und es wird auch die Arbeitsruhe an dem heutigen Tag umfassender sein, als je vordem. Man mag sich daher die Frage vorlegen, ob die verstärkte Feier des GeSenftages von Johann Hus etwa darauf zurüdzuführen ist, daß seine Person, seine Ideen und seine Traditionen gegenwärtig im tschechifchen Bolte lebendiger sind, als früher. Zur Zeit der Habsburgerherrschaft war Hus das Symbol der Auflehnung nicht nur gegen den gegenreformatorischen österreichischen Monarchis mus, sondern weit mehr noch das Symbol des nationalen Befreiungskampfes des tschechischen Volfes. Das im ersten Kriegsjahre auf dem Prager Altstädterring errichtete Husdenkmal erschien im Bewußtsein aller tschechischen Batrioten als eine flammende Drohung gegen Wien , war ihnen die Versinnlichung ihrer nationalen und freiheitlichen Hoffnungen. Seit dem Umsturz verblaßte der Glanz des Symboles und alle früher vor der größten Zeit der tschechischen Geschichte betätigte Verehrung war nicht stark genug, den Todestag Hus als Staatsfeiertag festzusetzen. Der Drang auf Erhaltung der nationalen Einheit der tschechischen Parteien ließ sie schon damals die Rücksicht auf die Gefühle der Stlerifalen voranstellen. Seit her ist im tschechischen wie im deutschen Volfe der Klerifalismus erstarkt; sein Einfluß beherr schend gewachsen. Wenn dennoch im heurigen Jahre der Hustag eine stärkere, ja demonstrative Betonung erhält, da die freiheitlichen und antiflerifalen Tendenzen im tschechischen Volke sich in der Politik fast faum mehr an die Oberfläche wagen, so geht man in der Annahme nicht fehl, daß dies weniger in der Fortsetzung alter Traditionen, als in gewissen politischen Tagesbedürfnissen seinen Grund hat.
Freitag, 6. Juli 1923.
Mordorganisation„ Kameradschaftsbund
Schlageter".
Die Mordpläne der Wiener Nationalsozialisten. - Der ermordete Karger war von acht Leuten zum Tode verurteilt worden. Der Mörder Nowojat handelte auf Befehl. Die Brigade„ Erhardt" im Spiel.
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Wien , 5. Juli. ( Eigenbericht.) Nachdem heute noch eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen wurden, beträgt die Zahl der Verhafteten jeßt 35. Es handelt sich vornehmlich sich„ Rame
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Nr. 155.
| Klaffen- oder Einheitsſchule?
Sozialistisches zur Schulreform.
Die breite Deffentlichkeit hat Erörterungen
von Schulangelegenheiten gegenüber die Neigung, alles als Schulmeiſtergezänk aufzufaffen und fich der Meinung hinzugeben, dergleichen pädagogische Kannegießereien gingen sie nichts an. Nichts falscher als das. Was zur Debatte steht, ist immer wieder das Schicksal und feeli
um die Gruppe, die von dem angeblichen Heinrich Freund geleitet wurde und flat pane, cher Buch der Jugend, die Schule hilft
radschaftsbund Schlageter" genannt hat. Diese Gruppe hat mit der Gruppe Novojat zusammengearbeitet, während die dritte Gruppe, die von dem reichsdeutschen Offizier Krüger geleitet wurde, vornehmlich der Anlegung des Waffenlagers im Piaristenkonvikt beschuldigt wird. Von den beiden erstgenannten Gruppen ist bekannt, daß von ihnen acht Leute den jungen Rarger zum Tode verurteilten und Nowosat ausersehen haben, das Todesurteil zu vollstreden. Schwarze Listen wurden nicht schriftlich festgelegt, sondern nur mündlich weitergegeben. Diese Terrorgruppe der acht Leute hat nicht nur den Karger, fondern auch eine Reihe weiterer bekannter Personen umbringen wollen. Die meisten von den Verhafteten haben an der von dem Obersten Lechner auf dem Erelberge veran stalteten nebung teilgenommen, während der es zu einem Zusammenstoß mit sozialdemokratischen Ordnerwehren fam. Nowosat hat einem seiner Freunde von dem Besuche eines reich s deutschen Abgesandten erzählt, der ihm die Aufforderung der reichsdeutschen Organi sation überbracht habe, Rarger zu beseitigen, da er Aktionen der Nationalsozialisten den Sozialdemokraten und Kommunisten verraten habe. Der deutsche Abgesandte habe ihm einen Beweis für seinen Auftrag nicht erbracht, aber einen Siegelring der Brigade„ Ehrhardt" als Legitimation vorgewiesen.
Die Verhafteten werden noch heute dem Landesgericht in Wien eingeliefert werden, da die Untersuchung in Wien leichter durchgeführt werden fann, weil die meisten der Verhafteten in Wien wohnen. Wien
, 4. Juli .( KB.) Wic amtlich verlautbart wird, bleibt der in der Angelegenheit des Neulengbacher Mordes an Karger verhaftete Nowosat dabei, die Tat nicht allein, fon dern in Gemeinschaft mit einer zweiten Perfor derübtz u haben. Unter den Mitgliedern der sogenannten„ Trustruppe" des Nowos at waren nach dem bisherigen Stande der Recherchen der Privatbeamte Julius Brunner, der Kanzleibeamte Johann Wenzina und die Studenten Anton Sauer und Anton Leithner Mitwisser des Verbrechens. Sämt liche befinden sich im polizeilichen Gewahrsam. Nowosat stand auch mit einer zweiten neugegründeten rechtsradikalen Formation, die sich Kameradschaftsbund Schlage= ter" nannte, in Verbindung, die sich ebenfalls aus ehemaligen Angehörigen der nationalsozialistischen Ordnertruppe zusammensett, aus der sie ausgeschieden waren, um sich radikaler betätigen zu können. Gründer des Kameradschaftsbundes ist der Handelsangestellte Höhler, dessen Kommandant ein angeblicher Heinrich Freund ist, der deutscher Offizier zu sein vorgibt. Freund, dessen Identität nicht feststeht, hat sich eingestandenermaßen mit Attentatsplänen gegen befannie Persönlichkeiten getragen. Bisher lich sich nicht feststellen, daß er bereits Schritte zur Ausführung solcher Anschläge unternommen hätte. Dagegen erscheint der Verdacht begründet, daß er nicht bloß von der Mordabsicht des Nowosat gewußt, sondern ihn hierin noch bestärkt hat. Nößler, Freund und 19 weitere Mitglieder des Kameradschaftsbundes Schlageter" befinden sich in Haft. Schließlich wurde auch der Student Alfred Krüger, der mit Nowosat im Verkehre stand, angehalten. Eine Beteiligung Krügers an der Mordtat hat fich bisher nicht herausgestellt.
men, sie schneidet ihr zum Teil die Waffen des Geisies und des Charakters, mit denen sie sich die Zukunft erobern foll. Die Schulreform, die jetzt geplant wird, greift also, durchgeführt, in unser aller Leben entscheidend ein, bei den Erörterun gen, welche fie auslöst, muß fich jeder Arbeiter fagen: Es geht um Dich!"
Die bisherige Aussprache im Sozialdemo fraten") über den ministeriellen Borschlag zur Bürger- und Mittelschulreform hat die llebereinstimmung der verschiedenen Beurteiler in den auftauchenden politischen Kernfragen gezeigt: Allen gemeinsam ist die Forderung nach Schulautonomie als Voraussetzung jeder wirksamen Reform, die Verwahrung gegen Schuldrosselungen, für die man cine Neuorganisation der Schulen zum Vorwand neh men fonnte, und die Feststellung, daß bei der vom Kleinen Schulgeset" normierten Zahl von sechzig bis siebzig Schülern pro Klasse ein schöpferisches Erarbeiten des Lehrstoffes unmöglich ift. Nicht näher erörtert zu werden braucht, weil es jedem denkenden Proletarier als selbstverständ lich einleuchtet, das Verlangen des Genossen Ruffy, daß die Lehrer, um sich mit voller Seelentraft der Jugend widmen zu lönnen, ma teriell unabhängig sein müssen, und ebenso darf die Forderung nach Errichtung von Elternräten in denen die Eltern auf fefter gefeßlicher Grundlage an allen Erzie hungsfragen mitarbeiten, der allgemeinen Zustim mung sicher sein.
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Umso flärungsbedürftiger scheinen mir die wichtigsten Neuerungen des Organisationsentwurfes Zusammenziehung von Bürger und Untermittelschule, Aufbau der Oberschule und Lehrerbildung vom sozialen und pädagogischen Gesichtspunkt aus zu sein. Sie als etwas Vorläufiges und Einstweiliges anzusehen, geht nicht an, ein solcher Umbau, der unendlich viel Zeit und Mühe kostet, muß mindestens eine oder zwei Generationen hindurch vorhalten unb gibt die Form ab, in die sich aller Geist der G ziehung, jede pädagogische Erkenntnis und neue Errungenschaft einfügen muß. Heute etwas für die Zukunft schaffen zu wollen, was jetzt schon
*)„ Sozialdemokrat" Mr. 113, 114( b. g.), 149 ( Joh. Polarf), 152( J. Ruffn) vom 17. und 18. V. 29. VI., 1. VII.
Was ist geschehen, daß die Parteien, die fich freiheitlich nennen, Hus nun wieder, wenigstens für einen Tag, auf den Piedestal erheben, von dem ihn ihre die Geschäfte des Klerifalismus so eifrig besorgende Koalitionspolitit mit den Klerifalen herabgeworfen hat? Die deutsche sozialdemokratische Arbeiterschaft würde die stärkste Genugtuung empfinden. wenn Hus wirklich nicht bloß eine Monstranz wäre und sein Geist in der entschlossenen Gegnerschaft der tschechischen Parteien gegen die reaktionären Bestrebungen der Klerikalen sich Fehlen des Voltes den Boden abzugraben, der die Gefangenschaft des Klerifalismus geriet, haufen zu rösten. Und sehen wir uns die Suswirksam zeigen würde, aber das zu glauben, den Impuls dieser Husfeier bildet, vielmehr ist anstatt den Weg zu den freisinnigen Parteien siten von heute an, wie sie das Erbe von Jo wäre Täuschung. Es ist leider wirklich so, daß es die ins Uferlose gesteigerte Dreistigkeit und anderer Nationen zu suchen, treibt sie dazu. hann Hus verwalten! Hus empfahl über alles das tschechische Bürgertum, ebenso wie es das Angriffslust der Klerifalen, welche die Trieb wenigstens ängstlich vor der Bevölkerung an die Liebe zur Wahrheit. den Kampf für die deutsche längst getan, sich mit dem Seleritalis- fraft der heutigen Demonstration bildet. Und diesem hohen Festtage ihre Gesinnung vorzu- Wahrheit. Dienen diese heutigen Sussiten der Wahrheit, da sie Beifall flatschen, wenn der mus gut zu vertragen gelernt hat und in ihm es geht nur um eine Demonstration, die nicht führen. eine wirksame Waffe zum Schuße seiner Geld- über den Tag hinaus wirkt, denn morgen wer- Ist das hier gefällte Urteil über die husfi- Zensor gegen die oppositionellen Zeitungen wüsackinteressen erblickt. Und die tschechischen so- den sie alle, die heute kommen, um vor Sus tischen Nachfahren, die heute das Andenken des tet und die Sterker sich denen öffnen, die ca zialistischen Parteien? Traurig genug, fest- ihr freiheitliches Gelöbnis abzulegen, es ru- Brandopfers der römischkatholischen Kirche wagen, ein freies, den Machthabern unangenehstellen zu müssen, daß sie sich um politischer und hig dulden, daß ihre politischen Vertreter mit mit außerordentlicher Festlichkeit feiern werden. mes Wort zu sagen? Sus starb als Märtyrer jogar nationalistischer Interessen willen dem den Vertretern der schwärzesten Reaktion sich nicht am Ende zu hart? Wir wünschen, es wäre feiner Ueberzeugung. Muß nicht jeder, der ihn Klerikalismus gegenüber die Hände gebunden wieder zusammensetzen. Diese Art der Betäti- so. Aber wo sind die Taten, die beweisen könn- chrt, nicht nur die eigene Ueberzeugung, sonund den Kampf für freiheitliche Reformen der gung des Huffitentums wird nicht einmal den ten, die Feier wäre mehr wie eine Demon- dern auch die des andern schäßen? Aber achten Sorge für die Aufrechterhaltung des Bündnisses lerifalen jonderlich imponieren, geschweige stration, ohne den Willen, im Geiste von Jo- jene die Gesinnung der anderen, die heute den mit ihnen aufgeopfert haben. Am sichtbarsten denn, daß sie geeignet wäre, das Vordringen hann Hus zu leben und zu wirken, mehr als Mut zur erkannten Wahrheit lobpreisen? Sper. wird die durch die Stoalition mit den Klerikalen des Klerikalismus zu verhindern. Der Heer- ein Mittel der Stimmungsmache für die Wah- ren sie nicht die Schulen. die Stätten der Aufherbeigeführte Straftlosigkeit der tschechischen bann des Monsignore Schromek weiß, daß er len? Legt nicht jede der Parteien sich das Wesen klärung und Erziehung, wenn sie anderen Nafreifinnigen Parteien, daß der Umsturz auch sich mit diesen Freisinnsmannen so gut wie Hus' in ihrer Weise. und für ihre Bedürfnisse tionen gehören? Hat sich bei ihnen nicht die nicht eine der brennenden kulturellen Fragen alles erlauben kann, darum leistete er sich fürz- zurecht? Die Nationalsozialisten gebärden sich. Vorstellung herausgebildet, es vertrüge sich zu lösen vermochte, und daß selbst die zahmste lich auch die bewußte Provokation, die Nieder- als wäre Hus ein eingeschriebenes Mitglied durchaus mit ihrer Verehrung für Hus, die Form der Trennung der Kirche vom Staat, reißung des Husdenkmals auf dem Altstädter ihrer Partei, die Agrarier, als sähen sie in Sus Angehörigen der anderen Nationen zu entrechweil die Klerikalen sie nicht wollen, auf unab- Ring zu fordern, wobei er es wegen seiner eine Bestätigung ihres brotverteuernden Wir- ten und zu bedrücken? sehbare Zeit verschoben werden mußte.. bombastischen, fomischen Form", die das Ge- fens, während die Nationaldemokraten Hus nur Ihr feiert Hus? Ihr seht uns verwundert. Daß der Todestag von Johann Hus heuer fühl jedes Menschen beleidige, noch frech ver deshalb feiern, weil sie in ihm einen Deutschen Hus ehren, heißt in seinem großen, von soziain demonstrativer Weise begangen wird, das höhnte. Die Klerikalen wissen ja doch, auch feind erblicken, und so tun, als wäre er rot- wei- lem und freiheitlichem Streben getragenen hat demnach weniger in dem geschwellten Straft wenn sie Hus noch so schmähen, daß die tschechi- ßer Fascist gewesen. Und ihnen allen sprachen Geiste leben. Das tut Ihr Neuhusfiten nicht. gefühl des tschechischen Freisinns seine Ursache. schen freisinnigen Parteien mit ihnen im eng die Klerikalen das Recht ab, Hus zu feiern, denn Auch ist und bleibt, so lange als Ihr den Weals vielmehr in seiner Schwäche. Es würde we sten politischen Bündnis bleiben müssen. Diese er habe zum Unterschied von ihnen an Gott gegen Sus' nicht wirklich und wahrhaft folgt. nig nüßen, davor die Augen zu verschließen. Schmähliche Rolle, zu der der tschechische Frei- glaubt und auch sonst manches Gute an sich sein Name nur Aufpuß. nur Täuschungsmittel, Es ist aber auch nicht der Wille, die klerikale sinn sich selber verurteilt hat, da er lieber natio- gehabt, was sie freilich nicht hinderte, ihn zur nur Schall und Rauch! Steaktion zu bekämpfen und ihr im Denken und nalistischer Neigungen frönte und dabei in höheren Ehre ihres Gottes auf dem Scheiter