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Nr. 218.

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Erscheint täglich aufer Montags.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

15. Jahrg.

Die Insertions- Gebühr beträgt für die fechsgespaltene koloneis zetle oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Versammlungs- Anzeigen, fowie Arbeitsmarkt 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet.

Kernsprecher: Hmt I, Mr. 1508. Telegramm Adresse: Bozialdemokrat Berlin".

Bentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Parteigenossen!

Laut Beschluß des vorjährigen Parteitages findet der diesjährige in Stuttgart   statt.

Auf grund der Bestimmungen der§§ 7, 8 und 9 der Partei­Organisation beruft die Parteileitung den diesjährigen Parteitag auf Montag, den 3. Oktober

nach Stuttgart   in den Dinkelader'schen Saalbau, Hohen­staufen- und Tübingerstraße, ein.

Als provisorische Tagesordnung ist festgesetzt:

Montag, den 3. Oktober, morgens 9 Uhr und die folgenden Tage:

1. Konstituirung des Parteitages. Wahl des Bureaus. Fest­setzung der Geschäfts- und Tagesordnung. Wahl einer Kom­mission zur Prüfung der Mandate.

2. Geschäftsbericht des Vorstandes.

a) Allgemeines- Agitation.

b) Reichstagswahlen.

c) Presse.

d) Kassenbericht.

Berichterstatter: J. Auer und A. Gerisch.

3. Bericht der Kontrolleure.

Berichterstatter: H. Meister.

4. Bericht über die parlamentarische Thätigkeit.

Berichterstatter: E. Burm.

5. Das Koalitionsrecht.

Berichterstatter: R. Fischer.

6. Die Maifeier 1899.

Berichterstatter: W. Pfannkuch.

7. Die deutsche Zoll- und Handelspolitik.

Berichterstatter: M. Schipper.

8. Anträge zum Programm und zur Organisation.

9. Sonstige Anträge.

Für Sonntag, den 2. Oktober, ist seitens der Stuttgarter  Parteigenossen eine Empfangs- und Begrüßungsfeier vorgesehen. Dieselbe findet nachmittags 6 Uhr, im

Zirkus, Marienplag, statt.

Die Adresse des Lokalkomitees ist:

Karl Sperka  , Stuttgart  , Weißenburgstr. 10. Die Parteigenossen, die zum Parteitag kommen, werden ersucht, von ihrer Delegation dem Vorstand und dem Lokalkomitee recht­zeitig Mittheilung zu machen, damit dieses in bezug auf Quartier 2c. die nothwendigen Vorbereitungen treffen kann.

Mandatsformulare sind durch das Parteibureau, Adresse

zu beziehen.

J. Auer, Berlin   SW., Kazbachstr. 9 I

Berlin  , den 18. August 1898.

Mit sozialdemokratischem Gruß

Der Parteivorstand.

Aus Podbielski's Reiche.

Als Herr v. Podbielski, der ehemalige Husarenoffizier und Gutsbesizer, zur Leitung des Reichs- Postamts berufen wurde, da versprach er Reformen zur Erleichterung des Post­verkehrs und erklärte, das Wohl der Postbeamten sorgfältig im Auge behalten zu wollen.

Sonnabend, den 17. September 1898.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

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sein Verhalten bei den Stichwahlen für den Reichstag   seiner" Untergebenen sorgen. Aber wenn die Untergebenen am 24. Juni d. J. Anstoß erregt. Dadurch hat er die Pflicht der Meinung sind, daß er diese Aufgabe nicht so erfüllt, wie seines Amtes verletzt und sich der Achtung, die sein es möglich und nöthig ist, so dürfen sie diese Meinung Beruf erfordert, unwürdig gezeigt. Ich verfüge daher hiermit feinesfalls laut äußern. So soll ihr Sprachrohr, das gemäߧ§ 10, 72, 33 und 84 des Reichsbeamten Gesezes wider bisher sich ihrer tapfer angenommen, ausgerottet werden ihn die Einleitung und ein neues Organ für die Post- Unterbeamten soll des förmlichen Disziplinarverfahrens auf Dienstentlassung und begründet werden fo wird bereits mitgetheilt. gemäߧ 127 a. a. D. seine Suspension vom Amte. Dies neue offiziöse, leisetreterische, von oben gegängelte J. A.: gez. Spilling. Organ soll dem alten, bewährten, den Unterbeamten lieb ge­wordenen eine wahrlich sehr lautere Konkurrenz machen. Und Wir kennen das Braunschweiger   Vorkommniß, von dem dann soll, wie einige Anzeichen bereits sicher vermuthen in obiger Verfügung die Rede ist, nicht. Die Disziplinar- lassen, auch gegen den Verband deutscher Post­Untersuchung wird zeigen, ob der dem betreffenden Post- und Telegraphen Unterbeamten" vorgegangen schaffner gemachte Vorwurf wirklich berechtigt ist. Höchst werden.

An die kaiserl. Ober- Postdirektion in...

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sonderbar ist es, daß, ehe noch das Disziplinarverfahren erledigt Das ist die Meinung der Postbehörden über die Stellung ist, ein derartiges Rundschreiben an alle Postämter zur der Unterbeamten in der Herrlichkeit des neu- deutschen Reiches: Stenntnißnahme der Unterbeamten erlassen wird. Man hat der Beamte thue seine Pflicht, reibe sich auf zur Vermehrung es sehr eilig, den Unterbeamten zu zeigen, wie gefährlich es der Schätze des Fistus, der Beamte zahle auch seinen ist, sozialdemokratische Gesinnungen zu bekunden. Steuertribut, der Beamte darf auch Politik treiben, Uns dünft aber, es wird hiermit der Postbehörde ganz aber nur die Politit, welche seinem Herrn, der Regierung, ähnlich gehen, wie den Propagandisten durch die That". Wie genehm ist. diese will die Postbehörde durch ihren in Gesezesform sich ab- Eine freie selbständige Ueberzeugung wird nicht geduldet. spielenden Streich Aufsehen erregen und Abscheu gegen Der Beamte, der zwar seine Dienstpflicht unermüdlich und die Gesinnungsverwandten des Gemaßregelten erwecken. unverdrossen erfüllt, aber eine Hebung seiner Lage erstrebt Thatsächlich aber erregt sie Bedauern mit dem aus dem Amt und seiner Ueberzeugung folgt, der wird gemaßregelt. Verjagten und Zorn gegen diejenigen, welche durch Gebrauch ihrer äußeren Macht Ueber zeugungen zu unterdrücken suchen.

Herr v. Podbielski will ein Heer willenloser Kreaturen um sich sehen. Aber die Beamten wollen keine Knechte sein. Und je mehr man sie unterdrückt, und je mehr es etwa ge­Der Erfolg derartiger Maßregeln wird uns also nicht lingt, die äußeren Anzeichen des selbständigen Denkens zu unangenehm sein und wir wollen darum mit der Post- Ver- beseitigen, um so mächtiger wird sich in der Tiefe ihrer waltung nicht rechten, wenn sie sich herausnimmt zu erklären, Herzen der Groll und die Erbitterung gegen das Podbielski'sche daß jemand, der sozialdemokratische Gesinnung bekundet, die Bevormundungsregiment ansammeln. Pflichten seines Amtes verleße und sich der Achtung, die sein Die Sozialdemokratie wird davon keinen Schaden. Beruf erfordert, unwürdig zeige." haben!

Die Wahlen

Aber es handelt sich für Herrn v. Podbielski und seine Helfershelfer nicht nur darum, Sozialdemokraten auszumerzen. Nein, die Herren sind bereits soweit gekommen, jede selb= ständige öffentliche Bethätigung der Postbeamten zum preußischen Abgeordnetenhause. unterdrücken zu wollen. Mit den Sozialdemokraten fängt man Der Reichs- und Staats- Anzeiger" veröffentlicht die folgende an; die Beseitigung jeder freien Meinungs- vom 15. September d. J. datirte Bekanntmachung des Ministeriums äußerung ist das edle Ziel, daß sich die Kommando- Chefs des Innern: der Postbureaukratie gestellt haben.

Man lese den folgenden Ufas, den das Amtsblatt des Reichs Postamts veröffentlicht:

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,, Berlin  , 15. September 1898. Die Wochenschrift Deutscher Postbote", die von einem aus dem Dienste entlassenen Bostassistenten herausgegeben wird, hat mehr und mehr eine Haltung angenommen, die geeignet ist, bei den Unterbeamten das Vertrauen zu den Vorgesetzten zit erschüttern und Unzufriedenheit mit dem gewählten Lebensberufe zu erregen. Unter der Angabe, die Interessen der Unterbeamten zu vertreten, reizt sie diese zu einem agitatorischen Vorgehen gegen die Ver­waltung auf.

Für die Wahlen zur 19. Legislaturperiode des Hauses der Abgeordneten habe ich auf grund der§§ 17 und 28 der Ver­ordnung vom 30. Mai 1849( Gesetz- Samml. S. 205) als Wahl­termine, und zwar für

die Wahl der Wahlmänner

den 27. Oktober d. J. und für die Wahl der Abgeordneten den 3. November d. J.

festgesetzt, was hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Mit der Ausschreibung der Wahl tritt eine Aenderung einiger Bestimmungen des Vereins- und Preßrechtes ein, auf die wir auf­merksam machen wollen.

Eins der Hauptziele meiner Amtsthätigkeit ist es, für das Wohl meiner Untergebenen zu wirken. Dafür beanspruche ich aber auch volles Vertrauen zu mir und zu meiner Berwaltung und Fernhalten von den durch den Deutschen Postboten" angeregten des Wahltermins bis zur Beendigung des Wahlaktes bedarf es zur Bestrebungen, die in feiner Weise geeignet sind, den Unterbeamten die Erfüllung ihrer Wünsche zu bringen.

Ich sehe mich deshalb veranlaßt, vor dem Deutschen Post­boten" ausdrücklich zu warnen und hoffe, daß die Unter­beamten sich fernerhin der Unterstützung jenes Blattes enthalten werden.

Während der Wahlzeit, d. H. von der amtlichen Bekanntmachung Vertheilung von Druckschriften zu Wahlzweden, gleichviel ob diese gewerbsmäßig oder nicht gewerbsmäßig erfolgt, nicht des sonst für den sogen." fliegenden Buchhandel" erforderlichen Legitimations­scheines( s. unten§ 43 der Gewerbe- Ordnung( Absatz 3 und 4 II). Die nichtgewerbsmäßige Vertheilung von Druckschriften in geschlossenen Räumen( auch Wirthschaften) ist innerhalb wie außerhalb der Wahl­Das Lesen eines Fachblattes, das den Unterbeamtenstand be- zeit frei( ebenda Abs. 5). Für die unentgeltliche öffentliche Berat rührende Fragen in fachgemäßer und nicht verhetzender Weise ertheilung von Bekanntmachungen, Plakaten, Aufrufen außerhalb örtert, soll selbstverständlich keinem Unterbeamten verwehrt sein. Dieser Erlaß ist durch die Vorsteher der Verkehrsaustalten persönlich sämmtlichen Unterbeamten gegen Anerkenntniß bekannt zu geben. v. Podbielsti."

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geschlossener Räume kommen jedoch gemäߧ 30 Abs. 2 des Reichs­Breßgesetzes noch die Vorschriften des§ 10 des preußischen Breßgesezes vom 12. Mai 1851 in betracht, wonach es dafür eines Erlaubnißscheines der Ortspolizeibehörde bedarf. Für Blafate gelten ferner auch während der Wahlzeit die beschränkenden: vom 12. Mai 1851, nach welchen sie keinen andern Inhalt haben Bestimmungen in§ 9 des alten preußischen Breßgesezes dürfen als Ankündigungen über erlaubte Versammlungen, öffentliche

Von den erwarteten Reformen hat man bisher kaum etwas Der Deutsche Postbote" besteht im vierten Jahr. gesehen und von der Fürsorge für die Beamten erst recht gang und will für die Interessen der Post- Unterbeamten ein­nichts. Insbesondere ist auch die Zusage, die Herr treten, wie die Deutsche Postzeitung" für die Interessen der v. Podbielski wiederholt im Reichstage abgab, daß er den Bostassistenten. Die Sprache des Postboten" ist etwas Vergnügungen, über gestohlene, verlorene oder gefundene Sachen. Organisationen der Postbeamten nicht mit Bedrückungs- schärfer gehalten als die der Postzeitung", was sich aus der Wahlaufrufe dürfen danach durch Anschlag( dem die Anheftung oder maßregeln entgegentreten wolle, nicht gehalten worden. schlechteren Lage der Unterbeamten hinlänglich erklärt. Aber sonstige öffentliche Ausstellung gleich steht nicht verbreitet werden. Diese Zusage hatten die Angestellten der Postverwaltung, fein Zweifel ist darüber, daß das Blatt sich stets darauf( S. unten bei§ 30 des Reichs- Breßgesetzes.) froh den Stephan'schen Willkürlichkeiten entronnen zu sein, beschränkt hat, die wirthschaftlichen Interessen der von ihm Die wesentlichen hier einschlagenden gesetzlichen Bestimmungen mit Jubel aufgenommen. Wie tief aber wurde diese Freude vertretenen Schicht zu vertreten, die Klagen der Unterbeamten an- über alle diese Punkte lauten wie folgt: schon in dem kurzen Verlaufe der Podbielski'schen Amts zunehmen und Abhilfe zu befürworten. Nicht aber hat der von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken bei der Wahl Aus der Gewerbe Ordnung.§ 43 al. 3. Zur Vertheilung führung herabgestimmt! Postbote" Politit getrieben. Daß er nichts unwahres oder zu gefeßgebenden Körperschaften ist eine polizeiliche Erlaubniß in Und heute können wir Dokumente vorführen, welche be- Ungesetzliches geschrieben hat, beweist die Thatsache, daß man der Zeit von der amtlichen Bekanntmachung des Wahltages bis zur weisen, daß Herr v. Podbielski völlig in die Wege der ihm weder strafrechtlich etwas anhaben, noch daß man trok Beendigung des Wahlattes nicht erforderlich. Stephan und Fischer eingelenkt ist, ja, daß er und seine der mannigfachen Beschwerden, die er aussprach, ihn zu Helfershelfer seinem Vorgänger und dessen Handlangern sagar Berichtigungen veranlassen konnte. Noch in einer der neuesten schon um ein gutes Stück reaktionärer Verwaltungs- Nummern des Postboten" heißt es in einem Leitgedicht: Treu kunst vorausgekommen ist. Kaiser und Reich im Empfinden und Denken!" Nicht unerwartet kommt allerdings die Verfehmung Das Verbrechen des Postboten" besteht lediglich darin, solcher Beamten, welche offen sozialdemokratische daß er von Personen redigirt wird, die nicht bei Gesinnungen zur Schau getragen haben sollen. Immerhin den Postoberen antichambriren, die dafür aber alle klagen dürfte es die Oeffentlichkeit auch intereffiren, wie in solchen der schlecht genug gestellten Post- Unterbeamten entgegennehmen Fällen die Postbehörde vorzugehen beliebt. Ein Beispiel hier- und freimüthig in die Oeffentlichkeit bringen. für giebt folgender Erlaß der Berliner   Ober- Post- Direktion: Berlin   W., 29. August 1898.

Der Staatssekretär des Reichs- Postamts

IV. 34 111.

Der beim Postamte in Braunschweig   auf Lebenszeit an­gestellte Postschaffner Friedrich Karl Wolf hat seiner sozial­demokratischen Gesinnung öffentlich Ausdruck gegeben und durch

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Dasselbe gilt auch bezüglich der nichtgewerbsmäßigen Vertheilung von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken. Vereins- und Versammlungsrecht.§ 21. Wahl­bereine unterliegen den Beschränkungen des§ 8 nicht. Die Ausnahmen des§ 21 kommen aber nur Vereinen zugute, welche lediglich für bestimmte bereits bevorstehende Wahlen auch schon vor Sie eine dauernde Thätigkeit auch für fünftige noch unbestimmte Festsetzung des Wahltermines wirken wollen, nicht auch Vereinen, Wahlen zu entfalten gedenken.

Politische Mebersicht.

Berlin  , den 16. September.

Dies aber ist den Postgewaltigen in der Seele verhaßt. Sie beanspruchen, wie die Bekanntmachung des Herrn v. Podbielski sagt, volles Vertrauen. Sie wollen nicht dulden, daß ihre Untergebenen", wenn sie im Petitions  - Zu einer neuen Hehe gegen die Schweiz   möchte wege an ihre Vorgesezten" nicht Abhilfe ihrer Beschwerden nebenbei die deutsche Unternehmerpresse den in Genf   verübten gefunden haben, diese Beschwerden der Gesammtheit der Mord an der österreichischen Kaiserin auch noch ausnüßen. Kollegenschaft und der weiten Oeffentlichkeit unterbreiten. Die Schweiz   soll durch energische" Schritte der Großmächte Herr v. Podbielski versichert, er wolle für das Wohl dazu gezwungen werden, unter dem Stichworte der Anarchisten­

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