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4. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen. Republik  .

Eine Palaftrevolution.

Vor einigen Tagen ist es in Brünn   auf dem Nationaldemokraten zu äußerst stürmischen Auf­tritten getoinmen, bei denen die Teilnehmer nur gerade noch durch Handgreiflichkeiten sich nicht gegenseitig von der Richtigkeit ihrer An­schauungen zu überzeugen suchten. Eine Min­derheit des Parteitages erklärte die Verhand­lungen und die gefaßten Resolutionen für null und nichtig und der Vorsitzende, Abgeordneter Dr. Engliš, blieb jogar am zweiten Tage wegen der Aufregungen des ersten Tages den Ver­handlungen ferne und unterließ es, fein Refe­rat über wirtschaftliche Zeitfragen zu halten. Wenn es sich nur um einen inneren Partei­streit handeln würde, der schließlich auch an­derswo zu Hause ist, braucht von den Vor­gängen nicht weiter Notiz genommen werden, aber hier wurde nicht bloß ein Familien­Waschtag gehalten und es ging weniger um die Austragung persönlicher Differenzen, als um die Auseinandersehung zwischen politischen Ge­genjäßen, die auf die Gestaltung der politischen Verhältnisse Einfluß nehmen können, dies um­somehr, als auch in allen anderen tschechischen Parteien sich Gärungsprozesse vollziehen, wie man einen hier in der nationaldemokratischen Partei vor sich sieht.

Samstag, 10. Mai 1924.

Voltsentscheid in Deutschland   über

das Sachverständigengutachten.

Die Forderung der Sozialdemokratie.

Berlin  , 9. Mai.  ( Eigenbericht.) Der Parteivorstand der sozialdemokratischen Partei Deutschlands   hat in seiner heutigen Sigung beschlossen, die Frage der Annahme oder Ablehnung des Sachverständigengutachtens zum Gegenstand eines Volksent­scheides zu machen. In der Begründung, die der Parteivorstand der Oeffentlichkeit gibt, wird darauf hingewiesen, daß das Ergebnis der Reichstagswahlen mit ihrer Zersplitterung in 23 Parteigruppen eine genügend flare und eindeutige Antwort auf diese wichtige Frage der innerdeutschen Politikund der weiteren Entwicklung Europas   gegeben haben, und daß es deswegen notwendig sei, das deutsche   Volt unmittelbar vor die Entscheidung zu stellen, da Gefahr vorhanden sei, daß der Wille des Volkes durch Parteischiebungen verdunkelt werde. Nach den gefeßlichen Bestimmungen muß der Reichs­innenminister, wenn die Antragsteller für einen Boltsentscheid nachtveisen oder glaubhaft machen Tönnen, daß 100.000 ihrer Mitglieder hinter diesem Antrag stehen, eine Vor abstimmung anberanmen. Wenn in dieser ein Zehntel der überhaupt Abstimmungsberechtigten für dic Vornahme des Vollsentscheides cintritt, ist die Reichsregierung gefeßlich verpflichtet, einen dementsprechenden Geschentwurf an den Reichstag zu leiten. Wird ein solcher Gesetzent wurf vom Reichstag abgelehnt, so erfolgt die Befragung des Volkes und die Entscheidung er folgt genau wie die Reichstagswahlen mit amtlichen Stimmzetteln, die auf Ja oder Nein Tauten.

Der Vorstoß der sozialdemokratischen Parici bezweckt insbesondere, die Deutschnationalen, die sich in bewußter Demagogic jahrelang um die für Deutschland   unvermeidliche Erfüllungs­politik bisher herumgedrückt haben, vor eine fare Entscheidung zu stellen.

Die Abendpresse ist noch nicht in der Lage, diesen so wichtigen Beschluß des Parteivorstan Alleis des zu besprechen, fie registriert ihn nur. All eis der spät abends erscheinende deutschnationale jogenannte„ rote" Tag geht bereits ausführlicher auf diesen Beschluß ein. Aus der Be­sprechung geht dentlich die Verlegenheit hervor, in die die reaktionären Kreise durch diesen Vorstoß geraten, denn auch der„ rote" Tag erklärt offen, daß bei einem Vollsentscheid eine Stimmenabgabe mit„ Rein" nicht zuverantworten sein werde. Auch die bürger­lichen Mittelparicien haben sich in der letzten Zeit offenbar mehr als bisher dazu aufgerafft, den Deutschnationalen energisch entgegenzuire ten, und sie vor eine Mare Verantwortung und Entscheidung zu stellen. Die Rechtskreise sind insbesondere darüber entrüstet, daß die Regie­rung Marg nicht demissioniert sondern vor den Reichstag treten will, weil auf diese Weise die Deutschnationalen nicht in der Lage sein werden, wie bisher einer verantwortlichen Ent­scheidung auszuweichen.

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Nr. 110.

Regierungsübernahme durch die Deutschnationalen. Berlin  

, 9. Mai. Das Organ des Zentrums, die ,, Germania  ", fäßt sich aus rheinischen Parteikreisen schreiben, die Forderung des„ Lokal­anzeigers" nach einem Rüdtritte der Regierung Mary habe manches für sich. Es erscheine aber am zwedmäßigsten, daß die Regierung Marr's vor den neuen Reichstag tritt, ihr Programm ent wickelt, den Wunsch nach Umbildung der Regica rung ausspricht, und dann den stüßenden und stürzenden Kräften freie Bahn läßt. Wer den Mut habe, die Regierung zu stürzen, müsse die Kraft besitzen, eine neue zu errichten. Erfreulich sei, daß die Deutschnationalen durch die Auf­nahme der verschiedenen Landbünde die stärkste Partei wurden und der aussichtslose Vere such der Bildung einer sozialistischen   Regierung nicht unternommen zu werden brauche.

Im Berliner Tageblatt" wird die Frage gestellt, ob Hergt den Auftrag gehabt habe, im Namen der deutschnationalen Fraftion zu sprechen. Im Grunde wäre wenig dagegen einzuwenden, die Deutschnatioealen einmal in der Praris zei­gen zu laffen, was sie eigentlich können. Das Experiment dürfe aber nicht darauf hinauslaufen, daß man den Deutschnationalen das Reich aut liefere, um ihnen die Macht in Preußen in die Hände zu spielen.

Zum deutsch  - rullischen Zwischenfall. Moskau  

, 9. Mai  .( Rosta.) In der Moskauer Deffentlichkeit wird zu dem russisch deutschen   Ston­flikt mit Nachdruck betont, daß die Durchsuchung der Beliner Vertretung nicht einmal den Regeln entsprochen habe, die bei Durchsuchung privater Personen eingehalten werden. Erstens habe die Polizei, die angeblich einen entflohenen Häftling gesucht hat, die Tiſchladen durchgesucht und die Tische gewaltsam aufgebrochen. Außerdem habe die Durchsuchung ohne Zeugen stattgefunden, alle Personen wurden aus den Räumlichkeiten ent­fernt und über die konfiszierten Gegenstände und Dokumente fei fein Protokoll verfaßt worden. Es wird weiter darauf verwiesen, daß die Regeln, de bei Durchsuchungen privater Personen eingehalten werden, umso eher bei einer fremdstaatlichen In stitution hätten Antwendung finden sollen. Die Mostaner Presse dementiert mit aller Entschie denheit die in Berlin   verbreitete Nachricht, daß int

Der Streit ging um vier innerpolitische Resolutionen, die von der Mehrheit des Lan­desparteitages beantragt und nach heftigen Auseinandersehung mit der Minderheit ange nommen wurden. Die erste dieser Resolutionen verlangt die Aufrechterhaltung der Autonomie der mährisch schlesi­schen Parteiorganisation im Rah­men der Gesamtpartei, sowohl in Fragen der Organisation wie bei den Wahlen. Die mährische Parteileitung will sich ihre bisherige relative Selbständigkeit gegenüber Prag   be­wahren und von diesem sowohl bei Kandida­tenaufstellungen wie bei ihrer politischen Stel­Jungnahme nicht abhängig sein. Natürlich hat dieses Autonomieverlangen nur den Sinn, die Politik der Prager   Zentralleitung, das ist die Politik Dr. Kramars, nicht blindlings mit machen zu müssen, sondern ihr mit einer ge­wissen Selbständigkeit entgegentreten zu fön­nen. Ein Teil der mährischen Nationaldemo- Vermittlungsaktion zur Beilegung des Stampfes der vier Bergarbeiterverbände sei wiederholt dar fraten ist der Prager   Leitung zugeneigt und im Bergbau eingeleitet. Zunächst sind die Ver- gelegt worden, daß die bestehenden Differenzen Gebäude der Handelsvertretung kompromit macht geltend, daß diese Autonomie der Ein- treter der vier Bergarbeiterverbände heute abends rein wirtschaftlicher und gewert- tierende Dokumente aufgefunden worden wären. zu einer Besprechung eingeladen. Morgen follen schaftlicher Art sind. Die erste polizeiliche Meldung über die Durch heit der Partei widerstreite. Es jeste gegen die Besprechungen mit den Vertretern der Zechen- Reichsparteitag der VSPD am 11. Juni ſuchung habe auch nichts von kompromittierenden seitige heftige Anklagen, aber die Mehrheit verbände stattfinden. der Mährer gab nicht nach und beschloß, trok Berlin  , 9. Mai  .( Eigenbericht.) Der Parteis Detumenten gesprochen, ja, sie gestand zu, daß in aller Proteste an der organisatorischen Auto- Effen, 9. Mai  .( Wolff.) Die vier Berg vorstand der sozialdemokratischen Partei hat in dem Gebäude nichts aufgefunden worden ist. Eine Menge großer russischer Bestellungen arbeiterverbände veröffentlichen eine Erklärung, seiner heutigen Sigung beschlossen, den vor den Der Grund dafür zeigte sich schon bei der in welcher der Auffassung entgegengetre Reichstagswahlen verschobenen Reichspar in Deutschland   wurde storniert und ande. nächsten Resolution über die äußere ten wird, daß der gegenwärtige Stampf im Ruhrteitag mit Zustimmung des Parteiausschusses ren Ländern, besonders England, Schweden  , Politik, die eine regelrechte Abjage bergbau politischen Motiven entsprungen sei für den 11. Juni nach Berlin   einzuberufen.

nomie festzuhalten.

Der Lohntampf an der Ruhr. Der Lohntampf Dortmund, 9. Mai  .( Wolff.) Der Reichs- und Staatskommissär Mehlich hat eine

und die Bewegung der Ruhrarbeiter unter dem Einflusse der Kommunisten und Unionisten stehe. Ihrer Generalstreifparole feien nur 1½ Prozent der Bergarbeiterschaft gefolgt. In den Aufrufen

1. a., vergeben

an die Politik des Herrn Dr. Sramar ist, der bekanntlich dem Außen­minister Dr. Beneš spinnefeind ist, weil dieser Ein nicht geringerer Gegensatz fam in der und Prag   auf dem nationaldemokratischen sich besonders in der von Dr. Rašin betrie in der Stellung zu Rußland   und in der Frage Resolution über die Innenpoli Landesparteitage so flaffend zeigte, reicht schon benen Währungspolitik, deren Ziel die Tesla­der militärischen Interventionen gegenüber tit zum Ausdruck. Es heißt dort, der Partei- weiter zurüd. Es wäre oberflächlich geurteilt, tion war und der Rašins Gegenpart, Dr. der Engliš  , das Prinzip einer Politik der ber Sowjetregierung nicht geneigt war, die tag bedauere, daß die Partei seit dem die Ursache dieser Palastrevolution in der Engliš  , das zaristisch- reaktionären Neigungen des national Tode Rašins in der Regierung nicht durch ihre Rivalität verhinderter Führer zu erblicken, sie Währungsstabilisierung entgegenstellte. In den demokratischen Parteihäuptlings über die In Führung vertreten sei, wodurch die Stellung ist vielmehr nur durch Verschiedenheit der in ersten Jahren nach dem Umsturze verhüllte die teressen des Staates zu stellen. Obwohl dem der Partei in der Koalition leide zum Schaden der Partei vertretenen Interessengruppen zu nationalistische Idee die vorhandenen Gegen­Außenminister wahrlich nicht deutschfreundliche ihrer idealen und materiellen Interessen. erklären. Die heutige nationaldemokratische jäße in dieser Partei, ebenso wie in mancher Gesinnung nachgesagt werden kann, dem Dr. Schärfer fann wohl ein Mißtrauen nicht mehr Partei ist aus verschiedenen wirtschaftlichen und anderen, die nun gezwungen sind, neue wirt Stramař ist er doch verhaßt, besonders weil ausgedrüdt werden, wie es hier den national sozialen Elementen zusammengesetzt und ist schaftliche und politische Orientierungen zu er der Exponent der Politik des Hradschin" demokratischen Ministern Bečka und Novak die Zusammenfassung von vier Parteien: den suchen. ehemaligen Jungtschechen, ferner der früheren Zu einer Spaltung der nationaldemo­ist, jenes Hradschin, dem es Dr. Kramař nie zuteil wird. bergeben wird, daß er nicht auf ihm residiert. Auch die letzte politische Resolution, die Realistenpartei, dann der staatsrechtlich fort- fratischen Partei wird der in ihr fortwirkende Dr. Kramařs Gegnerschaft zur Außenpolitik, von der Korruption und dem Kampfe schrittlichen Partei und schließlich der mähri- Streit wohl kaum unmittelbar führen, aber die gleichermaßen auf reaktionärer Gesinnung gegen sie handelt, ist eine glatte Ablehschen sogenannten fortschrittlichen Volkspartei er deutet eine der inneren Schwächen der wie auf der Politik der gekränkten Leberwurst nung des Kurses der Prager   In ihr sind ebenso angehörige der Intelligenz- Soalition an. Die Partei des extremsten beruht, wird nun vom mährisch- oppositionellen Führung der Partei. Wenn darin ver- berufe, wie Industrielle, Landwirte und Nationalismus, deren Führer sogar mit dem Flügel der Partei nicht geteilt und die in urteilt wird, daß die einzige Frucht der Kor- Finanzkapitalisten. Wenn auch alle diese Gedanken des Faszismus spielt, zeigt sich als Brünn   beschlossene Resolution heißt ebenso ruptionsaffären die Schaffung der Gruppen die bürgerlich- kapitalistische Ideologie innerlich morsch und von Zwist zerfressen. die Tendenz und Richtung der Außenpolitik Preß gefeßnovelle ist, jener Preßgesek- einigt, so ist doch die Art ihrer wirtschaftlichen Dr. Kramar, der im Staate der allmächtige Dr. Beness gut, wie sie für Dr. Kramar ein novelle, die gerade Dr. Stramar als Haupt- Interessen eine verschiedene und auch der Diktator sein möchte, muß sehen, wie die ausgewachsenes Mißtrauensvotum darstellt. redner der Koalition im Abgeornetenhause be- Grad ihrer reaktionären Bedürfnisse ist nicht Reihen seiner eigensten Getreuen ihm nicht Sie verlangt, daß die Arbeit des Außenmini- lobhudelte, so ist es nur zu ersichtlich, gegen der gleiche. Die Prager   Leitung, welche die mehr Gefolgschaft leisten wollen. Er wird von Abschied nehmen von der Partei unterstützt und ihre wen sich der Protest der mährischen national- Interessen des Bankkapitalismus in den Vor- jeinen Königsträumen Autorität im In- und Auslande gestärkt demokratischen Frondeure gegen die Beschrän-| dergrund schiebt, hat schon wiederholt den müssen. Aber auch die Stoalition wird von Widerspruch des Industriekapitals und anderer dieser Palastrevolution nicht erfreut sein. Sie werde. Also das gerade Gegenteil von dem. fung der Breßfreiheit richtet. was die Kramař, Dyk und Mareš anstreben! Der Gegenjak, wie er sich zwischen Brünn   Gruppen gegen sich erstehen sehen. Das. zeigte kann den Anfang vom Ende bilden!

Sters