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4. Jahrgang.

Socialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Die Rache Prašeks.

Donnerstag, 29. Mai 1924.

Prašef fontra Masaryk.

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Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich früh. Nr. 126.

Im Senat war gestern ein Sensationstag Angriffe des gewesenen Senatspräsidenten gegen den Präsidenten der Republik bekannt urwüchsigen Weiſe ſeinen Standpunkt

Prag, 28. Mai. In der heutigen Sigung des Senats wurde das Preßgesch ohne Aenderung angenommen. Es

ein ſehr schmieg- und biegiames that fich gezeigt, daß das Rückgrat der. Koalitionssenatoren Das Ergebnis des Gezeters der vergangenen Tage bildet die Annahme von drei Refolutionen, die nichtssagend sind und aus denen sich die Regierung auch nicht viel machen wird. Berge freiften und gebaren eine Maus jo läßt sich am besten die Behand lung des Preßgescßes im Senat charakterisieren. Die Debatte tourbe fast ausschließlich von deut­schen Rednern bestritten. Gen. Nießner wies in großzügiger Rede auf die fabriksmäßige Herstel-. lung realtionärer Gefeße hin. Einigermaßen to miſch wirkte es, daß der deutschnationale Redner die Gefahr der Reaktion im Munde führte, während ein kommunistischer Redner sein Herz für die Demokratie zu opfern bereit erklärte. So wurde denn das Preßgefeß im Senat angenommen, um als Geburtstagsgeschenk dem Minister des Aeußern Dr. Beneš präsentiert zu werden, der bekanntlich die Worte prägte: Die Presse braucht Freiheit, mehr Freiheit und noch mehr Freiheit!" Fortab wird es jetzt heißen: Die Redakteure sollen eingesperrt werden, mehr einge. sperrt werden und noch mehr eingesperrt werden!"

erster Ordnung. Die Rede eines Senators, der während der Debatte über die Preßnovelle auf die Spiritus affäre zu sprechen fam, be­wirkte, daß Herr Karl Prašek in eigener Verson das Wort ergriff. Herr Prašef hat, wie alle Umstände beweisen, schon seit einiger Zeit auf die Gelegenheit gelauert, mit denen, die er an seinem Sturze vom Stuhle des Senats­präsidenten für schuldig hält, Abrechnung zu halten. Er ist nicht von jener sentimentalen Beschaffenheit, daß er sich nach seiner Ab­sägung in den Winkel stellen würde, man fonnte damit rechnen, daß er sich an jenen zu rächen suchen werde, die es im Interesse der Reinheit des öffentlichen Lebens für geboten hielten, ihn nach den üblen Spiritusdüften, die seine Tätigkeit als Vorsitzender der Spiri­iusgenossenschaft verbreitete, von seiner reprä­fentativen Stelle zu entfernen. Dieser Rache versuch ist von ihm gestern unternommen wor den. Etwas ähnliches, was sich gestern Prašek, der Angehörige einer Koalitionspartei, leistete, hat sich weder in diesem noch wohl auch in anderen Parlamenten ereignet. Die Rede Prašeks ließ einen Blick hinter die Kulissen der Koalition tun. Nach außen agieren die Selden des Koalitionsstückes die Einigen, hin­ter dem Vorhang stehen sie wie Sund und dent Raße zueinander und warten auf den Augen blid, wo sie sich das vergiftete Stilet in den Rüden stoßen können.

Die Sensation des Tages bildete aber der Angriff des gewesenen Senatspräsidenten Prašek auf den Präsidenten der Republik. Prašek, der fich in seiner Rede nicht reinwaschen lonnte und mit Phrasen über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen hinweglam, benüßte die Debatte, um jeinen Standpunkt zu Majarht auseinanderzuseßen. Das Auftreten eines Koalitionspolitikers, der Prašek noch ist, gegen den Präsidenten der Republik ist von hoher politischer Bedeutung, auf die wir an anderer Stelle zu sprechen lommen. Der Eindruck des Auftretens Prašels war auch dem gemäß. Die Agrarier wurden leichenblaß, der nationaldemokratische Fascist Mares nickte Brašek verständnisvoll zu, der tschechischen Sozialdemokraten bemächtigte sich große Erregung, der sie in lauter Weise zum Ausbrud verhalsen. Interessant war die Haltung der Deutschbürger­lichen, die immer wieder in Zwischenrufen darauf hinwiesen, daß nicht Prašek, sondern die anderen schuld seien. Als Prašek in der Polemik mit Majaryf die Worte Demokratie ist Diskussion!" gc­brauchte, flatschten die Deutschbürgerlichen sogar Beifall.

Immunitätsgeleg

los abgestimmt werden wird. Diese Acußerun gen tragen ihm einen Ordnungsruf ein. Der Kommunist Matuščal jammelt eint größeres Auditorium um sich, da er in seiner präzisiert. In einem Disput mit den tschechis schen Sozialdemokraten jagt der Kommunist: Ihr opfert Euer Herz für eine. Judassache, ich opfere mein Herz für die Demokratie!" Einem andern Zwischenrufer fagt Matuščat: So eine Be mertung macht eine Großmutter auch!" Wie die Immunität der Oppositions­senatoren ausschaut, geht aus der Mitteilung Matuščaks hervor, daß er zweimal verhaftet wurde, obwohl er sich als Senator legitimierte. Nach dem Schlatßwort des Berichterstatters wurde die Vorlage angenommen und das Haus schreitet zur Verhandlung des nächsten Punktes der Tagesordnung, das ist das

Preßgejet.

Der Berichterstatter Senator Lufes wird von der Opposition mit den Rufen: Das ist der Herr, der alles verteidigt!" empfangen. Der Berichterstatter empfiehlt die Annahme des Gesetzes, weil dadurch eine Gesundung der Ver hältnisse erzielt werde.

Genosse Dr. Heller: Was haben die Sach verständigen dazu gejagt?"

Lukeš: Der Herr Dr. Heller ist aus dem Ausschuß weggegangen...!

die Komödie mitmachen sollen?" Dr. Heller: Glauben Sie, ich hätte

Um halb 11 Uhr vormittags eröffnete Profi- ten. Es wird einen Mitglied der Nationalver­Donat die Sigung. jammlung in Zukunft überhaupt unmöglich sein, Ueber das an den bestehendent System Stritif zu üben. Das Widerspruch bei unseren Genossen.) Lukes: Es handelte sich um keine Komödie!" Gesetz richtet sich vor allem gegen die oppositio nellen Parteien! Für die Parteien der Mehrheit Dr. Mayer- Harting( Dtsch. Christl.Soz.) Die erste Ueberraschung war, daß Prašek referierten Dr. Prochaz fa und Dr. Sout up. fommt dieses Gejes überhaupt nicht in Frage, führt aus: Sie haben durch Wochen einen Soutup. als- die han des mit affer Kontraredner auftrat, und das nicht die Annahme des Gesezes einen Bruch der Vernitätsausschuß die Gefahr der Auslieferung nicht ſeitigen. Und wie fast jeder Kampf in der Koali Der Deutsamationale Friedrich fagt, daß weil für sie nach der üblichen Praxis im Jannu - Heldenkampf geführt, um den Entwurf zu be Jannseitigen. nur gegen das Preßgesch, sondern auch gegen fassung bedeutet, da der§ 24 der Verfassung um besteht. Wir verwahren uns mit aller Entſchie- tion endet, so hat auch dieser Kampf geender: das Inkompatibilitätsgeseß, das erst am näch- gangen und außer Kraft gesetzt werden wird. denheit gegen dieses Gesetz, weil es eine bedeu- flärt allerdings durch ihre Sachwalter, schon seit sten Freitag zur Verhandlung gelangt. Er, tende Ungleichheit der Bürger des Staates bringt. dem 12. April habe sich die Presse wesentlich ge­ausgerechnet er, trat gegen das Verbot auf, Genosse Hladit: Der Berichterstatter hat versucht, dom gan fam. Dieser wurde mit der Begründung nicht Redner macht auf den Fall Parynka aufmert. daß Abgeordnete und Senatoren als Verwalzen Gefeß einen demokratischen Mantel umzu auégeliefert, daß Barynka erzählt habe, er lebt Preſſe iſt charakteristischerweise ein Wort aus bessert! Aber das Wort vom Mißbrauch der tungsratsmitglieder von Erwerbsgesellschaften, hängen und zwar durch den Hinweis darauf, daß mit den Tschechen in freundschaftlichem Berhält dem abfolutiſtiſchen Sprachschabe. Und wenn die mit dem Staat Geschäfte machen, fungieren! die Ungleichheit beseitigt werden soll, die gegen- nis, seine Tochter habe einen Tsche- wir die Geschichte der Preßgesetzgebung verfolgen, War schon diese Dreistigkeit des Mannes arg, wärtig darin besteht, daß die Mitglieder der che'n geheiratet usw. Ich glaube, wir könn- so werden alle Maßnahmen zur Unterdrückung der eben wegen seiner Beziehungen zu einer Nationalversammlung unter dem Schuß der Im- ten das als einen Fingerzeig hinnehmen, wir der Preffe mit dem Mißbrauch der Breſſe be solchen Erwerbsgesellschaft, der Spiritusgenos munität stehen, während der andere Teil der Befönnen vielleicht unsere Immunität froß dieser gründet. Sie erschlagen mit dem Mißbrauch senschaft, gestürzt wurde, so war dies um so völkerung diesen Schutz nicht genießt. Diese Ar- verschärfien gefeßlichen Bestimmungen am besten der Presse auch die Freiheit der Preſſe. All das mehr der von ihm unternommene Rein diefer Gefeßentivurf beschlossen wird, werden die unsere Kinder, ob sie Töchter oder Söhne find, Sorruption. Anderwärts befämpft man die gegen die waschungsversuch seiner eigenen Person. Was Mitglieder der Nationalversammlung schlechter ihren Lebensgefährten oder ihre Lebensgefährtin Rorruption, daß man parlamentarische Unter­er vorbrachte, waren durch nichts geſtützte Be- geſtellt als die anderen Bürger dieses Staates. uns der berrigyemben Nation bieſes Staate mäh uchungstommiſſionen einfekt. Aber andere hauptungen, er habe reine Hände, habe keine Wenn sich ein Mitglied der Nationalversammlung len. 30 erfläre noch einmal, daß wir mit aller Zente, andere Sitten! Bei uns bekämpft Storruption verübt und ebenso unschuldsvoll gegen irgendwelchen Paragraphen des Gesetzes Schärfe gegen dieses Gesez protestieren und seine So bandelt es sich bei diesem Gesetz nicht um Ich man die Bekämpfer der Korruption. als er sich, mit Verzicht auf alle Beweise, vergeht, wird die Verjährung auf alle Fälle Annahme ablehnen.( Lebhafter Beifall.) erklärte, so unschuldig erklärte er auch die Spi- unterbrochen. Wir Sozialdemokraten stehen auf den Schutz des Staates, sondern um den Schut ritusverdiener. Die Behauptungen von seiner dem Standpunkt, daß die Verjährung eine der Koalition. Sittenreinheit stüßte er durch saftige Angriffe Unterbrechung erfahren könnte in jenen Fällen, Landbändler Lutsch beschwert sich darüber, auf die Regierung und insbesondere auf das fucht hervorgehen, Sittlichkeitsvergeben usw. Tyrannei der Wehrheit mit aller Entschiedenheit weun die Bollsvertreter, namentlich jene vom Der Landbündler Snesch erflärt, eine solche daß das Haus gerade erst dann einberufen wird, Ernährungsministerium, dem er die Urheber bandelt. Weit aller Entschiedenheit aber wehren bekämpfen zu müssen und die Stimme einem Ge- Lande, sich ihrem eigentlichen Berufe widmen schaft unsinniger Maßnahmen zuschob, durch wir uns dagegen, daß diese Verjährung auch eine fetz zu verweigern, das so schamlos auf den fellen. Schuld daran sei die krisenhafte Situa welche die Spiritusgenossenschaft zu Schaden Unterbrechung erfahren soll bei politischen Delil - Tisch des Hauses gelegt und über das so cha mtion in der Koalition.

kam, weshalb die Genossenschaft sich zur An­legung eines Fondes gezwungen sah, der zur

wo es sich um gemeine Delikte, die aus Gewinn­

herrschenden

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Deckung der entstandenen Verluste bestimmt verständnisvolles Augenzudrücken gehabt hätten. Inahme Masaryks zuzuschreiben habe, indem Die Rede Prašefs rief auf Seite der Ko­war. Den Zwischenrufen, warum er auf die Alle der Spiritussfandal ruchbar wurde, hatten er gehässig von der Neujahrsgeste" des Prä- alitionsparteien peinliches Aussehen hervor. Beschuldigungen, die Gelder dieses Fonds zu ihn doch die Führer der Regierungsparteien fidenten sprach. Prašek erzählte hiebei auch von Vor Schluß der Sißung gab wohl Senator Bestechungszwecken verwendet zu haben, nicht eingeladen, ihnen Erklärungen zu geben. Pra- anderen Gegensäßen zwischen ihm und dem Suzl namens der tschechischen Agrarier die Er­tlagte, wich Herr Prašek beharrlich aus. Ebenso šef behauptete dort, er habe keiner Partei aus Präsidenten. Man erfuhr, daß Prašef in seiner flärung ab, daß Prašef im eigenen, nicht im gab er keine Antwort darauf, als er stürmisch dem Spiritusfonde Geld gegeben und dieje damaligen Eigenschaft als Präsident des Namen der Partei gesprochen habe, aber glan­gefragt wurde, warum er nicht in die Ein- Erklärung genügte den Koalitionsbrüdern, um Senats am 28. Oktober 1923 bei dem Präfi- ben die Herren wirklich, daß das genügt. Pra­jebung eines parlamentarischen Untersuchungs- sich zufrieden zu geben, Prašek als unschuldig denten war, um an ihn im Namen des Senats- šef ist noch immer Mitglied einer Regierungs­ausschusses zur Prüfung der erhobenen Kor- und seine Antläger als Verleumder zu erflären. präsidiums eine Ansprache zu halten, die später partei, und nun stelle man sich vor, es hätte ruptionsanklagen eingewilligt und sich jeder Herr Prašek glaubte, sich darauf in Sicherheit von der Kanzlei des Präsidenten zenjuriert in ähnlicher Weise wie Prašek, ein Oppositio­Untersuchung widersetzt habe. Das einzige was wiegen zu können, da brach am Neujahrstag würde, so daß man ihren Inhalt nicht erfuhr. neller gesprochen! Brašeks Rede war die Rede er darüber sagte, war, daß er mit Pathos er über seinem Kopfe das Umvetter los. Von der Gestern erzählte Prašek diesen Inhalt, der ein eines, der im Begriff steht, eigene Wege zu flärte, er stehe zu hoch", als daß er sich Kanzlei des Präsidenten war ihm bedeutet offener Angriff gegen den Präsidenten und gehen, Wege, die nicht jene der Regierung und hom Senate einen Untersuchungsausschuß vor- worden, Sie übliche Gratulationskur zu unter- nebenbei auch gegen den Präsidenten des Ab- nicht sene seines Klubs sind. Die Koalition schreiben lassen würde! Das ist für angeklagte lassen und es gingen, damit die Sache nicht geordnetenhauses war. Man erfuhr, er, Start hat gestern eine böse Wunde empfangen. Bleibt Verbrecher ein wertvoller Fingerzeig. Sie so auffällig sei, zwei Vizepräsidenten des Ab- Prašek, habe es unerträglich gefunden, daß bei Herr Prašek Regierungssenator, dann wird brauchen nur zu deklamieren, daß sie zu hoch geordnetenhauses und des Senates gratulieren. allen Empfängen immer nur Tomašek das dies die Festigkeit der Koalition nicht erhöhen, stehen", und brauchen sich nicht weiter zu ver- Als besonders schmerzlich empfand Prašek, wie Wort geführt und seine Ansprachen an Masaryk muß er aber gehen und scheidet ihn seize Partei antworten.er geſtern gestand, daß der Präsident des Ab- immer nur im marriſtiſchen" Sinne gehalten aus, dann wird Prašet das tun, was er ſchow. Aber der Clou seiner Rede kam erst; das geordnetenhauses, Tomašek, für den nächsten habe. Am 28. Oftober habe nun er, der Prašef, einige Zeit plant, er wird eine eigene Partei waren die gar nicht mehr versteckten Ausfälle Tag zum Mittagstisch des Präsidenten geladen dem Präsidenten eine andere Meinung vor gründen, die zur Regierung in Opposition gegen den Präsidenten der Republif. Herr wurde und nur dieser, nicht auch er, was es getragen. Dabei ließ Prašek erkennen, daß er steht. Das wäre ein neuer Abbröckelungsprozeß Prašek gibt die Hauptschuld daran, daß er offenfundig machte, daß der Präsident gerade gegen die marxistische" und philosophische der Regierungsmehrheit. Die Koalition scheint wegen des Spiritusifandals als räudiges Schaf ihn zu empfangen sich weigere. Gestern nun Einstellung des Präsidenten Stellung genom- nur die Wahl zwischen Regen und Trause zu in die Wüste gejagt wurde, dem Hradschin. fam die ganze giftige Wut Prašeks zum Aus- men habe und auch dagegen, daß Majaryf zu haben. Herr Brašef hat gestern seinen Rache­Nicht mit Unrecht nimmt er an, daß die druck,- da er sich bewußt ist, daß er seinen weit" links" orientiert sei. Auch gestern verfeldzug begonnen und dieser Feldzug ist noch Stoalitionsparteien allein gegenüber allen Sturz nicht dem Reinlichkeitsgefühl der Koali- langte Prašek von Masaryk , er möge sich end- lange nicht zu Ende.. ihn getroffenen Anklagen mildes Verzeihen und tionsparteien, sondern der offenen Stellung- lich jetzt nach fünf Jahren rechts" orientieren.

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