Einzelpreis 70 Seller.
Telephone: Tagesredaktion: 26795, 31469.
nachtredattion: 26797.
Poft schedamt: 57544.
Inferate werden laut Tarif billigst berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlaß.
6. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.
Donnerstag, 11. Feber 1926.
Die Sprachenverordnungen Brotest gegen die Anschläge
1897 und 1926.
Raum ein Ereignis der letzten Zeit hat bei den Deutschen im In- und Ausland eine solche Erregung hervorgerufen, wie die Sprachenverordnung. Schon der Titel Sprachenverordnung" erinnert an dunkle Beiten des alten Desterreich. Auch der polnische Graf Badeni hat, als er in Desterreich in den Jahren 1896 und 1897 Ministerpräsident war und Kramař mit ihm in der Regierung saß, die so heikle Sprachenfrage im Wege einer Verordnung, also durch Diktat, lösen wollen. Naheau 30 Jahre sind seither vergangen, dennoch stehen die Ereignisse von damals noch in leb. hafter Erinnerung: die helle Empörung über Form und Art der Lösung dieses so schwierigen Problems bei den Deutschen , die Obstruktion der Sozialdemokraten und der deutsch - freiheitlichen Parteien, die berühmt gewordene Obstruktionsrede des Abgeordneten Dr. Lecher, der von Dr. Kramař damals österreichischer Minister unternommene Versuch der Drosse= lung der Redefreiheit und der Sturm unserer Genossen auf des Präsidium, der dem Gewaltstreich der Regierung ein Ende bereitete, denn wenige Tage darauf trat die Regierung Badeni zurück. Von jenem Tage an konnte das österreichische Parlament nicht mehr gesunden. Es wurde im folgenden Jahrzehnt eine Obstruftion von der anderen abgelöst, bis das Privilegienhaus in Schmach und Schande zusammenbrach und durch das Parlament des allgemeinen Wahlrechts abgelöst wurde. Aber schon war es zu spät. Die nationalen Gegensäße waren bereits so verschärft, die Völker gegenseitig so verheßt, daß auch das allgemeine Wahlrecht nichts mehr ändern fonnte und das Parlament immer nur auf furze Zeit flott gemacht werden fonnte. So haben die Sprachenverordnungen des Grafen Badeni dem alten Desterreich erst eigentlich das Grab geschaufelt, mindestens aber in seinem Störper jene Strankheit zur Fieberglut gesteigert, an der der morsche Staat endlich im Weltkrieg unrühmlich starb.
der herrschenden Reaktion.
-
Gegen die
Gegen die Steuerpläne der Regierung. Aufrechterhaltung der verlängerten Militärdienstzeit. Gegen das Unrecht der Sprachenverordnung.
-
Der Klub der deutschen sozial demokratischen Abgeordneten und Senatoren und der Parteivorstand haben in einer gestern abgehaltenen gemeinsamen Sigung fol gende Entschließung gefaßt:
Der Parteivorstand brandmarkt die auf Verteuerung der Lebenshaltung der Bevölkerung gerichteten reaktionären Pläne der Koalition auf das Schärfste. In einer Zeit des schwersten wirtschaftlichen Notstandes sollen die wichtigsten Bedarf 3- artikel verteuert werden, während die Regierung gleichzeitig dem Bank= kapital und den Agrariern durch Steuerabschreibungen, Sanic rungsfonds und durch Zölle freigebig Geschenke macht. Zu der un aufschiebbaren, den Staatsbediensteten feierlich versprochenen Regelung ihrer Bezüge würden selbst mäßige Ersparungen in den Repräsentationskosten der Republik, vor allem aber in den Militärauslagen vollständig hinreichen. Ihre Bedeckung durch eine neuerliche Belastung des Massenverbrauches ist ein Attentat auf die gesamte konsumierende Bevölkerung.
-
Ein solches Attentat bereitet auch oie Militärverwaltung vor, indem sie statt der Einführung der in der Washingtoner Deklaration und im Wehrgesetz vorgesehenen Miliz, vor allem aber statt der mit dem heurigen Jahre automatisch eintretenden Herabsetzung der Militärdienstzeit ganz gegen den Geist der revolutionären Verheißungen, aber auch gegen die Friedensbeteuerungen des tschechoslowakischen Staates - die Aufrechterhaltung der um vier Monate verlängerten Dienstzeit vorsicht und dahin abzielende Gefeßesvorlagen für die parlamenta rische Behandlung vorbereitet. Dieser Schritt der Regierung würde von der gesamten Bevölkerung als Faustschlag empfunden werden und auf den heftigsten Wider st and derselben stoßen. Wir warnen daher schon jetzt vor der Verwirklichung dieser Absicht.
Der Parteivorstand protestiert auf das Entschiedenste dagegen, daß die Regierung und die Mehrheitsparteien gleich zu Beginn der Gesetzgebungsperiode und angesichts der Fülle von wichtigen gesetzgeberischen Aufgaben das Parlament durch zwei Monate vollfommen ausgeschaltet haben. Er billigt den Einberufungsantrag unserer Parlamentsfraktion, deren Bemühungen es gelungen ist, dem Parlamentspräsidium die Einberufung des Abgeordnetenhauses abzunötigen und verwahrt sich gegen den Versuch des Präsidiums, sich durch Vergewaltigung der Geschäftsordnung der meritorischen Erledigung des Einberufungsantrages zu entziehen.
Die Sprachenverordnung, welche unter Bruch einer ausdrücklichen Zusage der Regierung nicht dem Verfassungsausschusse vorgelegt, sondern einfach oktroiert worden ist, atmet in jeder Zeile den Geist des Diktates. Sie verschärft die bisher geübte Braris in noch höherem Maße und liefert die Angehörigen der Minderheiten vielfach dem willkürlichen Ermessen der nationalistischen Bürokratie aus. Sie bedeutet aber auch die Fortseßung des Abbauez der nicht tschechischen Staatsangestellten, sie erschwert die Tätigkeit der Gemeinden, belastet sie materiell und greift in ihre Autonomie ein. Sie verletzt sogar die in der Verfassung gewährleistete Freiheit des privaten Sprachengebrauches. Sie jetzt überall das Recht des Staatsbürgers auf Gebrauch seiner Sprache hinter das chauvinistische Prestige zurück. Sie vergiftet in gefährlicher Weise das Verhältnis zwischen den Völkern und stört so empfindlich den nationalen Frieden, in welchem wir nach wie vor ein Lebensbedürfnis der arbeitenden Menschen dieses Staates erblicken.
Alle diese Maßnahmen erfordern die entschiedenste Abwehr, für welche sowohl seitens der parlamentarischen Vertretung, wie auch seitens der übrigen Parteistellen alle notwendigen Vorbereitungen getroffen werden.
Bezugs Bedingungen: Bei Zustellung ins Haus oder bei Bezug durch die Post: monatlich.... Kč 16.
vierteljährlich
halbjährig
ganzjährig.
"
48.96.192.
Rückstellung von ManuStripten erfolgt nur bei Einfendung der Retourmarken.
Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh
Nr. 36.
Das Programm des neuen Reichsfinanzministers.
Berlin, 10. Feber.( Eigenbericht.) In der heutigen Reichstagssigung hielt der neue Reichsfinanzminister Reinhold, der bisher in Sachsen Finanzminister gewesen ist, die einleitende Rede zur ersten Lesung des Reichsetats. Man hafte insgesamt den Eindruck, daß Reinhold mit der bisherigen Kapitalsansammlungspolitik durch. Erhebung höherer Steuern, als zur Balanzierung des Etats notwendig ist, ein Ende macht. Das be= deutet eine scharfe& ritit der Politik des bisherigen deutschnationalen Finanzministers Schlieben. Wenn Reinhold damit angefangen hätte, die Steuerbelastung der minderbemittelten Bevölkerung abzubauen, wäre ihm die Sozialdemokratie darin gefolgt. Aber mit Ausnahme der Ermäßigung der Umsatzsteuer von 1 Prozent auf 0,6 Prozent will er lediglich bei Besitzsteuern Er mäßigungen und Erleichterungen durchführen. Er schließt sich mit seiner Behauptung der bürgerlichen Klasse an, daß die Besitzsteuern zu hoch seien und die Produktion dadurch übermäßig belastet werde. In Wirklichkeit haben die Unternehmer alle Steuern und sozialen Lasten auf die Verbraucher abgewälzt. Trotz allen bisherigen Er leichterungen denken sie nicht daran, die Preise abzubauen. Auch die neuen Ermäßigungen der Besitzsteuern werden nicht, wie Herr Reinold meint, die Senkung der Preise zur Folge haben, sondern wiederum werden die besitzenden Klassen den Vorteil der Steuerermäßigung für sich behalten. Der Finanzminister verfündete im Zusam menhange damit, daß die Preissenkungsattion weitergeführt werden solle. Auch dieser Ankündigung steht die Sozialdemokratie sehr ffeptisch gegenüber. Denn bisher richteten sich die Inlandspreise nicht nach den Wünschen der Regierung, sondern nach den Preisen der ausländis schen Konkurrenzerzeugnisse. Solange aber die Zölle nicht abgebaut werden, ist mit einer ent schiedenen Senkung der Warenpreise und damit einer Beebung der Wirtschaft nicht zu rechnen. Ueber die Zollfragen hat sich aber der Finanzminister gar nicht geäußert, ebensowenig darüber, ob die Regierung endlich den Kampf gegen die Preisdiktatur der Kartelle aufnehmen wolle.
Im allgemeinen hatte man von dem demofratischen Finanzminister den Eindruck einer sympathischen Persönlichkeit. Aber ohne Zweifel. folgt er bürgerlichen Gedankengängen und deshalb wird ihn die sozialdemokratische Fraktion aufs schärfste bekämpfen, wenn er nicht ihren For derungen auf Erleichterung der Lage der werktätigen Bevölkerung entschiedene Zugeständnisse machen wird. Die Aussprache der Parteien über das Etat wird morgen beginnen.
Zirol vor dem Völkerbund ? Wien, 10. Feber. Angesichts der Erregung, die in Tirol wegen der Drohungen Mussolinis besteht, kann die österreichische Regierung einer Fortdauer der jetzt bestehenden Spannung nicht ruhig zusehen. Wie verlautet, wartet sie nun mehr das Einlangen der Kundgebung des Tiroler Landtages gegen Mussolini ab und wird dann sofort dazu Stellung nehmen. Landeshauptmann Dr. Stumpf hat bekanntlich angekündigt, an die Regierung mit der Forderung heranzutreten, sie soll prüfen, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, die Frage dem Völlerbund vorzulegen.
Warum mußte es so fommen? Weil es in Oesterreich die Regierung immer verschmäht hat, durch eine ernste Aktion die Nationen im Staate zu versöhnen, zwischen ihren widerstreitenden Interessen einen Mittelweg zu finden im Interesse des Staates, dessen beste Kräfte im nationalen Streite zersetzt wurden und der das war für jeden, der nicht mit politischer Kurzsichtigkeit geschlagen war, klar dem sicheren Verfall entgegengehen mußte. Es ist, als ob die geschichtlichen Ereignisse des alten Staates an den Machthabern in der Tschechoslowakischen Republik spurlos vorübergegangen wären. Es erben sich nicht nur Geieße und Rechte, sondern auch politische Fehler und politische Verblendung wie eine ewige Krankheit fort. Jene, die den tschechoslowakischen Staat heute vegieren, haben gesehen, wohin ein Staat gelangt, der es nicht versteht, die ihn bewohnenden Völker mit seiner Existenz über die Form, die so gewählt wurde. Keine hievon keinen Gebrauch gemacht, sondern hat den. Aber keine Spur von Erkenntnis aus dem zu verföhnen, und was eine Regierung anrichtet. Verhandlung, nicht der leiseste Versuch einer diese Herabsetzung im Wege der Gesetzgebung Schicksal des zugrunde gegangenen Reiches, die das so heitle Problem der Sprachenfrage Verständigung mit den Vertretern der deutschen durchgeführt. Bei nur ein wenig gutem Willen keine Lehre für die Führung des eigenen im Wege eines Diktates lösen will. Es wurde Bevölkerung, die schließlich doch rund ein der Regierung wäre dies auch in der Sprachen- Staates, fein Quentchen ſtaatsmännischer Weisund wird noch gezeigt werden, daß die Drittel aller Einwohner bildet. Kein Gesetz, frage möglich gewesen. Hätte die Absicht beheit! Ahnen denn die Koalitionsparteien nicht, Sprachenverordnung zum Teil ungefeßlich ist zu dem die deutschen Abgeordneten hätten standen, die Minoritäten nicht direkt vor den daß sie den nationalistischen deutschen Vorteien und im Beschwerdefall eine Anzahl ihrer Be- Stellung nehmen können, durch dessen parla- opf zu stoßen, so hätte man, wie es Švehla mit einem derartigen Vorgehen die größte stimmungen vom Obersten Verwaltungs- mentarische Behandlung es vielleicht doch ge- seinerzeit auch versprochen hatte, der deutschen Freude bereiten? Dadurch wird ihnen doch das gerichtshof aufgehoben werden dürfte, so daß lunger wäre, eine Reihe von Bestimmungen parlamentarischen Parteien den Wortlaut der wirksamite Agitationsmaterial für ihren Shaudie Regierung wohl eine Reihe von Blamagen zu lindern, milder zu gestalten, kurz gejagt. Verordnung vorher wenigstens vorlegen und vinismus geliefert. Doch was nüßen derartige erleben wird, nicht geringer als jene, die ihr eine Verordnung, ein Diktat! Ganz nach ihre Aeußerung darüber einholen müssen. Das Betrachtungen? Nicht was dem Staate frommt. anläßlich der Beschwerde der Gastwirte im deut dem Muster Badenis, bei dessen Sprachenver- wäre noch lange kein demokratisches Vorgehen nicht was die Völker im Staate einander näher schen Gebiete gegen die Anordnung der tsche- ordnungen gleichfalls Dr. Kramar der Inipi- gewesen, aber es hätte doch von gewissen An- bringt, nur was nach außen hin die Macht des chischen Aufschriften und der zweisprachigen rator gewesen ist. jäzen eines Verständigungswillens gezeugt. Da Staatsvolkes über die anderen Volksstämme Speisekarten durch den Obersten Verwaltungs- Man rede sich nicht darauf aus, daß das dies alles unterlassen wurde, ist es schwer, anderes zeigt, und was nach außen hin dem Staat gerichtshof bereitet wurde. Sprachengesetz vom 29. Feber 1920, Nr. 122, darin zu sehen, als die Absicht, die nationalen das Gepräge des rein tschechischen Staates verDie Folgen des unheilvollen Sprachen- ausdrücklich der Regierung die Vollmacht für Minderheiten, vor allem den zmeitſtärksten leiht, das zu tun hält man für das richtige. diktats zeigen sich bereits. Erbitterung lodert eine derartige Verordnung gebe. Das war eine Boltsstamm im Staate, brutal vor den Kopf Der Geist Dr. Seramařs ist es, der über der überall empor, Empörung über den Inhalt, Vollmacht, die die Regierung benüßen zu stoßen und sie nicht im Umflaren darüber Sprachenverordnung vom Jahre 1926 ebenso der einer Berhöhnung der Minderheitsrechte konnte, aber nicht benüßen mußte. zu lassen, daß man sie demütigen und unter- schwebt, wie über jener vom Jahre 1897! Wan einer Verletzung der im Friedensvertrag über- Die Regierung war nach dem Gefeß vom 7. Of brücken will. braucht kein Prophet zu sein, um voraussagen nommenen Pflichten gleichkommt und die tober 1919, Nr. 541, auch ermächtigt, die fennen Desterreichs zu können, daß diesem Geiste zu folgen dem interdrückung der deutschen Bewohner offen- Teuerungszulagen der Staatsbeamten im Ver- Schicksal, ist doch der tschechoslowakische Staat Staate weder Ruhm noch die für ihn not. sichtlich zum Ziele hat. Empörung aber auch ordnungswege herabzusetzen, und doch hat sie aus den Trümmern Desterreichs aufgebaut wor- wendige friedliche Entwicklung bringen kann.
die die
Die Staatslenker