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6. Jahrgans.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Vom Krankenlager der Koalition.

Mittwoch, 17. März 1926.

Das Genfer Werk gescheitert.

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Deutschlands Ausnahme vertagt.- Brasiliens Hartnädigteit als Ursache. Genf , 16. März. Um 17 Uhr fand eine vertrauliche Beratung des Rates statt, zu der um 19 Uhr der polnische Ministerpräsident Graf Strzynski eingeladen wurde. Um 19 Uhr 40 Minuten war die vertrauliche Sißung beendet. Die Ratsmitglieder lehnten es kategorisch ab, den Journalisten irgendwelche Erklärungen zu geben.

Der britische Staatssekretär für Aeußeres Chamberlain fuhr sofort nach Schluß der Sigung zum Reichskanzler Dr. Luther.

Kurz vor 20 Uhr jedoch teilte die Schweizerische Depeschenagentur mit:

Die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund und die Reorganisierung des Völferbund­rates wurden auf die Septembertagung verschoben. Die Signatare des Rheinpaktes werden noch heute abend ein amtliches Romuniqué über die Angelegenheit ausgeben.

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Seute oder morgen wird es vielleicht schon ein Sterbelager sein. Das Bulletin, das über das Befinden des Patienten gestern in Form eines Kommuniquees ausgegeben wurde. verriet, was eigentlich schon jeder wußte: der Zustand ist trostlos. Minister Bechyně soll wohl in Stellvertretung des erfranften Mi nisterpräsidenten noch einen letzten Versuch zur Rettung unternehmen, aber Hoffnung auf Ge­lingen des Versuches besteht so gut wie feine. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzu­nehmen, daß die Ereignisse folgenden Verlauf Berlin , 16. März. Der Sozialdemokratische seßungen für den Eintritt Deutschlands in den nehmen werden: spätestens in den nächsten Pressedienst meldet aus Genf um 9 Uhr abends: Wölferbund erzielt worden war, verwirklicht Tagen wird die Koalition gesprengt werden, In der Unterredung, die zwischen Cham werden wird. worauf es zur Demission der Gesamtregierung berlain, Briand mit Luther und Stre kommen wird. In der nächsten Sigung der semann von 8 bis halb 9 Uhr abends stattfand, Frühjahrssession, die am 24. oder 26. März wurde vereinbart, das am Nachmittag zurück­beginnen soll, wird sich schon die neue Regie- gehaltene Kommuniquee doch noch zu veröffent beginnen soll, wird sich schon die neue Regie: lichen. Man tam anscheinend zu diesem Entschluß, rung dem Parlamente vorstellen. Diese neue um durch die Veröffentlichung der Vereinbarungen Regierung wird, soweit hat es das Lotter- einen legten Drud auf Brasilien aus leben der Koalition gebracht, feine par- zuüben. lamentarisch e, sondern eine Beamten­regierung sein. Am Ende des Wirkens der Koalition steht also die Unmündigkeit des Par­laments; die dauernde Niedertretung der De­mokratie und der parlamentarischen Rechte endet schließlich mit der Bankerotterklärung des Parlaments und mit seiner Unfähigkeit, aus sich heraus für die verkrachie Koalition eine Nachfolgerin stellig zu machen. Ein Beamten­

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Das Kommuniquce.

Genf , 16. März.( Wolff.) Die Vertreter Deutschlands , Belgiens , Frankreichs , Großbritan niens und Italiens haben sich heute verein gt, um die Lage zu prüfen, wie sie sich aus den aufge­tauchten Schwierigkeiten des Verfahrens ergibt, die sich der Verwirklichung ihrer gemeinsamen Ziele entgegenstellen. Sie stellen fest, daß fie im zu gelangen und die Hindernisse zu überwinden, die zu einem gegebenen Zeitpunkte unter ihnen ent­ftanden waren.

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Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich( rith Nr. 65.

Die Komödie des Matteotti­Prozesses.

Witwe und Sohn des Ermordeten treten als Zivilpartei" zurück.

Die Wiener Arbeiter- Zeitung " veröffentlicht ein Schreiben des Abgeordneten Modiglia­nis, des Vertreters von Matteottis Sohn, an den Präsidenten des Schwurgerichts von Chieti . Dieses ausführliche Schreiben, dessen Ab­druck in der italienischen Presse verboten wurde, stellt fest, daß das außerordentliche Ver fahren, das verfassungsgemäß die mit Regie­rungsmaßnahmen verknüpfte Verant wortlichkeit hätte feststellen müssen, völlig

unterblieben ist; daß die Richter versetzt, Gerichts ignoriert, jede Kontrolle durch die Presse die Ergebnisse der Voruntersuchung des Obersten unterdrückt würde. Man hat alles getan, um das endgültige Urteil zu einer unerträglichen Rechtsver Der Sozialdemokratische Pressedienst bemerkt höhnung zu machen. So fam die Zivilpartei zu iezu : Dieses Kommunique schließt die Möglich der Entscheidung, daß die Teilnahme an einem feit, daß die Aufnahme Deutschlands am Mitt- derart verstümmelten und eritidien woch vormittags doch noch erfolgt, nicht ganz Rechtsverfahren, bei dem jede Unter aus. Falls Brasilien bis Mittivoch vormittags suchung über die wahren Ursachen und die erste 10 Uhr auf seinen Einspruch verzichtet, erfolgt die Verantwortung unmöglich ist, bei dem sich die Aufnahme. Diese Wahrscheinlichkeit ist aber sehr Beweisaufnahme auf die gräßlichen materiellen gering und die Erklärungen des Reichskanzlers Einzelheiten des Verbrechens beschränkt, auf das bor der deutschen Presse sprechen mehr für die Wie" ohne das Warum", darauf hinauss laufen würde, diese Verstümmelung und Erstickung Bertagung als für die Aufnahme. gutzuheißen und sich zu Mitschuldigen ihrer Er­gebuiffeu machen. Wer einen Prozeß unter crduldet, verliert dadurch das Recht, feine un­solchen Bedingungen annimmt oder ihn auch nur heilbare juridische und moralische Nichtigkeit zu proflamieren.

der erste Berhandlungstag in Chieti . Das offizielle italienische Preßbureau veröffentlicht über den ersten Verhandlungs tag folgenden einseitigen Bericht:

fabinett muß gebildet werden, damit der Staat Begriffe waren, zu einer be Chieti , 16. März.( Stefani). Vor dem Schwur­

nicht überhaupt ohne Regierung bleibe. Es ist ein trauriges und schmähliches Ende!

zerichte begann heute der Brozek wegen der Er mordung des Abg. Matteotti. Der Hauptange­flagte Dumini erklärte bei seiner Einvernahme, Die Koalition stirbt nicht in Schönheit, Falls, wie zu befürchten ist, die eingangs er- er habe sich auf Grund einer Reise in Frankreich wahrhaftig nicht. Ihr Leben war schmählich, wähnten Schwierigkeiten fortbestehen sollten, wür überzeugt, daß zwischen den nach Frankreich aus­ihr Tod ist es nicht minder. Kreischend beschulden die Vertreter der sieben Signatarmächte des gewanderten umstürzlerischen italienischen Ele­digen die Hinterbliebenen einander gegenseitig. Protokolles von Locarno bedauern, daß sie im menten und der unitarisch- sozialistischen Partei ihren hoffnungslosen Zustand herbeigeführt zu acgenwärtigen Augenblicke das von ihnen anne- Italiens, deren Hauptfaktor Matteotti war, ein haben. Besonders die frühe Auflösung und Vor- strebte Ziel nicht erreichen fönnen. Sie Einvernehmen bestehe. Nach der Ermordung des nahme von Neuwahlen für das Parlament muß stellen jedoch mit Befriedigung fest, daß das Fase sten Bonfervizi in Paris babe Dumini einen Friedenswert, welches sie in Locarno verwirkliche berwachungsdienst für Matteotti ein­herhalten, um jenen, die dazu gedrängt haben, ten und welches in seinem ganzen Werte und in gerichtet. Matteotti sei dann in einem Automobil bittere Vorwürfe zu machen. Es ist schon richtig, seiner ganzen Kraft bestehen bleibt, dadurch nicht entführt und weit von Rom weggebracht worden, daß die vorzeitigen Neuwahlen vom Stand- berührt wird. Sie halten daran sejt, hente wie um Informationen über seine Aftion zu erlangen. punkt der Koalition eine Riesendummheit gestern, und sind sest entschlossen, sich gemeinsam. Während der Autofahrt sei Matteotti infolge hef­waren, aber einmal mußten Wahlen kommen, dafür einzusehen, es aufrechtzuerhalten und fort- tigen Bluthustens(!) gestorben. Dumini und und früher oder später wäre es in jedem Falle zuentwideln. Sie bleiben bei der Ueberzeugung, seine Genossen hätten aus Furcht von den Folgen zu dem Vernichtungsurteil der Wähler ge- daß bei der nächsten Bundesversam m die Leiche vergraben und die Kleider Matteottis tommen, das aus dem Wahlergebnis heraus lung die gegenwärtigen Schwierig verbrannt oder verstreut. Dumini nimmt die Ver­tönte. Die Wahlen für den Schiffbruch der teiten überwunden sein werden und daß antwortung für die Initiative bezüglich der Ent­Coalition allein verantwortlich zu machen, die Verständigung, die hinsichtlich der Voraus führung auf sich. das deutet eine allzu primitive Betrachtungs­

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es

Und das Gefühl hat bereits der Witwe des Getöteten den nachstehenden, erschütternden Brief an den Schwurgerichtspräsiden ten von Chieti eingegeben:

Exzellenz!

Die Ermordung Giacomo Matte ottis, die für mich und meine Kinder eine Tra­gödie ist und als solche von jedem freien Menschen in Italien empfunden wurde, hatte in mir den Glauben geweckt, daß der Ruf nach Gerechtigkeit nicht ungehört verhallen würde; dieser Glauben hat mich in meinem äußersten Jammer aufrecht­erhalten und mich bewogen, als Privatklägerin aufzutreten.

Aber in den Wechselfällen der Untersuchung und durch die jüngste Amnestie ist der Prozeß - der wahre Prozeß nach und nach wesen­los geworden. Was heute von ihm bleibt, ist nur ein Schatten.

Ich hatte keinen Haß auszudrücken und feine Rache zu fordern: ich wollte nur Gerech tigkeit. Die Menschen haben sie mir verwei­gert; ich werde sie von der Geschichte

Ich ersuche Sie daher, mir zu erlauben, dem Prozeß fern zu bleiben, der mich nichts weiter angeht.

Meine Anwälte, die auch in diesem Augen­blick mit mir solidarisch sind, werden meiner Ent­scheidung rechtskräftige Form geben. An Sie, Exzellenz, richte ich die Bitte, mich der Qual, vor den Assisen zu erscheinen, zu entbinden. Es würde mir vorkommen, als ob ich dadurch das An­denken Giacomo Matteottis beleidigte, für den das Leben etwas furchtbar Ernstes war, jenes An­denken, um dessentwillen weiter lebe, einsam zu stolzen und furchtlosen Menschen erziehen will, wie ihr Vater einer war.

Mit Hochachtung Velia Matteotti

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eife an. Die Koalition hatte schon lange vor schon noch bleiben. Noch im letzten Augenblickej Koalition dieser politischen Gemeinschaft den empfangen und von Gott . den Wahlen ihre Kräfte ausgeichöpft, aller- fucht man ihnen zuzureden, den warmen Roleßten Rest gegeben. Aber wirklich auch nur den I eßten Rest. dings hat ihr die Antwort der Wähler, die alitionsstall nicht zu verlassen, und man appel­einem Steulenſchlage glich, den letzten Sieb ver- liert in den ſchönſten Flötentönen an ihr pa- Es wäre ja möglich, daß die bürgerlichen Re- nicht jeßt. Seither hat sich die Koalition auch nicht triotisches Gewissen. Dabei ihrer Begehrlichfeit gierungsparteien ihre Unersättlichkeit ein­einmal vorübergehend von der Erschöpfung er- Schranken zu setzen, das fällt den bürgerlichen dämmen, auf die sofortige Erfüllung ihrer holen können. Früher siechte sie langjam aber Parteien nicht ein. Die Koalition soll leben. Forderungen verzichten, und daß daraufhin ein sicher dahin, eben deshalb wurden Neuwahlen, wenn sie die Melkfuh der bürgerlichen Klassen vorläufiger Friede geschlossen wird. Die Lebens­die als Stärkungsmittel gedacht waren, vor- lein will, es kann sie der Teufel holen, wenn fähigkeit der Koalition könnte ein solcher fauler genommen; seither ist erst recht ein rapider Ver- sie diesen nicht restlos zu Willen sein will. Friede nicht schaffen. Die Koalition ist sterbens­fall eingetreten. Das Kräfteverhältnis zwischen Agrarier und Klerifale wollen den Lohn für frank, weil das Regierungssystem, das sie zum en Parteien der Koalition war ein solches, ihren Wahlerfolg einkaſſieren, und ob das den Inhalte hat, Frank und unmöglich ist, denn und gerriffen, und in beljen Light ich e, nom daß Kompromisse immerhin noch leichter ge- Regierungssozialisten recht ist oder nicht, ist leugnet den Charakter des Staates und sucht schlossen werden konnten. Keine der Parteien ihnen gleichgültig. Diese sollen fuschen, wenn ihm Lebensbedingungen aufzudötigen, die seiner war stark genug, um ihrem Egoismus die es den Herren beliebt, die Kosten für die Re- Busammensetzung und seinem Wesen wider­Bügel schießen zu lassen, und die bürgerlichen gulierung der Staatsangestelltenbezüge aus natürlich sind. Das Verscheiden der Koalition Parteien waren daher gezwungen, wenigstens schließlich der arbeitenden Bevölkerung aufzu- wird an dem Zustand, der nach einer vollstän­zeitweilig den sozialistischen Parteien in der laden, und sie sollen es mit Demut hinnehmen. bigen Abkehr und Umkehr von den bisherigen Regierung fleine Konzessionen zu machen. Das wenn die Agrarier in einer Zeit gesteigerter Regierungsmethoden schreit, nichts ändern. Die Wahlergebnis, das den Parteien der kapitali - Not der Arbeiterschaft durch Getreide- und Beamtenregierung wird, darüber wollen wir partei veranlassen, ihre weitere Teilnahme an stischen und kulturellen Reaktion zur Erlangung ionstige Lebensmittelzölle den Brotkorb noch uns nicht täuschen, in den Fußstapfen der Ko- einem Verfahren abzulehnen, das nur anf cine des llebergewichtes über die sozialistischen Bar höher hängen wollen. Sie sollen das Treiben alition gehen, sie wird schließlich ebenso enden. typische Rechtsbeugung hinauslan teien innerhalb der Regierungsmehrheit verhalf, der Klerikalen ruhig ertragen und nicht unge- wie ihre Vorgängerin. Auch wenn der Entfen kann, behält sich die Zivilpartei alle Rechts­räumte der Sabgier und dem Heißhunger der bärdig werden, wenn die Militärkamarilla eine wicklung tausend Blöcke in den Weg gestellt mittel vor, um in Zukunft, vor welcher Instanz bürgerlichen Parteien die letzten Hemmungen Verlängerung der militärischen Dienstpflicht werden, und wenn noch tausend Versuche unter dies immer sein möge, in dem Zeitpunkt und in Hmweg. Das Bürgertum hat über die tschechi - fordert. Dafür sollen sie auch nicht murren, nommen werden, das Erbe der Koalition zu der Form, die zur Aufhellung der Wahrheit am ſchen Sozialdemokraten insofern gefiegt, als es wenn von den aus der Bevölkerung heraus. bewahren, es wird vergeudete Mühe und Zeit geeignetsten erscheinen werden, ie dwede Ber­bieſe zum Verbluten gebracht hatte, es wollte zupreſſenden neugeplanten Steuern für die fein. Endlich wird man doch erkennen müssen, antwortlichkeit zur Anzeige zu brin zu und will nun auch etwas davon haben. O, die unteren Kategorien der Staatsangestellten fast daß der Staat nur bestehen kann, von ihren dieser reich erreichen. Sie zurück. alition herausdrängen. Wenn sie sich mit einer Laune endet sogar die knieschwache Nachgiebig- Stelle der Gewalt und der natio- Anteil an Verzeihen und Vergessen, bescheidenen Dienerrolle gegenüber den hohen feit der tschechischen Sozialdemokraten, und so na len Unterdrückung das natio- sondern will den Weg zu einem Urteil offen er­Herrschaften begnügen wollten, so könnten sie haben die Wahlen und die damit verbundenen ale Recht aller Staatsbürger gehalten, das heute unmöglich ist, aber morgen un­in Gottes und des heiligen Mammons Namen Verschiebung des Kräfteverhältnisses in der fezt wird.

Aus denselben Gründen aber, die die Zivil­

bürgerlichen Parteien möchten die tschechischen nichts abfällt, als eine Verschärfung ihrer Ab und das Parlament nur erfolg. 8er, jedweden Verehat nicht

Sozialdemokraten durchaus nicht aus der Ko- hängigkeit

vermeidlich.