1926 Mai- Beilage

Maitag... Richttag!

Eine Maibetrachtung von Drohnen und Bienen.

Von Karl Germer  .

Summ, fumm, summ- Bienchen summ berum!"

Abgehärmte, blasse Kinder singen das Lied­chen, das auch wir als Kinder sangen. Ein Rinderlied, harmlos und doch voller Sonne und Freude, init einem Schimmer hoffender Zuver­fidyt.

Summ, summ, fumm..." Der Mai ist im Anzug, der göttliche Zauberkünstler, der fieggewohnte. Wer will ihm wiederstehen, wer feinem Zauber entfliehen? Ein Narr, wer das täte. Und dennoch, es gibt auch solche Narren. Ihnen will ich eine furze Geschichte erzählen:

Jogendwo in der Welt lebt ein Volk, das feines Fleißes halber geliebt und geehrt wird. Sein Streben ist mir darauf gerichtet, durch Ar­beit zu Wohlstand, Freiheit und Gleichheit zu fommen. Die Leitung des Staates liegt mur in einer einzigen Hand. Jeder sagt sich: Ich bin ein Arbeiter und lebe von meinem Fleiß. War­um soll ich in meinem Arbeitsbruder einen Geg ner sehen? Ganz im Gegenteil. Ich will ihm die Hand reichen, denn seine Interessen sind auch meine. Geht es ihm gut, geht es mir und dem gangen Volfe gut. Das ist ein vernünftiger Grundsatz, der dem Volke herrliche Früchte trägt. Es ist stets fröhlich und guter Dinge, arbeitet fobiel, als feine Bedürfnisse es verlangen, und macht Feierabenb, wenn es satt oder zu Spiel und Tanz aufgelegt ist. Bei ihm gilt als oberstes und einzigstes Gesetz: Einer für alle und alle für einen." Andere Geseze braucht das Volk nicht. Ist das nicht herrlich?

Einmal im Jahr mun tritt das Volk zusam

men, um zu beraten und festzustellen, ob auch feiner gegen das Gesetz verstoßen hat. Unser Volt kennt da nur einen Urteilsspruch: Fau­lenzer sind zum Tode zu verurteilen." Das mag roh flingen, entspringt aber nur einem gefunden Empfinden, denn das Volk weiß genau: Töten wir die faulen Glieder unseres Staates nicht, wird Zant und Zwietracht unser Bolt entzweien. Dulben wir, daß andere sich auf unsere Kosten mästen, wird unsere Zukunft Not und Armut heißen. Der Ratstag ist der Tag des Gerichts und ein Feiertag.

Das ist die Geschichte. Gewiß nicht lang und doch voll unendlicher Weisheit und Erkennt nis. Das Volt ist jedem bekannt. Ich kam dar­auf, als ich die Kinder singen hörte: Summ, Summ, fumm Bienchen summ herum!"

Wer hat nicht schon vom Bienenvolk gehört? Wer aber hat schon über den Zweck ihres Tuns nach gedacht?

Auch für den Letzten wird es Mai.

Von August Gräf.

-

Herbei, heran, und Mann für Mann In Reih und Rott' und zu der Fahn' Es gilt den Tag, es gilt den Schlag, Ein falscher Fant, wer wanken mag: Auch für den Letzten sollen Rosen blüh'n, Auch für den Letzten soll die Sonne glüh'n!

Aus reichen Gärten fommt ein Klang Und wandert alle Wege lang und wecket alle Schläfer auf

Und trommelt um sich auf auf Hauf': Auch für den Letzten ist ein Fest bestellt, Auch für den Lehten auf der Welt! Auch für den Leßten ist der Himmel blau, Auch für den Letzten grünt die Au,

Auch für den Letzten schwelgen Luft und Licht, Auch für den Letzten lacht ein Glücksgesicht, Auch für den Letzten wird es Mai Wenn er nur selber löst sich frei!

-

Sit

Lied, wo Sträfte sich ungehindert austobten, da Das Leben aber wächst von unten herauf. ist es heute still. Still wie auf einem Friedhof. Arbeit nicht das Leben? Nichtstun aber Fäul Hungernd und schlaff umschleicht das Volk nis? We will noch eifeln? der Arbeit die Ruinen seines einstigen frohen Schaffens. Wie ein Vorwurf trifft mich sein stummer Blick und seine Frage: Warum?

Warum?? Left meine Geschichte." Ja, aber die Not, sie hat uns mürbe ge­macht." Wer hieß euch mürbe werden? Warum ließt ihr euch spalten und zerreißen? Wer ließ die Drohnen Herren werden? Wer ducte sich als Sflaven feig unter ihre Fanst? Das mari doch ihr?"

fpat Das waren wir und jetzt ist es zu

3u spät? Ha! Ihr Toren, Memmen! Das sagt ihr mir und jetzt im Mai? Bot babi ihr denn eure Fäuste? Nimmt man euch ener Der Maientag hat mich auf die Straße ge- Recht auf Arbeit, was soll da die Faust geballt Todt. Langsam schreite ich an langen, grauen in der Tasche? Heraus damit, heraus auf die Häuserzeilen entlang. Vorbei an rußigen Fabri- Straße. Ihr wißt, daß hente Richttag ist." fen, die in ihrer Ruhe und Schweigsamkeit an Kann so ein Volf zugrunde gehen? Stann frante Riesen erinnern. Wo sonst das Leben je ein Wille so stumps werden? heftig pulste, wo Hammerschlag und Rädersurren Nein, nein! den Taft abgaben zu der Arbeit unermüdlichem

Revolutionär oder Polizei­spikel.

Ein Kapitel aus der Vergangenheit der Arbeiterbewegung Nordböhmens.

Von Emil Strauß  .

1926

diese Einheit stört. Was macht das Meer so ge waltig, wenn nicht die Masse, was macht die Flamme so wuchtig, wenn nicht die züngelnde Furchtbarkeit? Was macht uns so start, wenit nicht Einigkeit?

Die Waffen jubeln es doch einmal hinaus in den Maientag:

Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit! Dann zittern die Drohnen: Richttag?

Der zertrümmerte Damm.

Von Gerschuni.

Aus dem Russischen übertragen von Werner Peter Larsen.

Im wilden und düsteren Norden, wo eisiger Windhauch weht, wo die alten Fichten und Tannen nur selten die Sonne schauen, recte sich einft weit übers Meer ein geivaltiger Damm. Mächtig und start, lachte er des Ansturms der Wellen, hoch und stolz trotzte er dem wogenden Meer. Und die Wellen des Meeres- die mäch­tigen freien Wellen pochten an die Mauer von Stein, die sie hemmte in Spiel und Lauf, pochten und pochten, bis daß der Kampf entbrannte, der jahrhundertelange Stampf bis daß die freien Wellen den Damm stürmten- zertrümmerten

und ihn begruben in den Tiefen des Meeres. An Lenzesmorgen in den Maien wenn Frühlingssonne das rauschende Meer über­strahlt, funkeln und leuchten weithin die Sma vagdkronen der Wellen; int ewigen Lauf singen sie brausend das uralte Lied von des Tyrannen Sturz und der Freiheit der Wellen...

Die Wellen des Meeres waren frei, wie die Vögel es sind; wie die Vögel unter dem Himmel. Mutter Sturm sang ihnen das Lied und in sorglofer Lust rollien sie dahin- schimmernden Fernen zu...

Der finstere Tyrann jedoch, den Neid ob ihres dert," nie mehr der Sonne, nie mehr dem Himmel Loses erfaßte, beschioß, ihre Freiheit zu rauben... Daß ihr nie mehr über die Meere wan gulacht!..."

Sklaven fandte er aus.

Ich weiß, es fündet Regen an. Soll mich aber Am Himmel steht Worgeurot. Was soll es? der Regen schrecken, weil ich weiß, daß er von der Sonne geboren ist? Hinaus! Hinaus! Eins, zwei, hundert, tausend, hunderttausend. ans Berf; aus den Tiefen der Erde förderken sie Haha! Eins zwei- links, rechts­Die Sklaven ihm blind ergeben- gingen Ha! Mehr, immer mehr! Eins, zwei einans Werf; aus den Tiefen der Erde förderten sie Regiment, eine Armee mehr! noch mehr! Fels und Gesteinseufzten- senkten es ins Ein Volt muß es sein! Wer säumt denn noch? Meer... seht ihr nicht die Riesenschar, die sich dort unter unzähligen Bannern sammelt? Erkennt ihr die hohlen Gesichter der Kinder, Mütter. Väter, der Jungen und Greise? Maientag! Richttag!

Sind es Tränen, ist es ein Lachen, das in meiner Stehle stedt? 3ch weiß es nicht; ist ja auch gleich. Eines aber weiß ich: die Not ist vergänglich, wenn wir wollen."

Drohnen sind nicht unsterblich, wenn Bienen wollen.

Das Meer jauchzt...

Die Wellen tanzen vor Lust; tanzen, lachen, springen, umjubeln wild das Gefiein.

Die Wellen flüstern: Welch ein Tanz! Fremdlinge famen zu uns zu Gast! Grüßend empfangen wir fie, spielend umfosen wir sie, mit ihnen vereint wollen wir der Freiheit lobsingen!" Die Wellen tanzen vor Lust.

Mutter Sturm nur und Vater Orfan   beglei ten die Gäste mit düsterem Sausen, blicken ihnen argwöhnisch nach... Und Fels um Fels stürzt Das Glück ist greifbar, wenn wir wollen. herab ohne Unterlaß Fels um Fels fürmit Warum sollen wir nicht wollen? Warum Not sich auf, steigt wächst zu einem Damm, zur leiden wollen? Der Ma deckt allen den Tisch, Mauer. Sie verlegt den Wellen den Weg, sie Mai ist, ja, Mat! Was morsch ist, fällt. die da einig sind. Dreimal wehe über den, der hemmt ihren Lauf; die Wellen sehen sie furchtsam

schlossen sich der Auffassung der Vorgenannten an. Der einzige Josef Reřicha aus Auſſig  hielt an der Unschuld Chouras fest und erzählte, daß es auch nach der Verhaftung der in der Ge­heimbruckerei tätigen drei Arbeiter Genossen ge­geben habe, die an der Gesinnungstreue des so schwer Verdächtigten nicht zweifelten.

Der Hauptzeuge, den Cajthamt in dem nach nur wenigen bekannt zu führen. Dort traf| Schillerseff, der in der Haft den Choura einen mehr als 40 Jahren gleichsam neu aufgenom Choura den bereits genannten Pačes, und da er Hundeverräter" genannt hätte. Auch Vyušil menen Prozeß anführt, ist der am 3. März 1926 ihn nicht fannte, fragte er, wie er heiße. Paces ans Prödliß und Bartunek aus Rakonitz  verstorbene Arbeiter Fran; Vagner, der 1878 antwortete, er heiße Schuster". Und mit einen Arbeiterverein in Tepliv gegründet hat. Diesem Namen bezeichnete der ver­Vaguer erzählt, es sei ihm schon zu Beginn der haftende Polizeikommissär am 18. achtziger Jahre aufgefallen, daß Choura mit dem Feber 1885 den Paces, und unter Teplizer Polizeinspektor aste eifrig Verkehr diesem Namen führte er ihn in das gepflogen habe. Mit diesem sei Choura sehr oft Gefängnis ab. Paces behauptete, jich nie im Gasthause Zum Schlüssel" in der Graupner mandem als Schuster vorgestellt zu haben, wie Am 18. Feber 1885 wurde in Qubokey gaffe( jetzt Restaurant 3inte) zusammengefommen. eben dem Choura, und der mitangeklagte Černy Aber Choura war noch in eine zweite An­bei Reichenberg von der Polizei eine sozialistische Diese Feststellung Vagners fann freilich kein Be- bestätigte dies. Cerny hatte gleich nach Chouras gelegenheit verwidelt und das war die geheim­Geheimdruckerei aufgestöbert, wobei die Arbeiter weis für Chouras Verrat sein, ja kann auf Choura Weggang aus der Druckerei den Bačes gefragt, nisvolle Ermordung des Vorsitzenden einer Ter Pačes, Cerny und Ram pas verhaftet wur- nicht einmal ein schiefes Lich  : werfen, weil Haste warum er sich unter einem falschen Namen vor- rorgruppe Josef Stipat am letzten Sonntag den. In dem gegen sie geführten Prozeß erhielten tatsächlich ein verkappier Sozialist gewesen ist und gestellt hätte, worauf Pačes gesagt haben soll, er sie schwere Sterferstrafen: Pačes 16, Cerny 15 sogar einmal August Bebel   bei sich beherbergt hege zu Choura fein Vertrauen. und Rampas 10 Jahre. In den Reihen der so- hatte, während die Polizei diesen an allen Eden zialdemokratischen Vertrauensmänner war die und Enden von Tepliß ſuchte. Auch daß Choura, Ueberzeugung allgemein, daß hier Verrat geitbt als er 1882 im Prager   Landesgericht in Unter worden war, und als der Berräter wurde der fuchungshaft war, jeden Augenblick zum Unter Arbeiter Franz Choura aus Dur bezeichnet, suchungsrichter geführt wurde, kann für die Be der seit 1878 in der sozialdemokratischen Bewegung antwortung unserer Frage nicht ins Gewicht tätig und als feuriger Redner, sowie Anhänger der fallen. Ein schwerwiegendes Verdachtsmoment ist raditalen Richtung bekannt war. Unter den Ge- jedoch das nachstehende: Von Tepliß wurde an nossen jener Zeit fanden sich jedoch einige, die die drei Leiter der Geheimdruckerei durch einen an dem Verrat Chouras zweifelten und selbst nach Boten öfters Geld gesandt. Einmal fuhr nun mit den eingehenden Untersuchungen des neuesten einem Betrage auch Choura. Der Empfänger war der Choura Siftoriters to schechischen Arbeiterbewegung ein gewiſſer Janota in Reichenberg, den hond Nordböhmens, des Genossen F. Caitham, dazu bewog, ihn in die Druckerei der Ort war fann eine endgültige Antwort auf die Frage, ob Choura ein Verräter gewesen ist oder nicht, durchgefügt, von denen ich hier eine einzige Probe gebe. aus nicht erteilt werden.") Es ist nur schade, daß es sich Genosse Cajthami nicht versagen kann, gegen die deutsche Sozialdemokratie *) Das Buch Cajthamls Český sever ve wegen der Meinungsverschiedenheiten in einer hnutí dělnickém"( Der tschechische Norden in der Weise zu polemisieren, die zur Beseitigung der Arbeiterbewegung) Prag   1926, ist ein wertvoller Gegenfäße zwischen uns und den tschechischen Sozial Beitrag zur Geschichte der Entstehung der Arbeiter- demokraten nicht beitragen kann. Cajthaml, der zeit­bewegung in Böhmen  . Cajthaml hat der Darstellung lebens für die Errichtung tschechischer Schulen in dieser Zeit, die ich in meinem Buche Die Ent- Deutschböhmen, gekämpft hat, sagt, daß sich di Die Ent- Deutschböhmen, gekämpft hat, sagt, daß sich die stehung der deutschböhmischen Arbeiterbewegung" Deutschen   deswegen unterdrückt fühlen, weil sie die geschildert habe, eine Reihe neuer Einzelheiten zu tschechischen Kinder nicht mehr germanisieren können.

Stipat, ein Bergarbeiter, war kurz vorher bei Auch der Bergarbeiterveteran Josef Pospider Gründung einer Terroristengruppe im Tur­sil aus Mariaschein   hält Choura für einen Verner Park zu deren Führer gewählt worden. Von räter. Er erzählt in der New Yorker Obrana" den Revolvern, die angeschafft wurden, wurden ( vom 11. Oftober 1923), daß Choura bei einem bei einer Expedition" zwei verloren und Stipat gelegentlichen Aufenthalt in Prag   in der Zelt verlangte Geld zum Anfauf neuer Revolver. Da­nergaffe verhaftet worden war. Choura machte durch zog er den Verdacht der übrigen Ver­dabei einen großen Krawall und verlangte, vor schwörer" auf sich und galt vielen als Verräter. den Polizeipräsidenten geführt zu werden, der An dem bereits erwähnten Tage sollte sich nun ihn sofort freilassen werde. Daraus folgert Stipafs Schicksal erfüllen. Stipak, der in Ossegg Pospisil, daß Choura in Verbindung mit der wohnte, sollte an einer geheimen Zusammen­Polizei gestanden habe- eine Folgerung, die funft in einer Grube nächst dem Bahnhofe nicht sehr überzeugend ist. Die Geschichte mit Tepliß- Waldtor teilnehmen. Die Beratungen dem Namen Schuster erzählt Pospisil ähnlich sollten um neun Uhr früh beginnen, aber Stipak,

wie Vagner.

-

der sonst pünktlich war, erschien nicht. Um drei­Die Frage, ob Choura Verrat geübt habe viertel Zehn fam statt seiner Choura und er­oder nicht, ging den Vertrauensmännern jener zählte, daß Stipaf zwischen den Orten Haan   und Zeit so nahe, daß sie die ganze Angelegenheit Begeholz von einem jungen Manne erschossen noch einmal gründlich erörterten, als ein paar worden sei. Alle Versammelten waren starr vor alte tschechische Genossen, welche die Achtziger Schrecken. Den nächsten Augenblick aber riefen ..Franto, tys ho jahre in der Bewegung mitgemacht hatten, am sie wie aus einem Wunde: 8. Juni 1924 in Dug zusammenfament. So bat zastřelil, ty vrahu!"( Franz, Du hast ihn er­Horaček( Brüg) in der Debatte mit aller Be- schoffen, Du Mörder!") Nur ein gewisser Jung­er hatte stimmtheit daran festgehalten, daß Choura ein mann war ganz bleich geworden, Verräter gewesen sei und F. Cifrein aus nämlich Choura von der Versammlung beim Duy berief sich auf das Zeugnis unseres alten Waldtor Mitteilung gemacht. Welche Rolle