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6. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.
Dienstag, 8. Juni 1926.
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Nr. 133.
Oswald Hillebrands Gang zu Grabe Grabe- eine eine gigantische Trauermanifestation zehntausender Arbeiter in Karlsbad für den geliebten großen toten Führer.
Am Sonntag, an einem strahlenden Son- sei die Scharte ausgeweßt und zugegriffen. Im nentag, haben die judetendeutschen Arbeiter den einzig würdigen Andenken an Hillebrand, der Leib jenes Mannes in die dunkle Erde gesenkt, in seinem Stämpferdasein auch nicht ein einvon dem wahrlich das Hamletwort gilt: Ihr ziges Mal seine Pflicht nicht erfüllte, der den werdet nimmer seinesgleichen seh'n. Die Ar- Degen nicht eine Stunde aus der Faust ließ, beiter haben es im Herzinnersten gefühlt, daß bis ihm grausam die Krankheit und noch grauda ihre herrlichste Fackel verlöscht war, und sie samer der Tod ihn entwand. haben Hillebrand ein Begräbnis bereitet, von Noch zittert in uns voll Weh der Grabfolcher Größe und Wucht, von solcher Dramatik gesong für Hillebrand: Ein Sohn des Volfes und Poesie, und doch wieder auch voll solchen will ich sein und bleiben. Ehren wir das GeStampfgeistes, wie es eben nur die Massen des dächtnis dieses wahrhaft großen Volkssohnes, Volkes ihren allergrößten Söhnen bereiten indem wir selber dem Volke geben, was mur können. Fürwahr, diese Leichenfeier, nur zu immer in unseren Kräften steht. Wer nicht sein vergleichen mit der für Seliger, hat es der Welt bewiesen, daß Hillebrand in den Hirnen und Herzen seiner Brüder und Schwestern sich ein Monument gebaut hat, das fein Sturmwind niederreißen kann. Daß sein Werk unvergänglich ist und in der Erinnerung und im Dank, als Beispiel und Appell, fortleben wird. Vom Grabe, von der Stätte des Schmervon Generation zu Generation des deutschböh- zes, an die Front! Die Bitterfeit des Leids, mischen Proletariats.
ganzes Feuer für den Sozialismus verbrennt, wer es nicht täglich von neuem in den Herzen der anderen anzuzünden versucht, wer lau bleibt oder abseits steht, der hat wenig Recht, um Hillebrand zu trauern und sich des unvergänglichen Reichtums zu freuen, den er uns hinterließ.
die uns ja immer wieder überfallen wird, sie weiche der Lust zum Kampfe gegen die Welt von Feinden, die uns umgibt! Feldruf: Hillebrand, Losung: Sozialismus!
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Die Ausbahrung.
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drei Parteivorsißende, fünf Parlamentarier. Solche Arbeiter zu beiden Seiten der Straßen in Verluste wären auch für jede andere Partei ein je drei Reihen Spalier, das sich hinter schwerer Schicksalsschlag. Wir aber find zu wenige dem Zuge, der in Sechserreihen schritt, einrollte. auf diesem karstigen Kampfboden und deswegen be- Hinter dem Spalier aber, auf dem ganzen Wege, deutet der Verlust jedes einzelnen, wer immer es den der Kondukt nahm, standen ungezählte Tauauch sei, ein Unglüd. Furchtbar aber ist es, wenn sende, fast durchyvegs Proletarier. Tausende roter der Tod auf die Köpfe unserer führenden Menschen, Nelfen bewiesen, daß sie alle gekommen waren, nach unseren Besten greift. Und ein solcher war um als Hillebrands und unsere Freunde ihm den Oswald Hillebrand. Nach dem Umsturz unfere stol- letzten Gruß zu bieten. Die Zahl aller derer, die zeste Zukunftshoffnung, der gewaltigste Kampfrufer so oder in dem endlosen Zuge an der Bestattungsvon uns allen. Er war, auch noch als er frant war, feierlichkeit teilnahmen, spottet dem Versuche gedie wehende Fahne, zu der sich die Ar- nauer Feststellung. Zwanzigtausend, dreißigtaubeiterschaft hingezogen gefühlt hat send oder noch mehr niemand kann es sagen. und zu der sie mit Stolz aufblidte. Wir verlieren Das proletarische Karlsbad , das sozialdemokraan ihm den herrlichsten Rameraben, den tische Westböhmen, die deutsche sozialdemokratische hilfsbereitesten Rampfgefährten, ihr alle und beson Arbeiterschaft der Tschechoslowakei begleitete Silleders ich, den besten Freund, den Mann, der uns brand auf seiner leyten Fahrt, so gewaltig, so alle geliebt hat und den wir alle liebten. Darum imposant und mit solcher Massenmajestät, wie fönnen wir alle fagen, daß wir mit Hillebrand auch bisher nur ein Sudetendeutscher bestattet ward: ein Stüd unseres Herzens mit ein Josef Seliger . fargen.
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Der Kondukt bewegte sich von der Invalidenstraße durch die alte Bahnhofstraße und Hauntftraße beim Zollamt vorüber zum Friedhof.
Auf dem Friedhofe.
Wir sind ärmer geworden und wir können das nur wettmachen, wenn wir uns noch enger zufam menschließen und durch gemeinsame Arbeit diese Lücke auszufüllen versuchen. Sonst aber ist die Lüde, die er hinterläßt, unausfüllbar, seine Wirkfamkeit unter und unvergeßlich, das Andenken Dort, wo die herrlichen Fluren und Berge an unseren Freund unverlierbar, sein Lebenswert des Egerlands und des Erzgebirges herübergrüßen, unvergänglich. In unserem Herzen hat er sich das liegt der Hügel, der den sterblichen Teil Hilleschönste, bleibendste, ehrendste Andenken geseßt. brands aufnahm. Zur Seite des offenen Grabes Stehend, in stummer Ergriffenheit, hatten die standen die Fähnriche. Wie aus einem unend Teilnehmer der Trauersizung die erschütternden lichen Strom füllte sich unaufhörlich der weite Worte mit angehört, die in aller Tragik zum Be- Gräberplatz. Dier unten ist Friede", wußtsein brachten, was mit der Arbeiterschaft ins- sangen mit einer Wehmut und Innigkeit, die ihr besondere unsere Führer und Vertrauensmänner innerstes Fühlen widerspiegelte, die Sänger. Der an Hillebrand verloren.
Die Zeremonie vor dem Hause.
Schrein wurde in die Tiefe gelassen, die Fahnen senften sich über der Grube.
Als erster sprach im tiefsten Schmerz, packend und rührend Genosse
Und das ist es, was allein den brennenden Schmerz in unserer Brust lindern fann, was trotz der furchtbaren Schicksalsschläge, die auf uns niederjanjen, uns immer wieder die Gewißheit des Vorwärtsschreitens und des künftigen Sieges gibt: das heiße Dankgelöbnis, das die Zehntausende vor dem offenen Grabe Hille- Karlsbad , Mittelpunkt der Arbeiterbewegung brands niederlegten, das unverbrüchliche Treu- Weſtböhmens, und doch sonst von allem seinem gefühl, das dort aus jedem einzelnen und aus äußeren Eindruck nach Stadt der Reichen und des der Masse deutlich, elementar fühlbar sich er- Lurus, hatte Sonntag sein Gesicht verändert: der hob, das galt nicht allein dem Gefällten, son- Tod Hillebrands, der eine gewaltige Wirkung im dern ebenso und mit aller Singabe der herr- am Sonntag das Gepräge der Stadt. In dem ganzen Streis ausgelöst hatte, veränderte vollends lichen Idee, die eben in Hillebrands Erden- Viertel um das Parteihaus wallten von den wallen. im Wirken seiner Persönlichkeit und frühen Morgenstunden angefangen, einzeln, in seines Menschentums den wundervollsten Aus- Gruppen und Zügen Tausende von Arbeiter und Zwischen 1 und 3 Uhr vollzog sich der AufDr. Ludwig Ezech: druck fand, der Idee des Sozialismus. Indem Arbeiterinnen zu der Stelle, wo sie zum legten marsch der Arbeiter aus Bezirk und Kreis vor Wir rufen es hinaus in die fernste Arbeiterstube: wir verlieren, besitzen wir. Bei Hillebrand wird male in das nun bleiche, tote Antlitz des feuerbe- dem Trauerhause. Punkt 3 Uhr setzten die das oft gebrauchte, nachrufende Wort, daß der feelten Führers blicken konnten. Rote Nelken, rote Bläser vom Balfon des dritten Stockwerkes Wir haben Oswald Hillebrand ver Körper stirbt, aber der Geist lebt, Fleisch und Nelfen ein ununterbrochener Zug zum Hause herab mit einem majestätischen Ba ch- Choral loren! der„ Graphia", in dessen Flur der schwarze ein. Tiefe Stille lagerte über der breiten, langen Dieser Aufschrei aus wundem Herzen: Er wird Blut: denn hier wallt aus dem schwarzen Statafalf, umzäunt von Blattgrün und Blumenrot, Straße. Dann stimmten 300 Sänger der Gaue nun das se la gelied der sudetendeutschen Arbeiter. Grabe eine rote Fahne, die nie aufhören wird. stand. Ein Fensier des Sarges ließ den Blick auf Karlsbad und Falkenau, unter ihrem Dirigenten, schaft werden. Monatelang hat ihn der Tod umkreist, zum Stampfe zu zeigen und mitreißend den tas Saupt Sillebrands offen. An der Ehrenwache Genossen Richter, den tief erschütternden Chor an: doch er hat dieser Belagerung mit eiserner Zähigkeit Truppen der Revolution zur Schlacht voran der Roten Wehrmänner und der Arbeiter- Turner Ein Sohn des Volfes will ich fein". widerstanden, ihr trotzig die Stirne geboten. Monatezufliegen. vorbei zogen ohne Unterlaß von 9 Uhr früh bis Seller Sonnenschein, der während der ganzen lang hat er alle Voraussagen der ärztlichen Kunst zuJa, gewiß, das Banner steht, wenn der 3 Uhr nachmittags die Männer und Frauen des Feierlichkeit anhielt, und die schwarze Fahne, die nichte gemacht und selbst, als der schwächliche Körper Mann auch fällt. Dennoch: es heißt ehrlich Volfes, um von dem gütigen Gesicht Abschied zu vom Hause mächtig im Winde wehte, machten den bereits verzehrt war, nur noch mit dem bloßen Wilsein und sich einzugestehen, daß unsern Sille- nehmen. In Ehrfurcht vor der Majestät des Kontrast zwischen Tod und Leben mit doppelter len, nur noch mit seinem glänzenden Herzen weibrand seine Fahne nicht erseyen kann. Wir Todes schritten sie hinein, erschüttert von Schmerz Wucht fühlbar, und es blieb wahrlich kein Auge ter gelebt, bis er dann mitten in diesem heroischen verlieren, wir besißen. Aber von denen, die kamen sie wieder und viele, viele Tränen flossen. trocken, als man den Sag vorübertrug, um ihn Kampfe, der an dramatischen Augenblicken überreich In den Mittagsstunden standen die Menschen auf den Wagen zu heben. Es war, als fame es war, ruhig und friedlich entschlief und die gütigen neben Fähnrich und Führer Hillebrand als dicht gedrängt in hunderten vor dem Tor ein einem jetzt erst voll zum Bewußtsein, daß uns Augen für immer schloß. Er starb, wie er lebte, als Soldaten gekämpft haben, fallen Jahr um Jahr Massendefilee, wie es die Stadt bei solchem Anlaß Hillebrand unwiederbringlich verloren ist. Hunderte. Neue Menschen kommen in unsere wohl kaum je gesehen hat, und das die ungeheure Heihen, die ihn nicht fennen und denen die Liebe der westböhmischen Arbeiter für Hillebrand Geschichte niemals so starf zum Erlebnis wer- bewies. den kann, wie uns das Leben. Sie, die niemals miterleben durften, wie Seliger, Čermak und Hillebrand ihre Schwerter führten, ihnen Um 1 Uhr nachmittags trat im Sigungssaale muß dennoch einmal das sozialistische Schwert anvertraut werden. Und in diesem Sinne iſt der„ Graphia" eine Trauerfißung des Parteivor ſtands, unserer beiden parlamentarischen Frafder Verlust Hillebrands für die gesamte deutsche tionen und der Karlsbader Kreisvertretung zuArbeiterbewegung in diesem Lande so ungemein fammen. Schwarzer Flor verband an der Stirn schwer, scheint er so unerjeßlich zu sein. Da feite des Saales die Bildnisse Margens und hilft, Genossen, nur eines: über dem geschlosse- Engels, Seligers und Hillebrands. Dumpfes nen Grab auch die Lücke zu schließen, einzu- Schweigen, tiefster Schmerz lag über der Verspringen mit aller Kraft unseres Willens, mit fammlung und es schien, als hätten alle einen aller Stärke unserer Ueberzeugung, allem Opfer- Aufschrei unterdrückt, als der Vorsiyende der mut unseres Glaubens. Keiner von uns kann Partei. einen Hillebrand aus sich machen; aber jeder bon uns kann das edle Gefühl, mit dem wir unter Sillebrands Bild trat und mit tränenerstidihn betrauern, zur Tat werden lassen, und so ter Stimme zu sprechen begann. Er sagte etwa: wie er, sein Leßtes, Bestes hergeben für die Partei. Erforsche jeder sein Gewissen und frage| sich, ob er wirklich bisher und jederzeit alles Aetan für die Sache der Arbeiterschaft| hat,
zu tun in seinen Sträften stand. Und dort, wo bie Antwort das Gewissen unbefriedigt läßt,
Trauerligung.
Genosse Dr. Czech
Dem Wagen, der den Sarg aufnahm, voran wurde ein Wagen mit Seränzen bedeckt; Seränze des Parteivorstandes, der beiden Klubs des Abgeordnetenhauses, der Kreisorganisation und der Bezirksorganisation Karlsbad , der Arbeiterschaft von Jägerndorf und der Angehörigen des Verftorbenen. Alle anderen Kranzspenden waren beschlußgemäß durch Spenden für den Hillebrandfonds abgelehnt worden.
Der Kondutt.
Kämpfer. Harmonisch fügen sich auch die letzten Stunden seines lampfreichen Daseins in sein herrliches Lebensbild ein.
So ist denn Oswald Hillebrand mit seinen Freunden und Waffengefährten Josef Seliger und Karl Cermat im Tode wieder vereint. Wieder öffnet sich ein frisches Grab, in das wir nach so vielen schweren Tributen der letzten Jahre nun auch noch unser Bestes, die schönste unserer Zukunftshoff
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nungen, unseren Ossi, den Liebling der nordböhmischen Arbeiterschaft betten.
Das Hinscheiden unserers Führers hat uns, ob. wohl es durchaus nicht überraschend fam, tief in das An der Spitze des Zuges, der sich nun in Herz getroffen, bis in unser Innerstes erschüttert. Bewegung setzte, marschierte die tote Wehr. Wohl wußten wir, daß seine Gesundheit aufs Ihr folgten die Arbeiter- Turner mit den Schwerste unterhöhli, sein Lebensnerv fast vollständig Fahnen, Turnerinnen, wieber Turner, dann unterbunden ist, aber Sillebrand hatte bisher immer die Sänger und beim Blumenwagen die ju- noch allen Krankheitstüden getroßt, sie überwunden, gendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen. Sinter sie besiegt. Er hat uns schon einmal ein großes ärztdem Sara gingen die Familienangehöri- liches Wunder erleben lassen, wir warteten mit an gen, dann in einer Reihe mit den Mitgliedern gehaltenem Atem auf das zweite. Noch vor kurzem bes Parteipräsidiums die Abgesandten der Inter - ist er nach schwerer Krankheit neu belebt- wieder nationale, der österreichischen und der tschechischen in das Stampffeld gestiegen. Wie in den besten Jah Von dieser Stelle aus will ich namens des Bar Sozialdemokratie. Es folgten die übrigen Mit- ren, hat er sich mit alter Leidenschaftlichkeit, mit all teivorstandes und der Klubs, denen unser Toter glieder des Parteivorstands und der Klubs, die dem Schwung und der alten hinreißenden Hingabe feine besten Sträfte geliehen hat, von ihm Abschied Delegierten des Genossenschaftstages, die weiteren wieder ins Kampfgewühl gestürzt, durch die Gewalt nehmen und ihm danten. Wir haben in sechs Jah Delegierten und die Organisationen. Vom Hause seiner Rede, durch die zündende Glut seines Herzens
Werte Freunde!
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ren drei unserer bedeutendsten Führer verloren; der„ Graphia" durch die ganze Stadt standen die die Massen begeistert und damit neue Proben seiner