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6. Jahrgans.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Der Judaslohn.

Sonntag, 20. Juni 1926.

Bezugs Bedingungen: Bei Zustellung ins Haus oder bei Bezug durch die Post:

monatlich.... 16.­

sierteljährlich

halbjährig.

ganzjährig.

48.­

96.­

192.­

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Erscheint mit Ausnahme Des Montag täglich irish

Nr. 144.

Riesentrach bei der Rongrua Abstimmung.

Durch Provokationen Rojets hervorgerufen.

trug

1

Wiederholter Sturm auf das Bräfidium. Parlamentswache in Tätigkeit.

-

Selten ist Empörenderes, Aufreizenderes geschehen, als es das Tauschgeschäft zwischen Zöllen und Kongrua ist. Der schäbigste Börsen­jobber ist ein Waisenknabe gegen unsere von christlicher Gesinnung und Nächstenliebe trie­fenden Klerikalen. Von den Kanzeln lehren sie, senen Debatte über die Kongrua, die von vormit- tion das Zeichen für ihre Abstimmung geben zu Prag, 19. Juni. Nach einer ruhig verlau-| gleichfalls auf die Tribüne, um auch der Oppoft- und Zivil- und Parlamentsange­stellten nicht nach Schäßen Sehnsucht zu tragen, die tag bis in die Abendstunden dauerte, kam es lönnen. Daraus entwidelten sich wieder hefzu sehen, der sich immer dichter zusammenballte. ,, von Rost und Motten gefressen" werden, aber abends bei der Abstimmung zu tobenden Aus- tige Kontroversen zwischen Mehrheits- Genosse Kaufmann geriet mit einem Polizisten sie scheuen nicht davor zurück, einen im tiefsten brüchen der Empörung unter der sozialistischen und oppositionellen Abgeordneten, die einen direit in ein Handgemenge. Grunde unmoralischen Handel zu schließen, Opposition, die auch die letten Krawalle bei der neuen Einmarsch der Polizei Schließlich blieb dem Vorsißenden doch nichts aus dem den wohlgenährten Dienern der Stirche 3ollabstimmung noch in den Schatten stellten. rund zweihundert Millionen Kronen als Reb- Schon während des Schlußwortes des Ve- zur Folge hatten. Besondere Entrüstung erregte die ganzen Szenen verursacht hatte, zum zweiten­Be anderes übrig, als der Wache, deren Erscheinen bach zufallen. Die Klerikalen jagen, den Geist- richterstatters Dr. Noset, des berüchtigten es, daß neben den uniformierten Polizisten auch die ganzen Szenen verursacht hatte, zum zweiten­lichen gehe es schlecht, viele leiden jogar Rot. Polizeiministers der Regierung Svehla, fangen Geheimdetektive in Zivil mitmachten mal den Befehl zum Abmarsch zu geben und Wäre das wahr, so würde die Stirche damit die Kommunisten Spottlieder, während nach Be- und den Versuch unternahmen, die Tribüne von schließlich auch, nachdem die Krawalle fortdauer­ten, die Sigung vor zehn Uhr zu unterbrechen.- nur ihre eigene Schmach enthüllen, denn es steht endigung des Referates die tschechischen National- den sozialistischen Abgeordneten zu räumen. Wie man später aus der amtlichen Korre Das zweite Erscheinen der Polizei brachte sozialisten und Sozialdemokraten stehend das doch nichts im Wege, daß zwischen dem riesigen slied jangen. Ein Rommunist eng eine die Erregung vollends zum Sieben: Von unseren Einkommen der Stirchenfürsten und den Bezü- Standarte herum, die die Verbrennung des Hus Genossen waren insbesondere Kaufmann, de gen der kleinen Geistlichen eine Ausgleichung zeigte. Immerhin beschränkten sich die oppositio- Witte, Grünzner und Roscher nicht mehr erfolge und längst schon hätte erfolgen können. nellen sozialistischen Paricien aller Schattierungen zu halten und stürmten auf die Tribüne Niemand hätte auch das Geringste dagegen ein- zunächst auf heftige Demonstrationen, Buttdedel in ani, ebenso auch viele Abgeordnete aus den zuwenden, wenn die Religionsgenossenschaften fonzerte usw., bis der flerifale Berichterstatter übrigen sozialistischen und kommunistischen Bän­ihre Angestellten in jeder nur beliebigen Höhe Noset eine unerhörte Provolation vollzog, in- fen. In einem Augenblick kam es zu einem entlohnen würden. Das wäre alleinige Sache dem er den Referentensitz verließ und sich neben Handgemenge mit der Polizei, der betreffenden Gläubigen. Aber die Kirche den Vorsißenden stellte, um bei der Ab­greift nach dem Staatsgut und die Stleri- immung zu soufflieren und sozusagen an wobei einige Geheimpolizisten aus dem Saale ge­kalen haben zu diesem Zwecke ein Handelsge- Abstimmung durchzuführen. Stelle des Präsidenten Dostatek die drängt wurden. Schließlich war die Präsidenten­estrade nur mehr schäft abgeschlossen, das auf der sittlichen Höhe In diesem Augenblick drangen zwei Kommu­eines ostgalizischen Pferdehändlers steht. Die nisten zum Präsidium vor und forderten dieEntfer Agrarier geben den Klerikalen die Kongruaer- nung Nosels, der sich aber statt bessen mit ihnen höhung: das ist der Judaslohn, um den diese in eine heftige Kontroverse cinließ. Infolgedessen das christlich gläubige Volf, das sie zu vertre- stürmten weitere Abgeordnete aus allen sozialistis ten behaupten, an die großagrarischen Wucherer fchen Parteien zum Präsidium hinauf, wo sich über ausliefern. Damit es den Pfaffen und ihren erregte Auseinandersehungen Köchinnen noch besser ergehe, helfen die Schwar- spielten. Es kam zu einem förmlichen Sturm auf zen die Not der Aermsten der Armen vergrö- die Miniſterbank, worauf sofort die offenbar be­Bern. Das ist in der Praris das von den Kle- reitgehaltene rifalen gepredigte christliche Sittengeset"!

Polizei einmarschierte.

Sozialdemokraten assistierten ihr.

ab

ein wirrer Knäuel von Abgeord= neten ,, Polizisten in Uniform

Das Haus setzt um halb 10 Uhr die Debatte die Kongrua fort. Erster Redner ist Genosse Schweichhart:

der u. a. ausführt:

Jungsbezüge nach Analogie der staatlichen Pragmatikalbeamten eingeführt.

Der Staat muß mit vollen Händen mehr geben, ohne daß er nach erhöhten Leistungen auf der anderen Seite auch nur fragen darf;

spondenz ezjah, hatte es Dostatek inmitten dieses lärms, in den fich Pfeifen, Schreien, Trompeten öne und Glodentöne zu einem schrecklichen Miß­lang vereinigten, doch zustande gebracht, die, Ab­timmung zum Abschluß zu bringen, wobei auch einzelne Abänderungsanträge und Resolutionen angenommen wurden, darunter eine Resolution Frante, daß die Regierung binnen 14 Tagen einen Gefeßentwurf über die Trennung der Kirche

vom Staat(!) vorlege.

Gegen 11 Uhr wurde die Sihung unter völliger Stille wieder aufgenommen. Malypetr bedauerte in einer furgen Erffärung die jüngsten Ereignisse und schloß nach fünf Minuten dic Sigung.

er muß auf Befehl der jetzigen Mehrheit eine Fürsorge für die Geistlichkeit entwidein, um die si die anderen sozial wichtigeren Berufsschichten bestimmt beneiden. Trop aller politischen Wandlungen und Umwäl zungen sind heute Säbel und Meshavedel cbenso ein Reitsymbol der tschechoslowaki= schen Republik geworden, wie sie es einst in Oesterreich gewesen sind.

Genosse Schweichhart erläutert sodann an

und später Thomas von Aquino suchten Beweis für die Notwendigkeit der päpstlichen Weltherrschaft zu erbringen. Letztes Ziel der Alerifalen ist und bleibt affo: Klerifalen ist und bleibt also: Der Staat ist der Diener der kirchlichen Macht;

In der bürgerlichen 1848er- Revolution; durch das Konkordat vom Jahre 1855 wurde die Schule in vollem Umfang der Geistlichkeit ausgeliefert. Ich bin überzeugt, daß man auch hier danach streben wird, cin Konkordat zwischen der Tschechoslowakei und Rom abzuschließen.

Desterreich gelang dies nach der Niederwerfung

Das Zollgesetz war der erste Streich und der zweite folgte gleich. So kann man heute Zu der Infamie, die in diesem verruchten Nun ging erst recht ein furchtbarer Lärm ungefähr mit Wilhelm Busch , dem großen deut­Schacher gelegen ist, gesellen die Klerifalen los. Die in den Bänken verbliebenen Abgeordne- fchen antiklerikalen Sumoristen sagen, wenn auch die Heuchelei. Sie stellen sich unzufrieden ten der Opposition hämmerten auf die Pulte. Un man sieht, daß die Mehrheit jetzt daran geht, der mit dem was sie mit der Kongruaerhöhung den sere Genossen überschütteten die Deutschbürger- Geistlichkeit den ihr zukommenden Ertrag jenes Sand eines geschichtlichen Rückblides die Ent­Steuerträgern abknöpfen und behaupten, es lichen, die an diesen Vorfällen mitſchuldig find, schmuzig materialiſtiſchen Geſchäftes zuzuschanwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und sei immer noch viel zu wenig. Sie suchen damit mit heftigen Vorwürfen, schlugen mit Altenbüin zen, das seinen Ursprung in dem Wahlsiege der Kirche. Seit Jahrhunderten kommt das Streben deln auf die Pulte los und verlangten stürmisch reaktionären Parteien vom 15. Novemb. 1925 hat. der katholischen Kirche nach Oberhoheit über Stimmung für weitere, fünftige Schröpfungen den Abzug der Polizei. Der geweiene Minister Nachdem die Großzagrarier bereits ihr Schäfchen Staat und Menschen ganz flar und unwiderleg­zu machen wann hätte der gute Magen der Frante bearbeitete seine Bank mit dem Pult- ins Trockene gebracht haben, wird nun in Form lich zum Ausdruck. Schon der heilige Auguſtin Stirche je genug! und sie möchten den Ein- deckel, Frau Zeminova zerschlug gleichfalls der Kongrua die Geistlichkeit befriedigt. druck erwecken, als geschähe ihnen sogar Un- ihr Pultbrett und hämmerte mit einem Bruchstick Natürlich auf Kosten der breiten Massen! recht! Tatsächlich wird der Unterschied zwischen auf die Ministerbank ein. Der Nationalsozialist den bisher gezahlten und den gestern vom Ab- Bergmann schleudert ein dickes Attenpalet Geld ſtinkt nicht, auch für die allerfrömmsten geordnetenhause beschlossenen Bezügen derart gegen das Präsidium, das den Vorsitzenden Do- katholischen Seelen nicht! Die Vorlage, um die es sich heute dreht, groß sein, daß das höchste Einkommen, auf italet an den Kopf trifft. Die Sozialdemokratin der Klerifalismus will die rechtliche Ober­das bis jetzt ein Geistlicher nach langjähriger karpistova bearbeitete ihr Bult mit einer setzt die niedrigsten Einkommen der Geistlichen hoheit über den Staat. Amtszeit Anspruch hatte, sich ungefähr dem großen Ledertasche und die meiſten tschechischen mit einem jährlichen Betrag von 9000 Stronen fest. Dieser Betrag erhöht sich automatisch nach In dem zielbewußten Streben der katholischen Einkommen gleichstellt, das von nun an und Eine gewisse Entspannung trat erst ein, als je drei Jahren um 972 Stronen, höchstens jedoch Kirche, die Menschen zu willenlosen Werkzeugen zwar rückwirkend vom 1. Jänner 1926! ein der Präsident die Wache wieder abmar= zehnmal; dazu kommen noch Erziehungsbeiträge der geistlichen Hierarchie und der kapitalistischen Silfsgeistlicher schon bei seinem schieren ließ, doch kam es sofort zu neuen für Kinder bis 1800 Stronen jährlich. Klaffen zu machen, suchte man in erster Reihe Amtsantritt beziehen wird! Welche Sturmszenen, weil Dostalet mitten aus die­Weiter werden auch Ruhe und Versor- die Schule in die Hand zu bekommen. Beamten oder gar Arbeiterkategorie hat je jer gespannten Situation heraus troßdem die Ab­mals eine auch nur annähernde so hohe Auf- ftimmung fortjeßen wollte, wobei Nosef zvieder besserung ihrer Bezüge erhalten, wie sie hier von der Tribüne die Mehrheit dirigierte, da die den Entjagung predigenden Geistlichen gegeben Enunziationen des Präsidenten nicht zu verstehen waren. Da auch Anträge der Opposition vorlagen, wird! Der Staatshaushalt steht im Zeichen begab sich der tschechische Sozialist nejzlit des Sparens. Das heißt, an den Arbeitslosen, den Kurzarbeitern, den Kriegsinvaliden wird gespart, die staatlichen Angestellten und Arbei- die Fuchtel des Klerikalismus gekommen, er ist| Hochschule erhält, wenn er eine staatliche An­fer werden vielfach mit einem Bettel abgefun- ihm auch tributpflichtig geworden, indem er stellung bekommt, 800 Monatsgehalt, ärzt- Als die liberale Gesetzgebung nach den Niederla­den Pfaffen aber wird mit vollen Sän- seine Diener und politischen Agitatoren aus liche Asistenten noch weniger, ein junger Stap- gen gegen Preußen Desterreich modernisierte, den gegeben. Deren christliches Gemüt fühlt öffentlichen Mitteln bezahlen läßt, noch dazu lan von 24 Jahren aber wird nach dem neuen wurde diese forts ittliche Gesetzgebung sich nicht im geringsten durch, die erschütternde in einem unerhört hohen Maße. Die Geistli- Kongruageseß mit den Stolagebühren und der Papste verdammt und für ungültig erklärt. Von allen Kanzeln wurde damals in Desterreich Tatsache beschwert und belästigt, daß sie ihr chen werden nach dem Stongruagejet die best- Naturalwohnung 2000 erhalten! Der Judaslohn, den sich die Klerifalen gegen die freiheitlichen Gesetze gepredigt und zum höheres Einkommen der von ihnen selbst her- bezahlte Beamtenklasse sein, ohne daß der beigeführten Verelendung der Armen zu dan- Staat auf ihre Anstellung den geringsten Ein- für ihre Zustimmung zu den Hungerzöllen direkten Widerstand aufgewiegelt. Den Kampf fen haben werden. Dabei braucht auch schon fluß haben wird. Die Feigheit und Feilheit zahlen lassen, ist kein geringer. Im Vaterunser um die Macht führt Rom eben, wenn es sein bisher kein einziger von ihnen Not zu leiden, des deutschen und tschechischen Bürgertums hat heißt es:" Gib uns unser täglich Brot", muß, mit allen Mitteln. ! er braucht um seine Eristenz nicht zu zittern es soweit gebracht, daß an Stelle der Regelung die Diener aber des Gottes, zu dem dieses Ge­und über Arbeitsüberbürdung hatte ebenfalls fei- des Verhältnisses zwischen Staat und Stirche, bet emporsteigt, haben aus schnödester Selbst­ner zu flagen. Der Arbeiter muß acht Stunden der Trennung der Kirche vom Staate, die Kon- sucht den Getreidewucherern geholfen, den Ar­und mehr, der Angestellte sieben Stunden täg- gr erhöhung erfolgt, durch den Staat u. Kirche men das tägliche Brot vom Munde zu reißen. Wenn gestern von deutscher Seite auf einen lich arbeiten, bei sehr vielen Geistlichen dage- noch fester aneinandergeknüpft werden. Die Zölle und Kongrua werden in Wochenfrist Raub von Kirchengütern hingewiesen gen beträgt die Arbeitszeit oft nur eine Stunde Selerifalen sprachen das Verbot aus, den Staats- vollendete Tatsache sein, die arbeitenden Massen wurde, so bezieht sich dies jedenfalls auf die Maß­angestellten eine Ausbesserung ihrer Bezüge zu werden das klerikal- agrarische Tauschgeschäft slöfter aufgelöst, aber zu deutsch ausgedrückt nahmen Josefs II. Dieser hat allerdings 800 wöchentlich. Die Bestimmungen des Gesetzes über die gewähren, ohne daß nicht auch die Geistlichen mit ihren blutig erworbenen Groschen zu be- löster aufgelöst, aber zu deutsch ausgedrückt nur deshalb, weil die Insassen gefaulenzt Erhöhung der Kongrua beweisen, daß die kle- eine Zulage erhalten. So geschah es. Und die zahlen haben. Die böse Tat aber wird haben. Während die früheren Habsburger das ritale Reaktion im Staate zur Macht gekommen Bulage für die Pfaffen fiel vervielfacht und muß hunderttausenden Men Eigentum der vertriebenen evangelischen Rebellen ift und daß sie diese Macht zum Beutemachen höher aus, als jene für die Staatsangestell- fchen die Augen öffnen über die rücksichtslos e in zogen, schuf Joſef II. aus dem auf Kosten des arbeitenden Volkes in schonungs- ten. Jeder hat außerdem Anspruch auf eine Judas christen und über die Art Gut der aufgehobenen Klöster die Grundlage für losester und weitgehendster Weise gebraucht. Naturalwohnung. Werden die Gesamtbezüge von Christentum, wie es von ihnen den Religionsfonds. Ueberdies haben die Herren ihre Güter, soweit sie diese nicht selbst Der Staat Husens ist politisch und geistig unter berechnet, so ergibt sich: der Absolvent einer verschleißt wird.

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Die Herren Klerikalen pochen auf ihre historischen Rechte und spielen auch gerne die Verfolgten.