S-ite 3 8. September 1925 Präsident Masaryk über aktuelle politische Fragen. Die Leamteuregierung.— Die Deutschen und die Regierung.— Dokumente, die Vaida betreffen.- Scharker Angriff gegen die Nationaldemokratie.- Vie PrKUevtenwahl. I» einer Unterredung mit einem Redakteur des„Prager Tagblatt" äußerte sich der Präsident der Republik über einige politische Tagesfragrn. Sa sagte er zunächst über die Beamtenregierung. Di« Beamtenregierung administriert ganz gut; wann und wie sich die, verschiedenen Parteien für ihren Anteil an der Regierung entscheiden werden, hängt nicht von mir ab. Ich habe schon unlängst erAärt, daß ich an der Entstehung der sogenannten Beamtenregierung nicht beteiligt war. Die Parteien haben immer die Regierung, die sie verdienen. Ueber das Verhältnis zu de« Deutsche « meinte er: Ich habe über unser deutsches Problem ebenfalls unlängst und öfter- gesprochen; ich könnte das Gesagt« nur wiederholen. Ganz kurz würde ich die Sache so formulieren: die Deutschen haben nicht nur daS Recht, sondern die Pflicht, an der Regierung teilzunehmen; ich glaube, daS versteht sich für praktische, ehrliche Politiker von selbst. Sobald die Delitschen, resp. ein Teil derselben, Regierungspartei werden, stellen sich automatisch die Folgen ein, die sich für alle Regierungsparteien ergeben. Für mich ist die Frage der Mini- sterschaft nicht so wichtig, wie die Frage, ob die Wählerschaft das Borgehen ihrer Führer billigt, ob diese Führer das Vertrauen der Wähler nicht verlieren. Es ist darum der psychologische Moment so wichtig, zu entscheiden, ob die Wähler- schast schon die sogenannt« positive Politik wünscht und hinter ihren Führern steht und ausharrt, wenn diese«ine solche Politik methodisch zu verfolgen die Absicht haben. Sofern es sich dabei um unsere Parteien handelt, hoff« und wünsche ich, daß die Erfahrungen seit dem Umsturz fi« belehrt haben, daß daS freundschaftliche Verhältnis zu den Deutschen und die politische Mitarbeit mit ihnen im Jnteresie der Republik gelegen ist. Interessanter ist, was der Präsident über die Affäre Gajda sagte: „Die Sach« Gajda ist noch nicht abgefchloffrn, ich will Ihnen also nur das sagen, was der wri- t«re« Verhandlung nicht dorgreift. Länge« Zett vor dem Sokolfrst waren Gerüchte verbreitet, daß di« Fasristrn das g«ft z« ihr«« Auftreten benütze«, resp. mißbrauchen wollen. Major K r a t o ch v i l, der gegen Gajda schon feit Sibirien Mißtraue« hegt und über die Gründe desselben in seine« Publikattonr» Andeutungen fallen ließ, hat sich ans Grund dieser Gerüchte entschlossen, seine Rachrichten über Gajda vollinhaltlich zu veröffentlichen. Er suchte Dr. Bo»Lek auf, um sich mit ihm zu beraten. Ich hab« die Sache und die Pläne Dr. BouSrkS erfahren und diesen soglttch ersucht, von der Veröffentlichung abzustehen; nicht die ungünstigen Nachrichten über Gajda wollte ich unterdrücken, nur sollt« die Angelegenheit vo«rst amtlich untersucht werden. Dr. vouöel willfahrt« mir und übergab seine Erhebungen mit Major jtratochvil und So- lovjev dem Ministerium für Nationalverteidigung. Das geschah am S. Juli; am 10. Juli setzte der Minister'»«e dreigliedrige Kommission«in, dir de« Gegenstand administrativ untersuchen sollt«. Gajda war mit diesem schonenden Vorgang einverstanden und wollte für die Zelt während der Untersuchung einen Urlaub erbitten. Aber er hat sein Wort nicht gehalten, vielmehr im„Beier"(13. Juli) ein unwahres und ganz illoyales Interview veröffentlicht. So hat er das erste Signal zu der nachfolgenden Preßhetze gegeben. In Anbetracht dessen ist es ziemlich irrelevant, ob das Ministerium, wie bemängelt wird, durch die Kargheit sriuer Nachrichten gefehlt hat." Später kam der Präsident auf di« Angelegenheit noch einmal zu sprechen und sagte dabei etwas, was für die Oeffentlichkeit etwas ganz neues ist: Soviel ich weiß, hat Herr Lvsejenko Minister BenrS persönlich kein« Aufklärung gegeben. Auf Ihr« Hauptfrage will ich nur so viel sage«, daß wir im Besitze entscheidender russischer Dokument« find." Was dazu zu sagen istunden unsere Leser an leitender Stelle. Seine Meinung über die Fasciste« faßte der Präsident folgendermaßen zusammen: „®ie Fascisten an und für sich sind nicht so bedeutend: es ist wohl daS erstemal, daß sich bei uns eine anonyme programmlose Bewegung geltend zu machen sucht. Ter Fascis- mus ist«ine anonyme Gesellschaft der Unzufriedenen und Zurückgewiesenen mit unbeschränkter . Haftung zur Fabrizierung politischer'Märchen und Räubergeschichten; wohl enthält er eine kleine Dosis von Idealismus seitens derjenigen, die sich durch den angeblichen Kampf gegen die Korruption betören lasten. Bis jetzt haben die sogenannten Fascisten keinen einzigen konkreten Fall von Korruption aufgedeckt und doch versichern sie, daß die ganze Republik verseucht sei. Der FasciSuiuS ist insofern«in ernstes Problem, als er den Niedergang des nattonalen Liberalismus bedeutet.. Der FasciSmus ist der Gradmesser der politischen Des- orientatwn der Bourgeoisie und hat darum auch nur dadurch Bedeutung, daß er unter der Aegide einer Fraktion, der Nationaldemokratischen Partei sich entwickelt hat. Ganz naturgemäß; wenn«in Mann vom politischen Prestige Doktor K r a m a k Jahr um Jahr selbst und durch seine Anhänger einen so persönlichen Kampf gegen den Außenminister und den mythischen„Hrad" führt, wenn dieser Kampf einer Regierungspartei unbehindert lange Jahr^ geduldet wird, so müssen sich schließlich politisch unreife Menschen finden, di« die Anschuldigungen ernst nehmen. Die Fascisten sind Opfer der Nationaldemokratie genau gesagt, der besagten Fraktion der Partei. Ich bedauere daS im Interesse der Nationaldemokratie und der übrigen Parteien. ES ist l«hr- Topqrlght 1024 bei Buchhandlung Schneider u. To„ Dien . Bom Baume des Bösen. LI Bon Marrel Berger. La Tour-Aymon hatte nach der fatalen Eröffnung, die er mir eben gemacht hatte, sein« Ruhe wieder gesunden. Mit bewunWnswerter Selbstbeherrschung, mischte er sich mit mir in das Getriebe der Gäste auf der Terrasse. Tie Erinnerung an alle dies« Vorgänge hawsich in meinem Gedächtnis einigermaßen verwirrt. Ich sehe einzelne Szenen noch vor mir, höre noch diese und lene Antwort, aber an die Reihenfolge der Ereignisse kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Trotzdem glaube ich, daß es zu Anfang unseres Rundganges war, als wir de« Kommandanten Rebeillaud trafen. Er hatte sich eben, militärisch, stramm salutierend und die Hacken zusammenschlagend, von General Lesparrat verabschiedet, der ihn mit unfreundlicher Geste und unzu- friÄene» Worten entließ. „Was ist hier vorgegangen?" sprach ihn Philipp an. Rebeillaud zuckt« wütend die Schultern: „Unglaublich! Er schickt mich schlafen wie «inen Schuljungen, wegen einer Dummheit; tveil ich diesem Deutschen dort, der sich nach Feuer umsah,«in Zündholz gereicht habe." „Wie kle^lich!" „Ich werde von seiner Kleinlichkeit bald genug haben, denn ich ertrage diese Dinge seit zehn Jahren. Dabei verliert der-Herr General schon so ziemlich seinen Einfluß, und ich weiß gar nicht, ob ich bei ihm überhaupt noch Aussicht auf Avancement hab«!" Mein Freund blinzelte mir zu; SSSSMSSSSSSSSSSSSSSSMSSSSS^W«« „Ja, mein glorreicher Cousin hat einen komplizierten Charakter. „Einen verfluchten Charakter!" rief der Kommandant.„Ich frage mich oft, ob ich nicht besser getan hätte, ihn bei Kriegsbeginn sitzen zu lassen und als Truppenoffizier an die Front zu gehen." „Was denken Sie," bemerkte La Tour- Aymon sanft,„und die Gefahren?" „Das ist ja richtig. Aber ich begreife nicht, daß man in einer republikanischen Armee solche Tyrannen duldet! Si« sind allerdings, wie ich glaube, mit ihm verwandt?" „Ich schätze ihn trotzdem ganz richtig ein." Ich hörte zu und fühlte mich ziemlich unbehaglich. Philipp nahm wieder das Wort: „Aber schließlich hat er Ihnen den Befehl gegeben, Ihr Zimmer aufzusuchen... werden Sie ihm gehorchen oder nicht?" „Ich denke nicht daran", sagt« der andere. Trotzdem warf er einen besorgten Blick in die Richtung, wo General Lesparrat saß. „Immerhin, wäre ez nicht besser," brummte er,„wenn wir uns ein wenig aus dem hellsten Lampenlicht enffernten. Man muß ihn nicht provozieren... Seine Tochter, diese Furie, hetzt ihn auf! Und alles nur, weil ich im Kriege zufällig nicht'verstümmelt worden bin." Wir blieben einige Meter entfernt, von einer Gruppe vor» Palmen verborgen, stehen. „WaS habe ich dir gesagt!" raunte Philipp „Du hast bis zum gewissen Grcche recht. Aber wenn man ganz, unparteiisch sein will, muß man anerkennen, daß sich i« dem Leben deines Cousins auch bewundernswerte Seiten finden. Bor allem seine Erfolge im Kolonialdienst." Rebeillaud lachte yell auf: „Auch darüber kann ich Ihnen Verschiedenes erzählen. Ich war Zeuge seiner Methode, europäische Zivilisation zu verbreiten! Sie bestand darin, daß er es verstand, unmittelbar nach seinem Einzug in ein tonchinesisches Dorf die reich zu sehen, wie der Verfall einer Partei den übrigen Parteien wenig Nutzen bringt; ganz besonders gewinnen die sozialistischen Parteien als programmatische Gegner der Bourgeoisie wenig. Bourgeoisie und Sozialisten müssen positiv wetteifern, Prinzipien müssen an Prinzipien sich mesten. Nur so können Parteien lebendig sich erhalten und durch ihren Kampf dem Ganzen dienen. Die Bourgeoisie besteht, auch ist sie wirtschaftlich stark, aber ihre politisch« Organisation ist bedeutend schwächer. Ich weiß, daß auch d?« übrigen Parteien ihre Krisen durchmachen; der Fascis- mus ist der pathologische Niederschlag dieser Krise innerhalb der Nationaldemokratie. Aehnliche Krisen erleben die liberalen Parteien der Bourgeoisie in allen Ländern. Dies« Aeußerüngen des Präsidenten über die Nationaldemokraten werden wohl ihre politischen Folgen zeitigen. Zum Schluffe geben wir die Meinung dcS Präsidenten über die kommende Präsidentenwahl wieder: „Diese Wahl ist nicht meine, sondern Sache der Nation und der Republik ; die Frage der künftigen Präsidentenwahl beunruhigt- mich persönlich nicht im geringsten. Wie glücklich wäre ich, wenn ich der Republik und Demokratie als freier Publizist dienen, meine politischen Erfahrungen journalistisch verwerten könnte! Die Ent- wicklung seit dem Kriege könnte Wohl alle einsichtigen Menschen belehrt haben, worum es sich handelt: aus Sklaven freie Männer zu bilden. Ich weiß, der Ausdruck ist etwas stark, aber er charakterisiert die Situation: die Völker des alten Oesterreichs , Deutschlands und Rußlands sind durch Jahrhunderte vom monarchischen Absolutismus erzogen worden; gerade dies« drei Großstaa- ten sind im Kriege besiegt und zu Republiken umgewandelt worden und darum sag« ich immer, in diesem Sinne müssen wir uns entösterreichern. Notabene, das gilt nicht nur für uns, sondern auch für Sie, für alle Minoritäten. Die Deutschen haben unter Wien ebenfalls gelitten: wohl waren sie oft Regierungspartei, aber sie mußten nur zu ost Wien viel mehr dienen, als ihrer Nation." * Tschechische Blatter über dar Prall« oeale»'3ateroiew. In den Kreisen gewisser Rechtsparteien findet das Interview mit dem Präsidenten lebhaften Widerspruch, während das Zentralorgan der tschechischen Scqialdemokratie den Aeutzerun- gen des Präsidenten zustimmt. Das Abendblatt des„P r a v o L i d u" schreibt:„DaS sachliche und ruhige Urteil des Präsidenten unseres Staates über die aktuellen Probleme und Bor- §'"lle wird in die Oeffentlichkeit sicherlich eruhigung und Mäßigung bringen." ---<j er f[ er|f a f 0„Prarfky Vekernik^ schreibt jedoch:„Die Kundgebung des Präsidenten wird sicherlich«in« große Polemik zur Folge haben. Es sind darin manche Punkte, die gegen ver- schieden« Gruppen in der Republik angriffsmäßig zugespitzt sind." Am schärfsten sprechen sich natürlich die „Narodni Lisch" wegen des Angriffs des Präsidenten auf die nationaldemokratrsche Partei aus. „Der Herr Präsident hat es für notwendig befunden, in einem deutschen Organ eine Kundgebung zu veröffentlichen, welche sicherlich unsere öffentlich« Meinung nicht beruhigen, sondern sie von neuem in Aufregung versetzen wird. Einige Ausdrücke sind geradezu überraschend, ja schrecklich." DaS Blatt veröffentlicht die Kundgebung des Präsidenten vorläufig ohne sonstige Be- merkungen. Die sozialdemokratischen Partei betriebe in Deutschland . 178 Tageszeitungen.— 124 Rotationsmaschiuen. — 394 Setzmaschinen.— 102 Buchhandlungen. — 6641 Augcstellte. Im Auftrage des Parteivorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat die Konzentration A.-G." einen Berich, über die Entwicklung der Partsibetriebe und der Parteipresse im Geschäftsjahr 1925—26 fertiggeskellt. Der Bericht zählt für den Abschluß des Geschäftsjahres 141 Wirtschaftsbetriebe, von denen 129 als Z-itungSverlage z> betrachten sind. Die üll- gen sind Werkdruckereien, Zentralbetriebe ufw. Der Rechtsform nach sind 77 Gesellschaften mit beschränkter.Haftung, 33 offene Handelsgesellschaften, 15 Genossenschaften und drei Aktiengesellschaften vorhanden, während die übrigen als. eingetragene Bereine beziehungsweise Filial-Betriebe bezeichnet werden. Aus einer Tarstellung der wirtschaftlichen Bedeutung der Parteibetriebe ergibt sich, daß 105 Parteidruckereien vorhanden sind. Im acht Fällen werden sozialdemokratische Tageszeitungen in Privatdruckereien hergestellt. Im ganzen werden 129 Parteizeitungen und 47 Kopfblätter, zusammen also 176 täglich erschein nende Zeitungen herausgebracht. Die Einrichtung der Parteibetriebe in maschineller Hinsicht repräsentiert sich in beachtenswerten Ziffern. Es sind 124 Rotationsmaschinen gegen 113 im Vorjahre vorhanden; dazu kommen 394 Setzmaschinen gegen 336 im Vorjahre. Außerdem werden 353 Schnellpressen, 191 Tiegel Und 41 automatische Ticgel gezählt. Hinzu kommen eine große Anzahl der für di« Druckerei«« notwendigen S p e z i a l m a s ch i- ne n und Hilfsmaschinen. Ter Personalbestand ist gegen das Vorjahr erheblich gestiegen, und'war von 5653 auf 6641. Davon sind 963 Personen im kaufmännischen. 4990 im technischen Betrieb. 476 in der RetÄtion und 212 in den Buchhandlungen beschäftigt. Die Gesamteinnahmen der Parieibrtriebe stiegen von 43.2 Millionen auf 5 7.1 Millionen Ma r k. An bet Steigerung sind die Einnahmen für Abonnements und Jmerate, Druckaufträge und Buchhandlung gleichmä^g beteiligt. AuS der Gewinn« und Berlustrechnung der Gesamtbetriebc ist zu ersehen, daß für Löhne und Gehälter im Berichtsjahr-27.8 Millionen Mark auSgegeben wurden. Die Aufwendung für Steuern. betrug 1,853.987 Mark; für Papier und Farbe wurden insgesamt 9.2 Millionen Mark bezahl:. Aus einer Uebersicht über die Vermögenslage der Parteibetriebe ist zu ersehen, daß Grundstücke und Gebäude im Werte von 13.7 Millionen, Maschinen inr Werte von.» 6.4 Millionen, Schriften im Werte von 1.2 Millionen Mark vorhanden sind. Die Bar- und Bank^ bestände betrugen 3.5 Millionen Mark. Tuch Stammkapital ist mit 11.3 Millionen und die Reservefonds mit 6.2 Millionen Mark auSge- wiesen. Die Gesamt-Bilanzsumme sämtlicher Partcibetriebe, die von der Statistik der Konzentration erfaßt sind, zeigt eine Höhe von 36.5 Millionen Mark. Bei der Allgemeinen Beurteilung der Loge der Parteibetriebe ergibt sich, daß gegenüber dem- Vorjahr auf allen Gebieten Verbesserungen er,' reicht worden sind. Gleichzeitig ist festzustellen, daß. di« Gesamtwirtschaftslage auch die Parteibetriebe beeinflußt, und daß ein Rückgang ipr Ertrag festzustellen ist. In den 102 Buchhandlungen und den zwei Buch-Verlagen der Partei wurde ein Umsatz von > 5.2 Millionen Mark erzielt. Durch Unterrichts- Verletzung irgend eines von ihm gegebenen Befehles zu provozieren. Am nächsten Morgen lagen dann fünfzig frisch abgeschnittene Köpfe, die der angesehensten Persönlichkeiten des Dorfes, sorgfältig zur Pyramide aufgeschichtet, mitten auf dem Hauptplatze. Sie können sich vorstellen, wie beliebt Frankreich durch solche Maßnahmen wurde!" „Fürchterlich!" murmelte ich.„Aber seine Rolle in der Schlacht an der Marne ...!" „An der Marne ? Ich war auch dort, an seiner Seite! Ich habe ihn an jenem denkwürdigen 10. September gesehen,-wie er sich, gegen alle bessern Ratschläge darauf kaprizierte, zwei Divisionen, dreißigtausend Mann, in eine angebliche Lücke der feindlichen Linien hineinzupressen. Plötzlich wird gemeldet, daß zwei ganze Korps des Generals von Haesäer unsere vorgeschobenen Truppen umklammert hatten und im Begriffe standen, si« abzuschneiden..." „Ich erinnere mich", sagte ich mit ringe- trockneter Kehle. „Was tat unser General? Wir haben zusammen jenen Tagesbefehl verfaßt, diese drei Zeilen, die damals m der Preffe so kritisch besprochen wurden, den Befehl, bis zum letzten Mann standzuhalten. Darauf brachten wir uns möglichst rasch in Sicherheit und für dies« Heldentat erhielt er das Großkreuz der Ehrenlegion." „Hat man seinen Befehl befolgt?" „DaS will ich glauben! Wir hatten an diesem Tage achtzehntausend Tot « und Vermißte in einem Raume von fünf Zcnttmetern auf der Generalsrabskarte!" „Darunter Freunde von mir", sagte ich leise und dachte an Gilbert Laurent, von dem wir eben gesprochen hatten. z■ Ich bemühte mich, noch eine Entschuldigung zu finden: „Man kann sich irren... „Selbstverständlich kann man sich irren, aber doch nur in gewissen Grenzen! Und nichts ist verloren, so lang aus brave Truppen bleiben, die sich auf unseren' Befehl willenlos hinschlachten lassen." Röbeillaud war in Schwung. Er erzählte, wie der General rm Jahre 17 vierundfürrfzig Jägerbataillons, d« unter seinem Kommando zusammengezogen waren, verboten hatte, sich während der Nacht einzugraben. ,Läger werfen keine Schützengräben auf", hatte fern Ausspruch gelautet. Und so schlugen die deutschen Geschosse systematisch in unsere ungeschützten Leute. Jeder Schuß fetzte drei- bis vierhundert Mann außer Gefecht. Er erzählte uns dann die. tragische Szene, wie mitten in der Schlächterei der Oberstleutnant Armingault zu Lesparrat kam und ihm die Qualen seiner wackeren Soldaten vortrug, die, ohne sich irgendwie aufzulehnen, nur darüber klagten, daß di« Intendanz sie seit vier Tagen- vergessen habe, und daß sie daher, wenn es wieder zum Vorgehen käme, entkräftet sein würden. „Ich war dabei," krächzte Röbeillaud,„ich sehe Armingault noch vor mir... Er stand knapp neben mir. Der General hört« chn an, zog ruhig seinen Revolver und schoß ihn in den Kopf, daß daS Gehirn auf meinen Aermel spritzt«..." „Und desholb," sagte ich entsetzt,„bekommt die Witwe dieses Unglücklichen keine Pension?" Philipp grinste hämisch: „Tausende sind in der gleichen Lage." „Aber," bemerkte Rebeillaud nervös,„ich glaubr-, daß Frau vsn Somalis ihren Dar-.r aufmeül nt gemacht hat, daß ich hier stehe. ES wird klüger sein, meine Herren, wenn ich mich empfehl«. Ich werde unten auf dem Tennisplätze eine Zigarette rauchen. Schließlich kann mich der Kerl;a nicht zwingen, mich wirklich ins Bett zu legen," (Fortfetzung folgt.)
Ausgabe
6 (8.9.1926) 210
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten