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Der Kathederjozialist gegen die Mieter.
Der Regierungsentwurf eines Wohnungsgesetzes, welcher kurz vor den Sommerferien dem
teilen.
Aus einer demokratischen Armee.
Erhöhung der Difiziersgagen. Herablegung der Mannschaftslöhnung.
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16. September 1926.
Grundzinses plus 50 Prozent Baubeitrag und dann fortschreitend noch sechsmal um je 50 Prozent durch die Steigerung des Baubeitrages bis auf 350 Prozent erhöht werden. Den Hausbefibern aber soll außer der Mietzinssteigerung auch noch die Hälfte des Baubeitrages in Form von
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Mit dem Staatsangestelltengesetz wurden Minister der Beamtenregierung unterschrieben Obligationen in die Tasche fließen. Das ist eine Abgeordnetenhause zugegangen ist und nach den gleichzeitig die Gagen der Offiziere und haben, werden die Teuerungszulagen des Militärs so vollständige Preisgabe des früheren StandAbsichten der Regierung offenbar in der Herbst- Rottmeister gewaltig erhöht. Dies ging so weit, vom gewöhnlichen Soldaten bis zum Zugsführer punktes, daß man es nur mit Erstaunen vernehsession zur parlamentarischen Beratung gelangen daß die Zivilangestellten viel weniger Gehalt be- um eine Krone täglich, beim Rottmeister der Re- men kann, wenn Herr Professor Rauchberg den soll, ist auf die entschiedene Ablehnung der So- ziehen, als die Offiziere der gleichen Rangsklasse. serve um zwei Kronen täglich gekürzt! Die Ver- Barlamentariern mit einem Unterton des Vorzialisten gestoßen, während ihm die Bürgerlichen Ein Antrag des Senators Genossen Jokl bei der ordnung tritt am 1. Oktober 1926 in Straft und wurses nachsagt, sie ließen sich nicht nur von sachmit sehr gen. hten Gefühlen gegenütstehen. Die Beratung des Staatsangestelltengesetes im Senat, soll, vom Nationalverteidigungsministerium durch lichen Erwägungen, sondern auch von allerlei tatAussichten auf verwirklichung des Regierungsvor- woran gerade zur rechten Zeit die Troppauer geführt werden." tischen Schlauheiten leiten; ja man ist in VersuDie Beamtenregierung hat sich also ent- chung, dem Rathedersozialisten diesen Vorwurf zuschlages sind also nicht günstig. Unter diesen Um- Volts presse" erinnert. die Paragraphe an den Ausgaben für die Armee zurückzugeben. ständen gewinnt es Bedeutung, daß ein namhafter fallen zu lassen, sowie der Eventualantrag, daß schlossen, Hachmann auf dem Gebiete des Wohnungswesens, diefe Paragraphe erst in Kraft treten bis eine sparen. Nachdem sie von der Gnade der bürger- Herr Professor Rauchberg verzeihe die BeHerr Professor Dr. Heinrich Rauchberg in Erhöhung der Mannschaftslöhnung beschlossen und sichen Parteien abhängig ist, hat sie sich die Praxis zeichnung Kathedersozialist". Nicht wir, sondern einem am 14. September im„ Prager Tagblatte" durchgeführt ist, wurde von der Zollmehr der Fabrikanten angeeignet, welche auch an ihren er selbst hat sie sich beigelegt im„ Sozialdemo veröffentlichten Artikel sich zum freiwilligen Verheit, darunter auch den deutschen Angestellten sparen, indem sie ihnen die Gehälter frat" vom 19. April 1924- und wißig hinzuteidiger der Vorlage aufiwirft und den Parlamen- Christlich sozialen, deutschen Agra- und Löhne kürzen. An der Mannschaft werden ungefügt, Kathedersozialist, das sei ein Mann, der tariern geradezu ins Gewissen redet, sie möchten riern und deutschen Gewerbepartei gefähr 30 Millionen Kronen jährlich von den Bürgerlichen als Sozialist angesehen ihr doch die verfassungsmäßige Zustimmung er- lern niedergestimmt. Im Wehrausschuß erspart. Dreißig Millionen. Was ist das gegen wird und von den Sozialisten als Bürgerlicher. des Senates stand der Antrag des Senators Ge- die Milliarden, welche die Armee kostet? Was ist wie in vielen anderen Fragen haben auch hierin „ Ständen die Parlamentarier sagt Rauch- noffen Jokl auf Festsetzung der Mannschaftslöh- das gegen die überflüssigen Ausgaben, welche auf die Sozialisten recht. Dies geht unter anderem berg wörtlich auf der Höhe ihrer Aufgabe, so nung in dem im Gesetz vom Jahre 1920 fest- dem Gebiete des Nationalverteidigungs- Ministe- auch aus der Argumentation hervor, mit der Herr wäre an der schließlichen Annahme der Regie- gesetzten Ausmaße wohl auf der Tagesordnung, riums gemacht werden? Professor Rauchberg die Mieter zur Zustimmung rungsvorlage nicht zu zweifeln. Sie ist ein in fonnte aber nicht verhandelt werden, weil unter Zum besseren Verständnis sei erwähnt, daß zu dem Regierungsentwurfe bewegen will: jeder Hinsicht hervorragendes Wert; Mitwirkung der drei genannten deutschen Par- die im Jahre 1920 festgesetzte Entlohnung der ,, Sie( die Mieter) müssen einsehen, daß der freilich in manchen Punkten verbesserungsbedürftig, teien die Sizung beschlußunfähig gemacht wor- Mannschaftspersonen bereits im Jahre 1922 durch aber auch verbesserungsfähig." den ist. ein Gesez um die Hälfte reduziert wurde. Die Und damit kein Zweifel sei, daß die von Verteidigung die Kürzung der Teuerungs- baut. Im Gegenteil, diese erhielten ab 1. Jänner Und nun hat das Ministerium für nationale Gagen der Offiziere hat man aber nicht abgeRauchberg gewünschten Verbesserungen, feineswegs einschneidend sind, daß sie an der unge- Während man dem Gajda," so schreibt mit lagen: zu Neujahr 1924 1200 Kronen, Neujahr zulagen bei den Soldaten angeordnet. 1924 jedes Jahr zu Neujahr außerordentliche Zuheuerlichen Belastung. welche die Vorlage den Also die Mieter sollen sich vor der Reaktion Mietern zumutet, im großen und ganzen gar nichts Recht die„ Nova Doba", eine mehrere Zehntau- 1925 fogar 2000 Kronen. In diesem Jahre wurde ändern würden, heißt es an einer anderen Stelle sende betragende Pension dafür umißt, weil er ihnen auch für jeden im Dienst zugebrachten Tag beugen, weil einmal eine noch ärgere Reaktion aus dem Militärdienst hinausgejagt werden ein Kostgeld von über vier Kronen täglich zuge- kommen kann. Wir glauben, daß die Mieter einen ausdrücklich, daß der Entwurf, wenn gleich er sich mußte, während allen höheren Offizieren die billigt. Zu gleicher Zeit hat man versucht, die anderen Weg wählen müssen. Sie müssen, soweit mehr dem Standpunkte der Hausbefiber als dem Gagen erhöht werden, Mannschaftslöhnung weiter ab ubauen, und zwar es noch nicht geschehen ist, den bürgerlichen Barder Mieter annähere, doch eine Mittellinie wurde mit dem Staatsvoranschlag für 1924 die teien den Rücken kehren und die Front der Sozialziehe, mit der man sich abfinden kann. kürzt man den gewöhnlichen Soldaten die Kürzung der Teuerungszulage bei den Mann- demokratie stärken, um den Mieterschutz zu sichern. Herr Professor Rauchberg ist seit langem für Löhnung um 40 Prozent." schaftsversonen um die Hälfte beschlossen. Unser Sie dürfen ihre Intereffen nicht preisgeben, soneinen allmählichen Abbau des Mieterschußes einBisher hat der gewöhnliche Soldat Anspruch| Gen. Jokl hat diesen unerhörten Streich sofort dern müssen für sie kämpfen. Denn der Weg des getreten. Wir wollen hierüber mit ihm nicht rechten, wir würden uns ja doch nicht verstän- auf eine tägliche Löhnung von 50 Hellern und eine aufgedeckt und dagegen energisch protestiert. Neben- Proletariates ist und kann nur der Weg des Klasdigen. Wohl aber möchten wir ihn fragen, wie digen. Wohl aber möchten wir ihn fragen, wie Teuerungszulage von zwei Kronen gehabt. Diese bei bemerkt, blieb er mit dem Protest allein. fenkampfes sein sollte auch dieser Umstand die er seine Zustimmung zu der Regierungsvorlage, Teuerungszulage ist gleich, auch bei der Charge Dennoch hatte der Protest zur Folge, daß das Kathedersozialisten noch so sehr betrüben. er seine Zustimmung zu der Regierungsvorlage, bis zum Zugsführer( nur die Löhnung steigt bis Ministerium für nationale Verteidigung den schon sein so energisches Eintreten für sie mit feinem auf 1.50 Kronen täglich). Die Rottmeister in der vorhandenen Beschluß nicht durchführte. Erst jetzt, eigenen Standpunkt vereinbaren kann, wonach der Reserve haben bis jetzt eine Tageslöhnung von nach fast drei Jahren, wird dieser Beschluß verAbbau des Mieterschutzes eben nur ein allmählicher sein dürfte, nur unter Berücksichtigung der zwei Stronen und eine Teuerungszulage von vier wirklicht. Auch das ist eine Folge der geänderten sozialen Bedürfnisse der Mieter vollzogen werden 7. Juli 1926, veröffentlicht am 28. August in Staate. Auch dafür tragen die 3oll Kronen. In der Regierungsverordnung vom volitischen Verhältnisse, der Machtverhältnisse im fönnte. Am 24. April 1924, in einer Besprechung der Sig. d. G. u. Vdg. unter 160, welche alle parteien die volle Verantwortung. der damals vorgelegten Mieterschutznovelle schrieb Herr Professor Rauchberg:
,, Reine Regierung, die sich nicht mit Selbstmordgedanken trägt, fönnte, solange die Wohnungsnot ungemindert fortbesteht, es wagen, die Mittellinie zwischen den Hausbesizer- und Mieterinteressen, die das Mieterschutzgesetz darstellt, weiter zugunsten der Hausbesitzer zu verschieben, als es in der Vorlage geschehen ist."
Das war 1924. Inzwischen ist die Mittellinie durch die Novelle von 1925 weiter zugunsten der Hausbesitzer verschoben worden, man sollte also meinen, daß Herr Professor Rauchberg ausrufen müßte: ,, bis hieher und nicht weiter," aber nein! Jetzt findet er die Mittellinie, mit der man sich abfinden kann im fünf- oder sechsfachen Friedenszins, also nahezu in der Vollvalorisierung.
Was es zudem mit der berühmten Mittellinie überhaupt auf sich hat, das vermöchte niemand überzeugender darzulegen, als es Herr Professor Rauchberg selbst, in einem früheren Artifel, im Prager Tagblatt" vom 19. Februar 1924 getan hat:
,, Das Mieterinteresse übertviegt... als unbe teiligt an dem Streite scheidet die überwiegende Mehrzahl der Hausbesizer aus, deren Gebäude
Mieterschutz als der letzte Rest der Kriegswirtschaft auf die Dauer unhaltbar ist und irgendeinmal aufhören muß; dann aber vielleicht auf eine für sie noch härtere Weise und ohne die Verwendung der Mehrerträge zur Bauförderung."
Švehla an der Arbeit.
R. W.
Prag , 15. September. Von- großer Bedeutung die Szung des erweiterten Präsidiums der tschefür die künftige Gestaltung der Innenpolitik dürfte chifchen Agrarier fein, die heute stattgefunden hat. Nach den in der Regierungspresse gebrachten Andeutungen sollte Švehla, der sein Amt als hauptsächlich der Landwirtschaft, anderen Erwerbs- den Schuß der wirklich Schwächeren Parteivorsitzender wieder angetreten hat, auf dieser zwecken oder dem eigenen Wohnbedürfnisse dienen hinaus." Beratung ein ausführliches politisches Ervosee erund die daher kein oder nur ein nebensächliches Den Prozeß Rauchberg contra Rauchberg statten und namentlich auch über die VerhandMieterträgnis liefern. Darnach stehen dem muß der Rauchberg von 1926 unbedingt verlie- lungen referieren, die er teils in Karlsbad , teils gewaltigen Heere der Mieter nur ren. Aber auch noch der Rauchberg von 1925 chon in Prag mit verschiedenen Bolitikern hatte. verhältnismäßig wenige Besiger geschlägt ihn glatt. Daneben wird versichert, daß Švehla auch schon genüber, deren Häuser Rentenquellen von sol- In einem Aufsatze Die Finanzierung der ein Programm für die neue Herbstsession in cher Bedeutung sind, daß der Unterhalt des Eigen- Bauförderung"( Prager Tagblatt, 7. Juni 1925) der Tasche habe, das die Fortsetzung der wirt. tümers von ihrem Ertrage wesentlich abhängt. verteidigt Herr Professor Rauchberg gegenüber schaftlichen Konsolidierung des Staates, we tere Ferner ist zu bedenken, daß das arbeitslose Ein- dem beschlossenen Gesetz den Vorschlag des Woh- Sparmaßnahmen und den Ausbau des neuen tommen der Hausbesitzer in der Regel aus dem nungsbeirates, der dahin ging, daß die Mietzinse Steuersystems beinhalte. Für dieses Programm Arbeitsertrage der Mieter entnommen wird. Eine von Jahr zu Jahr um je 20 Prozent erhöht wer- wird eine parlamentarische Mehrheit merkliche Erhöhung der Mieter würde den und die Hälfte der Erhöhung für Bauzwecke gesucht, deren Zusammensehung allerdings noch die Lebenshaltung vieler in Miete weggesteuert werden sollte. Veriräte Rauchberg fraglich ist. Švehla soll nach der Prager Presse wohnender Familien unter das Eri- heute diesen Standpunkt, so könnten wir ihm zwar aber wieder optimistisch gestimmt sein und stena minimum herabdrüden. Eitel nicht zustimmen, denn wir Sozialdemokraten fön- sich der bestimmten Hoffnung hingeben, eine Maist die Hoffnung, daß es den Mietern nen niemals eine prozentuale Wohnbaufteuer, jorität hiefür zu finden, die auf gegenseitigem gelingen werde, die Verteuerung der sondern nur eine nach sozialen Gesichtspunkten demokratischem Einvernehmen beruht. Wohnungen irgendwie zu überwäl- gestaffelte gutheißen, und keine Zinssteigerung zu- Eine allnationale Soalition wird es wohl zen Kurz, der Entgang an Mietzins in gunsten der Hausbesitzer bewilligen. Zweifellos faum werden, ibas Švehla da wieder zusammenfolge des Mieterschutes trifft die Hausbesitzer nicht wäre es jedoch konsequent. Aber er tritt heute fliden will, da die tschechischen Sorialdemokraten so hart wie die Zinserhöhung die Mieter treffen durch laute Anpreisung der Regierungsvorlage schon endgültig abgesagt haben. Die Stellung würde. Sie sind die Schwächeren... Alle dafür ein, daß die Mietzinse am 1. Jänner 1928 nahme der tschechischen Nationalsozialisten wird Sozialpolitit läuft legten Endes auf mit einem Schlage um 50-100 Prozent des sich erst auf dem sonntägigen Parteitag entschei
Ich hatte den lebhaften Wunsch, mich von meiner Copyright 1924 bei Buchhandlung Schneider u. Co., Wien . Umgebung abzusondern. Irgendwie war ich in die Nachbarschaft des Deutschen gekommen: Herr von Weisweiler", fragte ich ihn, ,, unter uns geben Sie doch zu, daß Ihr Vater land der angreifende Teil war?"
Bom Baume des Bösen.
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Von Marcel Berger.
Der neue Zwist, der unvermeidlich zu sein schien, wurde durch das Erscheinen eines Kellners unterbrochen, der uns das nach den Angaben Baron Holbecks hergestellte Getränk servierte. Ich zögerte, mich zu bedienen, aber mein Freund fuhr mich an:
,, Dent an die Milliarden, die sie niemals bezahlen werden, und greif zu!"
Es war eine schiere, kostbare Mischung, füß und gepfeffert, die man mittels Strohhalms aus den widerspenstig durcheinander wallenden Strömungen dickfließender Effenzen und eisgekühlter alkoholischer Flüssigkeiten sog. Andächtig schloß ich die Augen, um mich ganz dem Genusse dieser raffinierten Zusammenstellung hingeben zu fönnen. Als ich sie wieder öffnete, standen meine Gefährten alle schon wieder um den Tisch, ängstlich bemüht, sich Bewegung zu verschaffen, um so mehr, als es nach allgemeiner Ansicht plötzlich empfindlich kalt geworden war.
Wir gingen mit kleinen Schritten spazieren, nur der Oberst war zurückgeblieben und beugte sich an einer Ecke des Tischtuches über eine Zeichmung. Eine geistlose Luftigkeit machte sich breit. Herr von Weisweiler stimmte ein Heidelberger Studentenlied an, dessen Refrain die übrigen im Chore mitsangen. Sie sahen alle wie Ulf treibende alte Studenten aus. Bon Zeit zu Zeit machten fie fomische Anstrengungen, das Orchester zu überschreien, ein Verjuch, der sich jedes mal als bergeblich erwies. Philipp hatte sich ihnen angeschlossen. Sein brennender Blick, der wie das Feuer eines Leuchtturmes im Kreise umherging, traf mich ungefähr alle zehn Sekunden.
Der Großfürst stedte feinen Stopf zwischen uns und schlug sich lärmend auf die Wangen , die er aufblies:
,, Sffft! Sprechen wir von lustigeren Dingen!" Einige Schritte von uns schmiegte sich Rita mit allen Zeichen des Entzückens an die üppige Brust von Frau Hourloubeyre.
Schaut euch dieses Mädel an", rief der Großfürst anerkennend.„ Das Gesicht ist nicht übel, was? Aber ihr Hauptreiz ist zweifellos ihre Kruppe!"
Inzwischen hatte Philipp dem Deutschen meine Frage wiederholt und dieser entschloß sich, uns zu antworten:
" Ich will gar nicht leugnen", sagte er ,,, daß wir euch angegriffen haben. Unsere Verteidigung war eben der Angriff. In Belgien ist übrigens eure Reiterei schon vor uns eingerüdt
Ich brach in ein beleidigendes Lachen aus, das ich sofort unterdrückte, als La Tour- Aymon dem Deutschen ohne weiters recht gab. Ich fragte: Wenn diese Behauptung richtig wäre, hätte sie doch Deutschland von allen Dächern geschrien." ,, Das kaiserliche Deutschland hat dies auch getan", erklärte Weisweiler .
,, Und warum nicht eure Republik?"
,, Wir haben diese Frage einschlafen lassen und erwarten dafür in anderen Punkten Entgegenkommen. Man wird. uns vielleicht nicht zwingen, die sogenannten„ Schuldtragenden" auszuliefern!"
,, Das werden wir erst sehen."
Ich gebe zu, daß mich diese Frage persönlich interessiert, denn ich stehe auf der Liste."
Ein ungeheurer Lärm, den die Musikanten
zur Begleitung eines One Step machten, erstickte unsere Unterhaltung. Nur die gewaltige Stimme des Großfürsten konnte sich noch Gehör verschaf fen. Und wir erfuhren, wovon die Entscheidung in Rußland im letzten Moment herbeigeführt Er selbst hatte eines Abend auf dem Schreibtische seines Cousins, des Zaren Nikolaus, den Utas liegen gesehen, der die Demobilisierung der russischen Armee anordnete. Der Sekretär, der den Befehl weiterzugeben hatte, war abwesend. Am nächsten Morgen war das Schriftstück verschwunden und blieb unauffindbar.
,, Und wissen Sie, meine Herren, wo ich es zwei Monate später zufällig gefunden habe? In meiner Rocktasche!"
Der Großfürst brüllte vor Lachen und warf sich mit solcher Wucht in einen Schaufelstuhl, daß dieser beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Er stieß einen Schrei aus, der das Orchester zum Schweigen brachte.
Nun ließ Philipp selbst verschiedene Serien von Getränken bringen und bewirtete alle. Er beherrschte seine Nerven in einer unglaublichen Weise, hielt die ganze Gesellschaft zusammen und spielte fast die Rolle des Hausherrn und Gaftgebers. Zielbewußt warf er stets neuen Sündstoff in unsere Konversation, wenn sie zu ber löschen drohte. Tatsächlich war die allgemeine Hochspannung auf die Dauer nur schiver zu erhalten, drohte gewöhnlichen Jourgesprächen Platz zu machen und schließlich in seichte Scherze und sinnloses Geschwätz auszuarten. Dagegen fämpfte Philipp mit Erfolg an. Hinterhältig berief er sich immer wieder auf den ungewöhnlichen Rahmen unserer Gesellschaft und fuchte uns zu erklären, daß unsere Situation, hier auf diesem einsamen Felsen, der sich wie eine Degenspitze gegen den Himmel aufrede, uns Verpflichtungen auferlege. Er stachelte unser Selbstbewußtsein und unsere Eitelkeit auf, erinnerte uns unauf
hörlich an die große Rede Titto Vertescus, der uns die Rolle von Göttern auf dem Olymp zutgewiesen hatte. Selbst der Großfürst zeigte sich diesen Argumenten nicht unzugänglich und stellte seine tindischen und lärmenden Spässe ein. Um seinen Ueberschuß an Kraft irgendwie zu verwerten, versuchte er, ein Weinglas in der bloßen Faust zu zerdrüden, ein Kunststück, das ihm nicht gelingen wollte.
Es glückte Philipp wirklich, seine Absicht durchzuführen; die Gespräche flammten immer wieder hell auf und führten zu einem unwahr scheinlichen Austausch von vertraulichen Mittet lungen, zu einem Kreuzfeuer von Schmeicheleien und Sarkasmen. Der Deutsche gab eine pan germanistische Tyrade von sich, die mit einer begeisterten patriotischen Ansprache des Generals Besparrat zusammenprallte. Wortlaut, Stil und Ton dieser beiden Reden waren einander absolut gleichwertig. Auch der Geneval bekannte, daß fein Traum eine wahre nationale Armee, nein, eine militarisierte Nation sei! Als ich den Namen Jaurès aussprach, fielen alle über mich her. La Tour- Aymon tat, als wolle er mir ein Glas ant den Kopf werfen. Weisweiler hielt einen Trink spruch auf die Niederlage der Sozialisten, die man ausrotten müsse wie die Ratten
In allgemeiner Einigkeit erscholl stürmischer Applaus. Aber immer wieder, wie durch ein merkwürdiges, geheimes Schuldgefühl in den Vordergrund geschoben, tauchte die Frage auf, was die Ursachen des Krieges gewesen wären.
Wenn wir schuldig sind", bemerkte Weis weiler in nachgiebigem Zone, so sagen Sie uns, bitte, wie Sie eigentlich über die Engländer, Jhre Alliierten, denken!"
Die Engländer! ich hatte das Gefühl. daß er vor zurückgehaltenem Hasse gegen die englische Vormacht bebte.
( Fortfehung folgt.)