Samstag, 1. Jänner 1927.

Wahrerin, als die einzige unfehlbare Münderin der göttlich geoffenbarten Wahrheit betrachtet. Und mit einer ungeheuer gewaltigen und bewun­dernswerten Festigkeit hat die Kirche alte Glau­benssätze in uralter Atmosphäre verhüllt durch Jahrhunderte getragen, unverrückt, scheinbar un­berrückbar. So hat die Kirche ihre Hierarchie gebildet, eine Organisation, die ihresgleichen faum mehr aufweist auf diesem Erdenrund. Gelenkt, geleitet von einem Willen, der Erbarmen nicht fennt und nicht sekundenlanges Zögern oder Schwanken, von einem felfenbarten Willen, hat die Kirche mit unerbittlicher Folgerichtigkeit alles Neue verdammt, als Reberei verflucht. Ueber allem Grauen z. B. des Albigenserkrieges, des Kampfes zwischen Kaifertum und Bapstium, der Inquisition , ter Bartholomäusnacht, des Dreißigjährigen Krieges steht in mächtigen un­verschobenen Linien der Machtwille der Kirche, er ist derselbe geblieben bis in die allerjüngste Vergangenheit, in die Tage des Moderni­steneides.

Wanderfahrten durch das Riefengebirge.

Einige Erinnerungen.

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Melodie, es plätschert nicht mehr das Bächlein filberklar. Die Bäume ächgen schwer und über den kleinen Graben hat sich eine Eisdecke gezogen. Und wenn der Wind mit den Flocken spielt, da ,, fieht man wieder nicht die Hand vor den Augen". Frühlingsabend vor dem Fronleichnamstag. 1 ganges. Wohl selten ist die Rust so rein und Mar; Jedenfalls aber hat auch das Riefengebirge wäh Während die Dämmerung sich langsam über gar oft wird der Wanderer von den rollenden, rend der Wintermonate feine Anziehungskraft, Berge und Täler breitete, verließen wir die ziehenden Nebelschwaden und den pfeifenden seine Reize. Das beweisen die vielen Sportler, Winden gestört. Wieviele Male kommt es vor, die, mit Rodel und Schneeschuhen ,, bewaffnet", Metropole Ostböhmens, das Lindwurmstädtchen daß der ausblickende Bilger, angelangt auf der während der Wintermonate die Berge und An­Trautenau", und fuhren dem Gebirge zu. Längs höchsten Spitze des Riefengebirges, die Hand höhen von Johannesbad bis zum Gipfel des des Schienenstranges liegen die Proletarierdörfer nicht vor dem Augen sieht". Wenn dabei noch Schwarzenberges bevölkern. Vor allemt unsere Altstadt und Jungbuch, Orte, die durch der Wind heult und die Kälte im Sommer Arbeitersportler verbringen dort draußen im tie­ihre alten und mächtigen Kampforganisationen, bis unter die Fingernägel kriecht", dann sucht fen Schnee einen Teil ihrer freien Stunden, die schon in den Jahren 1897, 1906 und 1907 er gern den Schuß der beiden Bauden" auf( auf ſtählen den Körper und aimen die frische, reine der Schneckoppe gibt es eine preußische" und Luft. manchen Strauß mit dem beutegierigen, rüd eine tschechoslowakische"" Baude und eine Wet- Aber etwas anderes fällt uns ein. An die­fichtstofen Unternehmertumt, den brutalen Flachs- terstation mit Tuam, von wo man bei besonders sen Weihnachtsfeiertagen fuhren nicht nur die­und Jutebaronen, ausgefochten haben, weit über flarem Wetter mit einem guten Fernrohr diejenigen nach Freiheit- Johannesbad, welche wirk­die Grengen Oftböhmens bekannt sind. Unser deutschland bliden fann), vorausgesetzt, daß sie cine andere Sorte von Menschen. Ausgestattet Türme von Prag und weit hinein nach Süd- fich Körperpflege betreiben wollen, sondern auch Denken über das Werden dieser stolzen Bewegung nicht verschlossen oder überfüllt sind. Da er mit der modernsten Sportlerdreß, am Rüden die Und trotzdem und dennoch: der Mensch er wird plötzlich durch das Anhalten des Dampf- tönt ein Glodengeichen und einige Minuten spä neuen Schneeschuhe, so spazieren sie in die Berge. fannte auf einmal, daß die wunderbare Illusion zerflatterte. Kopernikus zerschlug mit dem Ham- roes unterbrochen. Wir sind im Bergstädtchen ter wird der blutrote Sonnenball sichtbar, der sich aber sie kommen bis ins Waldhaus" oder höch mer der Wissenschaft das Firmament, zeitlos, Feedheit gebandet. rauntlos wurde das Weltall . Lamard, Darwin revolutionierten die Naturwissenschaften, diese und die Philosophie legten die Gesetzmäßigkeit alles Geschehens dar, ein Geheimnis nach dem andern löst der nimmerrastende Geist der For schung. in die tiefsten Tiefen der schaffenden Naturkvaft dringt er ein und alles erst Be und alles erst Be ginn! Karl Marx und Friedrich Engels ent­zündeten förmlich neue Sonnen die von Gott gefeßte etig sein sollende ,, Ordnung" barst aus­einander. Inmitten der Sturmflut der Zweifel nun steht der moderne Mensch aber nicht arm, nicht bedauernswert, nein und tausendmal nein. Denn der Mensch hat die Erde entdeckt.

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Die Kirche steht scheinbar fest und unerschüt text, wie sie immer gestanden hat. Und doch ist die Kirche von einer schweren Krisis bedroht, nicht erst seit heute. Die Kirche wehrt sich, sie muß sich wehren. Sie weist das moderne Geistesleben, das durch tausende Kanäle in ihren Körper ein­dringt, ab, denn sie besitzt allein alle Wahr­heit". An dem Felsen Petri" steigt und steigt tie rote Flut. Ein neuer wunderbarer, ein urgewaltiger, ein erhabener Gedanke ist Fleisch geworden, die Idee des Sozialismus. Und die Kirche

wagt den letzten Kampf nicht, der Ausgang ist für sie selbst zweifelhaft, auch wenn ihr Legionen. himmlischer Heerscharen zu Hilfe fämen.

Jn louer Frühlingsnacht streben wir den] Bergen zu. Grasmücken zirpen leise Abendlieder und das Sternenlicht wirft seine geheimnisvollen Schatten in das stille Tal. Wir sind am Ein­gang des Kurstäbchens Johannesbad, wo gleich­jam ale mibild des vorwärtsdrängenden Pro­letariates das schöne Arbeitererholungs­heim in die Nacht vagt. Dieses Heim in wun­derbarer Lage bietet während der Sommermonate den müden und verhärmten Arbeiterfrauen eine Stätte der Erholung; das ist das Haus, wo die blaffen, bleichen und unterernährten Mädchen aus den Tertilbetrieben Ostböhmens, aus deren Augen eine freudlose Jugend spricht, in Waldes­Tuft und Sonnenschein Stärkung und Gesundung finden. Hier kommen die kranken und bedürftig­sten Profeten des östlichen Böhmens aus stau­bigen, lärmenden Fabrikssälen und tiefen, fin­fteren Schächten, um entrückt vom Getriebe des 2sage on Stelle der auf dem Altar des Kapi­tatiannis" geopferten Kräfte neue aufzunehmen. Der Lebensmut kehrt wieder in trauter Gemein­

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schaft. Ein Produkt sozialdemokra- in majestätischer Schönheit stolz und siegesficher| stens in die Hoffmannsbaude". Dort wird ge­

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erhebt. Minuten köstlichen Erlebens! Das ber- tangt, jo modern wie möglich und abends trägt heißungsvolle Licht flutet auf die Mutter Erde man die Bretteln" wieder zum Bahnhof. Man und hunderte Menschen begrüßen jubelnd den

weder mit Sport noch Körperpflege etwas zu tun haben. Man zeigt sich und die sportlichen Hilfs­mittel, spricht viel vom guten Schnee", doch

neuen Tag. Wer würde wohl als Sozialist in tut es, weil es so Mode ist. Die Stipsychose im folch Momenten nicht sehnend an den Tag denken, Riefengebinge bat Formen angenommen, die wo wir einziehen in das Sonnenband, wo das Licht uns dauernd grüßt und der getvaltige, wel geschichtliche Sonnenaufgang" der Selasse der Festlosen und Armen das Glück und die Frei­heit bringt. Und als der frische Morgenwind den Tau trocknete, stiegen wir von des Berges stolzer Höhe und wanderten an der Grenze des Staates den Grenzbauden" zu.

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man weicht ihm nach Möglichkeit aus. So, das reifende Bürgertum, die Damen und Dämchen, die Gigerl und alten Herren aus allen Teilen unferes Staates. Und es ist direkt köstlich, die fen Menschen zuzusehen, wie sie nach ihrer Fasson die Reize des winterlichen Riesengebirges ge­nießen.

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Niemand erkennt diese bestehende Gefahr beffer als die Kirche. Sie weiß, daß sie die Menschen vor dem herrlich flutenden Strom des Geifteslebens nicht absperren fann, auch nicht einmal im entlegensten Waldwinkel; die Technit hat Raum und Zeit überwunden. Es ist daher nicht im geringsten verwunderlich, daß die Kirche feit Jahren und Jahrzehnten alle Straft auf­wendet, ihre Macht nicht nur ungeschmälert zu erhalten, nein, sie ausbreiten will. So schrieb 3. B. Dr. Mois Wurm in den Historisch­Und weiter geht der Weg auf weichem politischen Blättern" bereits im Jahre 1910, Moosteppich, stellenweise auf harter Evde, doch Seite 517, folgende außerordentlich bedeutsamen immer am Samm entlang. Nach dreistündigem Säße: Und dann scheint es, als ob noch ein Morgenipaziergang, der nicht minder schön ist anderer Gedanke die katholische Kirche gerade als der Reiz der Nacht, liegt es vor uns, das Genießet die Schönheiten der Natur, Schaf gegenwärtig mächtig bewege. Sie hält ihre Hand letzte Ziel unserer Reise: Die Marhütte". fende in Stadt und Land, Proleten aus Schacht schüßend über ihren Kindern im Abendlande und sucht auch ihre geistige Position zu erhalten, Dort herrscht ein reges Treiben. Viele Kin- und Fabrik, Werkstatt und Büro. Durchquert als freilich ohne ihre Sträfte in einem möglicherweise tifher Tätigkeit auf dem Gebiete der tunneln sich auf grünem Rasen und eine denkende Menschen den großen, herrlichen Gar­freilich ohne ihre Kräfte in einem möglicherweise der Arbeiterwohlfahrt und sozia- große Anzahl Erwachsene freuen sich über die ten, der uns allen gehört, wandert auf den mutzlofen Kampfe mit Nationen zu erschöpfen, die len Fürsorge. Möge es uns gelingen, Hoffnungsvolle Jugend. Das werden einmal schon auf absteigender Linie sich befinden und mehr Heime diefer Art zu schaffen, damit einer andere Menschen," sagt ein alter Genoffe. Seuke schönen Fleckchen Erde unseres engsten Gebietes, wohl einem langfamen, freilich vielleicht noch größeren Anzahl Enterbten und Gequälten ein ist Fronleichnams tag. Und jedes Jahr dann erhaltet ihr den Sinn für das Hohe und Jahrhunderte beanspruchenden Zerfalle entgegen- bißchen Sonne in ihr dunkles Dasein erhellt. an diesem Tage wandert der Arbeiterturnberein Schöne, dann lebt in Euch der Drang nach gehen. War es da nicht besser, sich an noch wenig Nach einer kleinen Viertelstunde betritt unser Jungbuch mit seinen Kindern auf diese Höhe. Menschheitsfreiheit, der sonst in den dumpfen verbrauchte Völker zu wenden, deren vielleicht der Prinzipat( d. h. Vorherrschaft) auch über Europa Fuß das Zentrum des Bodens, den sich die Die Arbeiter des Ortes schließen sich zahlreich an Hütten und engen Gassen ersticht. So wie wir einst beschieden sein könnte an die gelbe Bourgeoisie als Privileg herausfuchte und den und auch die Genossen aus Marschendorf, Fret durchs Leben wandern, aufrecht und ſehend, die Arbeiterklasse langsam erobert. Den ost heit und Schazlar usw., sehnsüchtig nach freier böhmischen Kurort. In der Kolonnade Bergesluft, haben sich eingefunden. Ein schönes wandern wir in der Natur und lemmen aus all strahlen die Dichter, klingen und fingen die Fest der Gemeinschaft. Alt und Jung, Bursche dem Wunderbaren. Lernen wir speziell aus dem Geigen, rauscht Wein und Sekt. Dort verlebt und Mädel, Mann und Frau genießen auch hier Werden und Vergehen in ihr und sehen Harer die besitzende Klasse lustige Nächte, dort verjubelt das wunderbare All. Die Sonne brennt heiß und die Gesellschaft, die geworden ist und ver­sie den Mehrwert, den sie aus der Arbeitskraft das Volk tummelt sich, aller lästigen Kleider ent­der Schaffenden preßt, hierher wird der Gewinn ledigt, beim Turnen, Spiel. Gefang u. a. m.- gehen muß, wenn wir Kämpfer sind. getragen, der aus dem Schweiß der Entrechteten Warum gerade heute? Das ist nicht schwer zu geflossen. Dieses herrliche Stückchen Erde" be- erraten. Am Fronleichnamstag wollen die Kleri­sitzt für Kvante und Sieche wunderbare Einrich falen ihre Kinder in weißen Kleidern und tungen, aber nur die bürgerliche Welt verbringt schönen Gewändern, mit Körben und Zweigen, dort ihre Dauerfreizeit. Doch genau so wie sehen, damit sie mitdemonstrieren für die Fin Schlöffer und Burgen, Gemälde und Kunst in sterlinge. Nein, fagen sich die sozialistischen den Besitz der Gesamtheit übergegangen sind, Vertrauensmänner und nehmen ihren Anhang wird das Proletariat auch in die Kurorte einzufammen zu diesem schönen Ausflug, dem sich ziehen, von der Schönheit der Natur Besitz auch viele andere anschließen, die sonst von Atar nehmen und hier Urlaubstage verbringen. Je zu Altar ziehen würden. Und abends als die, mehr wir den Klaffenkampf ausfüllen werden, einige hunderte Menschen zählende Schar sich mit dem Streben nach höherer Kultur, um so fammelt, als die Genossen der anderen Richtun­fiber wird der Weg uns offen stehen, die Welt gen Abschied nehmen vom großen Haufen", zit erobern. Es werden Juninächte kommen, da wollen der Jubel und die Begeisterung fein Johannesbad nicht mehr ein Privileg der Be- Ende nehmen. Singend ziehen die Seinder heim, fibenden sein und dort die Arbeiterklasse Muße den Bergeshang hinab und befriedigt folgen die stunden verleben wird. Dam singen wir aus Alten". Diese Proleter bauen eine andere voller Kehle: Serrlich ist das Stückchen Erde.." Welt. Und als wir als große Schar in unseren Noch diefer kurzen Betrachtung lassen wir die Heimatsort einzogen, da fangen die Kinder: länge der Musik hinter uns und streben der

China?"

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Rasse, an Japan und vor allem an das Vierhundertmillionenreich Niemand glaubt daran, daß der Weltkrieg etwa die Gedankentetten des römischen Stuhls hätte zerreißen können. Mit welcher Kühnheit die ,, unverbrauchten Völker" des Ostens als zur Herrschaft berufen über die zermürbten entchrist­lichten Völker Europas bingestellt werden! Die gelbe Gefahr- der Prinzipat Japans und Chinas der. Machttville der heiligen Kirche, eine seltsame, beinahe unglaublich scheinende Ver­bindung. Aber sie besteht.

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Wir Sozialdemokraten fürchten die gelbe Gefahr" nicht, der chinesische, der japanische, der indische Prolet ist genau, so ausgebeutet wie der europäische aller Sprachen. Die Sozialdemokratie hat das Proletariat mündig gemacht, der Blaffen­bewußte Arbeiter führt den, Stampf ums Dasein" nicht mehr nur im Sinne eines brutalen Ellen bogenkampfes um den Biffen Brot, er erweitert in heißem Ringen und Streben seine geistigen Horizonte, das international organisierte Brole­tariat schafft den neuen Boden, den Boden der Klassenlosen, der sozialistischen Gesellschaft. Das Proletariat stellt sich mit vollem Bewußtsein der Machtgier und den Herrschaftsgelüften der Kirche entgegen. Die Geiſter ſcheiden sich, die Fronten ordnen sich zum letzten großen, zum entscheiden­Weihnachten ist's. Wahre heilige Weihnacht trägt in ihrem Schoße den Morgen des neuen, des ewigen Tages, wir ahnen ihn, wir sehen ihn aufdämmern, schon lobert in Often das Licht, aber anders, als sie es meinen.

den Kampfe.

Und das Proletariat, stolz, selbstbewußt, lächelt, wenn es überwundener findlicher Illu­fionen sich erinnert.

Söhe zu.

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Unser Sehnen, unser Hoffen, zieht hinaus in Wald und Feld! Bruder schnall den Rucksack Borbei geht der Weg an der Schwarzschlag- iber, heute folls ins Weite gehn, Regen, Wind, baude" und" Bodenwiese", dem Gebirgskamm vir lachen drüber; wir sind jung und das ist und der Schneekoppe, gem fagenhaften Reich schön!" und alles freut sich auf die nächste Ribezahls zu. Immer mehr verschwindet der Wanderung. Eine neue Sonntagsandacht, pro­Wald mit feinen stämmigen Söhnen, immer letarische Feiertagskultur! Neues Menschentum! fleiner, dünner und dürrer wird das Gestrüpp und alle wir die letzten Flächen des Knieholzes verliehen und uns anschichten, den stolzen Stein­Weihnachtstage. Das Riefengebirge zur Genoffen! haufen zat bafteigen, brach neuer Morgen an... Winterszeit. Die Berge haben ein anderes Kleid Gleich hunderten anderen warteten wir angezogen, an den Bäumen hängen andere 3ap­uf das herrliche Schauspiel des Sonnenauffen und es rauscht nicht mehr der Wald die alte

del.

raget bei jeder Gelegenheit Euer Barteinbzeichen!

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