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Lages- Neuigkeiten.

Der Sprung ins Wasser.

Der Vorgang spielte sich folgendermaßen ab: Ein Bettler stand auf der Brücke.  - Stun denlang liefen die Sente achtlos an ihm vorüber,

weil er sich, anstatt in das helle Licht, ängstlich

Sonntag, 3. April 1927. niemand fehen. Man war stolz darauf, ein Leben| Bratislava   organisiert. Ihr Führer Ludwig Sa f- 1 verein ,, Vorwärts" unter ständiger Verfolgung erhalten zu haben. Und als eine abgehärmte Ar- ner wurde gestern bei Stiavnit aufgegriffen. Er beiterfrau, die ebenfalls zusah, die traurigen Worte ist ungarischer Staatsangehöriger. sprach: Das arme Luder hätte man auch lieber sterben lassen sollen!", da trafen sie von allen

aufmerksam.

Seiten empörte Blicke, und scharfe Entoegnungen machten sie auf die Roheit einer solchen Bemerkung Gott  , ich meinte ja man bloß", entschuldigte in einen dunklen Winkel gestellt hatte und weil er, sie sich verlegen. ,, Weil nun mit ihm das ganze ſtatt mit weintlicher Stimme auf fein Elend anf Glend doch wieder von vorne losgeht." Damit merksam zu machen, schweigend une seine abgedrückte sie sich schüchtern. riffene Müte binhielt.

Nachdem der Bettler mehrere Stunden ver geblich geftanden hatte, begriff er endlich die Zwed losigkeit seines Turns und feste die Mütze, ebenso schweigend, wieder auf. Einice Minuten stand er noch auf demselben Fleck und blickte gedankenlos hinüber, wv- faum hundert Wicter von ihm ent­fernt Glanz, Licht und Lärm war. Dann wandte er sich plöslich mit leichenfahlent, starrem Gesicht von den Schauspiel ab, erkletterte das Steinerne Brüdengeländer und ließ sich mit einem Laut, der wie ein trockenes Aufschluchzen flang, vornüber in die schwar schimmernde Tiefe fallen... Hierauf geschah etwas Merkwürdiges. Während sich bisher keine Seele um ihn ge­fümmert hatte, ja von den vielen Vorüberhasten­deu laum einer ihn auch nur bemerkt hatte- in dem furzen Augenblic, da er auf dem Brüden geländer balancierte, jahen sie ihn plötzlich alle. Der bekannte tausendstimmige Schrei erscholl. Autos und Straßenbahnen ſtockten. Und er­schrodene Menſchen ſchrien: Zu Hilfe! Retter! Da ist eben einer ins Wasser gesprungen!"

Im Handumdrehen slich die Brüde einer Theatergalerie, die von leidenschaftlich erregten Zuschauern befest war. An beiden Ufern drängten ſich die herbeiſtrömenden Neugierigen. Zwei Poli­sifien, die ebenfalls urplößlich auftauchten, spran­gen in den Rettungskahn, der am Fuße einer schmalen Steintreppe angefettet lag, und stießen jich, wie die Wilden arbeitend, auf den Fluß hin aus. Und oben auf der Brücke sorgte ein dritter Polizist dafür, daß die nötige Ruhe und Ordnung bewahr: blieb, vor allem aber dafür, daß der Ver­kehr durch den aufregenden Zwischenfall nicht allzu störend gehemmt wurde. Es herrichte eine große Erreaung und ein allgemeines Durcheinander. Es hatte plötzlich den Anschein, als wäre das Leben jenes armen Men schen, der soeben hier ins Wasser gesprungen war, um es loszuwerden, von einer unersetzlichen Kost barkeit. Angstvoll starrte alles auf die dunkle Wasserfläche hinab, ob der Körper des Selbstmör­ders nicht noch einmal auftauchen würde. Und da war feiner unter den Hunderten, der nicht era

zitterte bei dem Gedanken, daß das Rettungswerk

möglicherweise vergeblich bleiben könnte. Bange Minuten verstrichen. Wan   lauschte mit angehaltenem Atem. Und dann erhob sich ein lautes Freudeugeschrei!

Man jah, wie unten auf dem Wasser die Po­fizisten sich weit aus dem Kahn herausbogen und cine schwarze schwere Last zu sich an Bord zogen. Sie haben ihn!" rief man sich gegenseitig zu und freute sich von Herzen, als ob man persönlich das

Rettungswerk vollbracht hätte. Zebt er noch?"- Ja, er lebt noch", flang es von unten herauf. Und eine ungebeure Befriedigung verbreitete sich, daß das armselige Opfer dem selbstgewählten Tod noch einmal entrissen worden war.

... Man überschüttete die beiden Polizisten,

die den triefenden Körper über die Steintreppe heraufschleppten, mit Lobsprüchen. Man sah auf­merfiam zu, wie sie den Bewußtlosen lang auf der Erde ausstreckten und die vorgeschriebenen Be­lobungsversuche mit ihm anstellten, und das Ganze war ungeheuer interessant und spannend.

Da kam der Rettungswagen und holte den Bettler ab, um ihn ins Spital zu schaffen.

ten ein paar abgerissene Gestalten aus der sich ... ,, Recht hat die Alte doch gehabt", murmel langsamt wieder zerstreuenden Menge. Der Tod ist doch heutzutage das einzige, was man sich noch selbst aussuchen darf, wenn es gar nicht mehr gehen will."

Ja, so sprachen sie. Aber es waren auch bloß so ein paar Proletarier, die von der Heiligkeit und unverleßlichkeit des Menschenlebens natürlich feine Ahnung hatten und nur nach ihrem dummen Ver­stande urteilten.... Peter Polter.

Unser Frauentag in Reichenberg.

der Polizei wirkte. Winkler war Mitbegründer vieler Gewerkschaften, einer der Gründer und langjähriger Obmann des Arbeitergesangvereines Olmüß, 2. April. Samstag nachmittag fam Liebesfreiheit", durch lange Jahre hindurch auch die Gendarmerie dem vierten Stomplizen der Räu- Direktionsmitglied der Krankenkasse. Am Don berbande, die den Ueberfall auf die Agrar- und nerstag, den 30. März fand das Leichenbegängnis Industrialbant in Groß- Bytča unternahm, füdlich auf dem Blumentaler Friedhof in Preßburg   unter von Waagbistrig in der Nähe der Gemeinde Draußerordentlich starker Beteiligung der Arbeiter love auf die Spur. Gegen Abend überfie er in schaft statt. Genosse Heinrich St al mar hielt im dem Walde zwischen Popradna und Marykova den Namen sämtlicher Organisationen, ganz besonders

Förster, von dem er mit Gewalt Rod, Weste und ut erzwingen wollte. Der Täter wurde bisher nicht ergriffen, doch ist angesichts der getroffenen Fall sein wird. Maßnahmen zu erwarten, daß dies chestens der

Der ergriffene Räuber Matej Markt hat einen& opfi chuf und einen chenteIfchuß oberhalb des Knies. Er ist 21 Jahre alt und ar­beitete zuletzt in den Siemens Schudert Werfen in Bratislava  . Die letzte Zeit war er jedoch be­schäftigungslos. Sein Verhör brachte bisher feine wesentlichen Ergebnisse.

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Heute um 17 Uhr trafen in Groß Bytča die Eltern des Räubers Bihodna ein, die mit Ludwig Hafner, dem Führer der Räuberbande fonfrontiert wurden. Sie erkannten ihn als Räu ber und Betrüger und erhoben gegen ihn die Be: Aus Reichenberg wird uns geschrieben: Am 30. März fand im festlich geschmückten Saale der schuldigun daß er ihren Sohn verführt und ums Vereinshalle der diesjährige Frauentag statt. Die cbent acbracht habe. Der Doppelmörder Safner Versammlung wurde bei sehr gutem Bebesitzt höhere militärische Ausbildung und ist un garischer Oberleutnant. Er war schon such von der Gen. Brabet eröffnet. Das Thea einmal aus der Tschechoslowakischen Republik aus tevorchester trug dann unter der Leitung des Ge- gewiesen und wurde mehrfach bestraft. Er wird nossen Schwarz ein klassisches Stück vor. Das unter anderen vom Be- irksgerichte Zelezovice in Referat erstattere Abgeordnete Genoffin stirpal, der Slowakei   steckbrieflich verfolgt. oft von Beifallskundgebungen unterbrochen. Stür­mischer Beifall lohnte ihre Ausführungen am Der Schöpfer des gleichen Wahlrechts in Schluffe  . Die Sozialistische Jugendgruppe brachte Dänemark   gestorben. Im Alter von 83 Jahren dann einen Sprechchor von Ernst Toller   zum ist der liberale Führer der dänischen Bauerulinken, Vortrag, welcher von der Versammlung mit be- Klaus Berntsen, gestorben. Mit ihm ist geisterter Zustimmung aufgenommen wurde. Zum eine der marfantesten Erscheinungen des politi Schluß wurde von den Theatermusikern wieder schen Lebens in Dänemark   dahingegangen. Auf ein klassisches Stüd gespielt. Es fann gesagt der Insel Fünen   als Sohn eines Bauern geboren, werden, daß dieser Frauentag feit der Spaltung erkämpfte Berntsen die Emanzipation des Bauern der sozialdemokratischen Partei im Reichenberger ums von Großgrundbesis. Als liberaler Abgeord Streise eine der besten und schönsten Veranstaltun neier wurde er Innenminister und legte als solcher gen unserer Partei gewesen ist ein Zeichen, ein Zeichen, 1912 die Verfassungsreform vor, durch die alle baß es in Reichenberg vorwärts und aufwarts Wahlrechtsbeschränkungen aufgehoben wurden. In geht. Die Tischgesellschaft", wie sie seinerzeit im diesem Verfassungskampf fand er in der Sozial­Vorwärts" benannt wurde. ist wieder zu einer demokratie einen besseren Bundesgenossen, als in bedeutenden, aktionsfähigen Bewegung gewachsen. feiner eigenen Partei. In sozialen Fragen geriet Alle Teilnehmer des Frauentares gingen voll be- er allerdings sehr oft mit der Sozialdemokratie friedigt und begeistert aus der Versammlung nach hart zusammen. Denn er war und blieb Bauer, Haufe, zu neuer Arbeit und zu neuem Kampf. stolz auf seinen Boden, dem Industrie und In dustrioproletariat und dessen Probleme fremd blieben.

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Auch der Frauentag in Görsdorf( Be­

sirt Straßau- Grottau), der gleichfalls am 30. März stattfand, war sehr gut besucht. Die Feier wurde von einigen Musikfreunden mit wirfungs­vollen musikalischen Vorträgen eingeleitet. Hier auf brachten die Arbeiterfänger von Grottau   und Görsdorf den prächtigen gemischten Chor Seid gegrüßt, Genossen, alle" zum Vortrag, welcher mit großem Beifall aufgenommen wurde. Den Vor­fitz führte Genosse Seidel; das Referat erstattete unter starkem Beifall Abgeordnete Genoffin Frene Sirpal  . Anschließend gelangten der Männer chor Erwachen der Geister" und mehrere Musik stücke noch zum Vortrage.

Ein drittes Mitglied der slowakischen Bande gefangen.

aber im Namen der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei, deren Mitglied Winkler gewesen, die Grabrede, in der er die Verdienste des Verstor benen um die Preßburger   Arbeiterbewegung wür digte. Die vereinigten Gesangvereine fangen den ergreifenden Chor Wieder ein Streiter faut aus unseren Reihen..." Hunderte rote Nelfen deckter das Grab, in dem ein braver Genoſſe, ein tapfe­rer Vorfämpfer der sozialdemokratischen Pewe­gung für immer ruht.

Ein tschechischer Nationalpark. In der letzten Prager   Stadtratssigung stellte der Stellvertreter des Primators, Dr. Stala, einen Antrag, eine Kommission möge für die nächste Sigung des Stadtrates einen Plan ausarbeiten, in welcher Weise der schon vor einiger Zeit aufgetauchte Plan, aus der Sarta   einen Nationalpari u machen, ausgeführt werden könnte. Das ganze Tal soll mit Wald bepflanzt werden. Die Komi misfion hätte auch einen ungefähren Voranschlag über die Stosten der Bewaldung zu machen. Da der Regulierungsplan in diesen Tagen ausgelegt wird, wäre es möglich, daß die Vorbereitungs­arbeiten noch heuer aufgenommen werden.

Der

Der Senat in die Strafa- Alademie? Senat muß, wie die Prager Abendzeitung" mel det, sein bisheriges Gebäude der Landesver. retung überlassen. Er ist nun auf der Suche nach einem neuen Gebäude und dem Präsidium des Senates iſt nun der Vorschlag zugegangen, über den Ankauf der Straka Akademie in Verhandlung einzutreten. Die Afademic werde schon durch das Vorhandensein eines großen Situngssaales für die Zwecke des Senates ge­eignet Die Adaptierungsarbeiten würden enwa fünf Millionen ronen in Anspruch nehmen.

Dritter Deutscher Juristentag. In den nächsten Tosen werden die Einladungen zum Dritten Deutschen Juristenrage, der zu Pfingsten in Reichenberg   stattfinden wird, an die Juristen­fchaft ergehen. Das Generalsekretariat des Deut schen Juristentages, dem nur ein unvollständiges Adressenmaterial zur Verfügung stand, macht aus. drücklich aufmerksam, daß das Recht der Beteiligung Generalsekretariat der Ständigen Vertretung, Brag I, cm Juristentage nicht an eine individuelle Ein­Tabung gebunden ist. Tadung gebunden ist. Alle Auskünfte erteilt das Abgeordnetenhaus( Rudolfinum  ).

cen wird aus Tofio berichtet, ein heftiges Erd­Wieder ein Erdbeben in Japan  . Den Zeitun beben sei gestern gegen 6 Uhr vormittags in ganz Westjapan verspürt worden, und zwar in den Ueberfall auf einen russischen Redakteur. Auf gleichen Gegenden, die anfangs März durch schwere Erdstöße verwüstet wurden. Die Bewohner der Redaktion der in Berlin   erscheinenden russischen feien panifartig geflüchtet. Verlufie an Menschen- Zeitung Rul" überfielen zwei ehemalige russische Offiziere den leitenden Medakteur und mißhandelten leben werden jedoch nicht gemeldet. ihn mit Stöden Durch das Eingreifen von Kollegen wurden sie zur Flucht gezwungen. Bei dem Ueber. fall handelt es sich nicht um polirische um sondern un religiöse Meinungsverfchic. denheiten, die innerhalb der russischen Kirche Berlins   onsgebrochen sind.

Gräberfunde in Mähren  . Die Moravské Noviny" melden aus Austerlitz  , daß bei Straßen­reparaturen bei Kobeřiß im Austerlißer Bezirt durch Zufall eine heidnische Grabstätte aus dem 8. Jahrhundert nach Christus und nicht weit da von ein Hockergrab mit ziemlich erhaltenem Ge­schirr gefunden wurde. Das Alter des letzteren Das älteste Schiff. Die dänische Galeasse, vel. Prüfung dieser Funde ist der Archäologe Ober- schwedischen Säfen verkehrt, dürfte das älteste fah­wird auf 3000 Jahre geschäßt. Zur vorläufigen hol m", die gegenwärtig noch zwischen dänischen und lehrer Al. Procházka aus Černčín eingetroffen. rende Schiff der Welt überhaupt sein. Sie ist näm Bu geeigneter Zeit werden zwecks Erforschung der lich 1776 gebaut worden. Ein ähnliches Alter hatte Begräbnisstätte die notwendigen Ausgrabungen der schwedische Schemer Götalejon", der aber vorgenommen werden. während das Weltkrieges das Opfer einer Mine Ferdinand Winkler gestorben. Aus Preßwurde. Aber auch dieses Schiff hatte es immerhin burg wird burg   wird uns berichtet: Dienstag den 29. auf 155 Jahre gebrachy. Drudsehler. Der tschechoslowakische Delegierte Alter von 62 Jahren. Der Verstorbene war seit beim Internationalen Arbeitsamt, Hoda č, ist dort Jahrzehnten in der Arbeiterbewegung tätig und nicht, wie ein Drudfehler in unserem gestrigen Tele­bekleidete viele Funktionen. Er war ein Stämpfer gramm behauptete, Arbeitervertreter, sondern Ver­der alten Garde, die noch im Arbeiterbildungs- treter der Arbeitgeber- Gruppe.

nassen Kleider des Selbstmörders, fejn graues, urde in durch März d. J. starb Genoffe Ferdinand Winkler im

Die nahe Laterne beleuchtete die zerfumpten, eingefallenes Gesicht, und enthüllte graufam das ganze, unfagbare Elend dieses Unglücklichen, das ihn getrieben hatte, den Tod zu suchen. Aber gerade das wollte in diesem Augenblick

Johannes Brahms  .

Dem vierten auf der Spur. Sillein, 2. April. Heute vormittags wird gemeldet, daß in der Nähe von Waag- Bistriß ein brittes Mitglied der Räuberbande von Velfa Bitča aufgegriffen wurde. Der Räuber, der durch einen Schuß verwundet wurde, gefängnis in Trenčin   überführt. Das vierte Mit glied der Räuberbande wird von 120 Gendarmen verfolgt. Nach Berichten des Gendarmeriekom mandos in Sillein   wurde die Räuberbande in allem scheidet, ist die rein schöpferische Straft im Erfinden und Gestalten, in der Tiefe und Weite des Schauens, in den Horizonten des Willens und Denkens. Was bei Beethoven   unvergleichbar, ist bei Brahms   hoher Anerkennung wert. Beet hoven ist ein Genie, Brahms   eine ungewöhnliche Begabung, die mit ihren Kräften vorbildlich wucherte.

Noch sind unsere Herzen entflammt von jenem unfaßbaren menschlichen und fünstlerischen Vermächtnis, das im Zeichen hundertjähriger Erbschaft uns Beethoven   als einen der größ­ten Musiffchöpfer feiern ließ, und schon wird der auf den 3. April fallende 30. Todestag eines In ihrer Bedeutung für die Entwicklungsges anderen deutschen   Meisters- Johannes schichte der Musik unterscheiden sich diese beiden Brahms Verpflichtung. seiner und seines sünstler so: Beethoven  , wurzelfest und mit beiden Werfes zu gedenken Nicht allein die runde Zahl Füßen auf traditionellem Boden, saugt die Gei verflossener Jahre, vielmehr die gewonnene Diftigkeit seiner Zeit mit ihren Freiheitsideen un­stanz zwischen seinen und unseren Tagen, die zwei bewußt in sich, wird sich ihrer fraft feines Geistes Beitabschnitte mit anderer Gesinnung und Geistig bewußt, macht sie sich in fämpferischer, persönli­feit scheidet, gibt über die äußere Veranlassung cher Selbstentscheidung zu eigen und beseelt als hinaus die tieferen Gründe unserer Betrachtung Revolutionär des Geistigen das Vorhandene, und die Möglichkeit der objektiven Wertung. Da übernommene, mit neuem Ausdrucksgehalt. Meis die Erscheinung Beethovens in uns allen lebendig sterlich und unerhört zuchtvoll gestaltend, steigert ist, wird sich an ihr Brahms   um so deutlicher er er die übernommene Form( Sonate, Sinfonie) flären Viel haben beide gemeinsam: beide ent- auf technisch unüberwindbare Höhe. Er erfüllt das stammen dem Volte, aus Muliferfamilien, deren Gestern und eröffnet das Morgen fein Werk aber unerbittlicher Existenzkampf schon die Jugend ist in seiner Kraft, Tiefe, und gebundenen Frei zwingt, mitzuverdienen; beide begannen ihren heit ewig ein Seute. Anders Brahins. Sechs Beg als Klavierspieler, beide blieben einfam, ohne Jahre nach Beethovens Tode( am 7. Mai 1833) Schicksalskameradin, ohne Kinder, und starben in Samburg als Sohn eines Kontrabassisten ohne Freund: beide waren sentimental sche Natu- geboren, wächst er heran in einer Zeit, wo die ren, die die Formen der Musik mit persönlichem reine, von Beethoven erivedte Blüte der Roman Erlebnisinhalt ausfüllten. also Ausdrudsmusiker tit sich schon der sengenden Mittagshöhe nähert. waren; beide lebten ohne hervorragendes äußeres Weber und Schubert find tot; allein Schu­Amt, ganz ihrem Schaffen( die kurze Zeit, die mann( in seinen Liedern und Klavieriverken Brahms   als Dirigent in Detmold  , Sam noch nicht der drohenden romantischen Zersetzung burg   und Wien   erlebte, bleibt jeweils nur verfallen) wahrt ursprünglichen Sinn. Men Episode im äußeren Sch d'alswege); beide hatten delssohn begegnete dem Barockriesen Bach die ethische Saltung in Leben und Schaffen wie und erfror an dieser Größe zur konservativen auch in Volksverbundenheit gemein. Was sie vor Formstrenge. Fortschrittsgeist lebte und wirkte

allein im Weimarer Streise um 2iszt, dem| Zusammenfassung dessen, was das Schicksal der Wagner, der Vollender, entwuchs. Hier erlebic Musik von der Hochblüte der vorflassischen mehr. die Romantif ihre Hochblüte und Uebersteigerung, stimmigen Vokal- und Instrumentalfunft bis zur die zum Verfall führte, die den Subjektivismus Beethovens nicht mehr einer Gemeinschaftsidee unterordnete, in' Selbstbetrachtung frank und volksfremd wurde und Kunst aus sich und für sich selbst pflegte.

Brahms  , zuerst im Banne Schumanns, von dent er wie von Bach und Beethoven   nach haltig beeinflußt wurde, schloß sich niemandem ant. In Gefühl und Weltanschauung ist er Ro­mantiker, in Formbewußtsein und mit dem Ver­ftande lassiter". Bei ihm ist das für die Ro­mantit typische Zurückschauen und Zurückgreifen auf das. Mittelalter mehr als nur literarisches Prigramm: Uebernahme von technischen Din­gen, infolge von nebereinstimmung mit seiner Weltanschauung, wie ihn fein Wesen, seine Trieb­fräfte und sein Schaffensvermögen vor allem zum Bütten. Bewahren, Sammeln, bestimmten. Wien­delssohn hat Bach wiederentdeckt; Brahms   aber gibt in feinem Werfe die Brücke von Bach zur neuen Zeit. Niemand wahrte Beethovens Erbe so wie er, nicht im Worte, in Aufführungen, fondern in seiner Musik selbst, wo das Beispiel Beethovens fortiebt, seine Technik, sein Wesen, sich aufs innigste mit Brahms  ' persönlicher Note verbindet. Nannie Hans von Bülow einmal die Erste Sinfonie von Brahms die Schute" ( von Beethoven  ), so war damit natürlich fein Werturteil gegeben, da jeder Vergleich hier un­möglich ist, sondern es war darin einsichtig gesagt, daß hier eine Erbschaft durch eine ähnlich be­stimmende Art angetreten war.

Brahms   ist die gewaltige und harmonische

Hochblüte der Romantit( ihre Auflösung noch nicht einbeziehend) bestimmte. Das gilt für dic absolute Musik, denn Brahms   schrieb keine Oper.) Darüber hinaus liegt sein schöpferisch Originelles, Eigenwertiges, nicht in einer neuen Form oder neuen Gesinnung, sondern in seinem individuel len, persönlich reizvollen, überzeugenden Selange, der das Dunkle, die Wonne der Schwvermut", eine verhaltene Leidenschaft rein und klar und tiefehrlich und gekonnt ausspricht. Herbstlich wie seine ganze Erscheinung ist seine Musik, oft dunfel verbrämt, herb und feusch wie sein Mensch fiches, wie ein reises Alter, das nur selten, und dann auch nur müde, kaum merflich, lächelt. Nicht iene hymnische Begeisterung, mit der ihn Schus mann der Welt vorstellte, doch auch noch weni­ger jenes Nießsche- Wort von der Melancholie des Unvermögens" haben heute noch für ihn Bedeu­tung und Sinn. Mit uns verbunden ist er durch den Vater der Moderne, Max Reger  , dem er den Boden bereitete und die Brücke von Bad und Beethoven   über den Abgrund Wagner baute. Er ist uns verbunden durch innerlich be­wegende und in ihrer herbstlichen Schönheit be­glückende Musik, als getreuer Verwalter und Seger unseres echten alten Volksliedes. In sei­nen vier Sinfonien, seinem Deutschen Re­quiem", seiner Kammermusik und vor allem in feinen Liedern, wurde er uns zum lass fer", dessen klar erkannte, große, wenn auch nicht größte Bedeutung auch dieser neuen Zeit selbstverständ­lich ist.

Walter Berten.