Samstag, 16. April 1927.
Meinungen geteilt sein. Die Ehre, ein Boltsgenosse der Aktivisten zu sein, ist mindestens umtritten, das GIüd, unter ihrer Herrschaft zu leben, scheint mehr der Ueberzeugung gewichen u sein, daß kein Hund so länger leben möcht". Nach einer nochmaligen Empfehlung der Selbstverwaltung befennt Hilgenreiner:
,, Wir wollen die nationale Einheitsfront; in nationalen Fragen darf es nur eine Fahne, nur eine Losung geben. Schulter an Schulter müssen alle Deutschen von Rumburg bis Breßburg, von Eger bis Teschen zusammenstehen, ein Gedanke, ein Wille und eine Faust."
Wer in den letzten Monaten nicht geschlafen bat, wird sich dem Gedanken nicht verschließen Tönnen, daß die Christlichsoigalen zur Verwirt lichung dieser Parole das Menschenmögliche getan haben. Was nie zuvor erreicht war, im Rampfe gegen die Verwaltungsreform wurde es Wirklichkeit: von Rumburg bis Breßburg, von Eger bis Teschen standen die Deutschen zusammen gegen die Verwaltungsreform Mayr Hartings und weit über ein halbes Tausend Mas fenversammlungen, der Protest hunderter Gemeinden und fast aller deutschen Bezirke, die Annahme der sozialdemokratischen Refolutionen durch hunderttausende Deutscher bewiesen, daß nur eine Fahne und nur eine Parole galten. Nur mißgünstige Konkurrenten können bestreiten, daß den Christlichsozialen die Einigung des deutschen Bolles unter der roten Fahne, mit der Pa role der Sozialdemokratie mißlungen ist. Das hat Hilgenreiner vorausgesehen, als er wie Kaiser Wilhelm gestand, er kenne nur Deutsche und feine Parteien.
Doch weiter im Programm:
3. Junerpolitische Ziele.
Die Wahl der Volksvertreter für alle öffent. lichen Körperschaften( Nationalversammlung , Kreis. vertretungen, Gemeinderat, Handels-, Gewerbe-, Arbeiter, Landwirtschaftskammern, Krankenkassen usw.) hat auf Grund des allgemeinen gleichen Ber hältniswahlrechtes aller großjährigen und vollberechtigten Staatsbürger beiderlei Geschlechts statt. zufinden.
Es ist ja allgemein bekannt, daß auf dem Wege zu diesem innerpolitischen Ziel von der christlichsozialen Regierung ganz Erkleckliches geleistet wurde: die Beseitigung des Soldatenwahlrechtes, die Hinauffehung der Altersgrenze in den Landesvertretun gen, das Ernennungsrecht der Regierung in Landtag und Bezirksvertretung, die geforderte Ernennung der Krankenkassenvorstände sind verheizungsvolle Anfänge. Die Einschränkung des Gemeindewahl rechtes wird chestens erfolgen und wird von der Deutschen Presse" in mustergültiger Propaganda vorbereitet.
Angesichts dieses entschiedenen Bekenntnisses zur Demokratie fonnte Hilgenreiner nicht anders, als sein demokratisches Herz ausschütten: Im Herzen muß die Demokratie sißen, aus dem Herzen stammt der rechte Demofratengeist." Ein Blick in das goldige Demokratenherz des Hilgenreiner nimmt noch das folgende wahr:
,, Nicht Polizeizwang, sondern Bürgergeist und Pflichtgefühl muß allen Richtschnur sein. -- Wo aber jeder sich am Gesetz vorbeizudrücken sucht und erst von der Polizei zur Erfüllung seiner Bürgerpflicht herbeigeholt werden muß, da ist das Volk zur Demokratie nicht reif."
Das muß nach reiflicher Ueberlegung MayrHarting in unserem Falle festgestellt haben, sonst hätte er doch nicht den Bürgergeist Hilgenreiners mit dem Prügelpatent beantwortet, das mit der Demokratie des Herzens und der Tat" verflucht wenig zu tun hat.
Einige Selemigkeiten verdienen Beachtung. So wird im Abschnitt 4, Punkt 2, die Einrei hung der Lehrer in die Rangstlassen der Staatsbeamten gefordert. Im Vorjahre aber wurde mit christlichsozialer Unterstützung die Parität der Lehrer beseitigt! Daß Deutsch " das erste Wort auf der Fahne der Christlichsozialen ist, muß derselbe Hilgenreiner nochmals betonen, der nach den Novemberwahlen in den Jubelruf ausbrach ,, Katholisch ist Trumpf" ausbrach. Im Abschnitt 5 werden die Christlich sozialen direkt sozialistisch:
Der Aktivisten Glück und Ende.
1. Das Wählervolk in guter Ruh träumt einem neuen Frühling zu.
AKTIVISMUS
HEIL! HEIL! HEIL! FROLICHE OSTERN
AK
3. Und ohne Rögern, eins, awei, drei, legt er ein schönes Kududsei.
5. Doch als die Brut dann ausgereift, ein andres Lied der Vogel pfeift.
SOZ.
DEM
PART
7. Der läßt es sich nicht zweimal sagen. er faßt den Kudud gleich beim Kragen.
Sonn- und Feiertagsruhe sind den Bedingungen der verschiedenen Betriebe anzupassen."
0000
20,000
20,00
2. Indes zum frohen Osterfest der Kudud sucht ein fremdes Nest.
KTIVISMUS- AKTIVIS
4. Mit vorlaut freudigem Geschrei Begrüßt man jeßt das Osterci.
Soz. DEM.
6. Das Nest zu säubern von dem Feind, Ruft er sich einen stärkern Freund.
HINAUS!
8. Er rupft ihm tüchtig das Gefieder, der Vogel kommt sobald nicht wieder!
Seite 3.
Deutsch - bürgerliche Auferstehung!
Mit der Feier des Auferstehungsfestes verband das junge Christentum in den ersten Jahrhunderten seiner Geschichte an der Stätte feiner ältesten Gemeinde, in Rom , die Sitte, die unter den Verfolgungen der Heiden Abgefallenen( lapsi), die ihren Abfall bereuten, wieder in Gnaden auf zunehmen. Zwar begrüßen einander die frommen. Christen am Ostersonntag nicht mehr, wie in den. alten Zeiten, mit Osterfuß und mit dem Zuruf: ,, Er ist auferstanden", aber das Hallelujah des frommen Senatspräsidenten ist in besonderem Sinne ein Gruß an diejenigen, die vom Glauben an die Vortrefflichkeit des tschechoslowakischen Staates abgefallen waren und nun durch den Ein tritt in seine Regierung und durch fanatische Befolgung aller Gebote ihrer Reue und Geneigtheit zur Besserung einen so überzeugenden Ausdrud verliehen. Hoffen wir, daß auch über diese reutigen Sünder der oberste Herr und Gebieter die richtige Freude empfindet.
Die Einkehr der Parteien des deutschen Bürgertums, ihre Auferstehung zu einem Staatsvolke verdient es, als ein Wunder gepriesen zu werden. Daran lassen es insbesondere diejenigen nicht fehlen, denen ihre eifervolle Mitwirkung bei der Versöhnung mit Staat und Regierungssystem der Tschechoslowakei die Erhebung in den Ministerrang gebracht hat. Dr. Spina nannte die Bildung der deutsch tschechischen Bürgerregierung ein- Naturereignis( wie bescheiden!), er sprach vom Aufgeben der deutschen Opposition als von einer stum men, aber umso entschlosseneren Tat. Durch die Eingliederung in eine festgefügte, ausgesprochen bürgerliche Regierung hätte das deutsche Volf wieder festen Boden unter den Füßen erhalten und sei berufen, in den Hauptfragen der Wirt schaft und an der Besserung der nationalen- Stellung mitzuschaffen. Es ist wohl etwas fühn, die in den deutschen Regierungsparteien vertretenen deutschen Besitzgruppen das deutsche Volk sehen zu wollen, dagegen wäre es nicht überflüssig gewesen zu zeigen, inwieweit die Berufung, an der Besse rung der nationalen Stellung der Deutschen mitzuschaffen, erfüllt worden sei. Statt darüber etwas Stonfretes zu sagen, gießt Dr. Spina seinen ganzen professoralen Spott über einen gewissen Prozentsatz der Deutschen und Tschechen, der nicht im stande sei, umzulernen" und den der entwicklungsfähige und entwicklungsfreudige Minister mit dem ehrenden Namen die ewig Gestrigen" benennt.
Die rednerischen Lorbeeren des agrarischen Dr. Spina lassen natürlich den christ- lichsozialen Dr. Mayr- Sarting nicht schlafen. Auch er findet, daß sichs für die Deutschen in der Tschechoslowakei und insbesondere im tschechoslowakischen Regierungsflima leben läßt.
Doch die großen selbstbewußten Worte aus ministeriellem Munde dürfen uns nicht hindern, die Illusionen der Aktivisten" mit der Wirklichfeit zu fonfrontieren und zu zeigen, was die Arbeiter, was die deutschen Arbeiter erreicht haben, seitdem wir mit der tschechisch- deutschen Bürger regierung begnadet sind.
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Begonnen hat es mit der Schaffung der figen Agrarzölle. Diese haben wohl den großen Agrariern reichen Gewinn gebracht, den Arbeitern aber verteuertes Brot, verteuerte Kartoffeln, Erhöhung der sozialen Not. Sie hatten im Gefolge eine Versteifung der handelspolitischen Verhandlungen mit den Nachbarstaaten, Rüdgang von Ausfuhr und Einfuhr, eine in ihren fünftigen Ausmaßen unberechenbare Drosselung der Produktion, eine Fortdauer der beängstigenden schleichen den Krise. Mit feinem der Nachbarstaaten sind unsere wirtschaftlichen Beziehungen hoffnungsvoll. Die deutschen Agrarier, die deutschen Christlichsozialen, die deutschen Gewerbeparteiler dürfen sich rühmen, bei diesen ersten Taten der wirtschaftspolitischen Reaktion mitgetan zu haben. Was dann folgte( Stongrua, Erhöhung der Zuder- und Spiriiussteuer, Baugesez, Militärvorlagen), war gewiß geeignet, das Fundament der bürgerlichen Regierung zu befestigen, aber auch zugleich die Vorzeit, Ersaßreserve für die Söhne der deutschbürgerlichen Parteien in die Regierung die stellung zu befestigen, daß mit dem Eintritt der Großbauern, haben wir das alles nur geträunt? jozialen und politischen Verhältnisse des größeren Das paßt zu den Bestrebungen nach Abbau it in den letzten Monaten nicht vielmehr die Teiles des deutschen Volkes der Arbeiterschaft der Sozialversicherung, nach den fieri- Wiliz eingeführt worden?! Hier ist ein Wun- und des Mittelstandes eine dauernde Verschlech talen Bemühungen, die Dienstboten und Land- der, glaubet nur! Der Paulus ist zum Saulus terung erfahren haben. Was aber im Schoße der Die Enteignung und Vergemeinschaftung von arbeiter um ihre Versicherung zu bringen, wie geworden und wenn Wilhelm II. diese Dinge nächsten Zukunft ruht( Steuergeseße, VerwalProduktionsmitteln, insbesondere der Naturschätze die Faust aufs Auge. Aber nicht minder luftig aufmerksam verfolgt hat, dann fehlt in seinem tungsreform, Novellierung der Sozialversicherung), und Verkehrsmittel, ist gegen Entgelt nimmt sich der folgende Abschnitt aus, in dem die Tagebuch sicher nicht das Zitat seines hochseligen wird den Ruhmestitel der deutschbürgerlichen überall da zulässig, wo sich die Einzelwirtschaft für Kriegsverlebten mit Versprechungen be- Großvaters: Welche Wendung durch Gottes Mitarbeit an der Hemmungslos gewordenen Realdas öffentliche Wohl als schädlich erweist." dacht werden. Sie fonnten an dem Abzug von Fügung!" tion noch erhöhen. Nun wir verzichten gern auf die Mithilfe 150 Millionen, den man bei ihrem Budget machte, Worte wie Taten, Programm wie Die tschechische Bourgeoisie wird es der deutder Christlichsozialen bei der Enteignung der Pro- bereits feststellen, wie streng sich die christlichsoziale Wirklichkeit, der Plan zur Tat wie ichen nicht ersparen, den vollen Preis für den Einduktionsmittel. Das an die Zeitverhältnisse ange- Partei an ihr Programm hält. Im Abschnitt 8 die Tat selbst, so sollte es wohl nach der Mei- tritt in die Regierung zu zahlen und die deutsche paßte Programm hat hier übers Ziel geschossen. wird der Ruf nach demokratischer Selbst nung ehrlicher Menschen sein. Hier ist alles Bourgeoisie hat schon jetzt den Beweis erbracht, Uebrig blieb nur die konsequent durchgeführte verwaltung aufs neue erhoben und der verkehrt wie im Hegeneinmaleins. daß man sich auf sie verlassen fann, wenn es die Enteignung der avbeitenden Massen allerdings„ schädliche Zentralismus" ebenso wie die„ störende Außer den Forderungen nach der Wiederherstel- Bekämpfung der deutschen Arbeiterschaft gilt und ohne Entgelt. Unbestritten erfolgreich endete der Doppelverwaltung" bekämpft. Im Staatshaus- lung der firchlichen Macht gibt es in diesem Pro- ici es auch um den Preis des Verzichtes auf die Stampf um folgende programmatische Forderung: halt sind die„ indirekten Steuern( Auf- gramm kein Wort, das nicht durch eine Tat Lü-„ heiligen Rechte des deutschen Voltes". Dic „ Die staatlichen Lieferungen sind in der Regel lagen auf Verbrauchsgüter) tunlichst zu be- gen gestraft würde. Kein Versprechen wurde Schande der Zustimmung zum Verwaltungsim Wege der Genossenschaften zu vergeben." schränken"! Die Zuckersteuer und die erfüllt, keine Parole wahr gemacht. Das gerade reformentwurf war allerdings so groß, daß man Hier ist aber auch der Einfluß des heiligen 3ölle sind eine so gründliche Bekämpfung der Gegenteil des Versprochenen taten sie, Lug und die Verhandlung über das saubere Werk ins DunHier ist aber auch der Einfluß des heiligen Berbrauchssteuern, das sich hier jedes Wort über Betrug am Volke war die Politik einer fel geheimer Verhandlungen bringen mußte, daß Geistes unverkennbar. Denn menschliches DenProgrammtreue erübrigt. Aber das Beste kommt Partei, die sich christlich nennt. Jesus von Naza- man auf den Zeitpunkt geminderter Aufmerksamfen konnte weder die Schaffung der Koh wie überall, so auch hier, zum Schluß: reth muß geahnt haben, welcher Art seine Nach feit als den zur Ueberrumplung geeigneten Augenleneinfuhrscheine noch die Gründung„ Sie( die christlichsoziale Partei) weist den folger" fein würden, als er über seine Stirche blid lauert. Die tschechischen und deutschen Realder Wige" im Jahre 1919 voraussehen! Militarismus in feder Gestalt ufagte: An ihren Früchten sollt ihr sie tionäre, die sich zu dem schönen Bunde zusammenDurchaus zeitgemäß ist auch eine Reminiszenz an rid. Die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen ertennen! Lüge und wieder Lüge war alles, gefunden haben, hoffen dies Gesez, das einen dem Abschnitt: Sicherheit erforderliche Wehrmacht soll nach dem was sie sprachen und druckten, nur ihre Taten, Rückfall in die schlimmsten Zeiten des altöſterrei7. Oeffentliche Fürsorge. Milizsystem ausgebaut werden." ihre Früchte zeugen von ihrem wahren Charakter. chischen Absolutismus bedeuten, die PolizeiherrDie staatlich geordneten Versicherungen für Es ist kein Druckfehler und kein Möge jeder, der ihn erkannt hat, dazu schauen, schaft stabilisieren, die Art an schwer erkämpfte Krankheit und Unfall sind auf alle Angestellten Versehen, fein frommer Stindertraum und daß es nicht zu spät werde, bis alle ihn erkannt politische Grundrechte anfeßen, die nationale Ünund Arbeiter auszudehnen, die Versicherung für feine Fata Morgana. Schwarz auf. weiß steht es haben. Steine beffere Osterparole fönnte ange- terdrückung der der Minderheitsvölker verewigen Alter, Invalidität und Arbeitslosigkeit ist für diese im Programm, Abschnitt 10. In jeder Gesichts der schamlosen Verkehrung aller Verspre- würde, doch noch unter Fach zu bringen. alle zu erreichen. Einzubeziehen sind auch Gewer- sta lt haben sie den Militarismus zurückgewiesen, chungen zu Flüchen, den Massen gegeben werden betreibende und Kleinbauern, Hausangestellte, aber der bezaubernden Persönlichkeit Udržals als das Wort, das Voltaire der Pfaffenherrschaft land- und forstwirtschaftliche Angestellte und Heim fonnten sie sich unmöglich entziehen. Sanonen- entgegenschleuderte: arbeiter. Die gesetzliche Arbeitszeit sowie die fonds, Rüstungen, 18monatige Dienst
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Tilgt sie aus, die Infame!
Um an der Herrschaft der Bürgerregierung, die sich immer flarer zu einer Herrschaft über die Arbeiterschaft entwidelt, teilnehmen zu können, sind die deutschen Regierungsparteien entschlossen,