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7. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.
Samstag, 3. September 1927.
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Nr. 206.
Gute Ernte- hohe Preise beiterfamilie, wie er vom ſtaatlichen Statiſtichoslowakei führen. Alle ſtatiſtiſchen Aufſtellun Der chriftliche Sozialismus
Alle Nachrichten über die neue Ernte fouten günstig. Selbst der Präsident der Preßburger Handelskammer, Stodola, ein Parteigänger des Bürgerblocks, hat dies vorgestern in einer Rede zugeben müssen. Tatsächlich dürfte die neue Ernte in allen Ländern besser ausfallen als voriges Jahr, sowohl was die Menge als auch die Güte des geernteten Getreides betrifft. Insbesondere sind die Erträge gerade der wichtigsten, für die Volfsernährung in Betracht kommenden Getreideart ,, des Weizens, sowohl in dem größten Weizenausfuhrland der Welt, in Kanada , als auch in jenen Ländern, die besonders für die Weizeneinfuhr in die Tschechoslowakei in Betracht kommen, nämlich Ungavn, Rumänien und Südslawien , größer als im Vorjahr. Man sollte also glauben, daß wir angesichts der günstigen Ernte einer Zeit sinkender Getreide- und Brotpreise entgegengehen, daß die Bevölkerung billigeres Brot haben wird und sich so leichter wird ernähren können. Selbst bürgerliche Blätter,
Jahre ist der Inder der Ausgaben einer Ar-| Eristenzkampf, den die Arbeiter in der Tscheschen Amt berechnet wird, um nicht weniger als gen, mögen sie vom Staat oder von bürger103 Punkte gestiegen, während die Löhne lichen Organisationen herausgegeben werden, sagen das Aushängeschild der christlichen BrotDer christliche Abgeordnete Greif ist sozugleichgeblieben sind. Gerade angesichts des lehren, daß in den letzten Jahren die Leistun verteurer, das dazu dienen soll, Arbeiter anzuStampfes der Bauarbeiter wird es interessieren, gen der Arbeiter gestiegen, die Löhne gleich- locken. Greif muß dem„ Arbeiterpoliti daß der amerikanische Maurer für einen Tages geblieben und die Preise in die Höhe gegangen ker" mimen, denn die romfrommen Herrschaften lohn von sieben Dollar 200 Kilogramm Korn find. Solche Verhältnisse kann die Arbeiter- brauchen die Stimmen der Arbeiter und da www erhält, während der tschechoslowakische für einen schaft nicht ertragen. Niemand kann ihr zu- Sunger, Arbeitslosigkeit, WohTageslohn von 40 Kronen nur 18 Kilogramm muten, mehr zu arbeiten, den gleichen Wohnungsnot und andere Dinge immerhin stärKorn bekommt, so daß also sein Lohn in Korn zu bekommen und sich weniger Lebensmittel da kere Argumente find, als wirkliches oder geheu berechnet, nur ein Elftel des Lohnes des ame- für faufen zu können. Gerade zur rechten Zeit bann und wann auch etwas von Arbeiter- und cheltes Christentum, muß der Herr Greif eben rikanischen Arbeiters beträgt. fommt den breiten Massen der arbeitenden Be- Sozialpolitik erzählen. Die selbst an den Verhältnissen anderer völkerung die Erfahrung, daß selbst bei gün- In der Festnummer der Volkspoſt" anläßLänder gemessenen unerhört hohen Getreide- stiger Ernte die Preise der Lebensmittel stei- lich des Statholikentages in Teplitz erzählt er nun preise in der Tschechoslowakei haben ihren gen. Die Bevölkerung hat im Monate Oktober in einem längeren Artikel„ Von der politi. Grund in den im Vorjahr zur Einführung ge- anläßlich der Gemeindewahlen die Möglichkeit, fchen zur sozialen Gleichberech langten landwirtschaftlichen Zöllen. Die ihr Urteil abzugeben über diese verderbliche, tigung". Bateien des Bürger blocks, welche der Er- die Lebenshaltung der Menschen bedrohende und gleitet recht seicht über dieses wichtige ProHerr Greif macht sich die Sache sehr leicht höhung der Zölle ihre Zustimmung gegeben Wirtschaftspolitik, sowie über die Parteien, die blem hinweg, dafür aber empfiehlt er zum Schluß haben, tragen die volle Verantwor- die Schuld tragen dafür, daß die Tschechoslo. tung für die hohen Preise der Le- wakei das Land des teuersten Mehles und bensmittel und damit für den schweren Brotes ist.
deten kapitaliſtiſche Berläßlichkeit außer Frane Belgien lehnt die Franttireur- Enquete ab.
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Differenzen Vanderveldes mit den Ministerkollegen. Die Zage des Kabinetts gezählt?
steht, fordern die Herabseßung der Lebensmittelpreise. So schrieben vor einigen Tagen die„ Narodni Liſty":" Es ist im Interesse der Gesamtheit, daß der Preisindex augenblicklich um einige Punkte heruntergeht, und das vor Außenminister Vandervelde fehrte heute Brüssel , 2. September .( Eigenbericht.) allem in den Nahrungsmitteln. Was die eigens aus Genf zurück, um an einem Minister Bauern am Meterzentner vielleicht weniger rat teilzunehmen, der sich mit der Frage der mit ebhalten, werden sie mit Rücksicht auf die gute Deutschland vereinbarten Enquete über Ernie voll dadurch ersetzt bekommen, daß sie den ranttireurtrieg in Belgien zu Antmehr verkaufen können." fang des Kriegs befassen sollte. Vandervelde fonferierte vor dem Ministerrat mit dem Ministerpräsidenten, konnte aber mit seinem Vorschlag
Die Preisentwicklung auf dem Getreidemarkt scheint aber augenblicklich gar nicht dazu auf Veranstaltung dieser Enquete nicht durchangetan zu sein, eine Senkung der Getreide- bringen. Der Ministerrat lehnte die Enpreise erwarten zu lassen. In den Vereinigten quete, auf deren Veranstaltung Deutschland beStaaten und in Kanada , in den Ländern, die reits eingegangen ist, ab. Ueber die Gründe für die Festsetzung des Weltmarktpreises für dieser Ablehnung wird ein offizielles Kommuni Getreide entscheidend sind, wird die Organisa- que herausgegeben, in dem es ut. a. heißt: tion der Farmer und der Getreidehändler immer fester, es bestehen große Ringe( Corners), welche bestrebt sind, durch Zurückhaltung der Vorräte die Preise auf den Weltbörsen in die Höhe zu treiben. In der Tschechoslowakei aber sind die Preise noch weit höher als in den Ver einigten Staaten , trotzdem dort die Löhne bedeutend höher sird als bei uns. In Amerika bekommt der Farmer für 100 Kilogramm Korn rund 3.5 Dollar, das sind 115 Kronen, Ungarn 165 Stronen, in Deutschland 190 K, in der Tschechoslowakei 210 Kronen. Die Tsche choslowakei ist also das Land mit dem höchsten Getreidepreis. In den letzten Jahrer sind die Preise ununterbrochen gestiegen und sind, wie aus der nachstehenden Aufstellung hervorgeht, höher als nach der schlechteren Ernte des vorigen Jahres. Es fosteten nämlich
Ende August 1926 Ende August 1927
in
100 Kg. Korn 100 Kg. Mehl Kč Kč 168 213
270
320
Auf Grund der Erklärung des belgischen Außenministers vom 13. Juli 1926, in der erklärt wurde, daß Belgien eine internationale Untersuchung über den angeblichen Frankti reurkrieg, selbst wenn sie verspätet erfolgen würde, zulassen werde, hat die Regierung des Deutschen Reiches ihren Gesandten in Brüssel am 22. Auguſt beauftragt, der belgischen Regierung mitzuteilen, daß Deutschland den Vorschlag einer Enquete annehme und darüber hinaus der belgischen Regierung die Ausdeh nung dieser Enquete auf alle Fragen des Kricges vorschlage. Der belgische Minister des Aus
Die Bötterbundstagung. Erörterung der Internationalen Pressekonferenz.
wärtigen hat den Eingang dieser Mitteilung dem deutschen Gesandten bestätigt und mitgeteilt, daß er den deutschen Vorschlag dem näch sten belgischen Ministerrat vorlegen werde. Der belgische Ministerrat ist in seiner hentigen Sitzung übereinstimmend der Ansicht ge wesen, daß diese deutschen Vorschläge nicht angenommen werden könnten, obwohl sie aus einem Willen zur Besänftigung der internationalen Atmosphäre herrühren. Es erschien unzweifelhaft, daß unter den gegebenen Umständen eine Enquete die Leiden schaften übermäßig aufwühlen und Folgen haben würde, die dem gemeinsamen Wunsch der beiden Regierungen auf Pazifizie rung und Verbesserung der Beziehungen zwi schen den beiden Ländern zuwiderlaufen wür den. Der Minister des Auswärtigen wird die Gründe für sein Verhalten beim Völkerbund m Genf in Besprechung mit den Vertretern der Signatarmächte des Locarno - Vertrages befanntgeben.
Vandervelde ist nach dem Ministerrat sofort wieder nach Genf abgereist. Eine Demission Vanderveldes ist wenig wahrscheinlich, anderer seits ist es aber eine ausgemachte Sache, daß has Leben des gegenwärtigen belgischen Stabinettes nur noch eine Frage der Zeit ist.
die Weltpresse sei mit der Ergänzung der Arbeit der Staatsmänner betraut
ständigung.
und ist ja der ganze Zweck seiner Stilübung den Arbeitern bei den Gemeindewahlen christlichsozial zu wählen.
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Immerhin fommt der Herr Greif sehr
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im Gegensatz zu seinen mächtigeren Parteifreunden darauf, daß es elassengegensäße, daher auch Klassen, daß es Proletarier gibt Wo es aber Selassen, mit einander entgegen gesetzten Interessen, gibt, dort gibt es auch Se l'assentämpfe. Auch das gibt der Herr Greif zu, womit er abermals in Widerspruch mit den Anschauungen seiner Parteivorgesetzten gerät, die be= fanntlich den Klassenkampf als eine böse, das Bolf entzweiende und die christliche Sittlichkeit untergrabende Erfindung der Marristen" bezeich nen. Ja. der Herr Greif ist sogar entschlossen, den Klaffenkampf zu führen. Wie er das zu tun gedenkt, entspricht freilich durchaus den Grundsäßen des christlichen Sozialismus", d. h. den Anschauungen der Bourgeoisie. Hören wir doch, wie sich der Herr Greif in seinem christlichen Sozialismus die Neugestaltung der Dinge vorstellt:
forderte eine große und energische Weiterverfol gung der Entschließungen durch den Völkerbund und stellte in bezug auf die Präambel der vorlie genden Resultate fest, daß sie eine feierliche Erflärung der Grundrechte der Presse" darstelle. Im Genf, 2. September. Im Mittelpunkt der weiteren Verlauf seiner Ausführungen führte heutigen öffentlichen Ratsigung stand die Erör- Stresemann n. a. noch aus, terung der internationalen Presse= fonferenz. Berichterstatter war infolge der Troßdem wir es also heuer nach den An- Abwesenheit Vanderveldes der belgische Senator und in ihrer Hand liege es, ob die Welt befriedet oder gaben selbst aus landwirtschaftlichen Kreisen de Brondere, der selbst Journalist ist. Der die Deffentlichkeit aufgereizt werde. Sie verfolge mit einer beſſeren Ernte zu tun haben, kostet Präsident der Pressekonferenz, Lord Burnham, das gleiche Ziel wie der Völkerbund : die Beres das Korn um 45 Kronen, das Mehl um 50 war, wie üblich, an den Ratstisch gebeten worden. Als nächster Redner sprach der englische Stronen mehr als im vorigen Jahr. Dabei be- De Broudere hob die Bedeutung der ſtehen alle Aussichten, daß auch die Startoffeln Problemte hervor, die verhandelt wurden, beglückim Preise nicht heruntergehen, denn das Fi- wünschte den Völkerbund zu seiner Initiative und nanzministerium hat für das heurige Jahr den Spiritusfabriken ein erhöhtes Stontingent be- sprach sich für die Wiederholung der Veranstalwilligt, wodurch der Berbrauch der Kartoffeln tung aus. Lord Burnham verband mit seinem in den Spiritusbrennereien um etwa 2500 Dank für die ihm zuteil gewordene Ehre die Feſt Waggons steigen wird. stellung, daß die Pressekonferenz eine erste offiwicht gelegt wird. Es ist selbstverständlich, daß angesichts der zielle Anerkennung der Presse darhohen Preise der Lebensmittel die Arbeiter- stelle, die damit zum ersten Male nicht über die schaft mit aller Straft bestrebt ist, ihre Lebenz- Hintertreppen, sondern über die Freitreppe in die haltung zu erhalten und die gestiegenen Preise Weltpolitik eintrat".
Außenminister Chamberlain, der im besonderen die Bedeutung der Resolution über die sogenannte moralische A brüstung" hervorhob, in der
die Verantwortlichkeit der Presse an der Verbreitung der Nachrichten
betont und besonders auf die Vermeidung den Frieden gefährdender falscher Informationen Ge
Nachdem sodann noch der französische Delegierte Paul Boncour und der japanische Dele gierte Baron Ishii den Bericht der Pressekonferenz günstig beurteilt hatten, wurde der Bericht vom Rate zur Kenntnis genommen. Nervenzerrüttung des Richters Thaher.
durch eine Erhöhung der Löhne wettzumachen. Als erster Debatte- Redner gab ReichsaußenDie Bauarbeiter in Prog stehen in schwerem miniſter Dr. Stresemann den Empfindungen Kampfe um eine Lohnerhöhung und wir wer- Ausdruck, die das aufmerkſame Studium der Veröffentlichungen über die Konferenz und ihrer Ent- New York, 2. September. Aus Worcester im den es vielleicht auch bald mit einem Kampfe schließungen bei ihm ausgelöst habe.„ Es ist etwas Staate Massachusetts melden die Blätter, der der Tertilarbeiter zu tun haben. Wie berechtigt bedeutendes", so führte er aus, wenn die Ver- Richter Thayer sei ans Bett gefesselt. Er leide dieses Streben nach Lohnerhöhung ist, zeigt treter von 38 Staaten und von allen Zweigen der an Nervenzerrüttung und sei schwer frank nicht nur das Steigen der Lebensmittelpreise, Politit, die nicht immer gleiche Intereffen haben, wenn auch sein Zustand nicht hoffnungslos ist. wie wir es vorhin dargetan haben, sondern das sich zusammenfinden, um die Bedingungen für die Eine Verhandlung, die er leiten sollte, wurde Steigen der Preise überhaupt. Im letzten Durchführung ihrer Aufgaben zu erleichtern." Er vertagt.
Die liberale Wirtschaftsordnung die Stlassenpolitik von rechts hat die Verelendung der Proletariermassen verschuldet. Sozialistische Regierungen fonnten zwar das politische Bild verändern. Die Proletarier sind heute im Vollbesitze ihrer politischen Gleichberechtigung. Allein in ihrem Ringen nach wirtschaftlicher Gleichberechtigung sind sie bis heute noch keinen Schritt weiter gekommen. Das Mittel des Klassenkampfes von links ist nicht geeignet, das falsche und verderbliche Wirtschaftssystem zu brechen. Man kann nicht den Teufel durch Belzebub austreiben. Wirtschaftliche Gleichbe rechtigung heißt, jedem in gerechter Weise das Seine am Wirtschaftsertrag zuerkennen. Solange einzelne wenige sich am Wirtschaftsertrage bereichern können, während ganze Volksschichten der Verelendung preisgegeben sind, und solange Diftatur der Einen über die Andern angestrebt wird, gibt es feine Gleichberechtigung. Wirtschaftspolitik, die nicht das Wohl aller Volfsfreise zum Ziel hat, sondern nur einseitiges Klasseninteresse zu wahren sucht, muß zum Stlassenfampf werden. Solange Stlassenfamps herrscht, ist die Verwirklichung einer wahren Volksgemeinschaft undenkbar, auf der allein ein gedeihliches und erträgliches Zusammenleben der Menschen aufgebaut werden fann.
Also: Wir machen es nicht recht; und so wic
von„ rechts" gemacht wird, ist es auch falsch, obzwar die Seipel, Feierfeil, Mahrarting und jeder Dorfkaplan gerade die gegenwärtige, also die kapitaliſtiſche Gesellschaftsordnung als die von Gott gewollte bezeichnen.
Bleibt also nur noch übrig, daß Herr Greif sein Patent, wie er die soziale Frage zu lösen gedenkt, befannt gibt. Das tut er denn auch; nämlich:
Wirtschaftliche Gleichberechtigung heißt, jedem in gerechter Weise das seine am Wirtschaftsertrag zuerkennen." Da liegt eben der Hund begraben. Herr Greif hätte sich ein Riefenverdienst um den christlichen Sozialismus" erworben, wenn er auch gejagt hätte, wie das möglich gemacht wer
den fönnte. Uebrigens werden ihm die Hakenkreuzler das Urheberrecht dieser Formel streitig machen, die ja auch die soziale Gerechtigkeit" predigen.
Aber untersuchen wir einmal wohin logischer Weise die Konsequenz der Dinge, wie sie der Herr Greif zum Besten gibt, führen muß: Herr Greif findet also, trotz aller gegentei ligen Behauptungen seiner Parteivorgesetzten, daß das gegenwärtige Wirtschaftsſyſtem ein unge= rechtes ist und fordert wenigstens tut er so die wirtschaftliche Gleichberech
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