Einzelprets 70 Seller.

Redaktion und Verwaltung: Prag , I., Netazanfa 18

Telephone:

Tages redattion: 26795, 31469.

Ragtredattion: 26707.

Postichedamt: 57544.

Inferate werden laut Tarif billigft berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlaß.

7. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Donnerstag. 8. September 1927.

Bezugs Bedingungen: Bei Justellung ins Haus oder bei Bezug durch die Post: monatlich.... 16.­vierteljährlich

48.­

halbjährig.... 96.­ganzjährig.

192.­

Rüdstellung von Manu­Stripten erfolgt nur bei Ein­fendung der Retourmarten.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich frülb

Nr. 210.

Mieter, seid gewarnt! Für Völkerverständigung und Selbstbestimmung Ein Jahr meritaniſcher Kirchenftreit.

der Nationen.

8ur Attion Rothermeres.

Der Parteivorstand hat in seiner gestrigen Sitzung folgendes Kommuniqué beschlossen: Der Parteivorstand der deutschen sozial demokratischen Arbeiterpartei stellt fest, daß die Aktion des Lord Rothermere , des typischen Exponenten des englischen Kapitalismus und Imperialism us, keineswegs aus dem Geiste der Demokratic und der Selbstbestimmung der Völker und des Kampfes gegen die Unterdrückung der Minori. täten hervorgegangen ist, sondern lediglich den Zwed verfolgt, das fascistische Regime Ungarns , in welchem der englische Imperia lismus eine seiner festesten Stüßen erblickt, zu kräftigen und im Bestande zu sichern. Hiebci verfolgt sie, wie aus den letzten Ber­lautbarungen des Lord Rothermere hervorgeht, deutlich die Tendenz einer neuen Ein­freifung Deutschlands durch Schaffung eines auf England, Frankreich und Italien gestützten Blocks und wird dadurch zur Quelle neuer Kriegsgefahren und kriegerischer Verwic­lungen. Aus diesem Grunde will unsere Partei mit den Schritten des Lord Rother­ mere, der zu den gehässigsten Gegnern des internationalen Sozialismus zählt, nichts gemein haben.

Wieder geht die Meldung durch die Presse, daß in den Kreisen der tschechisch- deutschen Roalition Anträge auf Aufhebung des Mieterschutzes vorbereitet werden. Diesmal soll gründliche Arbeit geleistet werden: mt dem Ablauf der Geltungsdauer des Mieterschutzgesches, das ist am 30. März näch ten Jahres, soll der Mieterschuß überhaupt auf­gehoben werden. Auch die Regierung bereitet, so heißt es, für die Herbstsession des Parla­mentes eine Novellierung des Mieterschutzge­jezes vor, die praktisch so aussehen soll, daß sie der vollständigen Beseitigung des Mieter­schutzes gleichkommen wird. Mancher mag sich vielleicht mit dem Gedanken beruhigen, daß dies nur Zeitungsmeldungen sind, aber Tatsache ist, daß der Sektionschef im Ministerium für so= ziale Fürsorge, Herr Subišta, dem das Wohnungswesen unterſtellt ist, schon anfangs Juli im Prumyflovy Věstnik" in einem Ar­tikel den bevorstehenden Abbau des Mieter­schußes angekündigt hat. Nach seinen Mittei= lungen soll noch im Herbst von der Regierung ein neues Baugesetz vorgelegt werden, an dem im Ministerium gearbeitet wird, das mit den noch vorhandenen Resten des Mieterschutzes aufräumen soll. Nach Kubištas Darstellung soll wohl das Kündigungsrecht der Hausbesitzer vor­läufig bis auf weiteres eingeschränkt bleiben, dagegen sollen die der Hinaufschrau bung der Mietzinse gesezten Schranken fallen, vorerst bei den grö­jeven Wohnungen, doch auch bei den kleine= ren und sogar bei den allerkleinsten Wohnungen soll der Hausbesizer das Recht erhalten, einen angemessenen" Mietzins zu berlangen, hinter welcher Redensart sich natür­lich die Absicht verbirgt, den Hausherren zu er lauben, auch den kleinen Mietern die Daum­schrauben anzulegen. Den wahren Inhalt der vorbereiteten Vorlage wird man nicht jeßt, son­dern zu einem anderen Zeitpunkt erfahren, und zwar nach den Gemeindewahlen, und man fann sicher sein, daß von dem Aus­sall dieser Wahlen die endgültige Gestaltung der Frage des Mieter­schutes abhängt. Ob Fortbestand, teil­weiser Abbau oder Beseitigung des Mieter- coo

Diese Feststellungen ändern jedoch nichts an der Tatsache, daß das Problem der nationalen Minderheiten eine Quelle der schwersten Gefahren für ben internationalen Frieden ist und daher allen sozialistischen Parteien die Pflicht auferlegt, an seiner Lösung zu arbeiten und durch ihren Kampf den Weg für das friedliche Zusammenleben der Völler und die Sicherung der Rechte der nationalen Minderheiten frei­zumachen. Die Beseitigung des nationalen Unrechtes und die Herstellung der Selbstbestim= mung der Völker kann einzig und allein das Werk der Arbeiterklasse sein.

In diesem Zusammenhange sei festgestellt, daß der im Gang befindliche Abwehrkampf der in der Tschechoslowakei herrschenden Klassen mit der Unterdrückungspolitik, die sie den nationalen Minderheiten, also nicht bloß den Magyaren gegenüber betreiben, im Widerspruch steht. Daher ist es begreiflich, daß die Aktion des Lord Rothermere gerade in der Tschecho­ slowakei als Bedrohung empfunden wird. Darum erheben wir in diesem Augenblicke neuerlich unsere warnende Stimme und verlangen, daß das immer wieder zurückgestellte Minder heiten problem, an dessen Verzettelung nunmehr auch die deutschen Aktivisten mitschuldig geworden sind, der endgültigen Lösung zugeführt wird.

Unsere Partei wird unserem Programm und den Beschlüssen der Parteitage gemäß nach wie vor den Kampf um Bölkerverständigung und Selbstverwaltung der Minderheiten auf diesem Boden fortführen und hofft, in diesem Kampfe nicht allein zu stehen, sondern auf die Mitwirkung des Proletariats der anderen Nationen rechnen zu können.

Merito, Ende August.( Eig. Bericht.) Merito, das Land der Kirchen und des flies ßenden Petroleums, hat in diesen Augusttagen ein denkwürdiges, in seiner reichen Geschichte bei­spiellos dastehendes Jahr abgeschlossen. Ein Jahr ist es her, daß Merikos 5000 Stivchen ver­Tassen stehen, Merifos Priester ihren Pflichten nicht mehr nachkommen. Ein Jahr, feit auf Anordnung der hohen Geistlichkeit Religions­handlungen in Mexiko aufgehört haben und das religiöse Leben einer Bevölkerung, die zu mehr als 90 Prozent katholisch ist, äußerlich sein Ende gefunden hat. Seit einem Jahre ist der megi tanische Kulturkampf", feit Jahrzehnten latent, in eine Phase atuten Kampfes eingetreten.

Jm Frühjahr 1926 erschen wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine Erklärung der megifani­schen Kirchenfürsten gegen die kirchlichen Bestim mungen der Verfassung des Jahres 1917; man wollte nicht mehr und nicht weniger als eine Ver fassungsänderung. Diese Erklärung, zu der kein direkter Anlaß vorlag, mußte um so befremdender wirken, als sie gerade in die beginnende Auseina andersetzung mit den Vereinigten Staaten über die Petroleumgesetzgebung fiel und von der megi fanischen Regierung als geweihter" Dolchstoß in den Rücken empfunden werden mußte. Die Ant­wort ließ nicht lange auf sich warten Kurzerhand enischloß sich die Regierung Calles, die religiösent Verfassungspunkte, die bisher nicht viel mehr als tote Buchstaben gewesen waren, voll anzuwenden und entsprechende Ausführungs- und Straßbestima mungen zu erlassen. Der wesentliche Punkt diefer ,, ley reglamentaria" war die verlangte Registries rung der Geistlichen bei den städtischen Behörden. Dazu erflärte tie Kirche, eine solche Maßnahme widerspreche ihrer Autorität und käme de facto der Anerkennung der mexikanischen Regierung als der höchsten Gewalt in Religionsfragen gleich: damit wäre die religiöse Freiheit bedroht und der Bestand der allem selig machenden" Kirche in Mexiko ernstlich gefährdet. Im Gegensatz dazu hat die Regierung immer wieder betont, sie handle bei der Inkraftsetzung dieser Bestimmungen nur

schußzes, diese Frage werden in indirekter Wähler von der Sozialdemokratie hat für alle den der Möglichkeit zu berauben, ihre sozial­Weise die Wähler selbst zu beant- arbeitenden Stände bittere Folgen gezeitigt politischen und humanitären Pflichten gegen- im Sinne der Verfassung; nichts liege worten haben, jedenfalls steht fest, daß die und weitere drohen sich einzustellen. nein, über den unbemittelten Volksklassen zu erfüllen. ihr ferner, als der Kirche Hindernisse bei der tschechisch- deutsche Regierungskoalition sich mit die bürgerlichen Parteien haben nicht ver- Alle wurden beteilt: Großkapitalisten, Pfaffen, Ausübung religiöser Funktionen in den Weg zu der Absicht trägt, gegen den Mieterschuß einen fagi", wenigstens nicht darin, ihre Mat Agrarier und Militaristen, dem arbeitenden Ausübung religiöser Funktionen in den Weg zu entscheidenden Schlog zu führen, der um so Macht dazu aus zunüßen, die Reichen Volfe aber wurden neue Lasten aufgebürdet, legen. Da feine Seite nachgab, odnete die Her­ärger ausfallen wird, als sich die bürgerlichen noch reicher, die Armen noch är mer neue Fesseln für seine Niederhaltung geschmie- archie die Einstellung aller religiösen Alte an, Barteien durch die Abstimmung der Wähler zu machen. Diejenigen, die geglaubt haben, det. Die Mieter dürfen sich nicht wohl von dem jesuitischen Gedanken geleitet, mit bei den Gemeindewahlen ermutigt fühlen eine Wahl jei keine jo bedeutsame Sache, und wundern, wenn nun auch sie an die der Entziehung geistiger Nahrung" die Massen sollten. die der stumpfsinnigen Meinung huldigten, es Reihe kommen sollen, denn auch die gegen die Regierung aufzureizen und sie so zum Nun steht also, wenn nicht im letzten jei schließlich gleichgültig, wer gewählt werde, Hausbesitzer wollen einen fetten Happen ec- Emlenken zu zwingen. Aber diese Erwartung ist Augenblick noch alles geschieht, um die Gefahr die haben alle Ursache, ihre Sturzsichtigkeit bitter befchen, solang der Anteil an der Macht" den bisher bitter enttäuscht worden. abzuwenden, auch den Mietern in Aussicht, daß zu beklagen, denn sie hat sich an ihnen und deutschbürgerlichen Parteien die Möglichkeit da­Interessierte Streise versichern der Welt na­sie den Irrtum der November wah- ihren Klassengenossen bitter gerächt. Die Ver- zu gibt. türlich immer wieder, dieser Sul urkampf" fet len des Jahres 1925 teuer bezahlen, schiebung des Kräfteverhältnisses, durch irrege- Die Aufhebung, ja auch nur die weitere dem merikanischen Volle von seiner Regierung nachdem sie schon als Konsumenten und Steuer- führte proletarische Wähler herbeigeführt, hat Aushöhlung des Mieterschußes in der gegen- aufgezwungen worden; die Bestimmungen der zahler Tribut dafür entrichten mußten. Im die Etablierung einer rein fapitalistischen Bo- wärtigen Zeit ist eine schwere Gefahr, sie würde Verfassung dienten nar der Krebeinng der indi­November 1925 sind viele der Leute, die ei- titik ermöglicht, und alle Gesetze, die seither für Hunderttausende eine direkte Kata- viduellen Freiheit und insbesondere der Schinäs gung dafür besiken, auf Schlagworte hineinzu- beschlossen wurden, tragen den fapitalistiihen it rophe bedeuten. Gewiß wird bald wieder chung der fatholischen Kirche. Wer den Dingen fallen und blind durch die Welt zu gehen, den Stempel. Christlichsoziale, Landbündler und irgend ein Professor wissenschaftlich" beweisen, tiefer auf den Grund gegangen st, weiß, um bürgerlichen Parteien auf den Leim gegangen, Gewerbeparteiler trugen kein Bedenken, dem daß die Aufhebung des Mieterschutzes sozial was es sich bei dieſem 75jährigen latenten Stampf haben sich durch die Lüge, die Sozialdemokratie Militavisumus Milliarden zum Fraße zuzuwer- und volkswirtschaftlich notwendig sei im zwischen Regierung und Stirche in Meriko hans habe versagt", täuschen lassen und haben den fen, aber dieselben Parteien zetern über die Striege hat uns ja diese Sorte Professoren auch eine Neuauflage dessen, was mit dem Jahre 1837 bürgerlichen Parteien in den Sattel geholfen, zu hohen Lasten" der Versicherung der arbei- bewiesen, daß Sägeipäne das zuträglichste eine Neuauflage dessen, was mit dem Jahre 1857 welche die ihnen zugefallene Macht dazu benüß- tenden Menschen für den Fall der Krankheit, menschliche Nahrungsmittel sind- aber wie Jahre angenommene merikanische Verfaſſung die ten, um sie den Interessen der Besitzenden eines Unfolles und des Siechtums im Alter, bei den heutigen elenden Lohn- und Gehalts enormen Kirchengüter in Merito, die bis dahin dienstbar zu machen. Die Wähler spielten viel- und sie stürmen gegen die schwer errungene einkommen hunderttausende Mieter im Falle fast zive: Drittel des gesamten nationalen Terri fach die Rolle des Diebsopfers, das dem Dieb Sozialversicherung an. Den Rüftungsfabrifan- der Vernichtung des Mieterschußes ihr Leben teriums umfaßt hatten. Gewarnt durch Erfah die Leiter hält. Die Gelegerheit war günstig, ten und Kapitalisten gesteigerte Profite, den Ar- weiterfristen sollen, das wird den Kopf eines rungen in vergangenen Jahrzehnten, schränkte wer weiß, ob und wann sie wiederkehrte, doher beitern Schußlosigkeit gegenüber allen Wechsel- solchen Wissenschafters" nicht beschweren. Das diese Verfassung die Tätigkeit der katholischen beeilten sich tschechische, deutsche und slowakische fällen des Lebens, das ist der Inhalt der Wohnungselend ist ein zum Himmel schreien- irche im Lande scharf ein und legte ihrer Afti­Besißvertreter, sich zu einer Einheitsfront gegen deutschbürgerlichen Politik, die nach den ver- des, die Erwerbsverhältnisse weit unter dem vität auf politischem und Erziehungsgebiet straffe die Arbeiter, Angestellten, Beamten, Gewerbe- hängnisvollen Neuwahlen sich ermutigt fühlte, Vorkriegsniveau- bedarf es noch weiterer Zügel an. Die Folge war der Ausbruch der Religionsfriege. Am Ende blieb Juarez, der Be­treibenden, Kleinbauern und Mieter zusammen- die letzten heuchlerischen Masken fallen zu Gründe gegen eine Maßregel, welche geradezu fieger Maximilians, auch Sieger über die Kirche zuschließen. Nationale Belange, deutsche Volks- lassen. Eine der ersten Taten der Sieger" ein Attentat auf das Obdach der und seyte die Verfassung in die Tat um. gemeinschaft, christliche Grundsäke, Schuk der war, den Großagrariern die Aushungerungs- Menschen wäre! Von der Einsicht der bür­Dann schlug das Pendel nach der anderen Gewerbetreibenden alles wurde als lästiger zölle, den Pfaffen die Erhöhung der Songrua gerlichen Parteien haben die Mieter nicht zu Seite. In den 34 Jahren der Diktatur Diaz Plunder über Bord geworfen und der heilige und den hohen Offizieren die Erhöhung ihrer erwarten. Seßen sie sich nicht unter Führung wurden die Religionsartikel der Verfassung völlig Profit des Kapitals auf den Piedestal erhoben. Gehalte zuzuschanzen, dafür haben sie die Ge- der Sozialdemokratie selber zur Wehre, wird achtlos gelassen. Die Kirche hatte bald auf Kosten Die Abwendung eines Teiles der proletarischen meindeautonomie beschnitten, um die Gemein- ihnen bald nichts übrig bleiben, als die Neue. der Massen ihre frühere Stellung wieder erobert.

-

1

delt. Was wir heute erleben, ist eigentlich nur