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Kunit und Willen.

2. Burgtheater- Gastspiel. Komtesse Mizzi." Das Veilchen." Schnitzler   gehört zu den Autoren, die man mtr in Wien   vollendet spielen kann. Es gehört die wunderbare Atmosphäre dieser Stadt dazu, auf der ironische, vitsersüße Stüde   spielen. Schnitlers Dramen sind keine Lokalstüde, jie könnten aus dem Desterreichischen ins Berlinerische übersetzt werden, ohne daß mehr als ein paar Andeutungen geändert werden müßter. Und doch ginge ihnen dabei der Schmelz verloren, der Zauber, der die sachlichen, steptischen Dialoge, die realistischen Szenen aus der Sphäre des Alltäglichen hebt und ins Märchenhafte rücht. Es ist Schniylers Geheimnis, mit wenigen Worten, mit ein paa. typischen Wendungen und Sätzen das Milien des Wiener   Bürgertums. des alfierreichischen Adels zu zeichnen, so plastisch und lebensnah, daß wir uns in die Welt des Dichters versetzt fühlen, daß wir nicht mehr Zeugen eines Bühnenspiels, sondern wirklicher und wahrhafinger Begebenheiten sind. Es ist die große Kunst Wiener  Schauspieler und Regisseure gewesen, dem Werke des Dichters gerecht zu werden und der leisesten jemner Andeutungen die forrelative Gefte zu leihen Schnitzler, von Wiener   Künstlern, von einem wirk lichen Wiener   Ensemble, keiner bunt gewürfelten und gelernt wienerisch sprechenden Truppe, gespielt ist immer Märchen, Verzauberung der Bühne. Traum, aus dem man mit einem Fieben Erinnern und dem Bedauern, daß er schon vorbei ist, erwacht.

Donnerstag, 1. Dezember 1927.

Probleme stellt. Aber der feuilletonistische Stoff| Segtett für Streichquartett, Slavinette und Gründung des Arbeiter- Handballverbandes schrieb wirft bei Molnar doch einen geistreichen und span Klavier von dem Deutschmährer Felix Pethret das Sporttagblatt"( bürgerlich; Anm. d. Ned.), cs nenden Dialog, eine Reihe hübscher Situationen und und einer Sonate für Klavier und Violine von feien nur einige belanglose Vereine"... Was eine ansehnliche Charakterrolle ab. Gine Theater dem deutschen Neutöner Paul Hindemith  . Nebst ist nun aus diesen belanglosen Bereinen" gewor direktor, den Herr Hennings sehr glaubhaft dem wurde das Streichquartett in G- Moll, opus 10, den? Run mehr, viel, viel mehr, als das gute mimte, ist über die Zudringlichkeit der weiblichen von dem Franzosen   Claude Debussy   gespielt. ,, Sporttagblatt" ahnen konnte, aber auch viel, viel Adepten der Schauspielkunst, die sich ihm an den Das tschechische Staatskonservatorium mehr, als wir selbst erhofft haben. Hals werfen, verzweifelt. Er räumt spasseshalber hatte zwei öffentliche Musikabende in Handball nahm in turzer Zeit bei den Arbeiter. der Berichtszeit veranstaltet, von denen der eine als sportvereinen einen beispiellosen Auf. dem jungen Stomponisten( Paul Pranger) seinen Bühne die Stimmung zu schaffen, in der Schnitzlers Platz ein und wird beim nächsten Empfang zu- end seitgenössischer französischer schwung. Auf den Sportplägen jetzte sich gegen. se ammermusi!", bei dem Werke von Roussel, über dem bisher allmächtigen Fußball der Ha. thall. schauer. Alles geht nach Programm, bis der Pseudo­direktor abberufen wird. Da erfährt der vermeint Boulenc, Honegger  , Satic, Miga, Ropary, Davica sport als vollkommen ebenbürtiger Sportsveig usw. zum größten Teile als Erstaufführungen für durch, und was wirkte sich auch in einer starken Stei liche Diener, daß die junge Dame( eben jenes Prag   gespielt, bzw. gesungen wurden, besonderes Veilchen, das wie eine Perle riecht) dem Direktor gerung der Zuschauerzahlen aus, ohne daß wir be. Interesse verdiente. Diesem Konzerte ging cin ein nur um den Hals fällt, weil doch alle Direktoren sonderen Lärm in der Presse und besondere Reflame führender Vortrag über seitgenössische französische entfalten mußten. Für die große Ausbreitung des ,, solche Schwajne" seien und sie leider immer in Tonkunst von dem Musikschriftsteller und Redak­den Direktor hineinfällt", daß sie aber sehr brav, Handballspieles war dabei vielleicht eine Tatsache teur der Pariser Revue musicale" Henri Pru­bescheiden und naiv ist. Belehrung, Engagement, nieres voraus. Auf dem Gebiete der Vokal entscheidend, nämlich die, daß es vor allem der ein Stirnluß, Tränen, Aphorismen Vorhang! Borhang! mufit ist ein Wolfslieberabend" besport der Frauen geworden ist. Alma Seidler   bezauberte nicht nur Direktor und Das erste Spieljahr des Verbandes ist nun be­Prager Deutschen   Volksgesangvereins Komponisten, sondern auch das Publikum. Diese unter Dr. Karl Novaks bewährter Leitung zu endet und die Bilan; ist eine wahrhaft erfreuliche. junge Künstlerin scheint in ungewohntem Maße frei zwei Wohltätigkeitskonzerte, deren Die spieltechnische Entwicklung ist überraschend von Mäßchen und Schablone zu sein, wirklich in Shidial Gesangssolistinnen anvertraut worden schnell vorwärtsgeschritten besonders bei den Män. der Rolle aufzugehen. Der Stirukuß des Direktors war; bei dem einen der holländischen Sopra nern, wo in der zweiten Klasse Gleichwertigkeit war verdient! Wenn sie hier so naiv- frech ihr obligates ist in Mia Veltenburg, deren außerordent der meisten Vereine besteht, so daß der Sieger crit Süß die Hand" bringt, möchte man nicht glauben, liche Gesangskunst man erst im heurigen Frühjahre im letzten Spiele ermittelt werden konnte. Bei Be daß sie so entzüdend Ja, mein hoher Herr!" sagen bei einem Chorkonzerte des Deutschen Singvereins ginn des Spieljahres waren 14 Vereine mit 24 fann, wenn sie statt Zlonka Käthchen heißt. Rakennengelernt hatte, bei dem andern der Berliner   Mannschaften Verbandsmitglieder. Heute gehören lina, Albach Retty  ( mit Sonder Applaus), Gesangskünstlerin Lotte Leonhard, die sich dem Verband schon 35 Vereine mit 67 Wann Wawra waren am Erfolg beteiligt. ebenfalls schon bei früheren Konzertgelegenheiten schaften en. Eine Steigerung also um 150 Pro. Beifall in Prag   ersungen hat. Pianistische Helfer, sent. Annähernd gleich hoch stieg auch die Zahl der als Begleiter und solistische Weitwirkende, waren beigemeldeten Spieler und Spielerinnen. Im abge­diesen Konzerten: Baul Weingarten, der vorlaufenen Jahre wurden insgesamt 643 Spiele treffliche Wiener   Meister der Taste, und der aus- absolviert. gezeichnete Prager   Pianist Dr. Teller- Den Eine der schwierigsten Aufgaben war die hoff. c. i. Schiedsrichterfrage. Aber auch hier wurde gane Arbeit geleistet. Derzeit gehören dem Verband 51 Schiedsrichter an, deren weitere Ausbildung in den Wintermonaten vor sich gehen wird.

Das ausverkaufte Haus war beifallsfreudig, aber auch disziplinlos unruhig. Je mehr Autos vor dem Theater, desto mehr Mob im Parkett, das ist hier sichere Relation!

Und das Geheimnis des Erfolges? Außer Thaller ist da kein Star, besser, feine einmalige Persönlichkeit. Das Zusammenspiel, die Sprach­kultur, die Sorgfalt im Detail machen das Burg­theater aus Seine andere Bühne brauchte da zu rückstehen, wenn der Wille zum Erfolg da wäre. E. F.

Prager   Konzertsaal.

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Muß man Schnitzler   schon mit einem anderen Autor zusammenkoppeln, dann ist Molnar sicher einer der besten Partner für jold) zweispännigen Abend; immerhin, ein Abend mit Schnitzler   allein wäre einem lieber gewesen. ,, Somtesse Mizzi" gehört einer versunkenen Welt an, doppelt märchens haft steigen Schloß, Graf und Komtesse, aus Phan­tasie und Vergangenheit, aus doppelter Unwirklich- Mitteilungen aus dem Bublitum. feit auf Eine andere Bühne ließe diese Distanz unerträglich, das Sujet verstaubt, die Dichtung selbst Große Theaterrebonte Winternachtstraum" ant welt und verbraucht erscheinen: nicht so das Burg  - 18 Jänner 1928 im Lucernasaale zugunsten der pen­theater, selbst Zeuge noch des Vergangenen, hat fionierten Künstler des Deutschen Landestheaters es eine noble und ruhige Art, den Spuk des adeligen( Solisten Pension). Familientages mit seinen der Sphäre entsprechenden leberraschungen( deren unmoralijahe, in tiefer Defa. denz wurzelnde Kehrseite viel brutaler Lernet­Holenia in seiner Desterreichischen Komödie" wieder Auch in dem letzten Berichtsabschnitte war in gezeigt hat) als Genrebild heraufzubefchwören, und den Prager   Stonzertfälen an Konzerten der ver­das Long is ago", das man empfindet, ist weder schiedensten Art kein Mangel, trotzdem die Teil­wehmütig noch triumphierend- freudig, sondern Ernahme des Publikums nac) wie vor gering ist. Die innern an ein Bild, das wir als Stinder jahen und überwiegende Wiehrzahl der Veranstaltungen wurde zu unserem Sein nicht in Beziehung setzten, das von Soliſten bestritten, unter denen Bronislav immer fern, vom Schmelz des Märchens überjilbert bermann, der immer noch unerreichte war und eben nur als Bild gefiel. Nur wenn es Meistergeiger, die größte Anziehungskraft ausübte. vorbei ist, wenn man erwacht ist aus dem Traum, Auch diesmal fiel bei dem Stonzerte Hubermanns jcin idealer Klavierbegleiter, der grundmusikalische in den Thaller, Frau Albach Retty   und die meister­und technisch brillante deutsche Pianist Sieg­haften Chargen uns versenkien, dann denkt man fried Schulze auf. Als selbständige Klavier­wohl einen Augenblick nach, ob Somtesse Mizzi heute an den Skandalaffären des Jockey- Stubs teil oliſten in eigenen Konzerten waren zu hören: Der Berliner   Meisterpianist, Liszt- Schüler und Slavier­hat, das Blatt Lippowizens liest ab und zu in meisterlehrer der Prager   deutschen Musikakademie der Kapuzinerkirche   eine schwarz gelbe Messe hört und auf den Breitner schimpft. Nicht auszudenken, daß man all das während des Stückes überlegen müßte!

theater.

L'histoire du soldat   von Igor Stravinsky  gelangt zur Aufführung am 7 Dezember um 10 Uhr nachts im Städtischen Theater der Königl Wein­Die finanzielle Belastung der Vereine berge. Dirigent Prof. B. Jirak   Die Auffüb­durch den Verband ist im Verhältnis zu andern rung wird vom Tschechischen Verein für moderne Verbänden eine geringe, da die notwendigen Musik veranstaltet. Vorverkauf Truhlařova. Weyler. administrativen Arbeiten ausschließlich von Spielplan des Neuen Deutschen   Theaters. chrenamtlichen Funktionären ausge Donnerstag, halb 8 Uhr abends: Opunzie  " ( 47-3). Freitag, 7 Uhr: Biebeskuttiche" führt werden. Diese leiſten täglich bis frät aber da für die Bewegung wertvolle Arbeit, und an dem ( Serienspr. 49-1). Samstag 7 Uhr, Journa Aufblühen und Erstarken des Verbandes kaben listen Vorst., neu ciustudiert: Falstaff"( 48-4) speziell sie großen Anteil. An die Durchführung -Sonntag, Uhr: 3wölftausend" 7 Uhr: von internationalen Spielen wird im nächsten Jahre ,, Sommernachtstraum."- Montag, 7 Uhr: geschritten werden. ,, Liebesfuti che"( Serienspr 51--3)

So ist aus den belanglosen Vereinen" ein neuer Machtfaktor der Arbeitersportbewegung ent ſtanden. Das ist aber für uns fein Anlaß, run auf Lorbeeren auszuruhen. Wohl blicken wir mit Genugtuung auf das vergangene Jahr zurüd doch wird für uns immer die Devise lauten: Vorwärts,

Spielplan der Kleinen Bühne. Donners tag:" Lampenschirm". Freitag, Stultur verbandsvorst: Lampenschirm"- Samstag: eger"- Sonntag, 3 Uhr: Amphitryon" halb 8 Uhr: Dlly. Polly"- Montag, Bank beamtenvorst I: Die Braut und das schar- zu neuen Erfolgen! lachrote Tier".

DIE

Bereinsna brichten.

TURFREULE

Touristenverein Die Naturfreunde" Prag  . Sonntag, 4. Dezember Endstation Branik. Abmarsch 49 Uhr. Točna Zbraslav Vran. Führer: Schmidt, Nikolo Uu- terhaltung am Dienstag,

Konrad Anforge, der, ganz vorzüglich dis­poniert, ein ebenso umfangreiches wie schönes Pro­gramm mit poetischer Einfühlung und delikatister den 6. Dezember um halb 8 Uhr am Perštyn Od­Aber davor bewahren uns Schnipler und das Burg- Slangdifferenzierung spielte, und der erstmals in borový dům. Die Ausschußmitglieder sind schon um marv, der sich nicht nur als temperamentvoller Brag erschienene ungarische Pianist Tibar Szat- 7 Uhr anwesend. technischer Meister, sondern auch als empfindungs­starker Ausdrucstünstler auf seinem Instrumente bewährte. Ansorges Hauptvortragsstücke waren die Mondschein"-Sonate Beethovens und Liszts gran­biose H- Woll- Sonate, jene Szatmarys die Fis- Moll­Sonate von Robert Schumann   und die selten ge­hörten Variationen Ah, vous dirais- je maman" von W. A. Mozart.

Im Mittelpunkt der Aufführung ſtand natürlich Thallers Graf Arpad, eine Gestalt aus einem Guß, glaubhaft in der fleinsten Handbewegung, da bei als keineswegs leicht zu gestaltende Mischung von Landedelmann und alterndem Viveur aufgefaßt. Sehr fein jekundierte Frau Albach Retty  , in Distan; blieb Fred Hennings  , etwas gar zu phlegmatisch; einen äußerst gewandten und einneh menden Künstler lernte man in dem jungen Wolf Alba& kennen. Sehr gut war die Episode Frau Stallinas.

Molnars Veilchen( Ich bin nur ein Veilchen", sagt die Heldin, aber wenn Sie an mir riechen, merken Sie, daß ich eine kostbare Perle bin") ist wirklich nur ein Spiel", keine Komödie, die

Turnen und Sport.

Ein Jahr Arbeiterhandballspiel in Desterreich.

Von Friedrich Haberleitner, Vorsitzender des Arbeiter- Handballverbandes. Einen Kammermusit­abend von ganz erlesener künstlerischer Qualität Vor Jahresfrist waren unsere Arbeiterhandbal­seines Programmes und dessen Durchführung hatte ler noch eine schwache Gruppe. Jene Handballver­die Deutsche Musikakademie ins Werk ge- eine, die aus dem unpolitischen Verband" ausge­sent, bei dem reifsten Schüler der Instrumental schlossen worden waren, weil sie es gewagt hatten, lassen der Anstalt aus der Stammermusitklasse sich zu einer Besprechung wegen des Arbeiter- Turn­Prof. Maurits Frands mit zwei Erstauf- und Sportfestes zusammenzufinden, waren der führungen aufwarteten, und zwar mit einem Grundstock unseres heutigen Verbandes. Bei der]

Herausgeber: Dr Ludwig C3 ch Verantwortlicher Redakteur Dr Emi Strauß Towhee tunas When etellichaft in rog Für den Druch verantwortlich Otto Goth Prag  Eie Senungsmartentrantatur wurde von der Boft. u Telegrapben. ion mit Criak Nr 127 451 VII7 am 14. Ma 1927 hemligt.

Bibliotheten Hühner

für Organisationen, Bereine, Gemeinden, Gewerkschaften, Schulen usw. werden gwedent.

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Hornhaut beselug in einigen Tagen nur VITEK'S

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Karlsbad  .

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Vodičkova 33.

dem Kreise der unbekannten Bekannten gehört heit erfährt, die auf den Stand, Beruf und die die Vorübergehenden auf der Gasse ihr Ringel auch der hüstelude Herr, der im Herbst, im streng Neigungen der Betreffenden schließen läßt. Und ringel- veiha!" gesungen haben, sind Backfische ge Die unbekannten Bekannten. ſten Winter und auch im Frühjahr immer den so erfährt man eines Tages, daß der Herr mit worden und aus diesen sta'tlichen Mädchen und jelben Regenmantel aus Gummi trägt, der an dem Vollbart kein Maler, sondern Magazinenr auch junge Frauen. An ihrem Heranwachsen Jeder von uns hat eine ganze Menge von den Aermein schon zerschlissen ist; die mollige ist, daß der kleine rundliche Herr mit den listigen merkt man, um wieviel man selber älter gewor Bekannten, die er aber eigentlich doch nicht fennt: Dame, die an jedem Morgen mit ihrem Töchter-| Acuglein im Dienste einer Speditionsfirma den ist. Es sind dies jene Menschen, denen wir auf unſe fein zur Schule fährt, die Zwergin mit dem stron Frachtbriefe und Zolldeklarationen ausfüllt, der ren regelmäßigen Wegen begegnen, wenn wir blonden Saare, der junge, geschmiegte und über Mann mit dem fünstlichen Arm sein Brot als sich auch der Kreis unserer Bekannten" unmerf Und während so die Zeit verrinni, verändert täglich zur gleichen, bestimmten Stunde zur Ar- alle Maße uninteressiert dreinschauende Bursch, Buchhalter perdient, trotz des fehlenden Armes; lich, aber unaufhaltsam. Das eine oder das beit, oder von ihr nach Hause gehen oder fahren. jenes Mädchen, unter dessen grünem Filzhut ein der Mann der molligen Dame, die ihr Töchter- andere bekannte Gesicht bleibt aus, ohne daß es Des Morgens, zu Mittag, am Abend. Täglich ernſtes, fast männliches Gesicht hervorschaut, dann lein zur Schule begleitet, ist ein Magistratsbeam einem zunächst auffällt. Wird man dessen gewahr, sehen wir sie und gewöhnen uns an ihren An das Fräulein, dessen schwarzes Straushaar unier ter, das fraushaarige Fräulein mit dem lilafar dann denkt man vorerst: vielleicht ist er( oder sic) blick dermaßen, daß wir nach ihnen förmlich Aus dem lilafarbenen Topfhut hervorquillt; der for benen Topfhuntert ist eine leidenschaftliche Touris um eine Elektrische früher oder später dran als schau halten, wenn wir sie nicht gewohnterweise pulente Serr, der zu jeder Jahreszeit sein schon stin, der Mann, der wie eine Preßwurst aussicht, sonst. So vergehen vielleicht Wochen, bis man aus dem Gewühl der Straße oder im Gedränge stark gelichtetes Saar ohne Stopfbedeckung zur ist Staffier, die Zwergin arbeitet bei einem Photo- merkt, daß unser Bekanntenkreis" um diefen oder der Straßenbahn oder des Autobus auftauchen Schan trägt; jener robufte Mann, der in seiner graphen als Gehilfin, der immerzu hüftelnde jenen Menschen kleiner geworden ist. Stiemer? fchen. Es sind Menschen, die gleich dir nach der Lederjacke wie eine riesige Preßwurst aussieht, Berr mit dem Gummimantel ist bei einer Ver- Eigentlich nicht. Denn er bekommt täglich neuen Arbeit gleichgestellter Uhr den felben Weg machen und viele, viele andere: Männer, Frauen, Mäd sicherungsgesellschaft als Kanzleikraft beschäftigt. Buwachs, sei es auch dadurch, daß wir jemanden müssen. Sie kennen dich, so wie du sie kennst und chen. Du kennst ihre Gesichtszüge, ihre Kleidungs- So gewinnt man, ohne es zu wollen, Einblick bemerken, der schon früher da war, aber bisher wir alle sind einander unbekannte Bekannte. ftiche, auch ihre Stimmen, aber nicht ihre Namen. in die wirtschaftlichen und familiären Berhält unserer Aufmerksamkeit entgangen war. Man braucht nur einmal ein wenig darüber Der Schaffner, der Motorführer, der Wachnisse seiner unbekannten Befaunten und wird mit nachzudenke, um staunend wahrzunechinen, wie mann an der Straßenkreuzung, sie alle gehören der Zeit mit ihren Schicksalen vertraut. So verändert sich der Streis unserer unbe groß diejer Kreis unserer unbekannten Betann- in den streis der unbekannten Bekannten. Auch Aber nicht auf unseren regelmäßigen Gän kannten Bekannten unaufhörlich. Er ist heute ein ren in Wirklichkeit ist. Da ist jener Herr mit dem die blinde Frau, die bei dem Wartehäuschen der gen und Fahrten, sondern auch in der unmitiel- anderer als vor zehn Jahren. Und in abermals wohlgepflegten Vollbart, der seinem Besizer das Straßenbahnhaltestelle die Zither spielt, und der baren Umgebung unseres Wohnsißes erstehen uns zehn Jahren wird er ein anderer sein als heute. Aussehen eines Stünſtlers verleiht und dich an Alte, der au der nächsten Streuzung auf seiner solche Bekannte, die wir nicht kennen. Da gibt es Aber im Grunde genommen find es immer d Leonardo da   Vinci erinnert; dann der kleine, Fiedel kratzt. Der Plakatierer, der mit seinem vielerlei Leute, denen man in den Gassen nahe gleichen Bekannten, die wir nicht kennen, die rundliche Herr mit den behenden Bewegungen Wägelchen, an dem Seleiſtertopf und Leiter hän- der Wohnung begegnet. Jahraus, jahrein. Wir unsere Wege trenzen, bis sie das Schicksal, Strank­und den listig dreinschauenden Aeuglein, zwischen gen, am Geleise der Straßenbahn entlang fährt fehen sie von Zeit zu Zeit, gewahren an ihnen, heit, Arbeitslosigkeit oder der Tod aus unserem denen eine keď und munter in die Welt stechende und an den Litfaßjäulen die Plakate auklebt. wie sie sich verändern, beſſer oder schlechter aus- Gesichtskreis reißt. Nase sitzt, die fortwährend zu schnuppern scheint; Der Streis unserer Bekannten, die wir doch nicht ferner der großze, breitschulterige Mann mit dem kennen, ist sehr groß und mannigfaltig. Brothesenfuß, der bei jedem Schritt fuarrt und Die tägliche gemeinsame Fahrt in der Stra­quietscht; sein Leidensgefährte ist ein fleines, ßenbahn bringt es aber mit sich, daß man oft schmächtiges Männchen, in dessen rechten Rock ungewollt die Gespräche seiner Bekannten" an­ärmel statt des Armes ein fünstlicher stedt, zu hören muß und so auf diese Ari manche Einzel­

fchen und altern. Zu diesem Bekanntenkreise Und eines Tages wirst auch du den andern, gehören auch die Seinder, die auf der Gasse spie- denen du auch ein unbekannter Bekanntes bit, len und mit der Zeit heranwachsen: aus den aus deren Gesichtskreise entrückt werden: Sei Jungen werden Burschen, deren Stimme bereits daß du mit einer anderen Elektrischen fährst, den findlichen Klang verliert, und die Mädchen, oder die noch vor wenigen Jahren unbekümmert um

Heinrich Holet.