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Sonntag, 18. Auguft 1929.
Unsere Freunde im Ausland.
Die Gudetenländer als Wurzelboden des Gozialismus.
Unser Altmeister Karl Kautsky.
der deutsch - französische Krieg. Die Seite, auf die Garibaldi trat, war die meine. Ich begeisterte mich zuerst für die französische Republik und dann für die Pariser Kommune . Dabei aber stieß ich auf ein Element, daß mir bis dahin ganz fremd geblieben war und das mich von da an plöglich mit aller Macht gefangen nahm: den Sozialismus. Mit ihm verbunden war die Idee der InterMeine nationale Ader war von vornherein
In den drei jungen mitteleuropäischen Republiken, Deutschland , Desterreich, Tschechoslo wakei , deren Südostgrenzen auch die Einflußgrenzen der Demokratie und des Sozialismus gegen die fascistischen und halbbarbarischen LänMit Stolz erinnern wir heute daran, daß der ziehen, hat die Arbeiterbewegung bierzu unserem Kampfboden einer der ruhmreichsten lande zunächst wohl die schwierigste Stellung Bannerträger des wissenschaftlichen Sozialismus inne. Auf dem Staatsboden der Tschechoslowakei entsprossen ist, Karl Kautsky . Der große verbünden sich die jungen Gefahren: Spaltung Süter und Wehrer des Mary- Engelschen Ideen Sozialreaktion und Fascismus mit dem alten schayes, der mehr als ein halbes Jahrhundert ungelösten Nationalitätenproblem gegen den der Arbeiterbewegung gedient hat und heute proletarischen Aufstieg und zugleich gegen jede hochbetagt, aber voll Jugendfrische in Wien lebt, fortschrittliche Entwicklung. Die Tatsachen, daß ist am 16. Oftober 1854 in Prag geboren. nationalität. die sozialdemokratischen Parteien dieses Landes Sein Vater war Tscheche, seine Mutter unter dem Ansturm des Bolschewismus viel schwerer gelitten haben, als die reichsdeutsche Bruderpartei und daß die Arbeiterschaft der industriereichen Moldaurepublik sowohl organijatorisch als auch politisch heute schwächer dasteht, als die der industriearmen Alpenländer, scheimen der Entwicklung des Sozialismus in der Tschechoslowakei keine günstige Prognose zu stellen. Wir dürfen aber keinen pessimistischen Trugschlüssen erliegen. Der streifzerklüftete Boden der Sudetenländer, aus dem so viele antisosialistische Hemmungen emporwachsen, hat schon in bergangener Zeit starte sozialistische Gegenträfte zu deren Ueberwindung herborgebracht. Es ist kein Zufall, daß in der Arbeiterbewegung Desterreichs und Deutschlands , ja selbst in Amerika drüben zahlreiche Männer an führender Stelle stehen und dort als Politifer, Wissenschaftler und Journalisten hervorregend tätig sind, deren Wiege in Böhmen , Mäh ren oder Schlesien stand. Die leitenden Redakteure der sozialdemokratischen Zentralorgane Deutschlands und Oesterreichs dürfen wir zu unseren Landsleuten zählen. Otto Bauer , der geistige Führer der Internationale, enge Jugendbeziehungen zum Nordostböhmischen Industriegebiet. Karl Renner , der erste Staatskanzler der Deutsch - österreichischen Repu blif, war ein südmährischer Kleinbauernsohn. Mathias Eldersch, der Vizeprädent des österreichischen Nationalrates, den wir in Karlsbab als Abgesandten unserer Mutterpartei begrüßen dürfen, ist ein ehemaliger Webergeselle aus Mähren . Einer der Wortführer der sozialdemokratischen Landtagsfraktion Bayerns , Ge= nosse Hans Dill , stammt aus einer Böhmerwäldler Häuslerfamilie, Ein früherer Glasarbeiter aus dem Jsergebirge, Genosse Preußler, wirkt in Salzburg als Landeshauptmannstellvertreter, in Klagenfurt versicht ein Schuhmachergeselle aus Grutlich, Genosse Weutler dieselbe hohe Verwaltungsfunktion, wie auch der verstorbene Landeshauptmann Kärntens Flo rian Gröger ein sudetendeutsches Arbeiterfind war. Unter den sozialdemokratischen Parlamentariern Deutschösterreichs, in der Wiener Partei und Gewerkschaftsjournalistik sind unsere ehemaligen Landeslente stattlich vertreten..
hat
Den regsamen Geistern, den ſtrebsamen Arbeitern und Intellektuellen dieser Zweivölkerheimat blieb eben kein anderer Ausweg aus der geistigen Enge des Nationalismus, aus den WiBerwärtigkeiten des Taferlfrieges, als die Ideenbahn des Sozialismus. Vielleicht ist es mit eine einzige segensreiche Funktion des stumpsinnigen National smus, daß er durch sein schlechtes Beispiel die wertvollsten Menschen zum Interna tionalismus befehrt. Freilich wollen wir nicht verkennen, daß erst der Geist und der Rhythmus, furzum die große Schul: der Arbeiterbetregun gen pon Deutschland und Desterreich erst die Auswanderer aus den Sudetenländern deutscher und tschechischer Herkunft zu dem gemacht hat, was sie heute sind.
Dieser Born sozialistischen Geistes und sozialistischer Kraft, als den sich unser Boden in der Vergangenheit erwies, fann auch in der ZuLunft nicht versiegen. Zwar wächst nun njer Nachwuchs in bedeutend engeren Verhältnissen auf, doch die alten und neuen Bindungen mit ben benachbarten Freundesscharen, die geistigen Wechselbeziehungen mit der tschechischen Arbei terschaft, werden sich hoffentlich stärker erweisen denn alles Trennende. Nach wie vor ist es unsere höchste Pflicht, die im Proletariat schlummernden Energien und Talente zu weden, sie an unseren Vorbildern zu schulen. Das Proletariat der Subetenländer will nicht in der ichten Reihe marschieren, wenn die sozialdemokratischen Sassenarineer nicht nur der mitteleuropäischen Republiken, sondern auch Ungarns , Italiens , Bolens und der Balkanstaaten wieder siegreich berwärts dringen.
Die Bilderreihe unserer im Auslande wirfenden und dort zu hohen Ehren emporgefticgenen Landsgenossen, die wir aus diesem festlichen Anlasse bringen, ist nicht vollständig. Es fehlen vor allem zwei große Verstorbene. Ferdi nand Hanusch und Leopold Winarsty. Es fehlen auch manche Lebende, mit denen die Verbindung nicht mehr so rasch hergestellt werden fonnte. Allen, die einmal zu uns gehörten, und die sich noch immer zu uns gehörig fühlen, bazu zählen wir noch viele schlichte Vertrauensmänner, ehemalige Sudetendeutsche, die in Desterreich, Deutschland und in anderen Ländern wirken, entbieten wir anläßlich des Reichsarbeitertages über die Grenzen hinweg unferen herzlichen Brudergruß.
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Deutsche. Die von nationalen Kampfleidenschaften erfüllte Umgebung hat auf den geistigen Werdegang des jungen Stautsty einen großen, ja vielleicht bestimmenden Einfluß ausgeübt. In einer autobiographischen Skizze, die uns die treue Lebenskameradin des Altmeisters, Genossin Quise Kautsky, mit dankenswerter Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt hat, erzählt er darüber folgendes:
„ Mein Vater war stets tschechischnational gesinnt, der Vater meiner Wutter dagegen lebte fast zwei Jahrzehnte lang in Prag , ohne ein Wort Tschechisch zu lernen. Es war damals noch der
Umgangssprache nach eine deutsche Stadt. Im gegenüber den Tschechen so entschieden an, daß ihn erregte Tschechen in arge Bedrängnis brachten, als das rebellische Prag durch Windischgräß beschossen wurde.
Jahre 1848 nahm er sich der deutschen Sache
Die Reaktion traf dann mit gleicher Härte Tschechen und Deutsche und der gemeinsame Haß gegen das Polizeiregiment überbrückte zeitweise die nationalen Gegensätze. In diese Zeit fällt die Eheschließung meiner Eltern, deren erstes Kind ich
war.
Ich wuchs auf im Haß gegen das absolute Regime, aber auch mit Verachtung gegen das Staatswesen selbst, an dessen Lebensfähigkeit nach den Schlägen von 1859 und 1866 und nach dem Aufkommen der von Tag zu Tag sich verschärfenden nationalen Gegensäge wenigstens in den Kreisen, die meine Umgebung bildeten, kaum noch jemand glaubte, Deutsche ebensowenig wie Tschechen.
1881 in Wien aus einer judetenländischen Familie geboren. Er hat einen Teil der Erziehung in Böhmen genossen und besuchte u. a. das Gymnasium in Reichenberg von 1897 bis 1900. Er ist einer der ersten Theoretiker des Marxismus und hat eine Reihe bedeutsamer wissenschaftlicher Werte geschrie. ben. 1907 wurde er Sekretär der sozialdemokratischen Fraktion im österreichischen Reichsrat, nach Viktor Adlers Tode Staatssekretär des Aeußern; jetzt Nationalrat in Wien .
Heinrich Bartel
nicht auf eine einzelne Nation allein eingerichtet gewesen. So fostete es mich keine Mühe, zu internationalem Denken zu kommen; nicht zu einem Denken, das für die Nationalität fein Interesse und Verständnis hat, sondern einem, das jeder Nationalität mit gleichem Interesse und Verständnis entgegenzukommen sucht, jeder von ihnen ein gedeihendes Heim auf dieser Erde bereiten will in den Anfängen der deutschböhmischen Arbeiter. durch freies und freudiges Zusammenwirken bewegung im Teplizer Bezirk unermüdlich tätig.
aller."
Der unverbefferliche Margift.
Genosse Kautsky schließt seine von aller Bescheidenheit getragene Lebensschilderung( sie ist als Sonderdruck in einem Leipziger Verlag erschienen und im Handel nicht erhältlich) mit einem herrlich schönen Bekenntnis zum marristischen Sozialismus:
„ Ob meine Lebensarbeit dem gesellschaftlichen Fortschritt gedient hat, ob sie in der richtigen Richtung vor sich gegangen ist, darüber steht die Entscheidung mir nicht zu. Wohl aber darf ich sagen, daß ich seit einem halben Jahrhundert, seitdem ich eine bestimmte Richtung eingeschlagen, nie wieder an ihr irre geworden bin. Ich hatte manche Illusion zu begraben, manchen Irrtum zu erten. nen und richtig zu stellen, meine Auffassungen hatten bis in die jüngste Zeit manche Entwidlung durchzumachen. Aber jede neue Einsicht diente nur dazu, meine Ueberzeugung von der Richtigkeit der Richtung, die ich eingeschlagen, und der Methode, die ich angewandt, zu vertiefen.
So werde ich sterben, wie ich gelebt, als unverbesserlicher Margist."
Möge die junge Sozialistengeneration der Sudetenländer, ob sie deutscher oder tschechischer
( Jugendbildnis.)
In den neunziger Jahren Redakteur der Freiheit" in Teplitz und des Volkswille", der damals noch in Karlsbad erschien. Schwiegersohn des SchillerSeff". Um die Jahrhundertwende nach Amerita ausgewandert, wo er heute als Redakteur des Vorlentierter Journalist, sondern auch ein begabter Dichter.
wärts" in Milwaukee lebt. Er ist nicht nur ein ta
al
Meine erste politische Idee war die natio nale Idee. Ich wurde vom tschechischen Nationalismus erfüllt, und zwar von dem radikalsten, hussitischer. Art. Aber, ich wa: von Anfang an nicht einseitig tschechischnational. Meine Muttersprache und die Familie meiner Mutter waren deutsch . mit neun Jahren nach Wien versetzt, wuchs ich dort in einer ganz deutschen Umgebung auf. So Hans Dill begann ich, feit 1866, auch national für die Zunge ist, dem großen Beispiel ihres großen 1887 in Brand bei Tachau als Sohn eines Klein. Deutschen in Desterreich zu empfinden, insofern Landsmannes folgen: das ganze Leben lang ruh- bauern geboren; Borzellanmaler, mit 16 Jahren Deutschen in einer Republik ersehnte; und in los kämpfen, forschen und arbeiten für die Sache 1912 Parteisekretär in Hof und Nürnberg , mit gewerkschaftlich, mit 18 bereits politisch organisiert. diesem Sinne empfand ich national auch für die des Proletariats. Zum Reichsarbeitertag ent- Oswald Sillebrand eng befreundet. Nach dem Ungarn und Italiener . Ich chrte Stossuth, vor bieten wir dem Altmeister Karl Kautsky und Striege bis 1927 politischer Redakteur der Mün allem aber Garibaldi . Von ihnen erhoffte ich seiner Weggenoffin Luise Stautsky unseren dank chener Bost", seither wieder Sekretär des Bezirkes Franken in Nürnberg . Seit 1919 bahrischer Landtagsabgeordneter, Sprecher der Fraktion zu allen wichtigen politischen Ereignissen.
ich deren Wiedervereinigung mit den anderen
die Zerstörung Desterreichs.
In diesem, natürlich sehr kindisch geformten unbestimmten politischen Gefühlsleben, traf mich
baren Freundschaftsgruß!