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Eine humoristische Betrachtung von Rhedo. Anmutig gruppieren" ch um Kolonnaden und dampfende Quellen in dem wie heißt es in den Geographiebüchern? malerischen Tale der Tepl , von Straßen und Kurgästen durchzogen, die Häuser, deren geschlossene Masse jenen pulsierenden Organismus bildet, welcher jährlich wie Ebbe und Flut eine Riesenmenge der Menschheit aufsaugt und wieder ausspeit, beherrscht vom kochenden Sprudel und überragt vom Hirschensprung, der zwar ein natur- und geschichtlicher Lapsus, aber trotzdem der Stolz Karlsbads ist.
Karlsbad ist wie eine schöne Frau in den besten Jahren. Es hat eine Vergangenheit, auf die es lächelnd zurückblickt, eine Zukunft, in die es gerne sehen möchte, und eine Seele, derentwegen alles da ist, was da ist, derentwillen die Karlsbader leben und sterben, die Saison( sprich, wie du liest), und es beginnt in die Breite zu gehen.
Daß Karlsbad Einwohner hat, ist nichts besonderes, aber daß sie anders sind als andere, ist immerhin erwähnenswert. Die ständige Berührung mit den Fremden hat wie eine Feile so lange an ihnen geschabt, bis alle Kanten und Unebenheiten abgeschliffen waren und ein merk würdiges Wesen entstand, das einfach nichts an deres sein kann, als Bürger von Karlsbad . Sie sind, ohne es zu merken, gewissermaßen übernational geworden und ihr Horizont hat sich erweitert, trop den germanischen Zündhölzchen des Bundes der Deutschen . Die Kurgäste haben es ihnen angetan. Sie bilden sozusagen eine große Familie, deren Glieder über die ganze Erde zerstreut sind und die sich alljährlich in einer Zeitspanne, die zwischen April und Oktober liegt und Saison genannt wird, in den Mauern der Königin der Bäder versammeln, für Dollar und Mark Händedrüde, Kurkonzert und Sprudelsalz tauschen und durch ein lebhaftes, inneres und äußeres Purgatorium ihre Gallensteine weg, ihre Leber flein, und bei 25jähriger Wiederho lung des Prozesses ein Album mitbekommen. Alle Welt badet in Karlsbad , daher heißt es Weltbad, jeder wird hier den Unrat los, der sich im Laufe des Jahres in seinem inneren Menschen angesammelt hat, Gallensteine, Seife und Zuder fließen in die geduldige Eger und neuge boren, verjüngt gegen Barzahlung, verläßt der dankbare Surgast das Bad.
Die Bürger der Sprudelstadt teilen die Menschheit in zwei Gruppen. In Kurgäste und Karlsbader. Die ersteren leben durch die letzteren, die letzteren von den ersteren. Diese Syntbiose ist unbestritten und bekommt beiden Teilen gut; dem, der die Wässer trinkt, und dem anderen, der sie trinken läßt.
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Hoffnungsfroh in die Zukunft!
Aus dem Tagebuch eines Arbeitsloſen.
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Sonntag, 18. August 1929.
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Magen ist leer und die Füße versagen bald Aber nein. Ich will rein Mitleid. Und mein Weib will fein Mitleid. Vielleicht die Kinder. So laufe ich und inzwischen wird es Abend. Ich gehe an Raffeehäusern vorüber und höre Fezzen von Musik, Ueberhaupt die Brunnen Karlsbads! Sind Ich, Paul Nesselroth, Maurer von Beruf, 45 wüßten sie schon alles. Und mit bleichen Gesichtern. Stimmengewirr, fröhliches Lachen. Ein elegantes sie nicht das achte Weltwunder? Geheimnisvoll Jahre alt, habe mir in den Kopf gefeyt, einiges Ohne Lächeln. Weil sie keine Freude kennen. Weil Baar tritt gerade aus einem Lokal, lachend und brodelt und zischt es aus dem Schoße der Erde, in ein Tagebuch niederzuschreiben, damit ich sie immer Hunger haben. Weil sie nie etwas an plaudernd, sehr langsam den Weg zum bereitstevon dem die Ureinwohner der gottbegnadeten später nicht vergesse, wenn's beſſer oder noch deres vor sich sehen als Küche und Kammer und henden Auto einschlagend, indes der Chauffeur schon Stadt noch immer und im Zeitalter der unbe- schlechter gehen sollte. Seit Monaten keine das Fenſter zum dunklen Hof hinaus, mit den zwei mit der Müße in der Hand wartet. Da fang ich die grenzten Möglichkeiten erst recht behaupten, daß Arbeit. Seit Monaten gehe ich stempeln, aber das Müllkästen, und andere Fenster, die auch so schmal Feßen des Gesprächs dieser beiden auf: er gar kein Schoß, sondern ein Schwindel mit reicht nicht aus für meine Frau und die drei rhachi- sind und hinter denen auch kranke, ſchwache Weiber wolken wir hinfahren? fragt er. Sie schlug ein Braunkohlenheizung sei, Wasser, Kohlensäure tischen Kinder; und ich muß auch leben. Aber ich wohnen, die Wäsche waschen und ſich ſchweißtriefed Weinrestaurant vor, wo sie zu Abend speisen wolle. und Sprudelsal; ergießen sich aus den Därmen spare mir alles vom Munde ab, denn die Kinder die Stirn wischen, und rhachitische Kinder, die auf Aber nur Delikatessen, da sie vom Diner noch satt der Erde in die Därme der staunenden Mensch haben's nötiger und das Weib auch, das so schwach dem Boden hocken oder im finstern Hof spielen. Ja, sei. Dann möchte sie noch in ein Stabarett. ,, Und heit und entfalten dort, vereint mit Diät und und krank ist, und ich denke oft, wenn mal so ein dies alles treibt mit hinaus... dann ins Hotel", sagte er lachend. Sie lachte Sturtare, ihre wohltätig- heimtückischen Wir starker Wind kommt, der hebt sie auf und nimmt Und da gehe ich immer die Straßen entlang, mit fungen. sie mit. So schwach iſt ſie. Und muß doch ab und bis ich nicht mehr weiß, wo ich bin, und mich vor Da lief ich weg, denn dies alles treibt mich zu Wäsche waschen für fremde Leute, denn später, Müdigkeit kaum noch weiterschleppen fann, und hinweg. Es flang mir noch lange in den Ohren: im Winter, können die Kinder nicht barfuß laufen, ſehe mich um und weiß auf einmal nicht, wo ich Weinreftaurant, Kabarett, Hotel. Der Sprudel hat einen dämonischen Drang und man muß auch mal was Warmes essen, denn bin. Da sind Häuser mit herrlichen Balkonen und nach oben. Man muß ihn drosseln, um ihn zu das Stempelgeld reicht nur für Brot und Warga geschlossene Tore und fein gepflegte Gärten vor den Und es treibt mich hinweg, nach Hause, in die bezwingen, sonst sprengte er das Dach der Storine, und die Miete muß bezahlt werden für Küche Häusern. Und schöne Läden. Und man sieht Privat- Wäschetrog. Zu den rhachitischen Kindern. Und von Rammer und Küche. Zum kraftlosen Weib am lonnade. Kann es wundernehmen, daß ihm die und Kammer, und im Finstern fann man nicht autos vorübersausen, und die Menschen, die einem da treibt's mich wieder hinaus. Warum mache ich menschlichen Därme zu eng sind? Er strebt in sigen. begegnen, sehen gesund und wohlgenährt aus, gut nicht an einer Brüde halt? Damit das franke edlere Gegenden, bohrt sich ins Hirn und dreiangezogen und gepflegt. Da weiß ich nun: ich bin mal wehe, wenn er sein Ziel erreicht hat, denn in einer feinen Gegend und komme mir vor wie ein trieben wird. Dann bleiben die Kinder allein und bin Weib nicht allein bleibt und auch zur Brüde ge die Wirkung ist fürchterlich und in jenem ZenStück Unrat, das von der Vorstadt vom Winde in ihre wissenden Augen werden noch wissender, und trum, in dem neben der gesprochenen die gebunsauber gepflegte Straßen getrieben. Dann schleppe sie würden das Leben mit den Augen eines alten dene Sprache wohnt, beginnt ein eigenartiger ich mich weiter. Prozeß, es gärt und kocht, die Windungen verUnd da sehe ich Kinder, die so alt sind wie fnoten sich in freisendem Strampfe, aber ach, meine, in Weiß gekleidet, betreut und behütet von nirgends findet der Suchende das Analogon je Nicht das Glüd der Gewalt! Kindermädchen. Die Kinder spielen sorglos im ner ebenso reizenden wie zweckmäßigen grünen Ich und mein Weib, wir belügen uns oft Sande und fürchten nicht, daß das Kleid schmutzig Von Julius Zerfaß . Häuschen, die die stillen Karlsbader Wälder mit gegenseitig, daß wir schon satt sind, damit einer wird. Ihre Augen sind rein und unbeschattet. ihrer beglückenden Gegenwart zieren, nirgends dem andern den Rest überläßt oder ihn unter die Freude und Lebenslust leuchten aus diesen Augen. Pflicht. Die Pflicht zum Recht. Sozialismus ist das neue Recht und die neue finden sich die notwendigen Latrinen für die ge- dem Minder verteilt... Gutgenährte Kinder vom Essen und frischer bärenden Geister, in denen Sprudel und Mühl- Oft gehe ich aus dem Hause, da es mich hin- Luft. Sie haben ihr schönes Zimmer daheim, ihr Weil Sozialismus das Recht ist, kann er nicht die Der Feind des Rechtes aber ist rohe Gewalt. brunn toben. Slatschend schlagen die Verse an austreibt. Einerseits hoffe ich, Arbeit zu finden, weiches Bett, ihr gutes, nahrhaftes Eſſen. Und am Gewalt sein. Ein Vater verbot seinem Sohne, das errötende Urgestein, bleiben kleben, graben irgendeine Arbeit; es muß nicht Maurerarbeit sein. Abend beten sie wohl: Ich bin klein, mein Herz Sozialiſt zu sein. Und er wollte gewiß das Glück sich ein, scheidende Gallensteine erflettern auf 3ch möchte auch Autos waschen, Handwagen schieben, ist rein... unermüdlichen Versfüßen die unzulänglichsten Stoffer tragen oder irgendetwas. Natürlich feme Ein Kind biß ein gutbelegtes Brötchen an ist nicht das Recht. Wie sollte er mein Glüd sein? seines Kindes. Der Sohn aber sagte: Dein Zwang Felsen, von jedem besseren Stein winkt ein schwere Arbeit, denn mit leerem Wagen ist das und warf es dann in den Sand. Es waren zu viel freundlicher Gruß. Anmutig Tal, du immer nicht erträglich. Aber es gibt auch solche Arbeit Menschen da, sonst hätte ich es aufgehoben. grüner Hain, frei( aber sehr frei) nach Goethe nicht. Es ist alles besetzt", heißt es. Da kommen Ja, dies alles treibt mich hinaus. Erst zu Hause un bin ich eurer Schule entwachsen, eurer Schule Pflich abe das erste Erbe der Geburt-- die Pflicht zum Rechte. Ich muß darum Sozialist sein. oder Schiller, oder beiden, was auf alle Fälle so viele und viel Jüngere-. Dies ist das eine, und dann hier im Park. Auch hier treibt's mid 3wang: uns gewaltsam zu beglücken. Weil ich aber das sicherste ist. Ein Wahrzeichen für kommende was mich aus dem Hauſe treibt. Das andere: ich fort. Und dann wandere ich wieder die Straßen gegen das Glück der Gewaltsamkeit bin, bin ich So das nicht mit nuß von Sprudelwasser und Salz nicht zu for trante Frau in der Küche, wie sie mühsam wäscht, genährte Menschen begegnen mir auf dem Wege. cieren.
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Ich will arbeiten, aber es gibt keine Arbeit. viele warten darauf, die eher Anrecht darauf haben, denn sie warten schon zwei, drei Monate länger wie ich. Und hungern genau wie ich. Haben auch ein frankes Weib zu Hause und rhachitische tinder. Ab und zu bekomme ich ja auf zwei, drei Tage Arbeit, aber das ist ein Tropfen für den brennenden Durst.
Menschen sehen.
Geschlechter und eine ewige Warnung, den Ge- fann sehen zu Hause: die schwache entlang. Ziellos. Zwecklos. Und gutgekleidete, gut- zialist."
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Weiten, fetten Gesichtern. Ihre Wa Dann sind wir keine Sozialisten mehr und rufere
den Schweiß jeden Augenblick wegwischend von der Sie lachen und blicken freudig in die Sonne. Ich Und damit verließ er seinen Bater. Stirn. Ich will ihr helfen, will ihr die Arbeit ab- verstehe nicht, daß es Menschen gibt, die nicht keit, der Vergangenheit, sondern im Sozialismus Wir alle wollen nicht das Glück der Gewaltsam Alles, was Rang und Namen hat, oder zu nehmen, da sagt sie barsch: Das ist Weiberarbeit. hungrig sind. Die sich nicht sorgen, woher sie etwas die Freiheit des Glücks suchen und bringen. Wehe, haben glaubt, trifft sich in Karlsbad . Sogar die Sich zu, daß du Männerarbeit bekommst. Das Effen bekommen. Bayern trinken dort Wasser, sogar die Sachsen bißchen, das schaff ich schon. Sich zu, daß du Mänauf Auto rollt vorüber. Drin siken oder Polizisten des Sozialismus aufwerfen wollten wenn wir uns zu t tyrannisierenden Schulmeistern merken, was guter Kaffee ist, selbst die Dichter nerarbeit bekommst... schreiben Gedichte und alle kehren geheilt nach Ja, das treibt mich hinaus. Und dann die drei gen hinterlassen einen übelriechenden Geruch, den Kinder müßten uns die Gefolgschaft versagen. Hause zurück. Aber glücklicherweise wachsen die Kinder in der Kammer, vier, fünf und sechs Jahre ich einatmen muß. Ich denke: wie, wenn ich mich verkleinerten Lebern wieder nach, der wegge- alt. Sie ſigen auf dem Boden und spielen mit hier hinwerfe auf das Pflaster, zu den Füßen dieser der da sagt: Du mußt! Der Sozialismus ist nicht der Prügelvater, schwemmte Zucker stellt sich wieder ein, die verlo-| Lumpen und Holz. Und ab und zu sagen sie: Hun- satten Menschen? Ich weiß nicht, ob sie mitleidig Wir werden. Der Sozialismus fagt: Wir renen Gallensteine tehren wieder zurück. Denn ger und schauen mich vorwurfsvoll an. Weit find d. Ob sie mit Widerwillen nichtachtend vorüberwo bliebe sonst die Saison! wollen! großen Augen, die so leer sind, nicht mehr Kinder- eilen würden oder mir Geld geben würden? Und augen. Vom Gram des Lebens beschattet. Als ich müßte ja gar keine Stomödie spielen. Denn der] So ist er der wahre Vater der Zukunft.
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