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10. Jahrgang.

Sozialdemokrat

W. JAKSCH :

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowatischen Republit.

Freitag, 5. September 1930.

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Nr. 209.

Der deutsche Arbeiter und der Staat.

3ur Reichstagung der Partei und Gewerkschaften am 7. September.

Genosse Rudolf Bechyne hat vor stehen, sich mit den friedliebenden Mehrheits­Jahren anläßlich einer großen antifascistischen gruppen der anderen Staatsvölker loyal aus Kundgebung in Prag den Ultrachauvinisten einanderzusetzen.

Die Wahlaussichten in Deutschland .

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einen Wahlfieg der S.P.D. Berlin

, 4. September .( Eigenbericht.) Ueberblidt man die Ansichten über den voraus­fichtlichen Ausgang der Reichstagswahlen am 14. September, so gewinnt man den Eindruck, daß die Oeffentlichkeit mit einem großen Erfolg der Sozialdemokratic rechnet.

einlösung der Kriegsanleihe hat auf deutscher Böhmerwaldes, die seit Herbst 1929 mit Seite unbestrittenermaßen viel mehr Wert geringen oder gar keinen Unterbrechungen titel vernichtet als auf der tschechischen. Die arbeitslos sind, für die Kümmernisse der seines Volkes ungefähr zugerufen: Was habt Es müssen aber vorher einige optische durch Rašins Finanzpolitik herbeigeführte Kleinbauern Südböhmens und Südmährens, ihr gegen unsere Deutschen ? Wir haben doch Hindernisse beseitigt werden. Wir hören Deflationskrise wertete zwar die Sparguthaben die langsam zwischen den Mühlsteinen der gewollt, daß sie diesem Staate angehören! schon den Einwand der tschechischen Chauvi- der überwiegend tschechischen Agrarbevölkerung Industriekrise und der Agrarkrise zermalmt Sollen wir sie jetzt in die Moldau werfen? nisten, daß die Deutschen zu Unrecht lamen auf, wirkte aber auf die Industriegebiete wie werden. Kein verantwortungsvoller Staats­Es sind doch ihrer so viele, daß dann die tieren, weil sie die reichere, die wirtschaftlich ein furchtbarer Aderlaß. Daß im Zuge der mann wird sich diesem hunderttausendfachen Moldau überlaufen und Prag überschwemmen stärkere Nation seien. Diese Richtung steht Bodenreform Milliardenwerte verschoben wur- Notschrei verschließen können, sofern er nicht Daran sei nun erinnert, da wir auf dem Standpunkte, daß man wohl mit de::, ist hinlänglich bekannt. Dazu kommt das schwerste Verantwortung auf sich laden will. anläßlich der bevorstehenden Reichstagung den Deutschen schon politisch ausgeglichen sei, Vordringen des tschechischen Finanzkapitals Ein kritischer Winter kommt heran, die ein aufrichtiges Wort über das Verhältnis daß aber in wirtschaftlicher Hinsicht noch ein in früher rein deutsche Industrien, die Ab- Arbeitslosenzahl steigt, kein Zeichen einer der deutschen Arbeiter und Angestellten zu Ausgleich zugunsten des tschechischen Volkes leitung eines großen Teiles der in Nord- günſtigen Wendung ist zu sehen. Viel Zeit ist diesem Staate sagen wollen. Wir haben oft- angestrebt werden müsse. Ein Versuch, sich böhmen erzeugten Mehrwerte in die Kassen nicht zu verlieren, wenn die öffentliche Ver­mals, trop mancher vernünftiger Worte waltung die steigende Flut des Elends durch tschechischer Staatsmänner und Politiker das großzügige Arbeitsbeschaffung und Arbeits­Gefühl, in den Augen großer Kreise der losenfürsorge eindämmen will. Die bürger­Staatsnation lästige Inländer zu lichen Parteiführer und Minister, welche etwa sein. Zu oft haben wir auf unsere berechtigten unsere Warnungen für übertrieben halten, Beschwerden schon den zynischen Rat gehört, Die Sozialdemokratie in glänzender Offensive. Das Bürgertum befürchtet hätten vor Beginn der großen parlamentari­schen Arbeit noch Gelegenheit, die tatsächlichen Verhältnisse näher in Augenschein zu nehmen. Es wäre, allen Ernstes gesprochen, überhaupt sehr zu wünschen, daß die Repräsentanten der führenden Gruppen des tschechischen Volkes jich einmal einen unmittelbaren Eindruck von der wirtschaftlichen Lage aber auch von den wirtschaftlichen Kräften des deutschen Sied­lungsgebietes verschaffen. Man hat bisher die Dinge viel zu sehr vom rein folonisatorischen Standpunkte und durch die Brille der natio­nalen Kampfvereine gesehen. Vielleicht käme man darauf, was für ein ungeheueres wirt­schaftliches Plus die Wiederbelebung der Er­portindustrien bedeuten würde, ja daß mit diesem Problem die Aktivität unserer Handels­Auf der kommenden Reichstagung wer­bilanz steht und fällt. In den Fabrikshallen den wir nicht zum erstenmale die wirtschaft­von Aussig und Reichenberg , in den Werkstät liche Lage der deutschen Arbeiterklasse erör­ten der Graslißer Instrumentenmacher, der tern. Auf unseren Parteitagen und Gewerk­Haida Steinschönauer Glasgraveure, in den schaftskonferenzen, in der freigewerkschaftlichen Schleifereien des Jsergebirges, bei den Wei­Fachpresse wie in der Tagespresse der Partei perter Spitzenweberinnen, wie bei den Nir haben wir darüber reiches Material zusam­dorfer Messerschmieden könnte sich der unvor­eingenommene Besucher davon überzeugen, mengetragen. Seit Jahr und Tag weisen wir auf die bedrohlichen wirtschaftlichen Nicmit diesen Auffassungen auseinanderzusetzen, schränke der Zivnobank. Prag und die tschechi welchen Fleiß und welch entwickeltes Stönnen dergangserscheinungen in den wäre müßig, denn schließlich kann ja. nicht schen Mittelstädte blühen rapid auf, während die deutsche Arbeiterbevölkerung in den Dienst. deutschen Industriegebieten, namentlich im einmal in national einheitlichen Staaten eine die deutsche Städteentwicklung, mit Ausnahme unserer Volkswirtschaft stellt. Angesichts der Bereiche der Exportindustrien hin. Wiederholt Einigung darüber erzielt werden, ob es z. B. von Gablonz und etwa Aussigs, stagniert. Tatsache, daß auch in der Zeit größter Welt­hat uns das schwere Problem des Menden Arbeitern oder den Bauern unter der Dem tschechischen Nachwuchs ist fast unbearbeitslosigkeit ausländische Werber noch im­schenüberflusses beschäftigt, welcher in heutigen Strise schlechter geht. Es sei nur auf schränkt der Weg zu allen öffentlichen Diensten mer unseren Qualitätsarbeitern nachstellen, den übervölferten Grenzgegenden zwischen einige Tatsachen hingewiesen, deren Beach- offen. Der Effekt dieser Entwicklung zeigt sich daß z. B. für die Haidaer Glaskünstler nicht Sprachgrenze und Staatsgrenze eingefeilt ist tung zur Auffindung halbwegs gerechter Be in den Arbeitslosenziffern, die im einmal das nordamerikanische Einwanderungs­Das deutschen Sprachgebiet viel höher sind, als im verbot gilt, fönnte auch jeder gute Tscheche und feinen Ausweg finden kann. Wo ist das urteilungs- Maßstäbe dienen fönnte.

wenn es uns in der Tschechoslowakei nicht passe, so mögen wir nach Deutschland aus­wandern. Man vergißt allerdings, daß es die Friedensverträge, auf denen diese Republik aufgerichtet ist, waren, welche uns vor den deutschösterreichischen und reichsdeutschen Be­hörden zu Ausländerr gemacht haben, denen dort der Weg zu den Arbeitspläßen ebenso versperrt ist, wie etwa tschechischen oder slowakischen Auswanderern. Was aber noch mehr unter den deutschen Arbeitern und Angestellten das bittere Gefühl der Zurück­fegung hervorgerufen und verstärkt hat, das war die völlige Ignorierung ihrer wirtschaft lichen, sozialen und fulturellen Beschwerden in der vergangenen Zeit.

Wenn man vor kurzem noch der Meinung war, daß die Nationalsozialisten bei der Reichstagswahl einen bedeutenden Auffahwung nehmen werden, so ist jetzt schon deut­lich zu ertennen, daß diese Erwartungen nicht zutreffen werden. Dadurch, daß sogenannte Sturmabteilungen der Nationalsozialisten mit Revolvern und Dolchen gegeneinander losge­gegangen sind, wurde die öffentliche Meinung wieder sehr für die sozialdemokratische Partei umgestimmt. Dieseibe Wirkung haben die Kommunisten mit ihren Kampfmethoden erzielt. Im Lager der bürgerlichen Parteien herrscht volles Durcheinander. Sie überhäufen nun die Wähler mit Wahlversprechen.

Es wird allgemein anerkannt, daß die Sozialdemokratie eine glänzende Wahlorganisation befißt. Die Führung der Wahlpropaganda wird von den Sozial­demokraten vorbildlich besorgt. Auch die Gegnerparteien tönnen sich dieser Tatsache nicht vers schließen. Diese Anerkennung soll allerdings den Zwed haben, die Bürgerlichen anzuspornen. Dem gleichen Zweck dienen die zahllosen Lügen und Verläumdungen, die über die Sozial­demokratic verbreitet werden.

Ueberblickt man also die Wahlverhältnisse, so fann man mit den besten Hoffnungen dem 14. September entgegenschen.

Echo der breiten tschechischen Oeffentlichkeit volkswirtschaftliche Denken des tschechischen tschechischen. Das Problem eines hoffnungsverstehen, daß es im höchsten Staatsinteresse geblieben? Das Ergebnis dieses Totschweigens Volkes wird noch stark von den optischen Ein- los auf Existenzsuche begriffenen Nachwuchses, läge, ein solches Menschenmaterial im Lande ist, daß unsere Leute draußen hundertfach drücken der Vorfriegszeit beherrscht. Besonders eines furchtbar drückenden Menschenüberflusses festzuhalten, statt es durch nationale Kurzsich­und tausendfach sagen: Man kümmert sich in seinem geschlossenen Sprachgebiet wurden im Induſtriebezirk wie im letzten Gebirgsdorf, tigkeit über die Grenze zu treiben. Gewaltige Kräfte fönnten dem wirtschaft­um uns nicht, weil wir Deutsche sind!" die Deutschen vielfach als eine Nation von ist dem tschechischen Volke in solcher Schwere Niemand verlangt, daß das tschechische Volt Fabrikanten und Händlern angesehen. Der nicht einmal aus der Vorkriegszeit bekannt, lichen Ausbau der Tschechoslowakei nußbar ge­feine eigenen Sorgen hinter die unseren stellen Nachwuchs des tschechischen Landvolkes zog weil damals doch manche Ventile offen waren, macht werden durch Gewinnung der reichen soll. Aber der deutsche Arbeiter sagt sich mit nach Nordböhmen oder nach Wien auf Ar während uns heute jeder Ausiveg durch schöpferischen Fähigkeiten der deutschen Arbei vollem Recht: Dieser Staat hat mich als beitssuche. Von dort schickte er das ersparte nationale und staatliche Grenzen verrammelt terklasse. Der Fanatismus der Gegenrefor Bürger gewollt, er möge mir auch Antwort Geld heim und so entstand bei den Daheim- ist. Wer vor dem Kriege Wien nach den Ein- matoren hat vor dreihundert Jahren die pro­auf meine Schicksalsfragen geben! Sorge des gebliebenen der Eindruck: die Deutschen sind drüden eines Ringstraßenbummels beurteilte teſtantischen Handwerker und Geistesarbeiter Staates sollte es sein, sich darum zu füm- reich, wir sind arm. Die traditionell schlechten und ohne Ottakring , Favoriten, oder Brigit aus den historischen Ländern vertrieben. Das mern, was aus den zehntausenden Menschen Existenzverhältnisse, wie sie in den Textil tenau zu besuchen, nach der Fassade der hat Böhmen und Mähren um ein Jahrhun im Braunfohlen-, Textil- und Glasgebiet gebieten Schlesiens, Ost- und Nordböhmens inneren Stadt auf den Wohlstand der ganzen dert in ihrer wirtschaftlichen Gesundung zu­werden soll, die seit zehn Jahren mit geringen seit je an der Tagesordnung waren, fonnte Großstadtbevölkerung schloß, war ein reiner rüdgeworfen. Das Ausland, ohnedies reich an Das Unterbrechungen auf die Folter der Arbeits der Binnentscheche nicht ahnen, noch ver- Tor. Wohlan, so möge man endlich auf Talenten, hatte seinen Vorteil davon. losigkeit und Sturzarbeit gespannt sind. Freistehen, daß ein gewaltiger Unterschied zwischen hören, die prachtvollen Kulissen unserer west tschechische Volk müßte bar jeden Staatsgewis­lich, Anteilnahme an dem überaus harten der Lebenshaltung der nordböhmischen Fabri- böhmischen Kurorte mit dem wirtschaftlichen sens sein, wenn es diesen Fehler in anderer Geschick der deutschen Arbeiterklasse dieses kanten und Grubenherren und jener der und sozialen Antlitz Deutschböhmens zu ver- Form wiederholen würde. Gleichgültigkeit oder Landes läßt sich nicht erbetteln und nicht er deutschböhmischen Industriearbeiter bestand. wechseln! Man möge die Verhältnisse im feindselige Zurückhaltung gegenüber den Not­zwingen. Sier liegt eine große und dankbare Darüber ist nachträglich schwer zu rechten, frisendurchfurchten Nordmähren nicht nach der standsproblemen der deutschen Bevölkerung Aufgabe der einsichtsvollen Teile des tschechi aber eines muß mit stärkstem Nachdruck ge- wirtschaftlichen Lage des deutschen Bürger würde nur dazu führen, daß die besten und schen Volkes vor. Sie werden einst vor der fordert werden: daß über die gewaltigen tums von Brünn und Olmük beurteilen! wertvollsten Wienschen bei der Regung einer Geschichte ihr Alibi zu erbringen haben, was wirtschaftlichen Verschiebungen der Kriegs- Auf der Reichskonferenz fordern wir Gehör neuen Konjunktur das Weite suchen und drau­fie zur moralischen Gewinnung der deutschen und Nachkriegszeit nicht länger hinweggefchen für die verzweifelte Lage der Arbeitslosen in ßen die mörderische Durchschlagskraft der aus­Mitbürger für den Staat beitrugen. Die be- wird. Im Kriege selbst hat die Lebensmittel den Textil- und Glasgebieten, für die Kurz- ländischen Konkurrenz noch verstärken helfen scheidendste Aeußerung nationaler Verständi not folossale Geld- und Sachwerte aus den arbeiternot in den Kohlenbecken, für das Die verelendete Masse würde zurückbleiben gungsbereitschaft des führenden Staatsvolfes industriellen Sungerburgen in die agrarischen Hungerschicksal der Erzgebirgler, für das Elend und wie ein Bleigewicht auch den wirtschaft wäre wohl die, die Worte der anderen zu ver- Ueberschußgebiete hinübergezogen. Die Nicht- der Wanderarbeiter des Egerlandes und des lichen Aufstieg des tschechischen Volkes hem­