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ihr GuteS namentlich wenn es am richtigen Ort ein- geschlagen hat. Die heutige Debatte war aber doch recht interessant. Der Fortschrittliche Müller- Sagan begründete in ausführlicher 9tede einen gegen die Maßregelungen der Postbeamten sich richtenden Antrag und sagte dem Herrn Ober-Postchef sehr bittere Wahrheiten. Nachdem dann der Nationalliberale Bassermann, der auch einen lauf Gehaltsverhälwisse bezüglichen) Antrag eingebracht hat, sich ebenfalls gegen dieGesinnungsschnüffelei" erklärt, dann aber echt nationalliberal die gesinnungöschnüffelnde Post- Verwaltung belobigt hatte, warf sich das konservative Schrcckenskind Graf Klinckowström plötzlich zum frei- willigen Regierungskommissar auf und verübte, anstatt des gedrückt dasitzenden Herrn Podbielski, einen Husarenritt mit Schwadronenhieben in die Luft. Herr Podbielski ließ sich jedoch nicht wieder aufs Eis locken und sprach mit einer Mäßigung, die jeden in Erstaunen versetzen mußte, der Zeuge seiner gestrigen Leistungen gewesen. Freilich die Gegen­sätze berühren sich, und auf Gefühlsüberschwana folgt in der Regel Erschlaffung. Das ist ein Naturgesetz. Herr stlinckow- ström rief dem anonymen Landgraf zu: werde hart! Keine Schwäche mehr gegen Sozialdemokraten! Wer Sozial- demokrat ist, kann nicht Beamter sein, denn die Sozial- demokratie will den Staat vernichten l Der Klinckowström  'sche Erguß wurde vom tobten Ex-Hofprediger S t ö ck e r etwas gemildert, der für seine christliche Sozialdemagogie Reklame zu machen suchte. Ihm nebst seinem Klinckowström wurde von Lieber, der wieder einmal den Demokraten herausbiß, mit obligaten Kulwrkampf-Erinnernngen bedeutet, daß ein Beamter, ebenso wie der Lohnarbeiter, sich nicht mit Haut und Haaren verkauft, und daß der Staat so wenig wie der Arbeitgeber um die Gesinnung des Arbeiters sich um die Gesinnung des Beamten zu kümmern das Recht hat. Eine gründlichere Belehrung und Abstrafung nahm Bebel vor, der den Herren Podbielski, Klinckowström und Stöcker ans- einandersetzte, daß s i e nicht der Staat sind, daß alle Parteien den Staat in ihrem Sinne umzugestalten suchen. und daß keine Partei berechtigt sei, eine andere vom Staat auszuschließen. Herrn Klinckowström. der gesagt hatte, daß seine Parteiklein sei, aber einen großen Einfluß habe", erinnerte Bebel daran, daß das Wort von derkleinen, aber mächtigen Partei� schon 50 Jahre alt sei. daß diese Partei blos bestehe, weil das deutsche Bürgerthum zu schwach ge- Wesen sei. sie wegzufegen, daß dies aber von der Sozial- demokratie werde besorgt werden. Ob sie. die Herren Junker, dem Vormarsch der Sozialdemokraten sich widersetzten oder nicht, sei gleichgiltig; die Sozialdemokratie werde über diesen Widerstand hinweggehen, wie ein Expreßzug über einen Strohhalm. Herr Schmidt, der den Vorsitz führte, störte heute die Debatte nicht. Damit das komische Element nicht fehle, sprang nun auch Herr v. Kardorff auf die Bühne und fuchtelte niit den Armen in der Lust herum, tz unfähig, einen zusanimenhängenden Satz vorzubringen. Herr Kardorff von Laurahütte war fuchswild über denVorwärts", weil er im gestrigen Reichstags- Feuilleton gesagt, Herr v. Podbielski habe sich im Bewußt- sein seiner Schwäche gestärkt. Das sei eine Insulte, die nur durch ein neues Soziali st engesetz(buchstäblich) wirksam zu sühnen sei. Der Herr Post-Staatssekretär habe seit Monaten keinen Tropfen Wein über die Lippen gebracht. Wir sind zerschmettert; wir wollen Buße thun in Sack und Asche und wir widerrufen reuig: nein, er hatte sich nicht gestärkt zu seinem Husarenritt in die Luft, und er kann sich nicht gestärkt haben, denn seine Rede war schwach, seht schwach. Und Herr Müller-Sagan hatte ganz recht: wäre die Presse so boshaft, wie Herr Podbielski sie gc- schildert hat, so würde sie seine(Podbielski's) Rede wörtlich n ach dem unkorrigirten Stenogranim ver- öffentltcht haben. Doch decken wir den Schleier christ- lichen Mitleids über Kardorff. Klinckowström u. s. w. Die heutige Debatte zeigte übrigens noch mehr fast als die gestrige, daß das Staatsideal vom militärischen Staat des blinden Gehorsams und der Kasernendisziplin, das wir neulich den Lesern vorführten, wirklich und ernsthaft das Staatsideal unserer Junker ist. Montag Fortsetzung der heutigen Debatte: Post- und Telegraphen, Reichs druckerei.- Slerztliche Ehrengerichte. DaS Abgeordnetenhaus überwies heute nach kaum drei- stündiger Verhandlung den Gesetzentwurf betr. die Errichtung ärztlicher Ehrengerichte an eine Kommission von 1t Mit- gliedern. Auf grundsätzliche Gegnerschaft stieß der Entwurf nur bei den Rednern der freisinnigen Volkspartei, den Abgg. Dr. Langer- Hans mid Dr. B i r ch o w. Namentlich der letztgenannte übt» ein« scharfe Kritik an der Vorlage, die er als eine Erniedrigung für den ärztlichen Stand bezeichnete. Im Einzelnen bemängelte er besonders den durch den Entwurf den Oberpräsidcnten ein- geräumten Einfluß, die das Recht haben sollen, persönlich oder durch«inen Vertreter an den Verhandlungen des Ehrengerichts theilzunehmen. Ferner vermißte er eine genaue Definition des BegriffesBecufSpflichten", von denen in der Vorlage wiederholt die Rede ist. Gegen die Errichtung von Ehrengerichte» a» sich hatte Birchow nichts einzuwenden, er hielt es aber für wünscheiiSwetth, daß man einfach die jetzt bestehenden Organisationen mit dem Recht ausgestattet, gegen gewisse Aerzte ehrengerichtlich vorzugehen. Die Redner der Übrigen Parteien' erklärten sich durchweg für die Borlage. Abg. Dr. R e w o I d t(frk.), als Mitglied der Scharf« macherpattei. bedauert sogar, daß keine Möglichkeit vorhanden sei, Aerzte überhaupt durch Spruch des Ehrengerichts aus dem Aerzte« stände auszuschließen. Die hauptsächlichste Aenderung, die von de« verschiedensten Seiten gewünscht wurde, besteht in einer sorg- fältiaeren Fassung des Entwurfs. In der Vorlage heißt es nämlich, daß daS Ehrengericht über Verstöße gegen die ärztliche StandeSehre und gegen das Verhalten zu entscheiden hat, welches der Beruf de» Arzte» erfordert. Aber davon, daß politische, wissen« schastliche und religiöse Handlungen eines Arztes als solche niemals den Gegenstand eines ehrengerichtlichen Verfahrens bilden können, ist in dem Gesetz nicht die Rede. Diese Erläuterung findet sich viel- mehr in den Motiven, wo sie eigentlich garnicht hingehört. Selbst der konservative Abg. v. Werdeck verlangte die aus- drückliche Aufnahme einer derartigen Bestlinmuiig in das Gesetz selbst. Es ist einleuchtend, daß dadurch eine gewisse Besserung herbeigeführt würde; ob aber dadurch das politische Verhalten eincS Arzte« der ehrengerichtlichen Judikatur entzogen wird, oder ob man nicht doch durch eine Hinterthür unliebsamen sozialdemokratischen Aerzten betzukommen versuchen wird, bleibt sehr zweifelhaft. Keimzcichneiid ftir die Zusammensetzung de» Hanfes ist eS, daß auf die den Aerzten durch das neue Gesetz drohende Gefahr der politischen Mundtodtmachnng selbst von den Vertreteni der äußersten Linken nicht hingewiesen wurde, obwohl doch nach gewissen Vorgängen der letzten Jahre die Vermnthung nahe liegt, daß man mit Hilfe der Ehrengerichte auch den bis jetzt noch freien Aerztestand zu knebeln versuchen wird. Die Vertreter der Rcgienuig, Minister Dr. Bosse und Wiuisterial- direktor Dr. Bartsch, hatten bei der allgemeinen Stimmung ftir die Vorlage einen leichten Stand. AuS ihren Reden ist nur die Erklärung bemerkenswerth, daß die Regierung an der Bestimmung, wonach Militärärzte den Ehrengerichten nicht unterstehen sollen, nicht ge- rüttelt sehen will. Montag: Fortsetzung der Etatsberathung.(Etat der direkten und der indirekte» Steuern, sowie der Staatsarchive. Zun« AbrllstnngSschwindel. DieFriedenskonferenz" soll wieder vertagt sein. Ein Telegramm meldet: London  , 4. Februar. Einer Petersburger offiziösen Drahtung zufolge ist der Zusammentritt der Abrüstungskonferenz weiter verschoben worden. Die Haupttirsache des Verzuges sei, daß die italienische Regierung Schwierigkeiten mache, weil der Vatikan   eingeladen wurde, Vertteter zur Konferenz zu entsenden. Sie erblicke darin eine Anerkennung der weltlichen Macht deS Papstes. Außerdem hätten einige Mächte verlangt, daß das Programm einigen keineswegs unerheblichen Aenderungen unter- warfen werde. Nun, ob die Konferenz vertagt wird oder nicht ist ebenso gleich- giltig, wie ob sie zusammentritt öder nicht, der Augiasstall der inter  - uationalen Reaktion, in dem die Kriegsseuche gezüchtet wird, kann nicht von der internationalen Reaktion ausgefegt werden, sondern nur von den Völkern der Erde.   «» Deutsches Weich. Als ein Gegenbild wollen wir in nachfolgendem nochmals den vor etlichen Tagen von uns veröffentlichten Bericht über eine Schwurgerichts- Verhandlung in Dresden   wiederholen, da derselbe zum Ver- gleich mit dem 53 Jahre-Zuchthaus-Urtheil geradezu heraus- fordett. Der Bericht lautet: Dresden  . Die sächsische Justiz kann auch milde urtheilen, das beweist eine Schwurgerichts- Berbandluug in Dresden  . Im August des vorigen Jahres nahm der Gutsbesitzer LouiS Leh- mann in Eulitz den Arbeiter Hammel auf vier Wochen in Arbeit. Angeblich, weil Hommel nicht genügend arbeitete, entließ er ihn eher und wollte auch einen Lohnabzug vornehmen. Hommel suchte ihn jedoch zu bewegen, dies nicht zu thun. Er suchte den Lehmaim ans, dieser wies ihm jedoch brutal die Thür. Darauf sagte Hommel:Erst will ich meinen verdienten Lohn haben, dann gehe ich schon ganz allein." Das versetzte Lehmann so in Wuth, daß er zunächst mit dem Gabelstiel Hommel über Auge und Nase schlug, und als letzterer nach der Gabel fassen wollte, stieß er dieselbe dem Hommel in die rechte Schläfe, nach dem Gehirne. Hommel blutete stark, lief davon, sank ein paar Mal hin und starb dann an den Verletzungen zwei Tage darauf. Bis zum letzten Augenblick war der Mißhandelte bei vollem Bewußtsein, und er hat diese Angaben, wie sie die Anklage enthält, verschiedenen, auch amtlichen Personen gegenüber, völlig gleichlautend gemacht. Lehmann giebt an, daß der sümlos betrunkene Hommel selbst in die Gabel gelaufen sei. Dies wird jedoch durch Zeugenaussagen und die Gutachten zweier Sachverständigen widerlegt. Vor der Verhandlung suchte Lehmann und seine Frau die vorgeladenen Zeugen auf jede Weise zu verdächtigen. Einen denunzirten sie wogen Brandstiftung  , zwei andere als Sozialdemokraten u. s. w. Die Geschworenen erkannten gegen Lehmann auf schuldig der fahrlässigen, aber nicht' vorsätzlichen Tödtung, und er wurde zu zwei Jahren Gefänaniß verurtheilt. Hier zwei Jahre tÄefängnift für ei» Menschen- leben. Dort 8,«, 10 Jahre Zuchthaus für einige Schramme» und Beulen k ier ein Gutsbesitzer, der einen Arbeiter zu Tode bringt. ort Arbeiter, die einen Bauunternehmer geprügelt haben!_ Offiziöser Eiertanz. Unser Genosse Privatdozent Arons soll nur derForm" wegen gemaßregelt werden, so meldete neulich dieFrankfurter Zeitung  ". Jetzt schreibt dieNorddeutsche Allgemeine Zeitung". Bon einer Seite,an deren Zuverlässigleit zu zweifeln nicht wohl möglich sei", wollen Blätter gebärt haben, daß die Absicht, Dr. Arons wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei zu diszipliniren, ausgegeben fei. Dcnigegcnübcr haben wir von einer Seite, an deren Zuverlässigkeit zu zweifeln ebenfalls nicht möglich ist, in Erfahrung gebracht, daß die obigen Nachrichten auf irriger Annahme beruhen und den thatsächlichcn Verhältnissen nicht entsprechen." Bedeutet das einen Sieg des groben Stumm über den feinen Bosse? Soll der Mann nun f o rm lo s gehindert werden, Physik zu lehren? Lex Heinz«. Der BundeSrath hat, wie mitgctheilt wurde. wiederum einer lex Heinze zugestimmt, sodaß der Entwurf demnächst an den Reichstag gelangen wird. Der Entwurf gleicht demjenigen von 1892 bezüglich der Prostitution und dem Zuhälterthum. Der Para- graph, der sich gegen nackte Ausstellung anstößiger Gegenstände tvendet, kehrt auch wieder, nur ein wenig anders gefaßt. Dagegen will die Rcgimmg nocki immer nichts wissen von Bestrafung der Arbeitgeber oder Dienstherren und deren Vertreter, welche unter Mißbrauch des Arbeits- oder Dienstverhältnisies ihre Arbeiterinnen zur Duldung oder Verüdung unsittlicher Handlungen bestimmen. Schutz deS LadrnprrfonalS. Au» der dem Reichstag vor» zulegenden Abänderung der Gewerbe» Ordnung erfährt der Konfettionär" die folgenden Bestimmungen, die sich auf den Ladenschluß und die Regelung der Arbeitszeit der Handlungsgehilfen beziehen. Im Wesentlichen werden hierdurch die bereits vor einigen Tagen von uns gemachten Mitthcilungen über denselben Gegenstand bestätigt. Im§ 7 und in der Begrüiidullg des Gesetzentwurfs über die festzusetzende Ruhezeit für Ladenangestellte werden die folgenden Ausführungen gemacht: Die statistiscbcn Erhebungen haben er- geben, daß bei den Ladengeschäften, die in Frage kommen, die Ladenzcit, d. h. die Zeit, wo der Laben geöffnet ist, nur bei 14,9 p C t. weniger als 12 Stunden, bei 22 pEt. bis zu 13 Stunden, bei 17 pCt. 14 Stunden, bei 18 pEt. 15 Stunden, bei 21 pEt. IS Stunden und bei 6,5 PEt. über 16 Stunden dauert. Wenn hiermit auch nicht festgestellt ist, daß die Labenzeit mit der sogenanMcn Arbeitszeit übereinstimmt, so ist ober auch zu berücksichtigen, daß in rinzrlnen Geschäften die Arbeitszeit größer ist als die Ladenzeit. Durch die übermäßige Dauer der Beschäftigung leidet die geistige Fortbildung der Ladengchilfen, und darum ist ein großer Mangel an gut ausgebildetem Ladcnpersonal vorhanden. Durch die Verkürzung der Arbeitszeit gewinnt das Familienleben. Aus allen diesen Gründen bestimmt die neue Gcsctzesvorlage: In offcncn Läden ist den Gehilfen. Lehrlingen und Arbeitern nach Uccndignng der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 10 Stunden zu gewähren, und für Personen unter 16 Jahren und für weibliche Personen muß diese Ruhezeit mindestens 11 Stunden bewogen. Diese Bestimmungen haben jedoch keine Anwrndung bei besonderen Gelegenheiten, wie bei Arbeiten, um daS Verderben von Maaren zu verhüten, bei Aufnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Inventur, an besonderen festlichen Tagen und während der letzten zwei Wochen vor Weihnachten  . Außerdem kann jährlich an höchstens 10 Tagen von der OrlSpolizeibebörde eine Ausnahme gestaltet werden. Es find keine gesetzlichen Bestimmungen gewossen, Saß die Läden zu einer bestimmten Zeit geschloffen werden müssen. wohl aber Bestimmungen, um eine derartige Einrichtung zu er- möglichen. Auf Antrag von zwei Dritteln der de- theiligten Geschäftsinhaber einer Gemeinde kann durch Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde verfügt werden, daß 'ür alle ober einzelne Zweige zu einer näher zu bestimmenden Zeit zwischen 3 Uhr AbendS und« Uhr MorgenS die Laden geschlossen werden müssen. Um einem Wettbewerb entgegenzutreten, der entsteht, wenn in der Zwischenzeit an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen weitere Lieferungen erfolgen, ist festgesetzt, daß während der Zeit, wo die Läden geschlossen sein müssen, das Feilbieten von Waaren auf Straßen und öffentlichen Plätzen verboten ist. Die Prinzipale sind schon jetzt verpflichtet, die Geschäftsräume so einzurichten und die Arbeitszeit so zu regeln, daß der Angestellte in seiner Gesundheit geschützt ist. Durch polizeiliche Anweisungen aber könne dies nicht erzwungen werden; der Prinzipal kann nur auf Schadenersatz ver- klagt werden. Nach den vorliegenden Bestimmungen soll die Polizei die' Befugniß erhalten, im Wege der Verfügung derartige Einrich- tungen zu treffe». FLr die Beseitigung der K«rirfreiheit hatte sich der AuS- schuß der Aerztckammern in einem Schreiben an den Kultusminister ausgesprochen mit dem Hinweis, daß die schlechten Verhältnisse des ärztlichen Standes im Wesentlichen auf die durch die Gewerbe- Ordnung eingeführte Kurirfreiheit zurückzuführen seien. Der Minister hat dem Ausschuß in einem Antwortschreiben anheimgegeben, durch Beibringung von schlüssigem, thatsächlichem Material aus den einzelnen Bezirken das Vorhandensein solcher Mißstände nachzuweisen und zugleich zu erläutern, welche Maßnahmen zur Beseitigung der Mißstände in Aussicht zu nehmen seien. In, AnSlaude gebaut. Mit der Begründung, daß eSim Auslände gebaut" ist, wurde der Köln  -Düsseloorfer Dampfschifffahrts- Eesellschaftach demBörsen-Courier" die Erlaubniß verweigert, einem neuen Rheinschiff den Namen»Kaiser Wilhelm II.  " zu er- theile»." Dresden  , 3. Februar.(Eig.©er.) Mit der im borigen Jahre von den hiesigen städtischen Kollegien beschlossenen nenen Wohnungsordnung für die Stadt Dresden   hat man, wie sich jetzt herausstellt, ein Kommunalgesetz geschaffen, das in einem seiner wesentlichsten Theile zur Zeit gar nicht durchführbar ist. Diese neue Wohnungsordnung enthält nämlich sehr gut ge- meinte und sehr scharf eingreifende Bestimmungen über das©er« rniethen und Untervermiethen von Wohnungen. Be- kanntlich herrschen in dieser Hinficht in allen Großstädten sehr reformbedürftige Zustände, besonders schlimm steht eS aber in Dresden  . Man wollte nun helfen leider zu spät. Infolge der unerhörten Balispekulation und Grundstücks­wucherei der letzten Jahrzehnte sind die Preise der Grund- stücke, und damit nattirlich die Miethspreise in so abnormer Weise in die Höhe gegangen, daß ein Minderbemittelter fast gar nicht in der Lage ist, aus eigenen Mitteln eine einigermaßen an- ständige Wohnung zu bezahlen. Dazu kommt der große Mangel an kleinen Wohnungen. Deshalb haben sich eben die schauderhaften Zustände in Bezug auf das Untervermiethen herausgestellt, welche die Wohnungsordnung mit einem Schlage ohne Berücksichtigung der nun leider einmal gegebenen Verhältnisse beseitigen will. Es find eine ganze Reihe von Unterschriften in Bezug auf Beschaffenheit, nothwendigen Kubikinhalt der Räume jc, getroffen, die an sich ganz vernünftig und im Interesse der Wohlfahrt der Einwohner gelegen sind. Gerade diese wichtigen Bestim- mungen erweisen sich aber, wie schon bemerkt,� als direkt unausführbar. Der Rath hat deshalb beschließen müssen, diesen Theil der Wohnungsordnung bis 1. Ottober 1904 außer Kraft zusetzen. Man glaubt, daß bis dahin ein genügendes Angebot kleiner, preiswctther Wohnungen vorhanden sein wird. Ob dies der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls beweisen die hier gemachten Erfahrungen, daß man die Wohnungsnoth nicht im Handumdrehen durch eine behördliche Verordnung beseitigen kann, sondern dazu eine umfassende gründliche Reform großen Sttls erforderlich ist. Eine recht wichtige Folge hat die Sache aber in« sofern, als die hiesige Behörde, bezw. das Statistische Amt, in der nächsten Zeit Erhebungen über dieWohnungSverhält- nisse in Dresden   vornehmen wird. DaS dürste em sehr inter- essantes, wenn auch wenig erfteulicheS Resultat ergeben. Schutz vor Schutzleute». In W e tz l a r, so wird uns geschrieben, ist der Hau-Erlaß des preußischen Ministers v. d. Recke   am vorigen Sonntag merkwürdig ausgelegt worden. Eine Gießener   Studenten« Verbindung hatte unter Theilnahme einer Anzahl sogenannteralter Herren" nach der benachbarten Preußenstadt einen Ausflug gemacht. Natürlich wurde auch allerlei Allotria getrieben. Als aber oie Herren kleine Münzen unter eine Schaar Kinder warfen, da wurde das dem Gendarmen Glans   doch zu bunt. Er sprang zwischen die fidele Gesellschaft ein halbes Dutzend Worte hin und her und der Säbel flog aus der Scheide und den jungen und alten Akademikern um die Köpfe. Vier Herren wurden mehr oder weniger schwer verletzt. Ob es wahr ist, daß auch ein Gießener   Amts­richter zu den Verletzten zählt, konnte ich nicht mit Sicher- heit ermitteln. Theilnehmer an der Partie war er sowohl wie auch ein hier sehr bekannter Arzt. Die Angelegenheit ist- bereits der Staatsanwaltschaft unterbreitet. So bedauerlich der ganze Vorfall ist. so paßt eS doch recht eigenartig, daß der Gendarm Glans   gerade seine Schneidigkeit an Akademikern erprobte, von denen die große Mehrzahl seither dem Hau« und Schicßerlaß wohl sehr zustimmend gegenttb L stand. Chronik der MajestätSbeletdiaungS- Prozesse. Diese in den Blättern der Jetztzeit ständigste aller Rubriken ist wieder durch einen sehr bemerkenSwctthen Fall bercichett.DieVolks-Zeiwng" weiß darüber zu berichten: Am Dienstag, den 17. Januar.'/»6 Uhr früh erschien bei dem in Schöneberg   wohnhasten Schriftsteller W i ß b a ch e r ein Schutzmann, um ihn zur Wache zu holen. Hier- selbst wurde Wißbacher von einem seitens des Amtsgerichts Augsburg   wegen angeblicher Majestätsbeleidigung gegen ihn erlassenen Haftbefehl in Kenntniß gesetzt und nach dem Uutersuchungsgefängniß Alt-Moabit abgeführt. Der Erlaß deS Haft« befehls war darauf gestützt, daß Wißbacher als Schriftsteller keine feste Anstellung habe und somit(!) fluchtverdächtig erscheine. Nach achttägigem Aufenthalt ün Uiitersuchungsgefäugniß wurde W.mit der Begründung aus der Haft entlassen, daß er, da er im Besitz von Mitteln sei und auch Aussicht auf feste Anstellung habe, außerdem bei seiner Abreise von Augsburg   seine Adresse genau an- gegeben habe, nicht mehr fluchtverdächtig erscheine. So hatte W. zwar dank den Bemühungen seines Rechtsbeistandes seine Freiheit wiedererlangt, doch mit dem Unterschiede, daß er eine am 18. Jaimar d. I. anzutretende Redaktion? st ellung bei einer sächsischen Zeitimg verloren hatte. Bei den behufs Auf- klärung des Sachverhalts angestellten Recherchen ergab sich, daß der in dem Haftbefehl als Zeuge genaunte Speiiglem>eifter, dem gegenüber W. bei einem gelegentlichen Aufenthalt in Augsburg   am 26. Dezember zwischen 8 und 9 Uhr in einem dortigen Cafe die inkriminirten Aeuherungen, tvelche in ganz widersinnigen und unfläthigcn Beschimpfungen des Kaisers, des Königs und Prinz- Regenten von Bayern   bestanden haben sollten, erklärte, er. der Zeuge, habe hiervon nichts gehört und habe auch keine An- zeig« erstattet; es sei ihm aber erinnerlich, daß eines Abends ein'ihm unbekannter Mann ihn nach dem Namen des W. gefragt habe. Auch die als Zeugin vernommene Büffetdame des Eafe's sowie die bedienende Kellnerin erklärten, von den frag- lichen Beleidigungen nichts gehört zuhaben. So mugte auf eine anonyme Denunziation eines leider bis jetzt unbekannten Ehrenmannes ein nach der Versicherung des Betroffenen völlig Unschuldiger ins Gefängniß wandern, außerdem hat er eine auskömmliche Stellung verloren. An eine angemessene Entschädigung ist selbstverständlich nicht zu denken. Demnach hat jeder Staatsbürger zu gewärtigen, in jedem Moment ans dem Bette weg verhaftet zu werden, wenn irgend ein denunziatorischer Lump, ihn selbst anonym be- zichtigt hat. Eine solche Denunziatton ist das beste Mittel zur Befriedigung gemeiner Rache. Bemerkenswerth an dein obigen Fall ist auch die Anschauung der Behörden über diefeste Anstellung" von Schriftstellern ,c. Mit Recht erinnert dieVolks- Zeitung" daran, daß Sudermann. Spielhagen, Blumen- t h a l mid hundert andere Schriftsteller und Künstler keine»feste Anstellung" und doch eine gesicherte Existenz haben.