Nr. 276. Dienstag, 26. November 1980. Sette 5. Ankere erste NeichsjugeuMule. Die Jugend der besitzenden Klassen besucht noch die Schule zu einer Zeit, wo die Arbeiterjugend schon viel« Jahre im Erwerbsleben steht. Um so größer ist di« Freude der Arbeiterburschen und Arbeitermädeln,«in« längere Zeitspanne dem Lernen widmen zu können und«inzudringen in die großen Probleme, die das Leben der Menschen be­stimmen. Und dafür ist die Arbeiterjugend und chre Organisation bereit, auch große Opfer zu bringen. Di« meisten Teilnehmer unserer Jugendschule in Dittersbach haben für die vierzehn Tage, di« sie in der Schule verbrachten, keinen Lohn erhalten. Sie brachten diese» Opfer aber gern, nur um das Glück zu haben, an der Schule teilnehmen zu können, die für alle Teilnehmer zu einem unvergeßlichen Er­lebnis wurde. 1 An-er Schul« nahmen 17 Bursche» und drei Mädel teil, die nach Berufen sich wie folgt ver­teilen: 4 Angestellte, 1v Arbeiter und Arbeiterinnen, 2 Buchdrucker, 1 Photographin, L Mechaniker und «ine Näherin, 5 Burschen Ware» gegenwärtig «rbeitslos. Die Eröffnung-der Schul« fand am Montag, den 3. November, nachmittags, statt. Es sprachen für-en Berbandsvorstand Genoss« Rudolf Geiß­ler und für den Parteivorstand Genosse Josef Hofbauer . Darm wurde mit dem Unterricht be­gonnen. Genosse Hofbauer trug überRede­technik und Berichterstattung" vor. Ein großer Teil seiner BortragSzeit war der praktische» Arbeit gewidmet, so müßte jeder Teilnehmer«in« Red« halten und auch einen Bericht schreiben. Anschlie­ßend kam Genosse Paul aus Prag zu Wort, der über dieGeschichte-er sozialen Ideen" sprach. Der Vortragende behandelt« eingehend die gesellschaft­lichen Verhältnisse des Altertums, des Mittelalters und der Neuzeit. Eingehend legte«r di« Grund- lagen des moderne» Sozialismus,-le Lehre Karl Marxens, dar. UeberVolkswirtschaftliche Grund­ begriffe " sprach Genosse Rehwald au» Teplitz , der quch all« Fragen der kapitalistischen Wirtschafts­politik aufzeigt«. Genosse Professor Schweitzer aus Brünn vermittelt« uni aus seinem reichen Erfahrungsschatz viele neu« Erkenntnisse auf dem Gebiet« der Jugenderziehung und Jugendpsycho­logie". Wir konnten auch den Genossen Dr. Strauß aus Prag in unserer Mitte begrüßen, der di« Ent­wicklung der Wirtschaft von der Urgesellschaft bis zum heutigen Hochkapitalismus behandelt«. Genosse Dr. Wiener sprach über ein gegenwärtig unge­mein wichtiges Tdema, und zwar überArbeiter­klasse und Staat" All« Staatsformen und auch di« Stellung der Arbeiterklasse zur Koalition mit bür. gerlühen Parteien fanden ein« eingehende Würdi­gung. Genoss« Dr. Franz«! aus Prag sprach über Klaffen und Parteien in der Tschechoslowakischen 'Republik". Seine Ausführungen zeigten die wirt-, Maftlichen Triebkräfte der Klassen- und Parter- büdung auf. Die letzte» Tag« unserer Schule waren wehr der praktischen Verbandsarbeit gewidmet. So sprach unser BerbandSobmann, Genosse Karl Ker» aus Reichenberg, über die Entwicklung der prole­tarischen Jugendbewegung und di« früheren Arbeitsmethoden. Er behandelt« weiter eingehend auch die Jugendschutzgesetzgebung in unserem Staate. Die Aussprache über diese Themen brachte schr wertvolle Anregungen für unser« wei.er« Arbeit. Genosse Geißler aus Teplitz behandel.e dar nationalfozialistische Programm, di« Soziali­ stisch « Jugendint«rnationale, die internattonalcn Verbindungen der generischen Jugend und die gei­stigen und sittlichen Voraussetzungen der proleta­rischen Jugendarbeit. Mit großer Freude können wir feststellen, daß es allen Vortragenden gelang, den lebendigen Kon­takt mit den Schülern herzustellen. Immer mehr wird der bloße Vortrag abgelöst durch die Arbeits- i»rm der Arbeitsgemeinschaft, der intensiven Mit­arbeit-er Teilnehmer selbst. An den Abenden fanden sich di« Schüler zu geselligen Veranstaltungen zusammen. So wurden Spiel« und Liederabende veranstaltet, die unseren Bezirks- und Kreisfunktionären manche wertvolle Anregung nach Hause mitgaben. An einem Nach­mittag konnten wir auch di« Gen. Käthe Fröhbrodt aus Berlin in unserer Mitte begrüßen, die uns eingehend di« Arbeit in der reichsdeutschen KAI. schilderte. Einige Abende wurden auch zu Diskus- onsabenden ausgestaltet, in denen über die prak­tischen Probien« unserer täglichen Jugendarbeit gesprochen wurde; so über das Aelteren-und Jünge­renproblem und unsere Arbentsmethoden. Diese Aus­sprache brachte ebenfalls sehr wertvolle Anregungen. Am Samstag, den 15. November wurde die Schule nach einer kurzen Schlußbesprechung abge­schlossen. Genoffe Geißler ries noch einmal alle auf, das, was st« in dieser Schule lernten im Katnpsr für di« Arbeiterklasse zu verwenven. All« Kräfte an- zuspannen, um die Jugend für aen Gedanken der Internationale zu gewinnen. Alle Kräfte siird«in- zusetzen für den Sieg des einzigen wahren inter­nationalen Sozialismus. Mit Wehmut gingen all« Teilnehmer von die'er Stätte, die ihnen in dieser Welt der Rot einige schön« Stunden wahrer sozialistischer Gemeinschaft gebracht hatte. Die Burschen und Mädel, die das Glück hatten, an dieser Schule, teilnehmen zu können, werden wirklich alle Kräfte in den Dienst der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung stillen. dauernde Erhöhung der Produktionskapazität geschaffenen wirtschaftlichen Gefahren zu begeg­nen. Das Komitee stellt sich auf den Boden der wirtschaftlichen Tatsache, daß man von der Ver­kürzung der Arbeitszeit nicht eine Behebung der Arbeitslosigkeit erwarten kann. Im besten Walle kann ein« solche Maßnahme zur Milderung der Kris« beitragen. Die in unserem Lande cinge- tretene Arbeitslosigkeit ist hauptsächlich darauf zurückzusiühren, daß die Löhne nicht im gleiche» Verhältnis fite» gen, wie die Produktionskraft des einzelnen Arbeiters in der Jnduftri«, im Transportwegen und in der Landwirtschaft. Di« ausgezahlten Löhne haben die Massen bei weitem nicht in die Lag« versetzt, di« Produkte ihrer eigenen Jndustriezukonsumieren. Es ist die­ser«naesunde und unwirtschaftliche Lohn, der die Aufstapelung der Güter in den Lagerhäusern veranlaßte und Depressionsperioden erzeugte." ...Die Frage der kürzeren Arbeitstage ist einer der Faktoren, der die Quantität der Pro» duktion bestimmt, während die Löhne für das Quantum des Konsums verantwortlich sind." Was die Verkürzung der Arbeitszeit als Teilmaßnahme betrifft, so lagen verschiedene sehr weitgehende Resolutionen vor; so wurde u. a.-er Fünfstundentag(zwei Schichten zuje fünf Stunden, vormittag- und nachmittags) vorge­schlagen. Der Kongreß sprach sich im Prinzip für di« Fünftagewoche«ns und beauf­tragte im übrigen die Exekutive, bis zum näch­sten Kongreß zuverlässiges Material über die Auswirkungen der Mechanisierung und Arbeits­zeitverkürzung zu beschaffe«. Jyr Hinblick auf sofoxtige Maßnahmen zur Lindemrng Her Not der Arbeitslosen befürwortete Her Kongreß fol­gende Schritte: Die Exekutive der A. F. of. L. soll sich sofort nach dem Kongreß mit Präsident Hoover in Verbindung setzen«nd ihn zur Er­richtung eines nationale« Komitees zur Ein­leitung und Beschleunigung ö f f e n t- sicher Arbeiten auffordern. Die gswerk- schaftlichen Föderationen der einzelnen Staaten und di« örtlichen Gewerkschaftskartelle sollen gegenüber den entsprechenden Behörden auf ähn­liche Maßnahmen andringen. Endlich soll alles unternommen werden, um die öffentliche Mei­nung für das Arbeitslosenproblem itrteveffir- rett und di« Notwendigkeit sofortiger Hilfe in den Vordergrund zu heben. Die Mitgliederzahl der A. F. of L. ist'M vergangenen Jähre um 85.000 auf 2,900.000 ge­stiegen. Die Exekutive der A. F. of L. wurde einstimmig wiedergewählt. dog Seim des klafienberMtev ^Arbeiters gehört d. Aenlralorsan. I »er Deutschen sozialdcmokr. Arbeiterpartei I Sozialdemokrat"1| Der Kamps arge» die W!rt> rmaftsktise in Amerika . Amerikanischer Gewerkschafisbund für Aufrecht­erhaltung des Lohnniveaus«nd Verkürzung der Arbeitszeit. Der diesjährig« Kongreß des Amerikanischen Gewerkschastsbundes(A. F. of L.) konzentrierte sich hauptsächlich auf die Behandlung der Frage der Arbeitslosigkeit. Er kam dabei zum Schluß, daß durch die Verkürzung der Arbeits­zeit das Uebsl nur teilweise beseitigt werden und 6oMalV0Kti(. Wirtschaftskrise und Gewerkschaften. Kolossale Leistungen der BerbSnde. Die Denkschrift der gemeinsamen LandeS- zentrale, aus der wir bereits einiges veröffent­licht haben, führt noch«ine weitere Reihe von Tatsachen an, die den Umfang der Wirtschafts­krise in der Tschechoslowakei charakterisieren. Bei den tschechischen Verbünden der Zentral« sind etwa 10 bis 20 Prozent der Mitglieder öhne Be- Mft'gung. Während im ganze« Jahre 1929 zwanzig dem ,^)dborove sdru/eni" anaeschloffrne Verbünde an Arbeitslosennnterstützung Kc 9,030.458.75 ausgezahlt Haden, haben sie im erste« Halbjahr 1930 allein 14,038.476.35 Kronen zur Auszahlung gebracht. Im gairzen Jahre werden sie also vermutlich dreimal so viel an Arbeitslosenunterstützung zahlen als im Jahre 1929. Bei manchen Ver­bünden ist daS Verhältnis, noch krasser. So hat der Verband der Metallarbeiter im ganzen Jahre 1929 an Arbeitslosenunterstützung Kronen 1,927.581.90 ausgezahlt, im ersten Halbjahr 1930 jedoch allein 6,799.020.50 K£, d. i. also in der Hälfte der Zeit dreimal mehr. Noch ärger steht es in dem Verband der Glasarbeiter, der 1930 476.390.50 ausbezahlt hat, in den ersten 10 Monaten 1930 aber viermal so viel, nämlich 1,632.196.40 XL. Verhältnismäßig noch größeres Summen haben die deutschen Verbände auSgc- zahlt. So hat die Union der Textilarbeiter im Jahre 1929 5,703.336.85 KL an Arbeitslosennnter­stützung ausgezahlt, in den erste« nenn Monaten 1980 jedoch 9,414.612.80 Kfe. Der Verband der Glasarbeiter im ganzen Jahre 1929 1,072.637.53, in den ersten neun Mo­naten des Jahres 1930 KL 1,923.793.90. Der Verband der Metallarbeiter im ganzen Jahre 1929 Kc 967.909.45, in den ersten neun Mona­ten 1980 KL 3,636.249.25. Der Verband der Fabrikarbeiter im Jahre 1929 Kc 527.324, in den ersten neun Monaten 1930 KL 1,191.147.19; der Allgemeine Angestelltenverband im Jahre 1929 KL 599.576.75, in den ersten neun Mona­ten 1930 KL 1,148.520.90.. Die Verbände, die diese hohen Summen auszahlen, sind in eine sehr ungünstige Lage geraten, schon deswegen, weil sie aus ihren eigenen Mitteln den Staats­zuschuß vorschießen muffen. Sie kommen da­durch um die Sinfen ihres angelegten Ver­mögens. Einige Verbände sirch in ihren finan­ziellem Gleichgewicht derart bedroht, daß der Staat ihnen, ähnlich wie es bei Elemente rkata- strophen der Fall ist, zu Hilfe kommen muß. Zum Schluff « werden ausführlich die For­derungen der in der gemeinsamen Landeszentrale vereinigten Gewerkschaften ausführlich dargelegt. Sie umfassen folgende Gruppen: Handelspolitik, Landwirtschaft, Baubewegung und Wohnungs­frage, öffentliche Lieferungen, Verkehr, ArbeirS- lofenfürsorge, Arbeitszeit, Zinsfuß, Rationali­sierung, Preispolitik. kann. Solle« die durch Rationalisierung und Mechanisierung brotlos gewordenen Arbeiter wieder BefchÄtigung finden, fo muß zwei Fak­toren Aufmerksamkeit geschenkt werden, d. h. er muß die Arbeitszeit verkürzt und das Lohnniveau aufrechterhallen bleiben bezw. erhöht werden. In dem Be­richt des vom Kongreß zur Behandlung dieser Frage eingesetzten Komitees heißt es in diesem Zusmnmerchang u. Das Komitee fühlt sich zur Feststellung veranlaßt, daß die Verkürzung der Arbeitszeit nicht das einzige Mittel ist, um den durch die Simone Loccanegka. Oper von Giuseppe Verdi ; Erstausführung im Prager Deutschen Theater am 23. November 1930. Franz Werfel , der beachtenswerteste Verdi-Apostel unserer Zeit, der schon V e rp l s O p e rT i e Macht des Schicksals" wie­der entdeckte, hat auch die.lyrische Tragö­dieSimone Boccanegra " dieser gro­ßen italienischen Operisten wi^er ans Licht ge­bracht und in liebevoller Bearbeitung der Opernbühne wiedergegeben. VerdisSimone Boccanegra " hat, wie so manche ander« Oper dieses Meisters, kein allzu glückliches Schicksal gehabt. B d r d i hat sie deswegen selbst noch einer vollständigen Neubearbeitung unterzogen, für die der Dichterkomponist Arrigio B o i t o die textlichen Aenderungen besorgte; die W e r f r l' s ch e Fassung des Werkes stellt also seine dritte vearbertung dar. Die OperSimone Boc- kanegra" ist der Zeit ihrer Entstehung nach-re Vorläuferin desMaskenballes". Sie ist Ver­di r fünfte Opernschöpfung und für dieFenier" in Venedig geschrieben, welcher Opernbühne der Meister auch etliche andere Opern zur Erstaufführung überlaffen hat. Den Text zumSimone Boccanegra ", der am 12. Mäq 1857 seine Uraufführung erlebte, hatte Francesco Maria Piave geliefert, der bei nicht weniger als zehn Opern(darunter demE r- v a n ¥,Rigolett o", der ,^Traviat a" und der OperDie Macht des Schick­ sals ") Verdis Librettist war. Aber die Auf- ncchme derSimone Boccanegra " bei seiner Be- Urdiger Erstaufführung war sehr kühl. Eine Folge einerseits der mäßigen künstlerischen Buchführung des Werkes, anderseits ihres schwachen und verworrenen Textbuche-, daS ein Zeitgenoffr Verdis einen schauerlichen melo­dramatischen Mischmasch" nannte, den er nicht weniger als sechsmal lesen mußte, bevor er et­was davon verstand oder vielmehr zu verstehen glaubte. Verdi hat sich selbst in ähnlichem Sinne über die Gründe oes Mißerfolges seinesSi­ mone Boccanegra " geäußert. In einem Briefe an den Mailänder Verleger Dito Riccordi vom 4. Feber 1859 schreibt er:Der Durchfall des Boccanegra " in Mailand mußte kommen und so ist er gekommen. Ein Boccanegra ohne Bocca- negra!! Schneidet einem Menschen den Kopf ab und sucht ihn dann zu erkennen, wenn das mög­lich rst!" Daß der Komponist aber selbst keine schlechte Meinung von der Oper hatte, beweist eine andere Stelle desselben Briefes:Uebri- aens", heißt es dort,mögen Freunde und Feinde erzählen was sie wollen: derBorca- negra" ist nicht schlechter als allerhand andere Opern von mir, die mehr Glück hatten, vielleicht, weil gerade ebenBoccanegra " eine noch sorg­fältiger« Aufführung verlangt hätte, und ein Publikum, das sich herbeiließ« zuzuhören.. Erft zwanzig Jahre nach der Uraufführung hat Verdi denSimone Boccanegra " umgearbeitet. Den Anlaß dazu gab ein« Aufführung von SchillersF i e s c o", der bekanntlich die stoffliche Grundlage desSimone Boccanegra " bildet, durch das berühmte Meinintzer Schau­spielensemble in Köln , der Verdi beiwohnte. Trotzdem der Meister der deutschen Sprache nicht mächtig war, übte das Drama ein« so mächtige Wirkung auf ihn aus, daß er nach der Vorstel­lung ausrief:O welch ein schönes Gedicht hatte mir Piave daraus machen können!" Die Neu­bearbeitung desSimone Boccanegra " führte nach den Anweisungen Verdis der ita­lienische Dichter Arrigio B o i t o aus, der als Opernkomponist für die Verfassung eines guten Opernbuches besonders geeignet schien. Verdi hat in dieser zweiten Ausgäbe der Oper nicht nur zahlreiche Aenderungen des musikalischen Teiles vorgenommen, sondern auch mehrere ganz neue Stücke hiefür geschrieben. Eine dieser neuen Nummern, das Finale des er st en Aktes, wird von dem bekannten Verdi-Biographen Artur Po« gin sogar als eine der dramatisch wirksamsten und tief­empfundensten. Kompositionen" bezeichnet,die jemals unter Verdis Feder entstanden sind." Durch einen ausgezeichneten Dirigenten und mit glänzenden Solisten wurde derSimone Bocca­ negra " in seiner zweiten und neuen Fassung im Jahre 1881 an der Mailänder Scala ausgesührt und diesmal mit begeistertem Bei­fall ausgenommen. Dauernder Erfolg war der Oper indessen nicht beschieden. Veäns eigene Wohlmeinung über denSimone Boccanegra " mag Franz W e r f e l dazu bewogen haben, das Werk der Vergessenheit zu entreißen und durch eine neuerlich« Bearbeitung bühnen­wirksam und lebensfähig zu gestalten. Die Be- arbertung Werfels stellt sich als eine freie Nachdichtung des ursprünglichen Opernbuches von Piave dar. Es war Werfel vor allem darum zu tun, Klarheit in die Handlung zu bringen; ein Versuch, der als gelungen bezeichnet werden muß. Ple­bejer und Patrizier streiten um die Dogenherr- sch'aft in Genua , di« noch dem Sturze FieScos dem Plebejer Boccanegra zufällt, der Fiescos Tochter liebt. Aber Boccanegra selbst wird das Opfer seiner Parteigenossen; er wird vergiftet, eine Adelsverschwörung ist von Erfolg begleitet, Fiesco wird wieder Doge. In der Todesstunde Bocoanegras versöhnen sich Plebejer und Pa­trizier; Mittelsperson dieser Versöhnung ist Amelia, die Tochter des Plebejers Boccanegra und Enkelin de» Patriziers FieSco. Werfel hat, ein weiteres Verdienst seiner Neubearbeitung, den Text in innigste Beziehung zur Musik Ver­ dis gebracht und ein in Verse gefaßtes Textbuch geschaffen, das den musikalischen Ansprüchen nicht nur überall entspricht, sondern der Mu­sik fördernd zu Seit« steht. Der dramatische Schwung, die bühnenwirksame Haltung und die Ausdrucksintensität der Musik zumSimone Boccanegra " lassen dieses Werk als ebenso wert­vollen wie echtcnBerdi erkennen. Die Zahl stimmungsvoller Szenen und wirkungsvoller Arien ist ebenso groß wie jene prachtvoll aufge­bauter Ensembles. Ganz groß angelegt sind die Finales des Vorspieles und des ersten«und zwei­ten Aktes, in denen auch der Chor eine hervor­ragende Rolle hat. Stil, Ausdruck und musikali­sches Kolorit desBoccanegra " entsprechen un­gefähr der Faktur des BerdischenM arken- Halles", nährn sich aber in vieler Hinsicht (melodische Wendungen, harmonische Struk­tur und instrumentale Einzelheiten) dem O t h e l l o" als auÄrucksintensivstem Werke Verdis . Prof. Georg Szell hatte denSimone Boccanegra " selbst einstudiert; eirdlich wieder einmal«ine künstlerische Tat unserS nicht allzu fleißigen Qpernchefs. Er hatte ganz gründliche und sorgfältige Arbeit geleistet und sich der Oper mit liebevollster Hingabe angenommen. Die Ensembles und Chorsätze klappten ausgezeichnet, Prächtig musizierte dos Orchester und die So- listen gaben unter SzLlls befeuernder Stabfüh­rung chr Bestes her. Der musikalische Aufbau der großen Finales war von eindrucksvollster dramatischer Steigerung, di« lyrischen Szenen stimmungsecht; die Gegensätze also höchst wir­kungsvoll betont. Der vortreffliche musikalische Eindruck der Oper wurde, durch chre einfache, aber stilvolle szenische Ausmachung wesentlich verstärkt. Die Verdienste Fr. Lotte Radnitz-Schroetters, von der die sze­nischen Entwürfe stammten, und des um­sichtig seine- Amtes waltenden Regisseurs C h. Moor, der für natürliche Belebtheit der Einzel- und Gesamtszenen bemüht war, sind in gleicher Weise zu rühmen; ebenso die geschmack­vollen Kostüme Fr. Volkners. Unter de« Hauptdarstellern ragte vor allem Louis Odo Böck , unser wenig beschäftigter Heldenbarfton, als Simone Boccanegra hervor; er bewährte sich nicht nur als außerordentlich stimmgesegneter und könnender Sänger, sondern vermocht« dies­mal auch darstellerisch zu überzeugen. Neben ihm ist Leonie Kruse, unsere nicht minder rare Jugendlich-Dramatische, als Amelia zu nennen, die gesanglich und schauspielerisch alle- für dies« schöne und dankbare Rolle mitbringt. Sehr gut auch Andersen als Fiesco, namentlich im großen Duette des letzten Aktes. Stimmlich im­ponierend Paul Helm, vorzüglich wie immer am Platz Josef Hagen. Als lobenswerte In­haber kleinerer Partien: Frl. Szakmtry sowie die Herren Reiter, B e r k m a n n und Schönberg. Das sehr gut. besuchte Haus stand der wiederentdeckten Verdi-Oper beikalls- freudig gegenüber. E. I.