«r. 116.Smmwg, 17. Mai 1931.Seit« 5.Vom Prager RundfunkProfessor Gusti Beidl-Hackl sprach überSprechchöre, stellt« fest, daß, wie alle Kunstftrmen,euch die literarischen ihre Prägung durch di« Gesellschaftsform erhalten; infolge der im Ar lege ausgelösten starken Spannungen und des Hervortretens'derMasse in politischer und Waler Hinsicht, der Massenentfesselung, trat der Sprechchor jn Erscheinung. AufParallelen früherer GeschichtsaHschnitte wurde hingewiesen, eine Fülle von bemerkenswerten Einzelheiten ward gegeben und di« Literatur über denSprechchor behandelt. Ergebnis: der Sprechchor istnicht nur ein neues Mittel, ein« Vortragsfolg«interessanter zu machen,— er ist eine neue Form d«rGesellschaftlichkeit, das auszusprechen in Chorform,was einem einzelnen auszusprechen unmöglich ist.Seine Wirkung ist gefühlsbeseelend,«r wirkt aushoch und niedrig, auf di« Besten unter uns. Wennman auch einzelne Ansichten d«r Vortragenden nichtteile« möchte, wie z. B. den Gedanken, im Laienspiel«tu« dem Sprechchor innerlich verwandt« Erscheinung sehen zu wollen, so können wir doch im allgemeinen-«stimmen und sind dankbar für den Vortrag,der über ein« uns so wesentlich naheliegende Kulturerscheinung viel Anregung und Aufklärungbracht«.— In der Arbeitersendung wurde wiedereinmal eine im Rundfunk sehr günstige Form verwendet, das Gespräch. Die Genossen Karl Kern(Reichestberg), H. Müller(Aussig) und Schweizer(Brünn) sprachen über proletarische Erziehung.De; gegenwärtige Zustand ist unbefriedigend. Proletarische Eltern können fetten gute Erzieher sein;zu dem auch den bürgerlichen Eltern eigenen Kehlenpädagogischer Einsicht kommt bei ihnen der Mangelan Zeit und Mitteln zu erzieherischem Verhalte«.Unsere Schul« erzieht durchaus nicht in unseremSinn, ja nicht einmal im Sinne demokratisch-fortschrittlicher Bürgerlichkeit, sondern noch ganz für denaalten AutoritätSstaat. Deshalb greift das. Proletariat zur Sellbschilse mit den Organisationen der Kinderfreund«, der Roten Falken, des sozialistischen Jugendverbandes, der Aibeitersporwereine,— hier werden die Kinder zu dem Geiste sozialer Gemeinschaftgebildet, den chnen ihr« sonstige Umwelt nicht gebenkann. Freilich, wie überall auf diesen Gebieten nochviel Arbeit zu leisten ist, so darf doch auch die päda.I gogische Aufklärung der Arbeitereltern nicht vernach-; kässigt werden. Gerade die Einwirkungen der erstenKinderjahre find entscheidend für die Charakterbildung und für di« späte« Entfaltung der natürlichenj Anlagen. Das in di^er Zeit Versäumt« ist später1 nifsen, der Einfluß der Eltern, besonders der Mut-j Nissen, de rEjnsluß der Eltern, besonders der Mutter, doch immer noch maßgebend. Reben di« großangelegt« OrganisationStätigleit muß also unablässige Aufklärung und Anleitung der Arbeitereltern zuindividueller Pädagogik traten; es muß gelingen, ihr! Dechalten dem Kinde gegenüber auf sozialistisch«Grundsätze aufzubauen; in den tausend Wejnften Vorkommnissen des Alltags wird mehr gegen den GeiststS Sozialismus gesündigt, als di« großen Veranstaltungen der Festtage wiedergutmachen können.—Zwei Vorträge in der Woche ist wohl wenig undman kann nicht sagen, daß dieser Mangel durch besondere Güte der gebotenen Kunst wäre weLtgemachtworden. Das Chorkonzert der deutschen Lehrerbildungsanstalt in Prag und des deutschen Man-nergosongvereins Smichov war hübsch, besonders imersten Teil, der Madrigale von Änft, Isaak undOrlando Lasso bracht«; di« Dolksliedbearbeitungenaber sind übliche Liedertafel und die Sololisder vonTschaikowsky und Marx sind Limonade,— also kein«auf- und anregende Angelegenheit. Balladen vonLöwe vorn und Arien von Wagner und Meyerbeerhinten, mit der gewohnten Wortunverständlichkeit gesungen: erfreulich nur di« von Frau Liselotte Berkmann geschmackvoll und rein gespielten zwei Sätzeaus einer Cellosonate von Sammartini. Turmhochhob sich die einfache, seelenvolle Schönheit dieser altenMusik über die Nachromantik des 19. Jahrhunderts.Schillers Todestag beging Herr Martin Millervom Stadtthrater Reichenberg mit dem Vortrag desDemetriusfvagments. Herr Miller ist ein guterSprecher mit einem gewissermaßen schneidigen Pachos; er differenziert genügend, um die gewaltigeReichstagsszene plastisch zu gestalten. Ein interessantes Programm brachte das Liederkonzert derFrau Relly Grasern. Von Dr. Hertha Wien»C lau di manchmal etwas zu zurückhaltend begleitet, sang sie Goethe-Lieder in Vertonung von Beet hoven, Schubert und Hugo Wolf und gab so«inenHinweis auf vielfach unbekannte Schätze der Kunst-Auch sie spricht leider nicht klar genug aus; musikalische Sicherheit und eine in ollen Lagen ausgeglichene Stinflne sind ihr« Vorzüge; diese Stimme aberist zu hell, um die dunkler« Leidenschaft, das tiefsteGefühl auszudrücken,— ihr gelingen am bestenheiter bewegte oder schalkhaft neckische Stimmungen.So blieb denn auch in ihrem so wertvollen Programm manches unerfüllt.— Im Ganzen bewiesdiese Woche wieder di« inner« Planlosigkeit unseresdeutschen Radiobetriebs. Könnte man nicht einwenigstens Ave-iwöchiges Rahmenprogramm aufstel-'len, worin b«i Wechsel der Vortragenden uird Einzelthemen die Stoffgebiet« regelmäßig wiederkehrten,—das gäbe schon einen festen Weg, der uns das aufdie Dauer unerträgliche Schwanken hcs Zufalls ersparte. Fn r st e n a u.Die genarrten Spiritisten.Die Geister, di« Herr Bouchard rief, wird er nicht wieder los.— Chauffeur in guterFahrt—„Gaunereien" eines Hingerichteten.Die Bewohner der schönen Rhonestadt Lyon Caroes oder dem jungen Bey re bestimmte Geld-scheiiren sich, ähnlich wie Dr. Faust der Magi«, dem summen für chn übergeben, di« an geheimnisvollenSpiritismus ergeben zu haben. Denn in kaum einersicheren modernen Großstadt dürfte der Spiritismusso viel Anhänger besitzen, wie in Lyon. Nichtweniger als fünf eingetragene Spiritistenvereinehaben dort ihren Sitz, daneben zahlreiche Privatzirkel. Angesichts so heftiger Spiritisterei ist«Snatürlich erklärlich, daß bi« Leute den Sinn für dieWirklichkeit allmählich verlieren und sich von gerissenen Grunern nach allen Regeln der Geifterkunstausbeuten lassen. Mit welcher Frechheit«in' solcherGauner vorgegangen ist und welche Naivität dieOpfer an den Tag gelegt haben, zeigt folgender Fall,der zur Zeit ganz Lyon in Aufregung hält.Der Chauffeur im Aftralkknb.Der Fabrikant Bouchard hatte im Krieg seineneinzigen Sohn verloren. Er tröstete sich schließlichüber den Verlust dadurch, daß er mit feiner Frauurck» einigen Freunden, darunter einem jungenManne namens Beyr«, in abendlichen Zusammenkünften Tischrücken veranstaltete und dabei den Geistdes Verschiedenen frechen ließ. Eines Tages gründet« di« Familie mit ihren Freunden einen Klub,dem der pompös« Raine„Astralklub" gegeben wurde.Bouchard besaß em Auto; er hatte sogar«inenChauffeur. Dieser Chauffeur,-«in junger Breton«namens Jos« Caraes, sollt« ihm zum Verhängniswerden. Denn Caraes hatte schnell heranSgSfunden,daß fich mit der unschuldigen Spiritisterei feinetChefs ein glänzendes Geschäft machen ließ. Er beteiligte sich an den Geisterfitzungen und erwarb sichdabei ein solches Vertrauen, daß die Familie Bouchard ihn bald wie ihren eigenen Sohn behandelte.Da Caraes große spiritistische Talente entwickelte,wurde sein Einfluß auf di« Familie und der Freund«immer größer. Schließlich entdeckte er angeblich indem jungen Bey« ein glänzendes Medium undveranstaltete mit ihm Sitzungen, bei denen allmählich der Geist des im Kriege gefallenen jungenBouchard in den Hintergrund gedrängt und durchGeister berühmter Personen ersetzt wurden. Zudiesen gehört« vor allem der FreideuterkapitänMandrin, der im Jahre 1758 auf dem Marktplatzvon Valence öffentlich gerädert worden ist. Nachdemdurch Vermittlung des Mediums anfangs ein«Korrespondenz harmloser Art zwischen der FamilieBouchard und dem Geist Mandrins ausgetauschtworden war, wurde der Geist plötzlich anspruch-vollund verlangt« von Bouchard, er solle dem ChauffeurOrten deponiert werden mußten.Der Geist de» Geräderten.Bouchard zahlte, ohne mit der Wunper zu zucken,und war sogar erfreut, als ihm d«r Geist ab undzu durch Caraes auch Geld übermitteln ließ, dasanderen Mitgliedern des Klubs abgeknöpft wordenwar. Schließlich kündete-er Geist Herrn Bouchardund seinen Freunden aus Dank für die streng« Befolgung seiner Befehl« ein« große Üeberrafchnng an:er wolle ihnen bei der Auffindung von Schätzenbehilflich sein, die er selbst zu feinen Lebzeiten anverschiedenen Orken versteckt hab«. Dazu müsse aberei« Laboratorium eingerichtet worden, wozu 45.000Franes nötig seien. Es klingt kaum glaublich, aberes ist wahr: Bouchard zahlte die verlangten 45.000Francs an Caraes aus, der darauf ein„Laboratorium Mr archäologische und überirdische Forschungen^ gründet«. Diese- Laboratorium sich sehr seltsamaus: es bestand aus einem fast leeren Zimmer, dessenWände aber mit elektrischen Drähten, Anschlußrohrenund Ga Sh ahnen bedeckt waren. Dann ging man aufdie Suche nach den angeblichen Schätzen, die in Lyonunter dem vor einigen Monaten durch die groß«Erdrutschkatostroph« bekannt gewordenen Fourvidre-Hügel, unter verschiedenen Schloßruinen in der Näh«von Lyon und sogar in einem Dovst im Jura vergraben sein sollten.Speck im Schloß.Das Tollste leistet« sich Caraes jm Namen desGeiste- anfangs dieser Jahre». Er ließ Bouchardfolgerte Botschaft übermitteln:„Stecke 5000 Francsin«inen Umschlag und übergib ihn Caraes, der ihnim Keller mein«s Schlosses verstecken wird." Jetztspielte sich ein« Szene von höchster Komik ab. DaBouchard zugegen fein wollt«, während Caraes mitdem Geist verhandelte, fuhr der Geifterb«schwör«r ineiner dunklen Nacht mit Bouchard und dem MediumBey« nach den Ruinen des Schlosses Rochefort beiLyon. Schlag Mitternacht stieg das Trio in denKeller des Schlosses hinab, wo Caraes bei Kerzenlicht den Umschlag unter einen Stein legte. Dannwurden all« Lichter gelöscht und die Anwesendenverharrte« in tiefem Schweigen. Plötzlich ertönteein leichtes Geräusch. Als die Lichter wieder angezündet wurden, war der Umschlag mit dem Geld«verschwunden.„Der Geist Mandrin- ist in denBesitz des Briefes getreten", erKärte Caraes undHerr Bouchard»ah sich damit zufrieden.Jn ähnlichem Str!« ging es weiter, bis Bouchard etwa 200.000 Francs und sein Freund fastebenso viel an den Geist bzw. an Caraes ausgezahlthatten. Schließlich würden Bouchard die ständigenGeldforderungen doch zü bunt und er zeigte-jeSache bei der Polizei an, di« Caraes wegen Betruges und Erpressung sofort verhaften ließ.Telefonate am dem Jenseits.Natürlich fand nian nirgends eine Spur vonden Schätzen. Zur Fortsetzung der Nachforschungenverlangte der Geist immer neue Summen, einmal25.000 Francs, dann 12.000 Francs ufw. ObgleichHerrn Bouchard die Sache allmählich verdächtigwurde, zahlten er und ein anderes Mitglied desKlubs weiter, da sie durch geheimnisvoll« aus demJenseits kommende Briefe und Telefonanrufe zurErfüllung ihrer Pflicht unter Androhung strengerStrafen ermahnt wurden. Jm November vorig««Jahres wurde Bouchard sogar durch-en Geist aufgefordert, einem Amerikaner namens Wall«ine Voll-iimcht zum Ankauf seiner eigenen Fabrik auszustellen,wofür der Geist ein« Kommission von 2500 Francsverlangt«. Herr Bouchard gehorcht«, aber der Verkauf seiner Fabrik erfolgte natürlich nicht.B-dt.Volkswirtschaft und SozialpolitikResolution der Gewerkschaften 8h«die Arbeitsvermittlung.Die Konferenz der Gewerkschaftsverbände,die in der gemeinsame» Gewerkschaftszentrale,dem Odborove sdruLeni öeskoslovensks, vertretensind, hat in der Sitzung vom 14. Mai 1931 dieFrage der Arbeitsvermittlung behandelt nnd istder Meinung, daß die beschleunigte Lösung derFrage der gesetzlichen Regelung der Arbeitsvermittlung eines der wichtigsten Mittel ist, durchwelche zur Herabsetzung der Arbeitslosigkeit beigetragen werden kann. Die Konferenz erachtetdie Borlage über die Regelung der Arbeitsvermittlung Mr eine rein wirtschaftliche und sozialpolitische Frage, deren Vertagung einen großenSchaden für die Arbeitslosen und somit auch fürStaat und Volkswirtschaft bedeutet.Die Borständekonferenz verlangt eine einheitliche Regelung» wobei auch die Mitwirkungder Gewerkschaften und ihrer Arbeitsvermittlungen garantiert wird. Die Vorständekonferenzbegrüßt die Vorlage, welche das Ministerium fürsoziale Fürsorge vorbereitet und verlangt derenbaldige Durchberatung. Wenn auch die gemeinsame Zentrale gewisse Einwendungen gegen einzelne Bestimmungen der Vorlage hat, so erachtetsie dieselbe für eine geeignete Unterlage einerdringenden gesetzlichen Behandlung. Sollte dasGesetz über die Arbeitsvermittlung seine Aufgabeerfüllen, so muß es beinhalten:•1. Einheitliche Regelung der Arbeitsvermittlung und der Mftwirnma der gewerkschaftlichenOrganisationen und die Anerkennung ihrer Arbeitsvermittlungen.2. Die Pflicht der Arbeitslosen sich zu melden und desgleichen die Pflicht der Arbeitgeber,di« frei gewordenen Stellen anzumelden.3. Die Beseitigung der konzessionierten Vermittlungen, welche gewerbsmäßig geführt werden, ebenso der Vermittlungsstellen solcher Vereine, die keine Arbeitslosenunterstützung mit demStaatsbeitrage gewähren.4. Die Unentgeltlichkeit der Arbeitsvermittlung.•-n i.Frauenlaus.Novelle von Ernst Ludwig Auge».Theo Unruh ist todmiche, da er nach Haus«kommt. Und am liebsten hätte er sich sofort aufsein Bett geworfen und geschlafen. Tief, lange,endlos geschlafen. Ws in all« Gwigsseit! Umnur ja nicht wieder auftuwachen.Er versucht es auch— wirklich, er versucht«-. Aber er liegt kaum zehn Minuten, so, mitgeschlossenen Augen, dann springt er wieder auf.Er kann nicht schlafen, er kann ja nicht.Läuft in seinem Zimmer auf und ob, auf undob. Immerzu, ohne Unterbrechung. Wie einTier— wie die Eisbären im Zoologischen Garten.Ja, wie irgendein« Bestie, wie«in LÄve in seinemKäfig. So läuft er herum. Unermüdlich. Machtseinem Namen alle Ehre.Das mit Hilde— ja, das kommt ihm nichtaus«dem Sinn. Immer rtmß er an sie denken,an diese letzte Unterredung mit ihr, vor«in paarStunden. Bor einer halben Ewigkeit.Sie hat ihm einen Korb gegeben. Gut! Erliebt sie und sie sagt: Danke nein! Es ist schlimm,ist gewiß sehr schlimm. Aber dies und Aehnlichesist hundert Millionen anderen Männern auchpassiert, vor ihm. Sie habe« ein Mädelchen geliebt und einen Korb bekommen. Ein harterSchlag, natürlich. Eine grausame Enttäuschung.Aber sie haben es überwunden, alle. Donwenigen Ausnahmen abgesehen haben sie es über-tvunden. Die anderen, die Ausnahmen, endetenals Selbstmörder.Sic haben diese Enttäuschung in sich hinein-ßesrcflen wie ein« bitter« Medizin. Haben fichgeschüttelt wie Hunde, die man unvermutet inskalte Wasser geworfen hat, und haben dann dochweiter gelebt. Vielleicht nicht mehr ganz so froh,so heiter, so unbeschwert wie bisher. Aber dochgelebt.Und Wenn sie Glück hatten, wenn das Schicksal es gnädig mit ihnen meinte, haben sie nochzwei, drei Jahren ein« ander« kennen gelernt,lieben gelernt. Und sind, was man so nennt,Aücklich geworden, haben die Erste vielleicht garvergessen.Aber dies aber hier! Das ist doch etwasanderes. Etwas, das man nicht, nie vergißt.Denn hat Hilde nicht, all die Monate hindurch verstanden, ihm den Glauben einzuflößen,sie liebe ihn? Nicht weniger innig, nicht wenigerheiß als er sie liewe? Hat er nicht zwei DutzendBriefe aus ihrer Hand, die alle, vom ersten biszum letzten, das sagten? Dieses eine rmd einzig«.Und nun, plötzlich, soll Has alles nicht gewesen sein? Soll das alles nicht wahr sein?Unruh kommt sich, beschimpft, erniedrigt, ge-demütigt vor. Durch die Liebe zu einem Mädchen beschmutzt, das ihn wegwirst wie ein ausgedientes Spielzeug, in dem Augenblick, da derandere erscheint. Der Reiche, der Wohlhabende,der ihr ein Leben in Glanz und Wohlstand bietenkann. Der sie gekauft hat mit dem Recht desGoldes, das alles kauft. Auch Frauen! AuchLiebe! Sie hat gesägt, die Hilde, sie liebe denanderen. Sie habe sich getäuscht und sie liebenicht ihn, sondern den anderen. Er solle es ihrverzeihen, es ihr nicht nachtrogen. Weil sie dochbeide unglücklich werden würden, wenn er sie beidem einstmals gegebenen Wort nähme.Sie liebte chn, den anderen. Gut, natürlichliebt sie ihn. Und ihn, Unruh, den armen, unberühmten Maler hat sie Iveggeworfen, wie eineleere, ausgepreßte Zitrone.Aber sein Herz ist keine Zitrone, die manausquetfchen und wegwerfen kann. Er wird sichrächen— furchtbar wird er sich rächen.So nahe wohnen Liebe und Hoß beieinander?Die Frage quält den Mann. Wirklich so nahe?Jawohl— so nahe! Immer nur trennt einfadendünnes Wässerlein, eine hauchdüim« Wanddas Reich der Liebe iwn dem des Hasses. Eineinziges unerwartetes Ereignis, ein« Bitterkeit,eine Enttäuschung— eine einzige Demütigung-und man ist drüben auf der anderen Seite...„Ich könnt« sie töten" denkt Unruh. Wirklich, ich könnte sie töten. Ein schöner Gedanke.Ein trostreicher, wohltuender Gedanke. Aber fünfSekunde« später weiß er scbon, daß damit nichts,gor nichts gewonnen wäre.\Das wäre keine hinreichende Sühne. Dasentspräche nicht der Gröhe, der Glut seines Hasst».Eine Kein«, eine erbärmliche Rolle wäre das.Wie er wohl aussehen mag, der andere? DerGlückliche, der Rivale, der Bevorzugte? Er hatkeinen Haß gegen diesen Unbekannten— dennder hat ihm ja nichts getan, eigentlich. Ihnnicht belogen, und nicht betrogen. Uick> nicht ge-demütigt!...Fast ruhig denkt er an ihn.Wenn sie, wenn Hilde den anderen wirklichliebt— so denkt Unruh— dann, ja, dann mutzer wohl in allen ungefähr das Gegenteil vonihm sein. Weil doch jede Spur einer AehnlichkcitHilde an ihm, an Theo erinnern würde. Und ihrGewissen— wenn und sofern sie eines hat—dauernd wach gehalten würde. Dauernd beunruhigen müßte. Er wird cckso— grübelt Unruh— groß fein, weil ich Lein bin, breitschultrig,weil ich schmal und zierlich bin. Er wird brünettsein, denn ich bin Äond. Und im Uebrigen hatsie mir früher einmal lachend gestanden, sie habeeine Schwäche für brünette Männer und es seidoch eigentlich komisch, daß man wirklich niemalsseinen Typ Errate. Also braunhaarig oder garschwarz wird er wohl sein und braune Augenhoben, die meinen sind bla«. Ein schmales Sportgesicht mit scharfem Blick und energischem, vorgeschobenen Kinn. Weil meines rund ist mitweichen Zügen, und weil ich eine Brille tragenmuß. Und sehr elegant, sehr gut geLeidet, wirder sein, nicht so wie ich, der onf solche Dingenicht viel Wert legt.Ganz genau hat er ihn vor Augen, denanderen.' Bon dem er glaubt, von dem er überzeugt ist, daß er ihm eigenstich gleichgültig sei.Dann denkt er wieder an das andere, an seineRache.,Zch darf sic nicht selbst töten" denkt er.„Sie soll leben— das ist eine größer« Qual. Ichwill sie in dem tresten, was ihr das Liebst« ist.In dem anderen— in meinem Nachfolger.",^Ja— in dem will ich sie treffen. Nichtweil ich ihn hasse— ich hasse ihn ja gar nicht.Aber er muß büßen, was HWe verschuldet hat."Unruh kramt in stin«m Schreibtisch, greiftwieder nach Hut und Mantel.Jetzt ist es schon spät, schon nach neun Uhr.Aber er kennt die Stätten, die Hilde bevorzugt,an denen sie zuweilen ihre Abende zu verbringenpflögt. Vielleicht findet er sie.Lange, ziemlich lange irrt Unruh umher.Endlich doch, kurz vor Mitternacht, erreicht ersein Ziel. Findet sie. Jn einem Leinen Weinlokal, wo er selbst mit ihr manches Mal gesessen,getanzt, die rinnenden Stunden verplaudert hat.Neben ihr sitzt ein junger Mann. Selbstjetzt, im Sitzen, sieht man, daß er groß, sehrgroß sein muß. Groß ist er und breitschultrig undbrünett. Mit dem scharst», schmalen Gesicht desSportsmenschen, vorgeschobenem Kinn, energischen Zügen. Sehr gut, sehr elegant angezogen/Unruh weiß Bescheid— sogleich weiß er Bescheid. Er besinnt sich nicht lange, denn er fürchtet, Mut und Kraft könnte versagen, wenn ernoch lang« überlegt. Er schießt, kaum daß Hildemit einem fragenden, erschreckten Mick sein Hiersein zur Kenntnis genommen hat.Der andere verzerrt sein Gesicht grauenhaft.Ganz schief sieht es jetzt ans, das Gesicht. Undeine Sekunde später rollte der schwere Körperdes Mannes vom Stuhl herab auf den Fußboden.Hilde schreit— furchtbar schreit sie auf. AlleMenschen im Lokal schreien, brüllen, laust« zusammen. Zwei, drei stürzen sich auf Unruh,greistn nach seinen Armen, entwinden ihm dieWaffe.Er wehrt sich nicht, er sieht nicht auf denLiegenden. Auf Hilde blickt er.Und da ist auch einer in Uniform. Undnoch einer. Und ein Dritter. Der wendet sich andas Mädchen, deutet auf den Körper zu seinenFüßen.„Kennen Sie den?" fragt er.Das Mädchen nickt— ihre Augen habenkeine Tränen.„Ja", haucht sie. Stottert sie.„Es ist.....es ist mein... Bruder".Unruh dort nichts mehr, sieht nichts mehr.Das Lächeln, das grausame Lächeln erstirbt.Um ihn ift Dunkel!..,