Ät. 141«.

Donnerstag, 18. Juni 1881.

Sette 5.

T«s eines Rekordsli<H«rs. Der französische Flieger Paillard, langjähriger Inhaber des Well­rekords im Langstreckenstug, ist an den Folgen einer Blinddarmoperation gestorben. Schießende Bahnräuber. Eine Bande von Eisen­bahnräubern versuchte am Dienstag zwischen Berta Und Dankmarshausen bei Kassel den Waggon eines Eilgürerzuges auch»plündern. Die Räuber öff:«ten den Wagen und warfen seinen Inhalt auf den Bahndamm. Kriminalbeamte, die im Zuge mit­fuhren, wurden auf die Räuber anfmerHam und versuchten sie- festzunehmen. Diese sprangen ab, zogen Brownings und beschossen die Beamten, die dos Feuer erwiderten. Der Bande gelang es schließ­lich zu entkommen, trotzdem einer der Räuber eine Schlchverletzung erhalten hatte.

Sanierung mitLichtfeft". Auf dem ,ZeldenPlatz" in Wien wurde ein Monstrekonzert der vereinigten Wiener Regi- mentsmusiker" abgehalten. Die Hofburg und die beiden Monumente auf dem Platz wurden von Wer 80 Scheinwerfern in ein Meer von Licht ge­taucht und man kann sich vorstellen, daß die Be­geisterung allein über diese Festbeleuchtung einer verarmten Stadt schon groß gewesen wäre, im Hinblick auf die düstere lichtlose Wirtschaftslage, welche durch die Scheinwerfer das einzige List­moment erhielt. Aber wer da glaubt, daß diese Freude nicht mehr steigerungsfähig gewesen wäre, der irrt. DasNeue Wiener Journal" vom 14. Juni berichtet darüber:Besonders diePrinz Eugen - Fanfare" und derDoppel-Adler-Marsch wurden mit begeistertem Beifall ausgenommen, d e r l e tz te r e M a r sch m u ß t e s o ga r zw e i- mal wiederholt werden." Gratuliere zu dem Erfolg. Schon die k. k. Re- gimentsmnsik war erstklassig; Wie erstklassig muß erst hie Regimentsmusik einer Republik sein, von deren Wehrmacht die Regimentskapelle als wesent­lichster Bestandteil übrig blieb und die nun die vaterländische Pflicht hat, mit alten Weisen und FanfarengetönBegeisterung" zu wecken, wo Trauer amHellten-Platz wäre. Jene Märsche, die das Entzücken einer Welt bildeten, bedeuteten gottlob auch ihr Ende. Aber man hat die Abficht, mit der MusikStimmung meine Herrschaften" zu machen und eS ist nur bedauerlich, daß sich der Baugoin nicht in Uniform und MaSke des alten Herrn auS dem Schönbrunner Park" an einem der beleuchteten Fenster zewte, um als Ge­spenst seiner geliebten Tradition" von der begei­sterten Menge zum Marsch noch das üblicheKai­ser-Hoch" zu erhalten. Dann wäre der Höhepunkt des Abends über das Nivea« desNeuen Wiener Journals" gehoben worden bis in jene Höhen, wo der Irrsinn sich als solcher deklariert ganz wie einst; und wohin man ja auch gelangen will. Aber das will man nicht nur in W i e n allein das ist so der Zug der Zeit. Nur, daß diese Absichten einer bestimmten reaktionären Klasse in Wen am leichtesten in ihrer ganzen Lächerlichkeit und verantwortungs­losen Dummheit zu erkennen find. In dem Augenblick, da die Wirtschaft des Landes und mit ihr seine Bevölkerung durch den Zusammenbruch dervornehmsten" Bank Oesterreichs vor einer Katastrophe von ungeahntem Ausmaß stand, 'welche nur durch eine Sanierung in gleich phanta­stischen Dimensionen verhindert wurde spielen diese Herrschaften dem Volke traditionelle Weisen vor, sanieren dessen Elend mit dem Anblick eines glänzenden Lichtfestes; aber keine noch so große Anzahl von Scheinwerfern kann die Schatten auf­lösen, welche diese Herren auf das arme Land werfen. Zu dem GedichtBurgmufik" heißt es: Nein, der Wiener geht nicht unter nicht ein­mal im Lumpentum. Zu diesem Optimismus ist kein Anlaß mehr. Scheinwerfer rücken ein neues Lumpentum in den Glanz eines Lichtfestes und Regimentsmustker spiele« beim Untergang auf. Der Igel.

-er Ausweg. Es ist gewiß kein Zufall, daß ich gerade im klerikalenPraLsty Beöevnik" die Notiz las, ein I zum Töde verurteilter Mörder sei i-m Gefäng­nis irrsinnig geworden. Die übrigen bürgerlichen Blätter haben wohl der Gefahr, als Schuldige erkannt zu werden, ddn Verzecht auf diese gewiß selbst den verwöhntesten Ansprüchen, gerechte Sensationsnachricht vorgezogen; nur der Kleri­kale kann die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne seiner heiligen Pflicht zur Erziehung der Gläubigen zu genügen, und hält in stilechter Selbstverleugnung auch noch die zweite Backe hin. Ich will von ihr Gebrauch machen. Keiner es sei denn, daß er für seine Kardinaltugend umfassende Ahnungslosigkeit hielte kann es überzehen, wie das fressende Feuer des frommen Sadismus, mit redaktionel­lem Salböl genährt, zu einem riesigen Fanal auflodert, das die geistige Sünde feiner Hüter grell beleuchtet und weithin sichtbar macht. Die Pflicht den Nächsten zu lieben, enthebt sie der Verantwortung dafür, daß ein Entfernter, 14 mal 24 Stunden auf seine Hinrichtung wartend, zweimal nm den Selbstmord betrogen, weil der Strafvollzug diesen unlauteren Wettbewerb nicht duldet, aus Angst vor dem Sterben irrsinnig wird. DerPraLskx Beöernik" berichtet zwar ölig, der Verurteilte(er heißt BhstrF) sei von Visionen seiner schrecklichen Tat verfolgt wor­den und unter der drückenden Erkenntnis der Abscheulichkeit seines Verbrechens^ zusammen­gebrochen;-ich weiß aber, daß die Sache anders fit, daß nicht Reue es war, sondern die entsetz­lich«, würgende Angst vor dem Strick. Jetzt ist er ihm entronnen, denn die Todesstrafe käme doch um ihre bekannte abschreckende, bessernde.

vorbeugende und was weiß ich was für Wirkung, wollte man sie zur Euthanasie herabwürdiaen. Jetzt darf er leben, zu lebenslänglichem Irrsinn begnadigt"; aufgehängt werden nur gesunde, normale Menschen. Nur den SatzGott hat ihn dem Arme der irdischen Gerechtigkeit entzogen", habe ist in der Notrz vermißt(und die Belehrung, ob der Irr­sinn als Gnade Gottes für die bewiesene Reue oder als seine Strafe für das Verbrechen anzu­sehen sei). Solche unkontrollierbare Erklärungen pflegen die klerikale Berichterstattung zu erbau­licher Wirkung zu heben. Unsere Notiz beschränkt sich auf die weit realere Feststellung, daß BystrF in eine Irrenanstalt geschasst werden müsse. Kein Denkender kann daran zweifeln, daß der Mann

nicht wahnsinnig geworden wäre, hätte er nicht hilflos auf seine Hinrichtung warten müssen. Bloß diese transzendentalen Henkersknechte wollen das nicht wahr haben, wollen nicht sehen, daß ihre sogenannte göttliche Gerechtigkeit von den Resten lebt, die die irdische sogenannte Gerechtig­keit übriggelassen hat. Mrn muß nicht selbst zum Tode verurteilt sein, um angesichts der Institution der Todes­strafe die Vernunft zu verlieren. Man kann ihrer jedoch nicht genug verloren haben, um flöh mit der Todesstrafe kaltblütig abfinden zu können. Wer aber mit ihrer Ausschrotung sein journalisti­sches Programm bestreiten zu dürfen glaubt, der verdient sie zehnmal. Die Todesstrafe nämlich. Dr. Herbert Pollatschek.

Arbeitslosigkeit- vor 2000 Jahren. Der erste Arbeiterführer-er Geschichte. Orgauisterte Erwerbslosen­unterstützung im alte« Rom. Das sozialistische Alt-Peru. Bon Ferdinand Domscheit.

Vielfach hört man heutzutage die Ansicht vertreten, daß die Arbeitslosigkeit eine typische Erscheinung unserer Tage sei. In denGuten, alten Zeiten", hört man bisweilen seufzen, hat man etwas derartiges gar nicht gekannt. Ein kleiner, flüchttger Spaziergang durch die Ge­schichte der Menschheit lehrt das genaue Gegen- teil. Es gibt keine Epoche mit kapitalistischer Wirtschaft, die nicht dem Problem der Arbeits­losigkeit gegenübergestanden hätte. Eine Aar historische Beweisführung zeigt, daß die Arbeits- losigken nicht immer nur die vorübergehende Folge großer und verlustteicher Kriege gewest» ist, sondern daß die Arbeitslosigkeit wn tiefsten Frieden, ja sogar inmitten einer gewissen wirt­schaftlichen Blüte, als Dauererscheinung im Kapi­ talismus durchaus nichts Neues ist. Mit Arbeitslosenproblemen hatte insbeson­dere das alte Rom zu kämpfen. Eines der be­kanntesten Kapitel der römischen Geschichte ist das der griechischen Unruhen. Tiberius und Gajus Grachus waren leidenschaftlich bestrebt, das Los der Armen, insbesondere des nach Hunderttausenden zählenden Sklavenstandes, zu lindern. Nach der Ermordung von Tiberius Grachus war es besonders Gajus Grachus, den man mit Fug und Recht als einen der ersten Arbeiterführer der Ge- schichte bezeichnen darf. Er besaß zuzeiten einen riesigen Anhang. Es gab damals in Italien , glaubwürdigen zeitgenössischen Berichten zufolge, über eine Million Arbeitslose. Gajus versuchte, deren Not durch Sttaßenbauten, öffentliche Ar­beiten und überseeische Auswanderung zu mil- dern. Von Crassus , der de» gefährlichen Sklaven­ausstand des Spqrtactls niederschlug, wird, berich­tet, daß er sich, um weiteren ArbeitSlostn- unruhen vorzubeugen, gezwungen sah, Kornspen- den an das hungernde Volk zu verteilen. Diese Kornspenden nahmen bald die Form einer stän­digen Einrichtung an. Man kann sie daher die erste organisierte Arbeitslosen­unterstützung der Welt nennen. Wenn die afrikanischen Kornschiffe einmal äusblieben, waren Unruhen die unausbleibliche Folge. Die Arbeitslosigkeit im alten Rom war prozentual bedeutend größer als bei uns. Das schon deshalb, weil es in Rom fast keinen Mittelstaiid gab, son­dern nur Reiche und Proletarier. Jeder, der Ar­beitskräfte benötigte, kaufte sich bei den großen Sklavenmärkten die erforderliche Anzahl von Sklaven, weil das billiger war, als wenn er die Löhne römischer Arbeiter hätte bezahlen müssen. So kam es, daß römische Bürger, die kein Ver­mögen besaßen, in ihrer Heimat fast keine Arbeit finden konnten. Unter Augustus wurden daher sogenannteArmutslisten" angelegt, in die je­dermann eingetragen wurde, Ser weder Vermö­gen hatte, noch einen Arbeitsplatz besaß. Die Ge­schichte meldet, daß zahlreiche Bürger um Auf­nahme in diese Listen baten, worauf sie an den Kornspenden und Armenspeisungen Anteil hatten. In der ganzen Weltgeschichte findet sich bis­her ein einziges Beispiel dafür, daß der Staat sich bemüht hat, durch großangelegte soziale Maß­nahmen die Armut vollständig verschwinden zu lassen. Das ist das alte Peru , vielleicht der voll­kommenste Staat, der jemals existiert hat. In

Peru gab es keine Armut, kein« Arbeitslosigkeit und kernen Hunger. Im alten Peru gab es über­haupt kein Privateigentum. Für iws Boll be­stand die gesetzliche Arbeitsverpflichtung. Träg­heit war ein strafwürdiges Vergehen. Es war Pflicht der Gemeindebeamten, jedem Einwohner soviel Land zuzuweifen, wie er zum Unterhalt einer Familie bedurfte. War die Unterhaltung der Bevölkerung einer Provinz nicht mchr ge­sichert, so wurden Kolonisten in dünner bevol- kerte Teile geführt. Indem, der Staat für den Unterhalt jedes Einxlnen sorgte, beseitigte er die Armut und die Bettelei. Jeder Bürger war bis zum 25. Jahr vollständig ftei. Dann mußte er sich vecheiraten und der Staat sorgte noch fiir ihn während der ersten Jahre der®je. Dann Wurde ihm Land zugewiefen und ein Haus er­baut. Die Arbeitsverpflichtung bestand bis zum 50. Lebensjahre. Von da an, wie auch in allen Fällen der Arbeitsunfähigkeit, übernahm die Ge­meinde seine Versorgung bis ans Lebensende. Auch die schlimmste Mißernte hätte keine Gefahr bedeutet, denn für diesen Fall waren in großen Magazinen Kornvorräte für sieben Jcchre ange- ! häuft, die immer wieder ergänzt wuichen. Es ge­lang den stammen spansschenEroberern", aus dem vollkommensten Staat der Erde in wenigen Jahren eine Wüstenei zu machen, in der Hun­derttausend« arbeitsloser Peruaner Hungers starben. Aus der neuesten Geschichte gibt es nicht einen bemerkenswerten Versuch, der Arbeits­losigkeit durch produktive Fürsorge beizukommen. Das war im Frankreich des Jahres 1848, im Anschluß an die Februarrevolution, die den Sturz des Bokkskömgs Louis Philippe herbei­führte. Um den Arbeitern, die dabei ihr Blut vergossen hatten, zu helfe«, würden damals die sogenanntenNationalwerkstätten" eröffnet. Der neue Staat hatte die Zusage gegeben, daß darin jedermann Arbeit erhalten solle. Man kam aber sofort in Verlegenheit, als man darüber beriet, mit was für Arbeiten man die Massen brotloser Arbeiter beschäftigen solle. Es blieb schließlich nichts übrig, als riesige Evd- und Sandmassen in der Umgebung von Varis umgraben zu lassen, Die Arbeit bestand dann, daß der Sand einfach ein paar Meter Wetter gefahren und wieder aud- geschüttet wurde. Der Zustrom aus den Kreisen des französischen Proletariats wurde immer grö­ßer. Jeder in denNationälwerkstätten" beschäf­tigte Arbeiter erhielt für diese sinnlose Arven zwei Franken täglich. Die Ausgaben tvuchsen ins Unendliche. Dieser erste Versuch einer produk- ttven Arbeitslosenfürsorge mußte schließlich zu einer Katastrophe führen. Die Werkstätten mutz­ten geschlossen werden und die Folge davon tvar ein mörderischer Ausstand nnd Straßenkrieg, der in Paris allein über 20.000 Menschenleben for­derte. Auch im Berlin des Jahres 1848.anläßlich der Märzunruhen, wurde der Ruf nach solchen Nationälwerkstätten laut. Es kam aber nicht dazu. Arbeitslosenunterstützung in der heutigen Form gab es vor dem Kriege schon in dem schwei­zerischen Kanton Biel , dem Sitz der Uhrenmdu- strie, wo eine sehr wechselnde Konjunktur herrscht nnd plötzliche Massenentlassungen an der Tages­ordnung such.

Kleine Chronik Revolte im Frachkmnn Di« Bienenschlacht zwischen Himmel und Erde.- Notlandung ans der Wies«. Ein kluger Scheich. Paris , im Juni. , Aus dem Marseiller Flugplatz. Das Pariser Post- und PassaMrflugzaug steht startbereit. Die Fahrgäste treffen«in>md nehmen Platz, Ein paar Kvufleute und ein marokkanischer Scheich, der zur Kolonialausstellmig will Schließlich mich zwei Damen, insgesamt sieben Fahrgäste. Der Fracht­raum ist voll geraden. Postsäcke aus Südamerika , spanische Zeitungen, Frühgemüse und Erdheeren ans Algier für die Pariser Äurus-Speistftätten. Schließ­lich noch: vier Körbe Bienenvölker, die in dem er­wachenden Norden sozusagen ans Sommerfrische fahren. Der Pilot und der Mechaniker steigen ei«. Es ist Zeit. Ein Glockensignal ertönt, der Direktor des Flugplatzes kommt aus seinem Büro. Zlbfahrt. Wenige Sekunden später hebt sich der große Bogel von der Erde. I» fünf Stunden soll Paris erreich: werden. Ohne Zwischenlandung. Unterwegs. Die Propeller summen Die Köw* der Bienenvölker sind im Fracht raann etwas zurück­gerutscht. In einem der Mrbe, der schlecht verpackt wurde, öffnet sich ein Spallt. Ein paar vorlaute Tierchen wagen sich heraus. Die Bienenkönigin ist unternehmungslustig. Sie kriecht hervor. Im näch­sten Augenblick folgt der ganze Schwarm. Man hört einen Aufschrei im Passagier.raum. Eine der Damen ist aus ihrem Sessel gesprungen und schlägt ver« Zweifelt mit ihrem Taschentuch um sich. Ein« Sekunde'darauf ist di«.Katastrophe" geschehen. Ter Bienenschwarm fällt wie ein Platzregen über die Fahrgäste her Alles springt aus. renatt durchein­ander, das Muazcny versiert das Gleichgewicht und schwankt bedenklich. Der Pilot blickt zurück, begreift nicht und macht ein entsetztes Gesicht. Nur der marokkanische Scheich bewahrt mit dem Weichmul des Orientalen die Fassung. Er' zieht die weiße Kapuze seiner Kleidung weit Wer den Kops und bleibt sitzen, em verhüllte« Wandbild. Di« Bienen­königin laßt sich auf dem Haupt des Marokkaners nieder, der Schwarm schart sich um sie und nur einige.^disziplinlose" Tiere fahren in ihren Angrif­fen aus die Fahrgäste fort. Der Mechaniker stellt endlich fest, Wok vorge.fallen ist und brüll: dem Piloten einige Worte ins Ohr. Der dränst ans, denkt an den ZeitverilNft, entschließt sich aber doch schließlich zur Notlandung. Ms dak Flugzeug auf«wer Wiele in Mi:«-l- srankreich wohlbehalten niedergeht, wird der marok­kanische Scheich endlich von seiner gefährlichen Last besteit. Durch d«n Stoß fällt der Schwarm von -seiner Kapuze, fliegt aul dem Fenster, kleb< sich an«inen Baum Und wird schließlich wiedei ein­gefangen.. So endete der tragikomischc Zwischenfall, del leicht gefährliche Folgen hätte haben können. Das Flugzeug kras mit einer Wunde Verspätung m Paris ein. Fast alle Fahrgäste mußten sich mit gefährlich zerstochenen Gesichtern umgehend'in ärzt­liche Behandlung begeben. Nnr der klug« MaroWamer ging unbeschädigt ans der stachligen Affäre Herder.

Ein Monstm-Ehorwrizert in Riza , Das lettische Volkslied ist eines der kulturellen Güter, dir sich dieses kleine Volk durch Jahrhunderte lang während der Zeit seiner politischen Knechtung erhalte« hat. In der jungen Republik erfährt das Bolt«lieb eine besonder« Förderung. Erne groß« Anzahl dieser Volkslieder wurde für d«r Chorgesaug bearbeitet und Heuer ist man daran geschritten, eine Liederscier in Riga zu veranstalten, wie sie das Land und viel­leicht das ganze Baltikum noch nicht erlebte. In der Zeit vom 19. bis SB. Juni d I. weiden nicht weniger als 960 lettische Chöre-mit 17.000 Sängern in Riga gastieren, darunter befinden sich L6 Chöre, die in R«ga bestehen. Die Proben zu diesen Kon­zerten finden schon seit Oktober vorigen Jahr«? statt. DaS Fest wild durch daS Tragen der alten , lettischen Volkstracht einen besonderen Charakter haben.. Während der Zeit der Sängerfeiern findet in Riga auch eine Ausstellung lettischer bildender Kunst und PolkSkunst statt. Di« Feierlichkeiten st-.chen unter dem Protektorat deS Präsidenten van Lettland .

Ad acta. Bon Pierre Lorent. Ein engmaschiges Gitter läuft quer durch den Raum, der muffig düster unter einer Dek- kenwölbung wuchtet. Ein quadratischer, kahlge­schorener Schädel, weiß-schwammige Backen und leuchtende Augen stehen dahinter wie ein Mal der Vergeltung. Wie geht es dir?" Eine Frau flattert herein und bleibt auf der anderen Seite des Gitters stehen. In Hellem Sommerkleid. Mit grellen Lippen, hell hoher Stimme. Schärfster Gegensatz zum Sträfling auf der anderen Seite des Gitters springt auf. Knappe Worte schleichen durch die Draht­machen. Dazwischen liegen Pausen, drückend wie Lasten. Was hätten sie einander auch zu sagen? Worte können in Schmerzen geboren werden. Die Augen suchen Verständigung, doch der Raum ist düster, und das Gitter läßt de« Blick ver­schwimme«. Ins Wesenlose hinüber. Jenseits oller Hoffnung. ,Lch habe Pappo getroffen!"

Der Sträfling schneidet eine Grimasse. Was will er von dir?" Nichts. Nur so." Sie sagt es nebenbei. Dann wieder eine Pause, in der das Herz des Sträfling fieberhaft arbeitet, pochend bis an die Schädeldecke schlägt, als wollte es sie sprengen. Schluß!" Die schnarrende Stimme des Aufsehers jetzt der Besuchszeit ein Ende. Der Sträfling geht durch hallende Gänge in seine Zelle zurück. Die Frau flattert in den sonnigen Tag hinaus.. Zwei Monate später steht der Sträfling wieder hinter dem Gitter. Erwartung in den Augen, Bitternis im Hirn, Sehnsucht auf den Lippen, Haß im Herzen. Haß gegen alles: das Gitter, die Sonne, das Leben. Die Frau flattert herein. Ein Herbstkleid in satten Farben. Ein still lächelndes Wesen voll sinnlicher Sattheit in den Augensternen. Ein Mann steht neben ihr.Ich habe Pappo mitge­bracht", meint sie. Der Sträfling nickt schwei­gend. Was soll er dazu auch sagen? Pappo spricht nichts und scheint betreten zu sein. Dafür spricht die Frau, als ob sie Ver­legenheit fortwischen wollte, Schuldbewußtsein vernichten. Der Sträfling horcht und sieht. Er

erfühlt und erlauscht mehr als andere Menschen, denn Kerker verfeinern die Innerlichkeit. Wir werden gehen!" meint die Frau. Dann geht eben!" gibt der Sträfling zurück. Pappo nickt hastig und folgt der Frau, die in den leuchtenden Herbst hinausflattert. Der Sträfling blickt ihnen sinnend nach, und der Auffeher muß ihn in die Gegenwart zurück­rütteln... Ein Brief fliegt in die Zelle. Unbeholfene Buchstaben reihen sich zu unbeholfenen Worten aneinander.Ich und Pappo fahren nach Ita­ lien zu seinen Eltern. Er übernimmt das Ge­schäft. Wir werden heiraten. Du wirst es ver­stehen. Wir beide kommen doch zu nichts. In bester Erinnerung Dein«..." In der folgenden Nacht findet man den Sträfling mit durchschnittener Kehle in der Zelle. Er hat sich die todbringende Wunde mit einem geschärften Löffelstiel beigebracht. Und nun weiß man auch den Namen der Frau, für die der Sträfling gestohlen hatte. Aber durch seinen Selbstmord ist alles zweck- und sinnlos geworden. Der Fall wird ad aeta gelegt.